Zwölftes Kapitel

Bei der Abfahrt saßen sechs Frauen auf dem Planwagen. Neben Madame Joyce, die kutschierte, hockte Susanne, die Füße auf zwei gusseiserne Pfannen gestellt, zwischen den Knien einen Vogelbauer, in der einen Hand einen Sonnenschirm und in der anderen eine Petroleumlampe. Hinter ihr hatten sich die anderen vier Mädchen, Amy, Rose, Cherry und Jane, auf einem Wollballen platziert. Als es aus den Five Points hinausging und die Menschen am Straßenrand ihnen winkten und Glück wünschten, da trugen Amy, Rose, Cherry, Jane und Madame Joyce farbenfrohe französisch aussehende Hüte, die mit Federn geschmückt waren. Weitausladende Röcke – oder Krinolinen wie bei Cherry und Amy – bauschten sich um ihre Beine, und bunte Unterröcke, hohe Knopfstiefel, Pelzmuffs und Seidenschals tupften Farben ins Spiel. Ihre Haare glänzten, die Gesichter waren frisch und rotwangig, und ihr Lachen hallte durch die engen Straßen des Viertels.

Susanne war das Gegenteil ihrer Reisegefährtinnen. Die Reise hatte sie verändert. Seit sie wusste, dass sie auf Gott nicht zählen konnte – zumindest wenn er in Gestalt eines Priesters daherkam –, hatte sie das getan, was ihr richtig erschien. Statt neuer Kleider hatte sie sich eine Flinte und einen Revolver samt Gürtel gekauft, die nun zu ihren Füßen lagen. Sie trug Pumphosen und Arbeitsstiefel, als wäre sie eine Rinderfarmerin. In ihrem Herzen war sie unsicherer und ängstlicher, als sie nach außen hin wirkte, doch Susanne hatte beschlossen, ihr Leben von nun an in die eigenen Hände zu nehmen, auch wenn das bedeutete, ein wenig anders als die anderen zu sein.

Zwei Monate später war der vergnügte, farbenfrohe Auszug aus den Five Points nur noch Erinnerung. Die Mädchen schlotterten in ihren Kleidern mit zerfetzten Säumen. Auf den bunten Hüten fehlten die Kirschen und Bänder, die Haare hingen wirr darunter hervor, die Schuhsohlen klafften. Ihre Haut war braun und knochentrocken, die Lippen so spröde und rissig, dass es nicht einmal half, sie hin und wieder mit Butter zu bestreichen. Sie waren staubbedeckt, müde, grenzenlos erschöpft. Der Kanarienvogel, der zu Beginn der Reise lustig in seinem Käfig herumgesprungen war, war gestorben, dafür trotteten jetzt zwei Ochsen hinter den Wagen her, die immer wieder die zu Tode erschöpften Pferde ablösten. Unter der Vorderachse des Wagens hingen die Eimer zum Füttern, unter der Hinterachse das Wasserfass. Anfangs hatten Madame Joyce und die Mädels unterwegs lauthals gesungen, nun aber ging die Reise beinahe stumm voran. Am Abend hielten sie, und die Mädchen begaben sich auf die Suche nach Feuerholz. Als sie noch durch Wälder gefahren waren, war die Holzsuche kein Problem gewesen. Jetzt aber waren sie in der Prärie angekommen. Nur struppiges Weidengras, wohin man auch sah.

 

Susanne stand neben dem Wagen, die Beine in der Pumphose ein wenig auseinandergestellt, die Zigarette im Mund, den Hut auf dem Kopf und den Revolver im Gürtel. Ihr schwangerer Achtmonatsbauch bildete einen seltsamen Kontrast zu ihrem Aufzug.

«Was ist los?», wollte Madame Joyce wissen.

«Es gibt nichts zum Heizen», erwiderte Susanne. «Es sei denn …»

«Was?»

Susanne lachte ein wenig. «Es sei denn, ich kann die Mädchen davon überzeugen, Büffelfladen aufzusammeln. Getrocknet sollen sie hervorragend brennen, habe ich gehört.»

Jetzt kicherte Madame. Dann wurde sie ernst. «Du hast dich verändert, Susanne», sagte sie.

Susanne lachte. «Wie denn?»

«Als du zu uns gekommen bist, da warst du ein unsicheres Mädchen, geduckt von Kummer und Angst. Ich habe befürchtet, du würdest vor die Hunde gehen, wenn wir dich allein in New York lassen. Und die Mädchen hatten Bedenken, dich mit in den Westen zu nehmen. Sie hält nichts aus, sagten sie. Sie wird uns nicht helfen, sondern nur eine Last sein. Aber sieh dich jetzt an.»

Susanne warf die Zigarette in den Dreck, zerdrückte mit dem Stiefelabsatz die Glut. Dann sah sie auf ihre derben Stiefel, in denen die weiten Pumphosen steckten. Ihre Fingernägel waren abgebrochen, das Haar achtlos unter den Hut geschoben. Seit Tagen hatte sie sich nicht mehr waschen können, ihr Gesicht war dreckverschmiert, die Hände schwarz und schmierig. Wer sie von weitem sah und nicht auf den hochgewölbten Leib achtete, konnte sie ohne Probleme für einen jungen Mann halten. Für einen jungen vor Schmutz starrenden Mann mit einem besonders zarten Gesicht.

Susanne zuckte mit den Schultern. «Mir gefällt es so.» Sie hatte noch nie viel Wert auf Kleider und Putz legen können. Dazu war sie immer viel zu arm gewesen. Seit sie schwanger war, und vor allem seit der Grobian tot war, waren ohnehin ganz andere Dinge von Bedeutung. Doch Susanne hatte nicht die Zeit, um weiter darüber nachzudenken.

«Ich meine nicht nur dein Aussehen. Ich meine dein ganzes Wesen. Mir scheint, du bist gewachsen. Die Mädchen hören auf dich. Sie erweisen dir mehr Respekt als mir.»

Susanne drehte sich um. «Sind Sie deswegen ärgerlich?»

«Ach, Kind, nein. Wirklich nicht. Ich habe es nicht so mit der Verantwortung, obwohl ich mein ganzes Leben lang welche getragen habe. Meistens für andere. Jetzt hast du mir ein wenig davon abgenommen.»

Susanne suchte in ihren Taschen nach einer weiteren Zigarette. Sie strich das Schwefelholz an ihrem Stiefel an und stieß gleich darauf eine graue Rauchwolke aus. «Ich habe aufgehört nachzudenken», erklärte sie. «Ich tue einfach, was getan werden muss.»

Sie legte die Hand über die Augen, schaute über die Prärie und rief den Mädchen zu, dass sie nach Büffeldung Ausschau halten sollten. Die Mädchen protestierten. Amy stemmte sogar die Fäuste in die Hüften: «Wir sollen in Büffelscheiße greifen? Das ist nicht dein Ernst!»

«Wenn ihr es nicht tut, bekommt ihr nichts zum Essen», erwiderte Susanne knapp und wandte sich ab. Sie klappte das hintere Teil des Planwagens aus, legte ein Holzbrett darauf, verknetete Maismehl mit Wasser und rollte Fladen aus. Dann schnitt sie von einer dicken Speckseite sechs fingerdicke Scheiben ab. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie die dunklen Wolken nicht bemerkte, die aufgezogen waren. Die Mädchen kamen zurück, warfen angewidert den Büffeldung auf die von Susanne vorbereitete Feuerstelle, da begann es zu regnen. Die Mädchen kreischten, flüchteten in den Wagen. Susanne aber spannte ihren Schirm auf und bedeckte damit das Feuer. Als der Dung kräftig brannte, stellte sie eine Pfanne darauf, legte den Speck hinein, die Maisfladen darüber und wartete. Der Regen wurde stärker, und sie musste den Schirm so über das Feuer halten, dass ihr Rücken ganz nass wurde. Aber sie hielt den Schirm stoisch, als wäre das Wetter nichts, das ihr etwas anhaben könnte. Als die Maisfladen und Speckscheiben endlich fertig waren, klappte sie den Schirm zusammen und trug ihn und die Pfanne zum Planwagen.

Die Mädchen hatten es sich mittlerweile auf dem Wollballen bequem gemacht, während Madame Joyce, die Arme unter ihrem mächtigen Busen verschränkt, mit geschlossenen Augen am Gestänge lehnte. Die Mädchen aßen. Nicht wie früher, mit Messer und Gabel, mit Mundtüchern und Tellern. Nein, sie griffen mit ihren schmutzigen, vom Büffeldung verdreckten Fingern einfach in die Pfanne, nahmen sich Speck und Fladen und verschlangen die Mahlzeit gierig. Nur Susanne wartete. Sie steckte den Kopf aus dem Wagen, inspizierte den Himmel und verkündete: «Ich bin sicher, es wird ein Unwetter geben.» Dann sprang sie heraus, zog die Seile, mit denen die Plane befestigt war, straff, kontrollierte auch das Geschirr der beiden Ochsen und der erschöpften Pferde und kroch zurück auf den Wollballen. Die Mädchen hatten sich hingelegt. Cherry und Jane schliefen bereits, als Susanne kam, aber Madame Joyce öffnete die Augen, nickte ihr zu, und Susanne wusste, dass sie nicht allein wachen musste. Und dann kam Wind auf. Er riss am Steppengras, trieb es büschelweise vor sich her, er knatterte in der Plane, brachte die Pferde dazu, ängstlich die Ohren anzulegen. Er pfiff über die Prärie, trieb die Feuerstelle auseinander und kreischte in Susannes Ohren. Stundenlang ging das so, und Susanne sprang immer wieder aus dem Wagen, um die Seile zu prüfen. Der Hut wurde ihr vom Kopf geweht, trieb über die Prärie, aber Susanne war zu sehr mit den Seilen beschäftigt, als dass sie ihm hätte nachjagen können. Die Ochsen hatten sich eng aneinandergedrückt und muhten mit aufgerissenem Maul. Die Pferde tänzelten und rollten wild mit den Augen, sie zogen an dem Wagen, der jedoch festgestellt war. Mit einem Schlag und so schnell, wie er gekommen war, ließ der Wind nach. Eine kurze Zeit lang herrschte eine beängstigende Stille. Es war, als hielte die Natur den Atem an. Und was dann losbrach, war schlimmer als die Sintflut. Regen stürzte eimerweise aus den Wolken, durchtränkte in rasender Eile die Prärie, verwandelte Wege in schlammige Schluchten, prasselte auf die Plane des Wagens, die bald schon in der Mitte durchriss. Und jetzt hob auch der Wind wieder an, riss an allem, was er zu fassen kriegte, trieb die Pferde und Ochsen in den Wahnsinn. Es dauerte nur ein paar Minuten, dann löste sich die Plane, wehte hoch, sodass der Regenguss auf die Mädchen und das Gepäck rauschte. Sie sprangen auf, rafften ihr Zeug zusammen, blickten gehetzt um sich, aber es gab hier draußen nichts, wohin man sich vor diesem Sturzguss retten konnte. Susanne stand bei den Pferden, sprach beruhigend auf die Tiere ein. Die Kleidung klebte an ihrem Leib, das Wasser rann ihr durch die Haare und über das Gesicht. Madame Joyce war zu den Ochsen gegangen und kämpfte dort mit den schweren Tieren, die sich losreißen wollten. Dann brach ein Geheul los wie in der Hölle. Der Wind bündelte alle seine Kräfte und riss die Plane ganz vom Wagen ab, trieb sie über die Prärie. Zugleich nahm der Regen weiter zu, und ihm Nu war alles, was auf dem Wagen war, vollkommen durchnässt. Der Wollballen triefte, die Federbetten wurden schwer, von den Kleidern tropfte es. Alles, alles wurde nass. Nicht ein Faden blieb trocken. Und es regnete weiter, stürmte, brauste und tobte. Die Mädchen hatten sich eng aneinandergekauert, warteten mit gesenkten Köpfen und in stillen Gebeten darauf, dass das Unwetter nachließ. Der Morgen graute bereits, als der Regen endlich schwächer wurde und schließlich ganz aufhörte. Und dann stieg hinter dem Horizont eine so pralle, glutrote Sonne auf, dass allein ihr Anblick die Frauen in ihren triefnassen Kleidern wärmte. Susanne, noch immer bei den Pferden, sah nachdenklich in die Landschaft. Das hier ist kein leichtes Leben, dachte sie. Aber ich bin glücklich. Und dann klopfte sie den Pferden noch einmal beruhigend die Flanken und begann mit der Arbeit. «Jane und Rose, ihr müsst die Plane suchen. Weit fort kann sie nicht sein. Cherry und Amy, ihr sammelt Büffeldung. Der ist zwar noch nass, aber irgendwann wird er trocknen.» Die Mädchen nickten. Sie froren in ihren nassen Kleidern so sehr, dass sie kaum sprechen konnten. Sie waren müde und erschöpft, und Susanne wusste das. Aber sie wusste auch, dass sie krank werden würden, wenn sie sich nicht bewegten. Dann holte sie mit Madame Joyce’ Hilfe den Wollballen vom Wagen und breitete ihn in der Sonne aus. Auch das übrige Gepäck wurde zum Trocknen ausgebreitet. Als alles erledigt war, nahm Susanne ihr Gewehr und begab sich auf einen Pirschzug. Die Büffelherden waren weitergezogen, aber gestern hatte sie gesehen, dass es noch einige Hasen hier gab.

Hin und wieder hatten sie unterwegs schon andere Goldgräber und Abenteurer getroffen, die sich ebenfalls in den Westen aufgemacht hatten. An diesem Tag langten drei Planwagen an ihrem Platz an, die aussahen, als kämen sie direkt aus der Hölle. Es waren drei Familien mit einigen Kindern. Diese hatten schreckgeweitete Augen und drängten sich eng an ihre Mütter. Die Frauen selbst wirkten, als durchlebten sie einen schrecklichen Albtraum. Ihre Hände zitterten, die Gesichter waren grau und eingefallen, die Lippen blutleer und die Augen erloschen. Die Kleider starrten vor Schmutz und waren allesamt zerrissen. Mechanisch streichelten sie ihre Kinder, mechanisch setzten sie einen Fuß vor den anderen, während die Männer mit kantigen Kinnen und verkniffenen Gesichtern ihre Ochsen antrieben.

Madame Joyce, die sofort sah, dass die Frauen und Kinder am Ende ihrer Kräfte waren, entfachte das Feuer. Erst als alle saßen und jeder von ihnen einen Becher mit Kaffee oder heißem Tee vor sich hatte, fragte sie: «Was ist euch geschehen?»

Mittlerweile waren auch die Mädchen zurückgekommen, breiteten Büffeldung neben der Feuerstelle aus und nähten die Plane, die an vielen Stellen zerrissen war. Ihre Kleider waren noch immer feucht, und sie froren im kühlen Wind. Aber alles, was ihnen in der letzten Nacht passiert war, schien weniger schlimm zu sein als das, was die Neuankömmlinge erlebt hatten.

«Was ist euch geschehen?», wiederholte Madame Joyce und blickte zu Susanne, die den Wink verstand und Speck und Brot herbeiholte.

Die Frauen blickten zu Boden, und die Männer sahen unglücklich zu ihren Frauen. Keiner sagte ein Wort. Endlich, nach Augenblicken, die so lang waren, wie die Wüste weit ist, sprach einer der Männer. Er griff nach der Hand seiner Frau, die neben ihm saß, doch die Frau entzog ihm die Hand. «Wir sind überfallen worden. Während des Unwetters. Wir haben sie einfach nicht kommen hören.» Die Worte klangen dumpf und schwer. Aber dann schlug der Mann mit der Faust auf den Boden und schrie: «Verdammt, wir sind überfallen worden! Indianer waren es. Und wir», er deutete auf die anderen beiden Männer, «konnten nichts dagegen tun.» Jetzt brach eine der Frauen in Tränen aus. Sie warf sich an die Brust ihrer Freundin, die starr saß und ihr mechanisch den Rücken streichelte. Die Kinder saßen stumm und wie gelähmt da, unfähig, mit ihren Eltern zu reden.

«Man hat die Männer mit Waffen bedroht, die Kinder an die Wagen gefesselt und uns geschändet», erklärte eine der Frauen mit tonloser Stimme.

Ein anderer Mann fiel ein. «Wir können von Glück reden, dass wir noch leben. Anderen ist es schlimmer ergangen.»

«Soll das vielleicht ein Trost sein?», schrie plötzlich die weinende Frau. «Niemals werde ich diese Nacht vergessen können. Den Gestank, die Berührungen.» Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Haare flogen.

«Sie haben uns alles genommen. Nur die Wagen sind uns noch geblieben», erklärte der erste Mann, und der zweite fiel ein: «Wie sollen wir so in den Westen kommen?» Der dritte fügte leise an: «Wie sollen wir jetzt überhaupt weiterleben? Unsere Frauen sind beschmutzt, und es ist fraglich, ob sie sich jemals wieder einem Mann nähern werden. Und wir selbst?» Er lachte bitter auf. «Dagestanden haben wir und mussten zusehen. Wir konnten ihnen nicht helfen. Diese Schande!» Er schlug die Hände vor das Gesicht. «Wir hätten sterben sollen. Sterben für unsere Frauen und Kinder. Aber sie haben uns zusehen lassen.»

«Es ist egal. Alles ist egal», sprach die dritte Frau, die bisher geschwiegen hatte. «Wir werden alle irgendwann sterben, und es soll mir recht sein.»

Susanne und den Mädchen stand vor Entsetzen der Mund offen. Wie konnten sie Trost spenden? Madame Joyce aber erhob sich. «Ich habe noch zwei Kleider», erklärte sie und wandte sich an die Frauen. «Dort unten ist ein Bach. Geht dorthin und wascht euch. Ich gebe euch Rosenseife mit. Dann verbrennt eure alten Kleider und zieht an, was wir euch geben. Nichts soll euch mehr erinnern. Vergesst und lebt. Ändern könnt ihr nichts mehr.»

Eine der Frauen schüttelte den Kopf und weinte lautlos. Die anderen beiden starrten trübe vor sich hin. Aber in die Männer kam nun Leben. «Tut, was sie sagt. Wir müssen uns selbst retten.» Da stand die erste der Frauen auf, schluckte und nickte. «Ich danke euch», sagte sie, dann ging sie hinunter zum Bach.

«Wartet, ich komme mit.» Susanne hatte sich ebenfalls erhoben. Sie nahm das Gewehr und folgte der Frau und ihren Weggefährtinnen.

Sie blieben weitere zwei Tage an dem Rastplatz. Nachdem der heftige Regen die Wege in wahre Schlammgebiete verwandelt hatte und an ein Weiterkommen nicht zu denken war, nutzten die Frauen und die Neuankömmlinge die Zeit, um sich zu erholen. Madame Joyce’ Mädchen hatten hergegeben, was sie entbehren konnten. Amy hatte sich von ihrem zweiten Paar Knopfstiefel getrennt, Cherry hatte eine Decke gespendet, Jane gab ein warmes Umschlagtuch und Rose ein Kissen. Susanne hatte ihr zweites Paar Pumphosen beigesteuert und ein Päckchen Milchpulver unter den Kindern verteilt, das eigentlich für ihr Baby bestimmt war. Die Männer hatten die Wagenräder neu geschmiert, die Planen festgezurrt und solche Unmengen an Büffeldung gesammelt, dass das Feuer bei Tag und Nacht brennen konnte. Dann waren sie auf die Jagd gegangen, und Susanne hatte am Abend Bärensteaks gebraten. Außerdem hatte sie Brot für alle gebacken, Kleider ausgebessert, ihr Gewehr gereinigt und einmal sogar mit den Kindern Fangen gespielt, damit sie ein wenig Freude hatten.

Zwei Tage später waren die anderen weitergezogen, und Susanne stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass ihr letztes Geld und die wenigen Papiere, die sie besaß, verschwunden waren. Susanne tat es leid um das Geld, aber mehr noch betrübte sie der Verlust der Papiere. Jetzt war sie ein Niemand mehr. Am meisten aber schmerzte sie, dass die Fremden, denen sie so bereitwillig geholfen hatte, ihr Vertrauen ausgenutzt hatten. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen über die Wangen strömten. Doch sie achtete darauf, beim Weinen nicht von den anderen gesehen zu werden. Denn eines hatte das Leben auf dem Treck sie gelehrt: dass man es sich nicht leisten konnte, Schwäche zu zeigen.

Die Sonne brannte vom Himmel, trocknete die Prärie, trocknete die Tränen, und am dritten Morgen spannte Madame Joyce die Pferde an und gab den Befehl zum Weiterfahren.