Achtunddreißigstes Kapitel

Der Montag war der schlimmste Tag der ganzen Woche. Am Samstag- wie am Sonntagabend ging Susanne zum Tanz in den Saloon, und das Aufstehen fiel ihr am Montag besonders schwer. Meistens, wenn sie nicht zu viel Whiskey getrunken hatte, blieb sie gleich auf den Beinen und heizte den Ofen in der Backstube an, schob den Brotteig, den sie vor dem Tanz geknetet hatte, hinein und begann, Kuchen zu backen. Wenn dann die ersten Kunden kamen, fielen ihr die Augen beinahe zu, aber sobald Madame Joyce ihr Tuuli brachte, war sie wieder hellwach. Wenn Susanne je über ihr Leben nachgedacht hätte, was sie erstens nicht tat, weil sie keine Zeit für solche Dinge hatte, und zweitens, weil sie keinen Sinn darin sah, dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass sie glücklich war. Und Glück war etwas, das sie bisher kaum gekannt hatte. Vielleicht wäre sie sogar erschrocken darüber gewesen, jetzt weithin glücklich zu sein, und am Ende hätte dieser Schrecken vielleicht sogar dahin geführt, dass sie ihrem Glück misstraute, und wenn es ganz schlimm gekommen wäre, dann wäre sie zum Schluss womöglich noch vor ihrem kleinen Glück geflohen. Aber es war, wie es war, und Susanne begann plötzlich, Dinge gern zu tun, Dinge zu mögen. So mochte sie es zum Beispiel, am Abend eines Tages die Einnahmen der Kasse zu zählen. Sie mochte die Kundengespräche, die sich um nichts Besonderes drehten, ihr aber das Gefühl gaben, Teil dieser kleinen verlorenen Stadt im hintersten Winkel des Wilden Westens zu sein. Sie mochte es, sich am Samstag- und Sonntagabend in ein schönes Kleid zu hüllen, sich das Haar aufzustecken und im Saloon zu hören, dass sie eine schöne Frau war. Dabei ging sie nicht wegen der Männer hin. Sie tanzte nun einmal sehr gern, traf gern die anderen Frauen, und sie mochte die Musik. Die Wochenendabende waren es, die ihr das Gefühl von Freiheit gaben. Eine Art luxuriöse Freiheit, die sie genoss, auf die sie aber auch leichten Herzens verzichten konnte. Nicht verzichten konnte sie dagegen auf ihre Bäckerei. Nicht einmal an einem Montag wie diesem. Ihr Haar hatte sich aufgelöst und hing ihr in wirren Strähnen über den Rücken. Das wunderbare Kleid, das sie so gern zum Tanzen anzog, war durchgeschwitzt und vorn mit Mehl bestäubt, obgleich Susanne eine Schürze angezogen hatte. Ihre Arme taten vom vielen Teigkneten weh, die Schultergelenke schmerzten, und der Tag brannte in den Augen. Während sie die Brote in den Ofen schob, dachte sie an den vorigen Abend zurück. Eigentlich war es ein Sonntagabend wie jeder andere gewesen: Die Musik hatte gespielt – Banjo, Maultrommel, Mundharmonika, Klavier –, die Leute hatten getanzt. Frauen wurden von Männern herumgewirbelt, die ihnen die heißesten Komplimente ins Ohr flüsterten und nach fünf Minuten bereits einer anderen das Gleiche sagten, wenn sie bei der ersten kein Glück gehabt hatten. Und in diesem Falle bedeutete «Glück» eine heimliche Knutscherei im Hof hinter dem Saloon oder sogar noch mehr. Und Susanne hatte getanzt, mit allen Männern, die da waren, und das waren beinahe doppelt so viele wie Frauen. Nur mit einem hatte sie nicht getanzt. Mit dem Neuen, der letzte Woche erst in Oak’s Hill angekommen war. Er war ihr gleich aufgefallen, dabei war er kein besonderer Mann, zumindest auf den ersten Blick nicht. Er war groß, größer als die meisten, und schlaksig. Dabei sah es nicht aus, als wüsste er mit seinen Gliedmaßen nichts anzufangen, sondern eher, als steckte ihm der Übermut in Armen und Beinen. Sein dunkelblondes Haar war an einigen Stellen schon licht, obwohl er vielleicht gerade mal dreißig Jahre alt war. Er hatte helle Augen, die etwas Stechendes bekamen, je länger er sie auf eine Stelle richtete. Seine Nase war ein wenig größer als normal, und sein Mund war ein ganz normaler Mund ohne besondere Kennzeichen. Ja, eigentlich war der ganze Kerl ein Mann ohne besondere Kennzeichen, und trotzdem stach er aus der Menge heraus. Und am Sonntagabend, da hatte er Susanne lange Zeit angeschaut, jede ihrer Bewegungen beobachtet und dabei hin und wieder einen Schluck aus seinem Whiskeyglas getrunken. Susannes Herz hatte Galoppsprünge veranstaltet. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass sie ihn attraktiv fand. Aber er hatte ihr nicht zugelächelt, hatte sie nicht zum Tanz geholt, und dennoch wusste Susanne bei allem, was sie tat, dass seine graublauen Augen ihr folgten. Susanne fand diese Blicke unangenehm, doch zugleich bekam sie eine Gänsehaut, wenn er sie ansah. Aber wenn sie ihm gefiel, warum sprach er sie dann nicht an? Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und ging zu ihm: «Warum sehen Sie mich dauernd so an?», fragte sie und konnte sich gerade noch beherrschen, um nicht die Fäuste in die Hüften zu stemmen. Der Mann lächelte ein schiefes Lächeln, das Susanne nicht deuten konnte, aber er sagte nichts. Nach einer kleinen Weile erst, in der Susannes Zorn aufloderte, fragte er: «Darf ich Sie zu einem Whiskey einladen? Oder hätten Sie lieber einen Brottrunk?» Er grinste dabei bis zu den Ohren, sodass sich Susanne verkohlt vorkam.

«Und Sie? Nehmen Sie auch einen Whiskey, oder würden Sie lieber Goldwasser trinken, wie man es sich von den Goldgräbern erzählt?»

Der Mann lachte laut auf. «Jetzt haben Sie es mir aber gegeben, nicht wahr?» Er lachte wieder, zeigte sogar mit dem Finger auf sie und erklärte dem Mann, der zufällig neben ihm stand: «Sie ist eine kleine Wildkatze, siehst du das?»

«Dann sehen Sie bloß zu, dass die Katze nicht ihre Krallen ausfährt und Ihnen die Augen auskratzt.»

Susanne ahnte, dass ihr letzter Satz ein wenig ungerechtfertigt war, und ärgerte sich über sich selbst. Am meisten aber ärgerte sie sich über den Mann. Als sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss, stampfte sie mit dem Fuß auf, weil sie sich nicht ernst genommen und sogar ausgelacht fühlte. Sie pfiff durch die Zähne wie eine Dampflok, dann wirbelte sie herum und tanzte weiter, ohne dem Mann noch einen Blick zu schenken. Aber trotzdem. Der Abend war verdorben. Sie konnte nicht mehr unbeschwert lachen, weil sie sich beobachtet fühlte. Sie konnte sich nicht mehr im Kreis drehen, konnte kein Glas mehr mit Genuss trinken, weil sie glaubte, auch dabei gesehen und beurteilt zu werden. Aber das Schlimmste war, dass sie sich an diesem Abend selbst nicht mochte. Oh, dieser Mann! Sie bekam eine Wut, wenn sie nur an ihn dachte. Susanne feuerte den Lappen, mit dem sie den Backofen geputzt hatte, in eine Ecke, zornig über ihr eigenes Benehmen, das ihr noch immer die Schamesröte ins Gesicht trieb. Sie hatte gelacht, wenn gar nichts lustig war, hatte sich ausgeschüttet über Witze, die so dürr waren wie das Präriegras. Sie hatte den Kopf nach hinten geworfen, hatte ihre Kehle gezeigt und alle Zähne. Dann hatte sie sich übermütig im Kreis gedreht, hatte die Röcke wirbeln lassen bis hoch über ihre Knöchel. Sie war laut gewesen, auffällig, hatte tun wollen, als ob der Hagere ihr nichts ausmachte – und hatte mit jeder einzelnen Bewegung das Gegenteil bewiesen.

Susanne putzte den Backofen mit solcher Energie, dass ihr der Schweiß in Strömen über den Rücken floss. Sie putzte und schrubbte, bis sie die Ladenklingel hörte. Inzwischen war über Oak’s Hill die Sonne aufgegangen. Die Mainstreet sah wie vergoldet aus, die Dächer glänzten. Die ersten Goldgräber, angetan mit ihren Hosen aus Ziegenleder, den großen Hüten, karierten Hemden und Halstüchern, zogen die Straße entlang, die Werkzeuge über der Schulter, einen Eimer mit Sieb in der Hand. Nebenan stieß Madame Joyce ein Fenster auf und wuchtete die Federbetten zum Lüften auf den Sims. Ein paar Vögel hockten auf dem Dach des Sheriffs, bei dem die Läden noch zugeschlagen waren.

«Dachte ich es mir doch, dass du schon auf bist.» Der Chinese stand im Laden und sah sich um. «Gib mir zwei von diesen Broten da.»

«Gern.» Susanne griff ins Regal, holte die beiden Brote heraus. «Einmal Malzbrot, einmal Roggenbrot. Noch etwas?»

«Was hast du für Kuchen heute?»

«Streusel, Bienenstich, Apfel.»

«Gib mir von jedem ein Stück.»

Susanne schnitt die Stücke ab, wickelte sie in Papier und reichte sie dem Chinesen. «Hast du was Neues gehört?», wollte sie wissen.

Der Chinese schüttelte den Kopf. «Nur das Übliche. Die Schwester des Sheriffs hat verkündet, dass sie endlich heiraten werde, aber ich bin sicher, dass dieser Antrag gestern nur in einer Whiskeylaune ausgesprochen wurde. Jedenfalls war sie wieder bei mir, um zu fragen, ob ich die Zutaten für ein kräftiges Hochzeitsmahl in der Stadt bestellen könnte. Dann war da noch die Frau des Apothekers, die erzählt hat, die Hälfte der Goldgräber hätte die Syphilis, und sie wüsste genau, welches Mädchen mit einem von ihnen ins Bett gehüpft sei, denn die bräuchten jetzt auch alle ein Medikament mit Quecksilber.»

Susanne nickte. Der Chinese hatte recht. Das war alles nichts Neues. «Und der eine von den Neuen. Der Große, Hagere. Weißt du, wen ich meine? Was ist mit dem? Was hört man über ihn?»

Der Chinese zog die Stirn in Falten, als müsste er nachdenken. Dann schüttelte er den Kopf. «Von dem hört man nichts. Gar nichts.» Er hob den Finger und deutete damit auf Susanne. «Und wenn du mich fragst, dann ist das alles andere als gewöhnlich. Oder? Hier weiß doch jeder etwas über jeden.»

Susanne schürzte die Lippen. Dann wedelte sie mit der Hand, als wäre das alles eigentlich ganz und gar unwichtig. «Vielleicht ist es einer von denen, die im Gefängnis eine Strafe abgesessen haben und nun als Goldgräber gehen, um sich finanziell aufzurappeln.» Sie zuckte mit den Schultern.

«Ja, vielleicht», bestätigte der Chinese, nahm seine Brote und den Kuchen und ging davon. Und Susanne schaute ihm nach. Ganz vertieft war sie in ihre Gedanken, bis Madame Joyce mit Tuuli auf dem Arm den Laden betrat. «Sie ist ein wenig erkältet, scheint mir», erklärte Madame Joyce. «Es ist wohl besser, wenn ich sie gleich wieder mit zu mir nehme.» Susanne lächelte. Wenn es nach Madame Joyce ging, dann war Tuuli immerzu erkältet oder hatte Bauchweh oder ein wenig Fieber. Sie hatte die Kleine so gern bei sich, dass sie sie am liebsten gar nicht mehr hergeben würde.

Susanne nahm ihre Tochter auf den Arm, roch an ihrem Nacken, der warm und süß duftete wie ein helles Brot. Tuuli patschte ihr ins Gesicht, strahlte sie an und plapperte in ihrer Babysprache so aufgeregt auf ihre Mutter ein, dass Susanne alles ringsumher vergaß und nur noch das Glück durch ihre Adern rinnen ließ, das Tuuli ihr immer bescherte. Und sie drückte die kleine Person an sich, bis sie leise knurrte, küsste ihr helles, kükenflaumiges Haar und setzte sie dann auf den Boden.

«Hast du gesehen, wie herrlich die Sonne heute scheint?», fragte Madame Joyce und ließ sich auf dem gepolsterten Stuhl am Fenster nieder, den Susanne eigens für sie dorthin gestellt hatte.

«Ja, das Wetter ist prächtig.»

«Ich dachte, ich könnte nachher ein wenig mit Tuuli in der Sonne herumspazieren. Frische Luft würde ihr guttun.»

«Ja, das ist eine wunderbare Idee.» Susanne wollte ihre kleine Tuuli gerade Madame Joyce reichen, als die Ladenglocke schrillte. Susanne riss den Blick von ihrer Tochter los – und erstarrte. Vor der Ladentheke stand der unverschämte Hagere vom gestrigen Abend. Und er starrte sie an, wie er sie gestern angestarrt hatte.

«Guten Morgen.» Susannes Stimme klang rau und klein, und allein das reichte, um ihren Zorn auf den Mann erneut anzufachen. «Was wollen Sie hier?»

Der Fremde lächelte schief. «Brot kaufen. Was denn sonst?» Er betrachtete sie aufmerksam von oben bis unten, sein Blick glitt auch über das kleine Mädchen, und in diesem Moment wurden seine Züge weich, sein Lächeln wärmer. Er streckte die Hand aus, strich mit einem Finger sanft über die Hand der Kleinen, die leise gluckste. Susanne aber trat einen Schritt zurück, sodass er nicht mehr an Tuuli herankam. «Es gibt kein Brot mehr», erklärte sie und konnte regelrecht hören, wie Madame Joyce verblüfft ihre Augen aufriss.

«Hinter Ihnen liegt jede Menge davon», stellte der Mann fest.

«Die sind alle vorbestellt.» Susanne konnte sich selbst nicht erklären, warum sie so kratzbürstig war, denn im Grunde hatte der Mann ihr nichts getan. Aber sie hatte ihn auf den ersten Blick schon nicht leiden können – zumindest glaubte sie das jetzt –, und sie fand ihn auf den zweiten Blick nicht sympathischer. Zwar war er noch immer attraktiv, aber Susanne glaubte, dass er sich genau darauf viel zu viel einbildete.

«Und Sie backen nur so viele, wie bestellt worden sind?» Er fragte, als hätte er niemals von ähnlich geschäftsschädigendem Verhalten gehört.

«Was ich backe und was ich verkaufe, das ist meine Sache.» Susannes Ton war patziger, als sie beabsichtigt hatte.

«Und der Kuchen? Auch alles vorbestellt?»

Susanne nickte. Da mischte sich Madame Joyce ein. «Du kannst ihm mein Stück verkaufen», sagte sie. «Mir ist heute nicht nach Kuchen.»

Der Mann lüftete seinen Hut und verbeugte sich höflich vor Madame Joyce. «Das ist überaus freundlich von Ihnen, aber was für ein Schurke wäre ich, einer Dame wie Ihnen ihr Stück Kuchen wegzuessen?»

Madame Joyce kicherte geschmeichelt, denn es kam nicht allzu oft vor, dass jemand sie eine Dame nannte. «Seien Sie ganz unbesorgt, Sie würden mir am heutigen Tage sogar einen Gefallen tun, wenn Sie meinen Kuchen äßen. Wissen Sie, meine Gesundheit ist nicht mehr die allerbeste, und kürzlich erst erklärte mir ein Arzt, ich solle nicht zu viel von den süßen Dingen des Lebens kosten, denn die wären es, die mich eines Tages umbrächten. Es ist also so, dass Sie mein Leben ein wenig verlängern würden, wenn Sie mir die süße Last abnähmen.»

«Dann tue ich das mit dem größten Vergnügen.» Der Hagere zog wieder seinen Hut, wandte sich dann an Susanne und blickte sie auffordernd an.

«Tut mir leid», erklärte Susanne hart und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss, aber sie achtete nicht darauf. «Es gibt immer Leute, die vergessen, ihren Kuchen zu bestellen, und nur darauf warten, dass jemand seine Bestellung nicht abholt.»

«Nun, so einer bin ich heute auch», erklärte der Hagere, doch Susanne schüttelte mit zusammengebissenen Zähnen und fest aufeinandergepressten Lippen den Kopf.

«Es gibt Wartelisten», behauptete sie, «und Sie stehen da nicht drauf.»

Der Mann lächelte, und es schien, als würde er Susannes Ablehnung nicht einmal im Ansatz spüren. «Gut, dann bestelle ich also für morgen ein Brot und zwei Stücke Kuchen.» Susanne rührte sich nicht. «Ich habe nämlich gehört, dass Sie Ihr Handwerk verstehen, und wenn Sie nur halb so gut backen, wie Sie tanzen, muss ich Ihre Waren unbedingt probieren.» Er lächelte Susanne an. «Schreiben Sie es auf, dort liegt doch das Buch, nicht wahr? Schreiben Sie: ein Brot und zwei Stücke Kuchen für Mister Liam Pembroke.»

Aber Susanne stand, als wäre sie festgewachsen.

«Nun? Was ist, Mädchen?», wollte jetzt auch Madame Joyce wissen, aber von Susanne kam keine Antwort. Sie hatte ihre Unterlippe vorgeschoben und funkelte den Mann so böse an, wie sie nur konnte.

Schließlich erhob sich Madame Joyce, nahm sich das Buch und schrieb die Bestellung hinein. «Sie werden morgen Ihr Brot und Ihren Kuchen bekommen, das verspreche ich Ihnen.» Madame Joyce nickte nachdrücklich und stieß Susanne in die Seite, damit sie ebenfalls nickte, doch Susanne rührte sich noch immer nicht.

«Ich wünsche den Damen einen schönen Tag», grüßte der Fremde, tippte noch einmal an seinen Hut und verließ lächelnd und so, als hätte er gerade einen Sieg errungen, das Geschäft.

«Herr im Himmel!», zischte Susanne, als er weg war. «Jetzt haben Sie ihm Kuchen versprochen, er wird morgen wiederkommen!»

«Was ist dabei?», fragte Madame Joyce. «Er scheint mir ein rechter junger Mann zu sein. Hast du gesehen, wie liebevoll er Tuuli betrachtet hat? Er mag Kinder. So einer kann kein schlechter Kerl sein.»

Susanne fuhr herum. «Ich kann ihn trotzdem nicht leiden. Er hat mich gestern Abend die ganze Zeit über angestarrt. Soll er sich sein Brot selber backen, ich will jedenfalls nicht, dass er noch einmal meinen Laden betritt.»

Madame Joyce betrachtete Susanne ein wenig amüsiert, doch sie hütete sich, noch mehr zu sagen, nahm ihr nur Tuuli ab und verließ die Bäckerei.

Susanne begab sich in ihre Backstube und ertappte sich dabei, wie sie minutenlang auf einen Mehlsack starrte, ohne ihn zu sehen. Sie war mit einem Schlag so unglücklich, wie sie es seit ihrer Ankunft in Amerika nicht mehr gewesen war. Sogar ein paar Tränen lösten sich und rollten ihr über die Wangen. Was ist denn los mit mir?, fragte sie sich. Wenn sie allerdings ganz tief in sich hineinhorchte, wusste sie, dass ihre Stimmungsschwankungen und ihr Herzeleid mit dem Fremden zusammenhingen, der so plötzlich hier erschienen war und sie so sehr verwirrte, dass sie sich keinen Reim darauf machen konnte.