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FINN

Verdammte Scheiße, natürlich musste er versuchen, mich zu küssen. Was war ich? Sein Spielzeug? Jemand, mit dem er herumspielen konnte?

Jetzt wollte er mich plötzlich küssen, um herauszufinden, ob er schwul oder bisexuell oder was auch immer war. Oder vielleicht nur, um zu sehen, ob ich ihn das tun lassen würde, um mich dann wieder wegzustoßen? Oder spielte er mit mir, nur um … was auch immer? Nein, so gemein war er nicht, aber ich hatte auch nicht erwartet, dass man mich so sehr hassen würde, als ich aufwuchs. Wie dem auch sei, ich konnte mir nicht vorstellen, dass Kane absichtlich so grausam zu mir war.

Dafür war er zu nett, oder? Zu sanft. Aber warum hatte er mich dann geküsst? Er hatte mir sogar gesagt, ich sollte aufhören zu flirten, also warum zum Teufel küsste er mich jetzt? Es gab keinen Grund, absolut keinen, und ich wusste, wie es enden würde.

Verdammt, nein.

Ich wollte nicht das Spielzeug von irgendjemandem sein oder ein Experiment oder irgendetwas anderes.

Fuck, ja, ich bemitleidete mich selbst, und ich hatte jedes Recht dazu. Es war nie der Plan gewesen, dass mir Kane so viel bedeutete, und er hätte mich nie küssen dürfen, nachdem er mir gesagt hatte, ich sollte aufhören ihn anzumachen.

Es war nicht, dass ich niemanden in meinem Leben haben wollte . Ich wollte so glücklich sein wie zum Beispiel Micah mit seinem Ehemann und Daddy Carter, aber ich schaffte es immer wieder, das zu versauen.

Nach ein paar sehr stillen Pausen und noch mehr schweigendem Laufen kamen wir schließlich wieder bei seinem Motorrad an. Wunderbar. Vorhin hatte ich mich gefreut, wieder auf dem Motorrad hinter ihm zu sitzen, aber jetzt … Jetzt war alles zu kompliziert. Jetzt musste ich so nahe bei ihm sitzen, dass keiner von uns verarbeiten konnte, was gerade passiert war.

„Hör mal …“ Kane hielt mich am Arm fest. „Es tut mir leid. Es tut mir wirklich, wirklich leid. Ich … ich weiß, es ist viel verlangt, aber wir haben uns vorher gut verstanden, und …“ Er stockte, schluckte und starrte auf den Boden.

Ich sah ihn an und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Lag ich falsch damit, dass ich sauer auf ihn war?

„Können wir einfach … wieder Freunde sein?“, fragte er und sah mich schließlich mit flehenden Augen an. „Wenn das nicht … zu viel verlangt ist. Es tut mir leid. Das tut es mir wirklich. Ich wollte unsere Freundschaft nicht mit etwas ruinieren, das … dumm war.“ Bei den letzten Worten wandte er den Blick wieder ab.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was er mir sagen wollte, wenn ich ehrlich war. Und im Moment konnte ich mich auch nicht wirklich darauf konzentrieren. Ich brauchte etwas Abstand, musste verarbeiten, was passiert war.

Mann, irgendwie, irgendwo war das alles so verdammt schief gelaufen. Ich mochte ihn so sehr, und ich dachte immer, er mochte mich auch, aber … aber … dann bat er mich, mit dem Flirten aufzuhören. Und dann weiterzumachen. Und dann küsste er mich, aber er war nicht schwul oder bisexuell oder stand auf Männer und … ich bekam Kopfschmerzen. Und ich sollte verdammt noch mal nicht so deprimiert deswegen sein.

Was, wenn ich es hätte zulassen wollen, dass es weiterging? Wir hätten uns geküsst, wären irgendwie beim richtig Rummachen gelandet, ich hätte ihn noch mehr gemocht, er hätte mehr über mich herausgefunden, und dann … dann hätte er mich ausgelacht oder beschlossen, dass er gar keinen Mann wollte.

Er konnte leicht ein Mädchen haben, wenn er Spitzen und Make-up wollte. Aber nicht jemanden mit einem Schwanz, geschweige denn jemanden, der gerne toppte. Selbst wenn er Analsex ausprobieren wollte, bezweifelte ich, dass er damit einverstanden wäre, derjenige zu sein, der am empfangenden Ende war. Dafür waren die großen, starken Kerle immer zu machohaft.

Nicht, dass mir Kane trotz seiner Muskeln und seines Jobs wie ein solcher Macho vorkam, aber … ich sprach aus Erfahrung. Offenbar war man weniger Mann, weil man einen Schwanz in sich gesteckt bekam, im Gegensatz dazu, dass man ihn in jemanden steckte.

Ich schob diesen Gedanken beiseite und konzentrierte mich wieder auf Kane. „Ich würde gerne mit dir befreundet sein, ja. Es war wirklich schön, mit dir zusammen zu sein und mit dir zu reden.“ Ich lächelte ihn vorsichtig an, nicht ganz sicher, was ich jetzt tun sollte.

Kane sah nicht so aus, als würde er mir irgendetwas glauben, aber er nickte. „Lass uns fahren. Ich habe heute Nachmittag noch etwas zu erledigen.“ Er machte sich auf den Weg zu seinem Motorrad.

Und das war das Ende. Egal, was wir behaupteten, es gab keinen Weg zurück, um wieder Freunde zu sein. Entweder endete man als Liebhaber oder man endete wieder als Fremde. Sich zu küssen und dann nur noch Freunde zu sein, vor allem, wenn man sich irgendwie mochte, funktionierte nie.

Ich schwang mein Bein über den Sitz und schlang meine Arme um Kanes Taille. Er fuhr vorsichtig zurück und achtete darauf, nicht zu schnell zu beschleunigen, damit ich mich nicht zu fest an ihn klammern musste. Eine weise Entscheidung, wie ich fand.

Wenigstens war die Stille nicht unangenehm, da der Wind und das Dröhnen des Motors so laut waren, dass sie fast berauschend wirkten und mir ein paar Minuten Frieden gönnten – oder zumindest wäre es friedlich gewesen, wenn meine rasenden Gedanken nicht gewesen wären. Sie drehten sich jetzt im Kreis, ohne dass es etwas Neues zu sagen oder zu denken gab.

Die Fahrt zurück zu meinen Eltern schien eine Ewigkeit und gleichzeitig überhaupt keine Zeit zu dauern, und bevor ich mich versah, fuhren wir in die Einfahrt. Ich stieg vom Motorrad ab, reichte Kane den Helm und den Rucksack und wartete, bis er alles verstaut hatte.

Kane nahm nicht einmal seinen Helm ab, was eine Unterhaltung fast unmöglich machte. Ein Teil von mir war erleichtert. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was ich sagen sollte.

Ich wollte einfach nur in der Stille vor mich hinbrüten – wahh, diese Emotionen trieben mich in den Wahnsinn und machten es mir unmöglich, irgendeinen Gedanken zu fassen.

Ich ging zur Tür und ignorierte die Tatsache, dass ich immer noch Sams Kleidung trug. Ich würde sie ihm morgen zurückgeben oder so. Im Moment wollte ich einfach nur allein sein.

Kane blieb noch so lange stehen, bis ich drinnen war, dann hörte ich den Motor aufheulen, als er davonfuhr.

Mein Vater rief mir aus dem Wohnzimmer etwas zu, aber ich versuchte, ihn zu ignorieren, denn ich wollte nur direkt in mein Zimmer gehen. Ich schaffte es nicht. „Finn, komm mal kurz rein.“ Wie war er nur so schnell zur Tür gekommen?

Ich schaute ihn an. „Klar.“ Ich wusste, ich klang müde, sogar erschöpft. Aber ich konnte entweder unhöflich sein und ihm einfach sagen, dass ich nicht reden wollte, oder ich konnte zumindest so tun, als würde ich ihm zuhören.

„Du siehst gut aus. Was hast du denn gemacht? Ich habe dich so angezogen seit … ewig nicht mehr gesehen“, bemerkte er.

Natürlich musste er mich so sehen. Das war mein Glück. „Ich war wandern, deshalb habe ich mir ein paar von Sams Sachen geliehen. Ich habe nichts Passendes dabei. Gewöhn dich nicht daran.“

„Es steht dir. Du solltest vielleicht öfter solche Sachen tragen.“

Ich stöhnte auf. „Dad, du weißt es besser. Das bin nicht ich, also hör auf damit. Es ist nur so, dass selbst ich weiß, dass es keine gute Idee ist, in engen Jeans zu wandern. Das heißt aber nicht, dass ich mich plötzlich so langweilig anziehen werde.“

Er lächelte mich ein wenig reumütig an. „Es tut mir leid. Das war nicht fair von mir. Ich glaube, ich habe dir versprochen, dass ich den Mund halten würde, was das angeht.“ Er hielt inne und fragte dann: „Wie war das Wandern? Warst du mit Sam unterwegs?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Sein Bruder Kane hat mich mitgenommen.“ Sam wäre eine viel bessere Wahl gewesen.

„Ich hatte noch nicht viel Kontakt mit ihm, aber er scheint nett zu sein. Wir laufen uns manchmal in der Stadt über den Weg.“

Warum fühlte es sich seltsam an, dass er Kane kannte? Aber sie kannten sich ja schon, als wir noch hier gewohnt hatten, und so war es ganz normal, dass sie ab und zu miteinander ins Gespräch kamen.

„Er ist nett, ja.“ Ich zögerte. „Gibt es etwas, was du möchtest? Ich würde gerne duschen, um ehrlich zu sein. Und vielleicht ein Nickerchen machen. Es war ziemlich anstrengend.“ Ich unterdrückte ein Gähnen.

„Nein, geh nur. Ich war nur neugierig, was du so treibst, besonders so früh am Morgen. Du bist nicht viel zu Hause.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, tut mir leid. Aber ich habe viel Zeit mit Sam verbracht. Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen.“

Er nickte. „Ich weiß. Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur die Fakten dargelegt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es keinen Spaß macht, Zeit mit deinen Eltern zu verbringen.“

Ich lächelte ihn an, obwohl Lächeln das Letzte war, wozu ich Lust hatte. „Tut mir leid, Dad. Ich werde versuchen, mich zu bessern.“ Ich hatte nicht die Absicht, es zu versuchen, aber, na ja. Es war das, was man eben sagte, nicht wahr?

„Danke. Wir haben dich gerne hier, weißt du? Und jetzt geh duschen und ein Nickerchen machen.“

Ich grinste verlegen und eilte dann die Treppe hinauf. Es machte wirklich keinen Spaß, mit ihnen herumzuhängen, und ich versuchte, es zu vermeiden – vor allem mit Dad, der immer etwas zu finden schien, was er kritisieren konnte.

Ich drehte sofort die Dusche auf und wartete, bis sie warm wurde, bevor ich unter den Strahl trat. Ich brauchte sie mehr, um die Ereignisse des Tages von meiner Haut abzuwaschen, als weil ich wirklich schmutzig war.

Ich stand lange unter dem Wasser, aber es funktionierte nicht. Ich konnte immer noch seine Lippen auf meinen spüren, konnte ihn schmecken, konnte fühlen, wie er mich hielt. Und ich wollte mehr, auch wenn ich wusste, dass es nur unschön enden würde. Also, nein. Das konnte ich mir nicht antun.

Ich war mehr als erschöpft, als ich das Wasser abstellte. Ohne mir die Mühe zu machen, mich wieder anzuziehen, kroch ich ins Bett. Körperlich war ich nicht so müde – okay, ich war es; ich war verdammt früh aufgestanden, um wandern zu gehen, verdammt noch mal – aber ich war definitiv geistig ausgelaugt. Ich brauchte ein paar Stunden, um mich auszuruhen und meine Gefühle zu sortieren.

Und dann … Ich hatte keine Ahnung. Ich wollte Kane, aber auf der anderen Seite auch nicht. Selbst wenn es anders wäre, was würden wir tun, wenn die Sommerferien vorbei waren?

Ich griff nach meinem Handy auf dem Beistelltisch, nur um festzustellen, dass ich es wohl in meiner Hosentasche vergessen hatte – die im Bad lag. Verdammt!

Leise fluchend zwang ich mich wieder aufzustehen, holte mein Handy und kroch wieder unter die Decke. Ich starrte auf das Display, wünschte mir, eine Nachricht von ihm zu sehen, und fürchtete mich gleichzeitig davor. Aber er hatte mir nicht geschrieben.

Ich öffnete die App und suchte nach Micahs Nummer. Er war beileibe kein Beziehungsexperte, aber er neigte dazu, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten als andere Menschen. Vielleicht hatte er ein paar Ideen, was zu tun war, oder er hörte mir einfach nur zu, wie ich schwafelte, was er ziemlich gut konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass er nie zu Wort kam, aber ich zog es vor zu glauben, dass er mir einfach gerne zuhörte.

„Hey.“ Tolle Begrüßung, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, etwas anderes zu schreiben.

„Hey, wie geht es dir?“ , antwortete Micah einen Moment später.

Ich lächelte, auch wenn es nicht wirklich glücklich war. Aber alleine das Wissen, dass Micah da war, ließ mich ein wenig besser fühlen, auch wenn es keinen Sinn ergab. Ich brauchte ein paar Augenblicke, um zu überlegen, was ich ihm schreiben sollte.

Da ich nicht einmal wusste, wie ich mich fühlte oder was ich dachte, fiel es mir sehr schwer, es in eine Nachricht zu packen. Und Micah telefonierte nicht gerne, also wollte ich ihn nicht zwingen, sich mein Geschwafel anzuhören. Außerdem bedeutete das, dass ich meine Zweifel und alles andere aussprechen musste, was sich noch schlimmer anhörte, als es zu tippen.

Ich rollte mich auf den Bauch. Ich habe mich viel mit Sam, einem alten Freund, getroffen. Ich hätte nie erwartet, dass er so sein würde, wie wir vor ein paar Jahren waren, und es ist wirklich schön, hier nicht allein zu sein. Wir verstehen uns so gut, als wäre ich nie weggezogen.“ Ich hielt inne und drückte auf Senden.

„Ich spüre ein Aber darin.“ Micah war manchmal viel zu scharfsinnig.

„Ja. Das Aber ist sein älterer Bruder. Sein hetero, oder nicht so hetero Bruder. Und ich habe vielleicht … Wir haben uns geküsst.“

Da, ich hatte es gesagt.

„Er kann nicht küssen?“

Ich schnaubte. Idiot.“ Dann fuhr ich fort zu erklären. Blödsinn. Er kann sehr wohl küssen, aber er ist … wir haben uns kennengelernt, als ich ihn in einer Bar angemacht habe und er darauf bestand, dass er hetero sei. Dann fanden wir heraus, dass er Sams Bruder ist und sahen uns wieder. Nun, wir haben Zeit miteinander verbracht, ich habe ein bisschen geflirtet, wir haben ein bisschen geredet und abgehangen, und dann hat er mich geküsst.“

„Also ist er nicht hetero, zumindest nicht ganz. Wo liegt das Problem?“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Okay, du hast nicht geantwortet, also … brauchst du Zeit, um es herauszufinden?“ , fragte er einen Moment später.

„Nein, ich glaube, ich muss das durcharbeiten, also lass es mich einfach durchdenken, okay?“

Ich rollte mich auf den Rücken und versuchte herauszufinden, wie ich Micahs Frage beantworten sollte.

„Ich … ich war mit einem Mann zusammen, als ich noch sehr viel jünger war. Er war hetero oder behauptete zumindest, es zu sein. Er war … Ich war verliebt, und er behandelte mich wie sein kleines, schmutziges Geheimnis. Später fand ich heraus, dass er zur gleichen Zeit eine Freundin hatte. Die heiratete er, kurz nachdem ich ihn verlassen hatte, weil ich ihn dabei erwischte, wie er mich mit einem Mädchen betrog. Nicht mit seiner Freundin, nebenbei bemerkt. Jedenfalls habe ich mir geschworen, mich nicht mehr mit Hetero-Typen einzulassen, und Kane behauptet, genau das zu sein. Ich habe ewig gebraucht, um über meinen Ex hinwegzukommen, um zu akzeptieren, dass es nicht meine Schuld war, dass ich ihm nicht geben konnte, was er brauchte, was er wollte. Er hat ganz schön Spuren hinterlassen, denke ich. Also bin ich einfach misstrauisch, besonders, weil Kane so verwirrend ist … und ich … verdammt, ich habe keine Ahnung mehr, was ich denken soll.“

„Verstehe ich vollkommen und ich wäre auch misstrauisch. Glaubst du, Kane wird auch so sein?“

Ich schnaubte wieder. Kane war so weit von Steve entfernt wie nur möglich. Nein, eigentlich nicht. Aber er ist hetero, und ich mag ihn, und ich mache mir wirklich Sorgen, dass er mich verletzen wird, dass ich nur ein Witz bin oder er mich nur benutzt, um sich selbst zu finden oder …“ Ich machte eine Pause, nachdem ich das geschickt hatte. Ich mache mir Sorgen, dass ich ihn schon zu sehr mag. Ich meine, ich weiß, dass ich das tue, aber bis jetzt wusste ich, dass nichts passieren würde, weil, falsches Equipment. Aber jetzt ist er neugierig, was ich vielleicht durch mein Flirten oder was auch immer verursacht habe, und ich … ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.“

Die drei Punkte erschienen, dann verschwanden sie. Dann tauchten sie wieder auf. Micah brauchte offensichtlich ein paar Versuche, um herauszufinden, was er antworten sollte. Schließlich erschien seine Nachricht. Die letzte Nachricht enthielt eine Menge Informationen, also lass mich von Anfang an beginnen. Du bist besorgt, dass er dich verletzen könnte. Das kann in jeder Beziehung passieren.“

Ich schnaubte. Was wusste Micah schon darüber, dass man in einer Beziehung verletzt wurde? Er war mit Carter zusammen, der ungefähr der perfekteste Mann der Welt war. Eigentlich zu perfekt, aber dennoch. Woher willst du das wissen?“ Ich klang ein wenig unhöflich, aber ich konnte nicht anders. Woher sollte er denn wissen, wie es ist, in einer Beziehung zu sein, in der es nicht so gut lief?

„Daddy und ich sind nicht immer einer Meinung. :-)“

Natürlich musste er das Smiley-Gesicht einfügen. Die drei Punkte erschienen wieder.

„Wie auch immer, das kommt vor. Das gehört dazu, wenn man eine Beziehung führt. Es kommt nur darauf an, ob du denkst, dass diese Person den möglichen Schmerz wert ist.“

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich kannte Kane nicht gut genug, um mich für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Aber er schien so ein guter Kerl zu sein. Er wirkte nicht wie jemand, der Geheimnisse haben oder mich ausnutzen würde … und doch konnte ich diese verdammten Worte in meinem Kopf nicht zum Schweigen bringen.

Andererseits war ich mir ziemlich sicher, dass Kane einige große Geheimnisse vor Sam hatte. Wenn Sam seine Augen öffnen würde, würde er die Wahrheit direkt vor sich sehen. Aber was wusste ich schon? Vielleicht wusste er es und ging nur auf seine Weise damit um?

Aber das war im Moment nicht wichtig.

„Wenn er nicht Sams Bruder wäre …“ Ich hörte auf zu tippen, weil ich nicht einmal wusste, worauf ich hinauswollte. Ich drückte trotzdem auf den Sendeknopf.

„Autsch, ja. Vielleicht solltest du zuerst mit Sam reden.“

Nein, das würde nicht passieren. Zumindest nicht, bis ich die Dinge in meinem Kopf geklärt hatte. Ich konnte mit Sam nicht über etwas reden, was vielleicht passieren würde , und ich bezweifelte, dass er begeistert wäre, wenn er herausfände, dass sein eigener Bruder mich geküsst hatte. Ich stöhnte auf. Noch ein Grund mehr, warum das eine beschissene Idee war. Warum dachte ich also immer noch darüber nach?

Ich sollte die ganze Sache einfach auf sich beruhen lassen und weitermachen, mich in den verbleibenden Wochen in meinem Zimmer oder irgendwo anders als in der Nähe von Kane oder Sam verstecken, dann zurück aufs College gehen und vergessen, dass mich Kane jemals geküsst hatte. Das wäre das Richtige. Das Vernünftigste, was ich tun konnte.

Abgesehen von der Sache mit dem Verstecken in meinem Zimmer.

Ich war offensichtlich nicht einmal annähernd vernünftig, denn ich hasste alles an dieser Vorstellung. Allein der Gedanke, Kane nicht mehr zu sehen … Ich ließ meinen Kopf für einen Moment auf das Kissen fallen. Es war beschissen. Egal, was ich tat, ich würde am Ende der Gefickte sein, und zwar nicht auf die gute Art.

„Ich traue mich nicht einmal, mit Sam zu reden, um ehrlich zu sein. Was soll ich ihm sagen? Entschuldige, dass ich deinen Bruder verdammt heiß finde, dass ich will, dass er mich fickt, bis ich meinen Namen nicht mehr buchstabieren kann, und dass ich so sehr mit ihm geflirtet habe, dass er irgendwie bisexuell wurde?“

Micah brauchte einen Moment, um zu antworten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man nicht irgendwie bisexuell werden kann. Entweder man ist es oder nicht.“

Ich schnaubte. Ernsthaft, das ist alles, was du zu meiner Nachricht zu sagen hast? Und ja, ich weiß. Fuck. Ich habe einfach keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.“

„Rede erst mal mit Kane. Du musst wissen, wie er dazu steht, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass du mit ihm über nichts davon gesprochen hast. Du bist zu sehr daran gewöhnt, dass es einfach für dich ist. ;-) Leide wie wir Normalsterblichen.“

„So, wie du leidest, wenn dein Daddy Nein zu dir sagt? :-)“ Ich konnte mir nicht helfen, ich musste ihn damit aufziehen. Das war viel einfacher, als mich meinen eigenen Problemen zu stellen.

„So sehr, Finn. Ich leide so sehr. Ich weiß nicht, wie ich das überlebe. Und jetzt hör auf, das Thema zu wechseln.“

„Gut. Wenn du das sagst.“ Ich hielt inne. Okay, also … denkst du, ich sollte mit Kane reden? Um zu sehen, was er denkt?“

„Ja. Es hat keinen Sinn, sich zu stressen, wenn du keine Ahnung hast, was in seinem Kopf vorgeht. Und du solltest nicht vorschnell urteilen. Er ist nicht dieser andere Typ.“

Ich rollte mich wieder herum. Mein Körper tat an Stellen weh, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gab. Ich weiß. Das muss ich im Kopf behalten.“ Aber was sollte ich tun? Abgesehen davon, mit ihm zu reden? Und das wollte ich wirklich nicht.

„Ich weiß, es ist schwer, aber manchmal muss man einen Vertrauensvorschuss geben.“ Ich wusste, dass Micah das getan hatte. Er hatte Carter wirklich vertraut, auch wenn es vielleicht nicht immer so aussah, als würden es die beiden schaffen. Ich wusste teilweise nicht, was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, aber sie waren jetzt beide übelkeitserregend glücklich. Es hatte sich also offensichtlich für sie gelohnt.

„Ich weiß irgendwie, dass du recht hast, aber ich will nicht.“

„Schmollen hilft auch nicht, das weißt du, oder? Außerdem, wo ist der Finn, der sich von niemandem einschüchtern lässt?“

„Er ist gerade weg …“

„Dann finde ihn. Vertrau dir selbst. Vertrau Kane. Und wenn er herausfindet, dass er gar nicht auf Jungs steht, dann ist das zwar scheiße, aber du hast wenigstens Klarheit. Wenn du nicht mit ihm redest, wirst du nie erfahren, was hätte passieren können. Es sei denn, er bedeutet dir wirklich nicht so viel? Aber ich bezweifle, dass du mir wegen ihm eine Nachricht schicken würdest, wenn das der Fall wäre.“ Eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: Und wenn er dir wehtut, trete ich ihm in den Arsch.“

Ich schnaubte, als ich mir vorstellte, wie Micah irgendjemanden in den Arsch trat, ganz zu schweigen von einem durchtrainierten Kerl wie Kane. Er war der sanftmütigste Mensch, den ich mir vorstellen konnte.

„Oder ich hetze Daddy auf ihn …“

Carter … der genauso sanftmütig war, auch wenn er einschüchternder wirkte als Micah.

„Wir sollten vielleicht an deinen Drohungen arbeiten.“

„Jetzt wirst du fies. Okay, da du nicht willst, dass ich oder Daddy ihm in den Arsch treten, musst du mit ihm reden und es in Ordnung bringen. Finde wenigstens heraus, was zum Teufel los ist.“

„Das werde ich. Ich danke dir. Pass auf dich auf, okay?“

„Mach ich, und du auch. Du schaffst das. :-)“

Damit legte ich mein Handy zur Seite. Ich brauchte ein Nickerchen, bevor ich mich zu irgendetwas entschließen konnte, aber höchstwahrscheinlich musste ich tun, was Micah vorgeschlagen hatte. Ich musste mit Kane reden, bevor ich überhaupt daran dachte, Sam unter die Augen zu treten.

Es gab Dinge, die ich nicht tun wollte, und diese beiden Dinge standen ganz oben auf der Liste.

Ich seufzte, warf mein Handy zur Seite und zog das Kissen über mein Gesicht.

Erst ein Nickerchen. Stress später.