Jeder Serienmörder hat seine Signatur. Wie ein Maler, der sein Gemälde in einer Ecke signiert, oder ein Regisseur, der in einer Filmszene ein Easter Egg versteckt. Künstler wollen, dass ihr Werk Anerkennung findet, sie wollen sich verewigen. Wollen über ihre Zeit auf Erden hinaus im Gedächtnis bleiben.
Es ist nicht immer so grausig, wie es in Filmen dargestellt wird – verschlüsselte Spitznamen, die in die Haut geritzt werden, abgetrennte Leichenteile, die überall in der Stadt auftauchen. Manchmal ist es etwas so Simples wie ein sauberer Tatort oder die Position der Leichen auf dem Boden. Stalking-Muster, die sich erst im Laufe der Zeit durch die Aussagen mehrerer nichts ahnender Zeugen herausbilden, oder rituelle Vorgehensweisen, die immer wieder vorkommen, bis sich schließlich ein Muster herauskristallisiert. Ein Muster, das sich nicht allzu sehr von der morgendlichen Routine normaler Menschen unterscheidet, die ihr Bett auf die immer gleiche Weise machen oder das Geschirr in der immer gleichen Reihenfolge abspülen, als gäbe es keine andere Art, das zu tun. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, habe ich gelernt, und der Akt, mit dem jemand einem anderen das Leben nimmt, kann viel über diese Person aussagen. Jede Tötungsmethode ist einzigartig, wie ein Fingerabdruck. Aber bei meinem Vater gab es keine Leichen, auf denen er sein Zeichen hätte hinterlassen können, keine Tatorte, die seine Signatur bewahrt hätten, keine Fingerabdrücke, die man hätte analysieren können. Sodass Breaux Bridge sich schließlich fragte: Wie hinterlässt man eine Signatur ohne Leinwand?
Die Antwort lautet: Man kann es nicht.
Die Polizei von Breaux Bridge hat den ganzen Sommer ’99 über versucht, wenigstens einen Hinweis auf die Identität des Mörders zu finden. Und sei es auch nur ein Flüstern, das auf einen brauchbaren Verdächtigen hätte deuten können, eine verborgene Signatur an einem Tatort, der nicht zu existieren schien. Aber natürlich fanden sie nichts. Sechs Mädchen tot und nicht ein einziger Zeuge, der einen Mann in der Nähe des Schwimmbads hätte herumlungern sehen, oder ein Auto, das seiner Beute im Schritttempo durch eine nächtliche Straße gefolgt wäre. Am Ende war ich es, die die Antwort fand. Ein zwölfjähriges Mädchen, das mit dem Make-up seiner Mutter Verkleiden spielen wollte und auf der Suche nach einem Tuch für sein Haar den Schrank durchwühlt hatte. Und da, als ich dieses Holzkästchen in Händen hielt, sah ich es – das, was sonst niemand hatte sehen können.
Anstatt Beweise zu hinterlassen, nahm mein Vater sie mit.
«Selbst wenn das ein Menschenleben retten könnte, Chloe?»
Ich verfolgte, wie der Schweiß an Sheriff Dooleys Hals hinunterrann. Er sah mich so eindringlich an, wie ich es noch nie erlebt hatte. Mich und das Kästchen in meinen Händen.
«Wenn du mir dieses Kästchen aushändigst, rettest du vielleicht ein Leben. Denk darüber nach. Was wäre, wenn du Lena hättest das Leben retten können, aber dich dagegen entschieden hättest, weil du Angst hattest, Ärger zu machen?»
Ich sah auf meinen Schoß und nickte knapp. Unvermittelt streckte ich die Arme aus, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
Der Sheriff legte seine Hände um meine – seine Gummihandschuhe waren glitschig, aber warm – und nahm mir das Kästchen sanft ab. Er betrachtete den Deckel, legte die Finger an den Rand und öffnete es. Die zarte Melodie ertönte. Ich wich seinem Blick aus und sah lieber die Ballerina an, die sich in langsamen, perfekten Kreisen drehte.
«Das ist Schmuck», sagte ich, den Blick immer noch auf das tanzende Mädchen gerichtet. Es war hypnotisierend, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich in diesem verblichenen rosa Tutu drehte, die Arme hoch erhoben. Es erinnerte mich daran, wie Lena sich beim Krebsfest gedreht hatte.
«Das sehe ich. Weißt du, wem der gehört?»
Ich nickte. Mir war klar, dass er eine ausführlichere Antwort wollte, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, es auszusprechen. Nicht freiwillig jedenfalls.
«Wem gehört der Schmuck, Chloe?»
Meiner Mutter entfuhr ein Schluchzen. Ich sah sie an. Sie hatte sich die Hand auf den Mund geschlagen, und ihr Kopf zitterte heftig. Sie hatte den Inhalt dieses Kästchens bereits gesehen; ich hatte ihn ihr gezeigt, zu Hause. Ich hatte gewollt, dass sie mir eine andere Erklärung dafür gab als die, die sich in meinem eigenen Kopf herausbildete. Die einzig plausible Erklärung. Aber das hatte sie nicht gekonnt.
«Chloe?»
Ich sah wieder den Sheriff an.
«Der Bauchnabelring gehört Lena», sagte ich. «Der da, in der Mitte.»
Der Sheriff griff in die Schmuckschatulle und nahm das kleine, silberne Glühwürmchen heraus. Nachdem es Wochen im Dunkeln verbracht hatte, wirkte es tot. Kein Sonnenlicht, das sein Leuchten genährt hätte.
«Woher weißt du das?»
«Ich habe ihn beim Krebsfest an Lena gesehen. Sie hat ihn mir gezeigt.»
Er nickte und legte den Ring zurück.
«Und die anderen Schmuckstücke?»
«Ich kenne diese Perlenkette», sagte meine Mutter mit belegter Stimme. Der Sheriff warf ihr einen kurzen Blick zu, dann griff er wieder in die Schatulle und holte eine Perlenkette heraus. Die Perlen waren groß und rosa, und die Kette wurde im Nacken zugebunden. «Sie gehört Robin McGill. Ich … ich habe sie an ihr gesehen. Eines Sonntags in der Kirche. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie sehr schön fände, dass sie etwas Besonderes sei. Richard war bei mir. Er hat sie auch gesehen.»
Der Sheriff atmete geräuschvoll aus und nickte, dann legte er die Kette zurück. Im Lauf der nächsten Stunde wurde auch der übrige Schmuck identifiziert – Margaret Walkers Diamantohrringe, Carrie Hollis’ Sterlingsilber-Armband, Jill Stephensons Saphirring, Susan Hardys Weißgold-Creolen. Auf keinem der Schmuckstücke wurde DNA gefunden – sie waren sorgfältig gereinigt und das Kästchen war abgewischt worden –, aber ihre Eltern bestätigten unsere Vermutungen. Es waren Geschenke gewesen, zum Mittelschulabschluss, zur Konfirmation, zum Geburtstag. Zeichen der Würdigung, mit denen die Meilensteine in der Entwicklung ihrer Töchter gefeiert wurden, die nun für immer durch ihren vorzeitigen Tod in Erinnerung bleiben würden.
«Das hilft uns, Chloe. Danke.»
Ich nickte. Die Melodie des Schmuckkästchens versetzte mich in eine Art Trance. Sheriff Dooley klappte den Deckel zu, und ich riss den Kopf in die Höhe; der Bann war gebrochen. Wieder sah er mich an, die Hand auf dem Deckel des Kästchens.
«Hast du je gesehen, dass dein Vater Umgang mit Lena Rhodes oder einem der anderen Mädchen hatte?»
«Ja», sagte ich und dachte sofort wieder an das Krebsfest. Bei dem er sie und ihren straffen Bauch angestarrt hatte. Den Kopf gesenkt hatte, als er merkte, dass er dabei beobachtet wurde. «Ich habe einmal gesehen, wie er sie auf dem Krebsfest angestarrt hat. Als sie mir ihr Bauchnabelpiercing gezeigt hat.»
«Was hat er getan?»
«Nur … geguckt», sagte ich. «Sie hatte ihr T-Shirt hochgezogen. Sie hat ihn dabei ertappt, wie er sie ansah, und sie hat gewinkt.»
Meine Mutter neben mir schnaubte und schüttelte den Kopf.
«Danke, Chloe», sagte der Sheriff. «Ich weiß, das war nicht leicht für dich, aber du hast das Richtige getan.»
Ich nickte.
«Gibt es noch etwas, was du uns über deinen Vater sagen möchtest, bevor wir dich gehen lassen? Irgendetwas, das wir wissen müssen?»
Ich atmete aus und schlang mir die Arme fest um den Leib. Es war heiß in diesem Büro, aber mit einem Mal merkte ich, dass ich zitterte.
«Einmal habe ich ihn mit einer Schaufel gesehen», sagte ich und wich dem Blick meiner Mutter aus. Das war ihr neu. «Er ging durch unseren Garten, er kam aus dem Sumpf dahinter. Es war dunkel, aber … er war da.»
Alle schwiegen. Diese neuerliche Enthüllung legte sich über den Raum wie ein dichter Morgennebel.
«Wo warst du, als du ihn gesehen hast?»
«In meinem Zimmer. Ich konnte nicht schlafen, und ich habe da unter meinem Fenster diese Bank, wo ich gern lese … tut mir leid, dass ich nicht früher was gesagt habe. Ich … ich wusste nicht …»
«Natürlich nicht, Schätzchen», sagte Sheriff Dooley. «Natürlich nicht. Du hast mehr als genug getan.»
Jetzt rollt Donnergrollen durch mein Haus und lässt die Weingläser, die kopfüber unter unserem Getränkeschrank hängen, aneinanderschlagen wie klappernde Zähne. Ein weiteres Sommergewitter zieht heran. Ich spüre die elektrische Aufladung in der Luft, schmecke den bevorstehenden Regen.
«Chlo, hast du mich gehört?»
Ich hebe den Blick von meinem bis zur Hälfte mit Cabernet gefüllten Weinglas. Allmählich verblasst die Erinnerung an Sheriff Dooleys Büro; stattdessen sehe ich Daniel, der an unserer Küchentheke steht, die Ärmel bis zum Ellbogen aufgekrempelt, in einer Hand ein Messer. Er ist heute Nachmittag von seiner Tagung zurückgekehrt; als ich aus der Praxis nach Hause kam, traf ich ihn dabei an, wie er in meiner Gingan-Schürze zu Louis Armstrong durch die Küche tanzte, während auf der Kücheninsel die Zutaten für unser heutiges Abendessen ausgebreitet waren. Bei der Erinnerung daran muss ich lächeln.
«Entschuldige, nein», sage ich. «Wie war das?»
«Ich habe gesagt, du hast mehr als genug getan.»
Ich umklammere den zarten Stiel meines Glases so fest, dass er zu brechen droht, und überlege fieberhaft, worüber wir gerade gesprochen haben. In den letzten Tagen bin ich ständig in Gedanken versunken, in Erinnerungen vertieft. Besonders als Daniel fort und das Haus leer war, fühlte es sich beinahe so an, als lebte ich wieder in der Vergangenheit. Wenn Daniel redet, ist mir häufig nicht klar, ob die Worte wirklich von ihm stammen oder ich sie ihm in den Mund gelegt habe. Ich will etwas sagen, doch er kommt mir zuvor.
«Diese Cops hatten nicht das Recht, einfach so in deiner Praxis aufzutauchen», fährt er fort, den Blick auf das Schneidebrett vor sich gerichtet. Mit schnellen, flüssigen Bewegungen schneidet er ein paar Möhren, schiebt sie an den Rand des Bretts und wendet sich den Tomaten zu. «Gott sei Dank waren noch keine Klienten da. Das hätte deinen Ruf ernsthaft beschädigen können, weißt du?»
«Oh. Ja.» Jetzt erinnere ich mich. Wir sprachen über Lacey Deckler und über Detective Thomas und Officer Doyle, die mich in der Praxis befragt haben. Ich hatte das Gefühl, ich sollte ihm davon erzählen für den Fall, dass bekannt wird, wo Lacey zuletzt lebend gesehen wurde. «Tja, ich nehme an, ich war die Letzte, die sie lebend gesehen hat.»
«Vielleicht ist sie noch am Leben», wendet er ein. «Sie haben ihre Leiche noch nicht gefunden. Es ist jetzt eine Woche her.»
«Das stimmt.»
«Und das andere Mädchen … wie lange war sie vermisst, bis man sie fand, drei Tage?»
«Ja.» Ich lasse den Wein im Glas kreisen. «Ja, drei Tage. Klingt so, als hättest du das alles verfolgt?»
«Na ja, du weißt schon. Es war in den Nachrichten. Ziemlich schwer zu übersehen.»
«Sogar in New Orleans?»
Daniel schneidet weiter Tomaten. Der Saft der Früchte läuft vom Schneidebrett auf die Arbeitsfläche. Ein weiteres Donnergrollen lässt das Haus vibrieren. Daniel gibt keine Antwort.
«Meinst du, es könnte derselbe Täter sein?», frage ich und bemühe mich, die Frage harmlos erscheinen zu lassen. «Meinst du, sie hängen, du weißt schon … zusammen?»
Daniel zuckt die Achseln.
«Weiß nicht.» Mit dem Zeigefinger wischt er den Tomatensaft von der Klinge und leckt ihn ab. «Zu früh, um das sagen zu können, denke ich. Was für Fragen haben diese Typen dir denn gestellt?»
«Eigentlich gar nicht viele. Sie wollten, dass ich ihnen erzähle, worüber wir in der Sitzung gesprochen hatten. Logischerweise wollte ich das nicht, und das hat sie ein bisschen gestört.»
«Gut gemacht.»
«Sie haben gefragt, ob ich gesehen hätte, wie sie das Gebäude verließ.»
Daniel blickt mich an und runzelt die Stirn.
«Hast du?»
«Nein. Ich habe sie die Praxis verlassen sehen, aber nicht das Gebäude. Ich meine, ich gehe davon aus, dass sie es verlassen hat. Man kann sonst eigentlich nirgendwohin. Es sei denn, jemand hätte sie drinnen überfallen, aber …»
Ich halte inne und betrachte den rubinroten Wein in meinem Glas.
«Das kommt mir eher unwahrscheinlich vor.»
Er nickt und wendet sich wieder dem Schneidebrett zu, nimmt das kleingeschnittene Gemüse und gibt es in eine heiße Pfanne. Knoblauchgeruch erfüllt den Raum.
«Abgesehen davon war es ziemlich sinnlos», fahre ich fort. «Ich hatte den Eindruck, dass sie gar nicht so genau wissen, wo sie anfangen sollen.»
Draußen beginnt es wolkenbruchartig zu regnen. Es klingt, als klopften Millionen von Fingern aufs Dach, begierig, nach drinnen zu gelangen. Daniel sieht zum Fenster, geht hin und öffnet es. Das erdige Aroma eines Sommergewitters strömt in die Küche und vermischt sich mit dem Duft des Essens. Ich sehe Daniel eine Weile zu, verfolge, wie er sich ganz natürlich durch die Küche bewegt, das Gemüse mit Pfeffer würzt, eine rosa Scheibe Lachs mit marokkanischen Gewürzen einreibt. Dann wirft er sich ein Geschirrhandtuch über die kräftige Schulter, und mir wird ganz warm ums Herz, so perfekt ist das alles. So perfekt ist er. Ich werde niemals begreifen, warum er mich auserwählt hat, mich, die angeknackste Chloe. Er verhält sich, als liebte er mich seit dem Moment, als er mich kennenlernte, seit er meinen Namen erfuhr. Aber es gibt noch so vieles, was er nicht über mich weiß. So vieles, was er nicht versteht. Ich denke an die kleine Geheimapotheke in meiner Praxis – meine Rettungsleine –, diese Sammlung rezeptpflichtiger Medikamente, die ich unter seinem Namen beschafft habe. Ich denke an meine Kindheit, meine Vergangenheit. An das, was ich gesehen habe. An das, was ich getan habe.
Er kennt dich nicht, Chloe.
Ich versuche, Coopers Worte zu verdrängen, aber er hat recht, das weiß ich. Mit Ausnahme meiner Familie weiß Daniel mehr über mich als sonst jemand auf der Welt, aber das will nicht viel heißen. Es ist dennoch nur die Oberfläche. Es ist dennoch inszeniert. Denn wenn ich mich ihm ganz öffnen würde – wenn ich ihm die angeknackste Chloe zeigen, ihm den stinkenden Kern offenbaren würde, der in meinem Inneren pulsiert –, würde er nur kurz daran schnuppern und zurückzucken. Er könnte gar nicht mögen, was er dann sähe.
«Genug davon», sagt er jetzt, beugt sich über die Arbeitsfläche und füllt mein Glas auf. «Wie war denn der Rest deiner Woche? Bist du mit den Hochzeitsvorbereitungen weitergekommen?»
Ich denke an Samstagvormittag, als Daniel nach New Orleans fuhr. Ich hatte vor, mich um die Hochzeitsvorbereitungen zu kümmern – ich habe meinen Laptop aufgeklappt und einige E-Mails beantwortet –, doch dann tönte die Nachricht zu Aubrey Gravino durchs Wohnzimmer, und die Erinnerungen schlossen mich in meinem eigenen Kopf ein wie in einem Auto, das im Wasser versinkt. Ich denke daran, wie ich das Haus verließ und gedankenverloren durch die Stadt fuhr, wie ich auf den Suchtrupp auf dem Cypress Cemetery stieß, wie die Frau in der Cargohose Aubreys Ohrring fand, und dass ich den Friedhof, nur Minuten bevor man ihre Leiche entdeckte, verließ. Ich denke an Aaron Jansen, der bei meiner Mutter war, und seine Theorie, die ich schon die ganze Woche aktiv zu leugnen versuche. Jetzt ist Freitag; Aaron hat vorhergesagt, bis Montag werde eine weitere Leiche auftauchen. Bislang ist das nicht geschehen, und mit jedem Tag, der vergeht, wird mir eine kleine Last von den Schultern genommen. Noch kann ich hoffen, dass er sich irrt.
Kurz überlege ich, was ich Daniel erzählen soll, und komme zu dem Schluss, dass ich noch nicht bereit dafür bin, mich ihm zu öffnen – jedenfalls nicht, was diese Seite von mir betrifft. Die Seite, die ihre Nerven medikamentös beruhigt. Die Seite, die sich einem Suchtrupp auf einem Friedhof anschließt, um Antworten auf die Fragen zu finden, die ich mir seit zwanzig Jahren stelle. Denn Daniel lässt nicht zu, dass ich mich verstecke; er lässt nicht zu, dass ich Angst habe. Er gibt Überraschungspartys für mich, plant für Juli eine Hochzeit und spuckt allen meinen Ängsten ins Gesicht. Wenn er wüsste, womit ich die Woche verbracht habe, während er fort war – dass ich mich völlig betäubt, das fiktionale Szenario eines Reporters in Erwägung gezogen, meine Mutter in all das hineingezogen habe, obwohl sie sich nicht wehren, nicht widersprechen kann –, er würde sich schämen. Ich schäme mich.
«Sie war gut», sage ich schließlich. «Ich habe mich für Karamelltorte entschieden.»
«Fortschritt!», ruft Daniel, beugt sich über die Kücheninsel und küsst mich auf den Mund. Ich erwidere den Kuss, dann ziehe ich mich ein Stück zurück und mustere ihn. Er studiert meine Miene, mustert seinerseits mein Gesicht.
«Was ist?», fragt er dann, vergräbt eine Hand in meinem Haar und umschließt damit meinen Hinterkopf. Ich lehne mich in seine Handfläche hinein. «Chloe, was ist los?»
«Nichts», sage ich und lächle. Donner grollt durch den Raum, und ich spüre, wie meine Haut kribbelt; vielleicht ist es eine Reaktion auf den Blitz, der draußen durch den Himmel zuckt, vielleicht aber auch auf Daniels Finger, die meinen Hals liebkosen und in kreisenden Bewegungen über die zarte Haut gleich unter meinem Ohr streichen. Ich schließe die Augen. «Ich freue mich einfach, dass du wieder zu Hause bist.»