BERUFSUNFÄHIGKEIT – MYTHEN, UNWAHRHEITEN UND WER EINE BU ABSCHLIESSEN SOLLTE

Wie bereits angekündigt, bekommt das Thema Berufsunfähigkeit ein eigenes Kapitel. Und das ist auch bitter nötig. Wenn ich auf Instagram meinen Fragen-Samstag mache, an dem ich Versicherungsfragen aus meiner Community beantworte, dann beziehen sich immer 40 bis 50 Prozent der Fragen auf das Thema Berufsunfähigkeit. Warum ist das so? Das liegt zum einen daran, dass diese Versicherung für viele Menschen eine extrem wichtige Absicherung darstellt, und zum anderen an den ganzen Unwahrheiten und der Panik, die am laufenden Band über Zeitungen, TV-Berichte oder wenig fundierte Finanzblogs verbreitet werden.

Hier ist immer sehr viel Meinung am Start und ganz wenig Ahnung. Ich merke, wie schon allein beim Schreiben dieser Worte mein Puls wieder leicht steigt. Du kennst das Gefühl vielleicht auch, wenn du bei einem Thema – etwa deiner beruflichen Tätigkeit oder einem Hobby – wirklich verdammt viel Ahnung hast. Du weißt einfach, was stimmt und was nicht stimmt. Und dann liest oder hörst du irgendwo etwas über dein Thema und es ist einfach komplett falsch oder wird nur aus einem Blickwinkel beleuchtet, sodass bewusst ein negatives Bild beim Leser oder Zuschauer entsteht. So was ist wirklich zum Haareraufen.

Und oft passiert dies nur aus einem Grund: weil es sich gut verkauft. Weil es viele Klicks gibt. So traurig das auch ist. Aber ich denke, ich verrate dir kein Geheimnis, wenn ich dir sage, dass es mittlerweile leider sehr oft nicht mehr unbedingt um eine objektive Aufklärung zu einem bestimmten Thema geht, sondern nur noch darum, wer der Erste ist oder wie man eine größtmögliche Menge an Menschen auf seine Website zieht oder möglichst hohe Einschaltquoten generiert. Und dreimal darfst du raten, in welchen Fällen mehr geklickt, gekauft oder eingeschaltet wird:

»Berufsunfähigkeitsversicherung leistet nicht – Versicherungsnehmer finanziell am Ende« oder »Studie zeigt: Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen in den meisten Fällen ohne Probleme«.

Negative Schlagzeilen verkaufen sich immer besser als positive. So ticken wir Menschen eben. Ein Video, in welchem ich auf »fünf Fehler bei der Berufsunfähigkeitsversicherung« eingehe, wird zigmal mehr geklickt als ein Video mit »fünf Tipps für die Berufsunfähigkeitsversicherung«. Ja, ich habe dies psychologisch auch schon genutzt. Allerdings nutze ich dies immer nur dann, wenn ich wirklich auf ein wichtiges Thema aufmerksam machen möchte, und liefere dann natürlich auch entsprechend wertvollen Content.

Mir geht es darum, dass dir das einfach bewusst ist und du dich von pauschaler Meinungsmache nicht beeinflussen lässt. Schau hinter die Kulissen. Stell dir – vor allem bei Versicherungen – immer die Fragen: Ist das wirklich so? Was sagen denn die Fakten? Wo sind die echten Zahlen? Und dann wirst du der eigentlichen Wahrheit ein ganzes Stück näher kommen.

Gefährlich wird es immer dann, wenn du basierend auf solchen Meinungen und Darstellungen weitreichende (Versicherungs-)Entscheidungen triffst. Zum Beispiel entscheidest du nach einem (fragwürdigen) Artikel über eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die nicht gezahlt hat, dass du jetzt selbst auch keine abschließen wirst. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass deine Berufsunfähigkeitsversicherung im Zweifel später eben auch mal nicht leisten wird – zumindest hat sich diese Meinung bei dir nach dem Artikel gebildet.

Was dir der Zeitungs- oder Blogartikel nicht mitgeteilt hat, ist, dass die Versicherung deshalb nicht geleistet hat, weil der Versicherer den Versicherungsnehmer abstrakt an einen anderen Beruf verwiesen hat, weil dies schlichtweg vertraglich möglich war.

Wie du aber gelernt hast, ist dies heutzutage bei allen guten Versicherern nicht mehr der Fall. Oder aber der Kunde hat unwahre Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht. Er hat also eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung begangen. »Ich wusste nicht, dass ich Krankheit XY auch angeben musste«, wird der Kunde zitiert. Die harte Wahrheit ist aber, dass Unwissenheit kein Grund dafür ist, dass der Versicherer leisten muss. Und auch wenn das jetzt wieder wehtut: In den meisten Fällen hätte man all dies vermeiden können, hätte man sich einmal richtig mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherung beziehungsweise Absicherung seiner Arbeitskraft (es gibt ja noch andere Produkte zur Absicherung der Arbeitskraft wie zum Beispiel eine Grundfähigkeitsversicherung oder auch Erwerbsunfähigkeitsversicherung) beschäftigt. Da ist sie wieder: die Eigenverantwortung. Daran führt einfach kein Weg vorbei.

Spannende Einblicke in die Leistungspraxis bei Berufsunfähigkeitsversicherung liefert übrigens eine umfangreiche Studie vom unabhängigen Analysehaus Franke und Bornberg aus dem Jahr 2020, welche mit fünf Versicherern durchgeführt wurde.17

Zitat aus der Studie:

»Die Regulierungsstudie 2020 basiert auf Untersuchungsdaten für das Geschäftsjahr 2018. Diese Daten werden durch Stichproben vor Ort validiert, die im November 2019 erfolgten – also noch ›vor Corona‹. Teilgenommen haben die BU-Versicherer Generali Deutschland (ehemals AachenMünchener), ERGO Vorsorge, HDI, Nürnberger und Zurich. Sie bieten rund 3,9 Millionen Kund*innen Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit.«

Diese Datenbasis mit fast vier Millionen BU-Kunden ist in meinen Augen doch sehr aussagekräftig und man kann diese Werte als eine sinnvolle Basis und Benchmark für die gesamte Branche hernehmen.

Wenn wir uns nun mal anschauen, was die Gründe dafür waren, dass ein BU-Versicherer nicht geleistet hat, dann fällt der prozentual größte Teil auf die Nichterreichung des BU-Grades (Grad der Berufsunfähigkeit). Sprich, Berufsunfähigkeit (in der Regel 50 Prozent) im Sinne der Versicherungsbedingungen wurde einfach nicht erreicht beziehungsweise nicht vom Arzt festgestellt.

Und natürlich darf dann auch nicht geleistet werden. Und hier wird es spannend. Denn viele versuchen natürlich auch, sich Leistungen zu erschleichen, obwohl sie eigentlich wissen, dass sie nicht mal ansatzweise berufsunfähig sind. Aber man kann es ja mal versuchen. Vielleicht klappt es ja. Und diese Ablehnungen finden sich ebenfalls in der Statistik wieder.

Noch interessanter wird es, wenn man sich anschaut, warum vor allem bei jungen Menschen (17 bis 35 Jahre) eine beantragte Leistung nicht ausgezahlt wurde. Nahezu die Hälfte aller Ablehnungen (47 Prozent) sind hier auf vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen zurückzuführen. Etwas, das vermutlich zu 100 Prozent vermeidbar gewesen wäre, hätte man sich wirklich mal mit dem Thema beschäftigt.

Ich will keinen Lobgesang auf die Versicherer singen. Mir ist vollkommen klar, dass das Hausaufgabenbuch der Versicherer mehr als randvoll ist. Aber man darf ihnen einfach nicht alles in die Schuhe schieben. Ich selbst habe den Prozess der Berufsunfähigkeit meines eigenen Vaters miterlebt. Die BU-Rente wurde hier ohne Probleme gezahlt. Übrigens bei einem Versicherer, der nicht Teil dieser Studie war.

Niemand eröffnet einen Blog oder schreibt dem Versicherer eine positive Bewertung, wenn man seine BU-Leistung erhalten hat. Warum auch? So soll es ja laufen. Bewertest du in der Regel bei Amazon ein Produkt, wenn du damit zufrieden warst?

Aber wenn eben nicht gezahlt wurde, dann passiert genau das Gegenteil. Und das ist das, was du dann siehst. Das ist das, was du dann erzählt bekommst. Das ist das, was ein komplett verzerrtes Realitätsbild in deinem Kopf und in den Köpfen vieler anderer entstehen lässt.

Ich hoffe wirklich, ich konnte hier die bekanntesten Vorurteile und Mythen zur Berufsunfähigkeitsversicherung aus dem Weg räumen. Bleiben noch die Fragen, wer überhaupt eine Berufsunfähigkeitsversicherung braucht und wen eine Berufsunfähigkeit grundsätzlich treffen kann.

Auch hier möchte ich mit einer Frage starten, die mir sehr oft gestellt wurde: »Brauche ich als Büromensch eine Berufsunfähigkeitsversicherung? Was soll mir denn schon bei der Arbeit passieren?«

Tatsächlich wird dir als »Schreibtischtäter« bei der Arbeit vermutlich wenig passieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass du als Büroangestellter zum Beispiel durch einen Unfall bei der Arbeit berufsunfähig wirst, geht gegen null. Alles klar, keine Berufsunfähigkeitsversicherung nötig.

Nächste Frage bitte.

Nun, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn hier liegt ein immens großer Denkfehler vor. Man geht nämlich davon aus, dass die Arbeit selbst das größte Risiko ist, das zu einer Berufsunfähigkeit führen kann. Für Handwerker, Dachdecker, Maurer und Co. mag das auch durchaus stimmen. Aber eben nicht für jemanden, der einen Bürojob ausübt. Auch an dieser Stelle hilft ein Blick in die Leistungsstudie von Franke & Bornberg.18

Schaut man nämlich mal nach, welche Ursachen wirklich zu einer Berufsunfähigkeit führen, dann stellt man fest, dass Unfälle gerade mal 6,31 Prozent der Berufsunfähigkeiten ausmachen. Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes liegen bei 23,76 Prozent. Auf der anderen Seite sorgen Krebserkrankungen (»bösartige Neubildung«, 19,11 Prozent), psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen (26,64 Prozent) und Krankheiten des Kreislaufsystems (7,23 Prozent) für über 50 Prozent der Ursachen einer Berufsunfähigkeit. Und diese können einfach jeden treffen, egal welchen Beruf er ausübt.

So ehrlich und realistisch müssen wir zu uns selbst sein. Versicherern und Versicherungsvermittlern wird ja oft das Spiel mit der Angst vorgeworfen. Das hier ist kein Spiel mit der Angst. Das sind harte Fakten. Und wer dies dennoch als einen »Verkäufertrick« abstempelt, hat die Ernsthaftigkeit dieses Themas noch nicht begriffen. Vor allem durch Corona und die ganze mentale Mehrbelastung, die für viele dadurch entstanden ist, werden diese Prozentzahlen bei psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen weiter steigen und diese immer mehr zur Ursache Nummer eins für Berufsunfähigkeiten werden. Leider ist dies in Deutschland ein absolutes Tabuthema, über welches man nicht spricht – vor allem Männer nicht.

Somit ist glasklar, dass grundsätzlich auch jemand mit einem Bürojob vom Risiko der Berufsunfähigkeit betroffen ist. Vielleicht hast du auch schon mal den Satz gehört, dass Sitzen das neue Rauchen ist. Da ist sehr viel dran.

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Abschließend für dieses Kapitel möchte ich dir nun noch erklären, wer überhaupt eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen sollte beziehungsweise diese braucht. Denn das ist vermutlich eine Frage, die dir schon die ganze Zeit unter den Nägeln brennt.

Im Prinzip sollte jeder, der auf sein aktives Arbeitseinkommen angewiesen ist, dieses auch entsprechend absichern. Wenn deine Arbeitskraft ausfällt und du sonst keine anderen Geldströme oder Vermögen hast, von welchen du leben kannst, dann ist dies die einzig logische und rationale Vorgehensweise. Und auf die meisten Menschen wird dies auch zutreffen. Für einige (wenige) aber vielleicht auch nicht.

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Für ein besseres Verständnis möchte ich dir einfach mal schildern, wann und warum ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe. Mit zarten 20 Jahren habe ich meine Berufsunfähigkeitsversicherung zu Beginn meiner Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen abgeschlossen. Eher widerwillig. Nicht weil ich davon überzeugt war, dass dies eine echt sinnvolle Versicherung ist, sondern weil ich vielmehr von meinem Ausbildungsleiter dazu überredet wurde. »Na gut, dann mach’ ich das halt mal, bevor ich deswegen vielleicht noch in der Probezeit rausgeworfen werde.« Und hätte ich eine andere Ausbildung gemacht, dann hätte ich vermutlich damals keine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Warum auch? Ich verdiente das erste Mal richtig Geld und sollte davon direkt mal 40 oder 50 Euro für eine Berufsunfähigkeitsversicherung abdrücken? Nein, danke. »Ich bin jung, topfit und ernähre mich gesund. Ich achte auf meinen Körper und treibe Sport. Was soll mir bitte schön passieren?« Kommt dir das vielleicht ein wenig bekannt vor? Das war meine klare Einstellung mit Anfang 20. Ist sie übrigens auch heute noch. Bis auf den Punkt »Was soll mir bitte schön passieren?«. Denn mir ist dann leider doch einiges passiert in den folgenden Jahren.

Die Geschichte, die ich dir jetzt erzähle, könnte sich auch irgendein Verkaufs-Storyteller ausgedacht haben, so gut ist sie. Mit dem feinen Unterschied, dass mir dies wirklich genau so passiert ist.

Ich saß im Büro meiner Geschäftsstelle in Aschaffenburg und wartete darauf, dass es 17 Uhr wurde. Dann war Feierabend. Keine Minute früher. Und ich sorgte auch dafür, dass es definitiv keine Minute später sein würde. Die ersten Wochen der Ausbildung waren echt anstrengend. Anstrengend deshalb, weil ich durchgängig acht Stunden lang maximal unterfordert war. Ich bin dieser Typ Mensch, der einfach ständig was machen muss. Das habe ich von meinem Vater geerbt. Danke, Papa.

Mal wirklich eine Stunde komplett ohne was zu tun auf der Couch zu liegen, das ist fast Folter für mich. Übrigens sehr zum Leidwesen meiner Frau. Und jetzt stell dir mal vor, dass so ein Typ Mensch jeden Tag acht Stunden neben einer anderen Person an einem PC sitzen und zuschauen muss, was diese Person so macht. Und genau deshalb hast du mich eine Minute nach 17 Uhr auch nicht mehr im Büro gesehen.

An diesem besagten Abend habe ich mich mit meinen Jungs zum Fußballspielen in einer Indoor-Soccer-Halle getroffen. Ich habe nie professionell Fußball gespielt, aber dafür sehr oft in meiner Freizeit. Es war gerade die zweite Woche meiner Ausbildung und nach jedem Tag so langen Sitzens habe ich mich extrem auf eine Runde »Zocken« in der Soccer-Halle gefreut. Vier gegen vier, und los ging es. Wir spielten immer sehr fair und auch nicht zu aggressiv, weil wir eben nicht wollten, dass sich jemand ausgerechnet in der Freizeit verletzt.

So auch an diesem Abend.

Als ich nach circa 40 Minuten Spielzeit gerade zu einem kurzen Sprint ansetzen wollte, passierte es. In meiner eigenen Wahrnehmung hörte ich ein richtig lautes »Schnalzen« und in der gleichen Sekunde spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem rechten Knie. Ich sackte sofort zusammen und schrie und weinte vor Schmerzen. Meine Freunde sammelten sich um mich und fragten, was denn los sei. Denn mich hatte ja niemand gefoult oder Ähnliches. Keinerlei Fremdeinwirkung. Ich meinte, dass ich irgendwie im Boden hängen geblieben sein musste. Mein Knie schwoll in Sekundenschnelle richtig dick an, sodass ich es gar nicht mehr richtig beugen oder strecken konnte. Meine Hoffnung, dass es irgendwie nur eine Zerrung war, sollte sich am nächsten Tag im Krankenhaus leider nicht bestätigen.

Kreuzbandriss. In einem kurzen Gespräch erklärte mir der Arzt, dass das operiert werden müsse und ich vermutlich nie mehr irgendwelche Sportarten würde machen können, welche das Knie belasten. Dafür sei das »neue Kreuzband« nicht stark genug. Ich habe zu dieser Zeit auch Tischtennis im Verein gespielt. Eine Sportart, bei der eine sehr schnelle Beinarbeit und entsprechend auch eine Belastung der Knie erforderlich sind. Meine komplette Welt brach in diesem Moment zusammen. Ich war Anfang 20 und sollte nie mehr meinen Lieblingssportarten nachgehen können? Das konnte nicht sein. Schluchzend führte mich meine Mutter aus dem Krankenhaus und wir fuhren nach Hause.

Einige Jahre später sollte ich mir bei einem nicht selbst verschuldeten Motorradunfall (ich saß hinten drauf und auch mein Freund und Fahrer hatte keine Schuld an dem Unfall) auch noch das linke Schien- und Wadenbein brechen. Mehrere Wochen lag ich im Krankenhaus und konnte monatelang nur mit Krücken laufen. Bis heute befindet sich noch ein Teil einer Schraube knapp unterhalb meines linken Knies im Knochen. Sie ist damals abgebrochen, als der sogenannte T2-Nagel, der von kurz unterhalb des Knies bis an das Fußgelenk reichte und sich im Schienbein befand, wieder herausoperiert wurde.

Was kannst du dir nun aus meiner Geschichte herausziehen? Vor allem in Bezug auf die Berufsunfähigkeitsversicherung?

Ich hatte diese tatsächlich nur wenige Tage vor meinem Kreuzbandriss abgeschlossen.

Hätte ich damit länger gewartet, dann hätte ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nur noch mit einem kompletten Ausschluss meines rechten Knies und eventueller Folgeerkrankungen bekommen. Vom späteren Motorradunfall mal ganz zu schweigen.

Ich bin unglaublich dankbar, dass ich meine BU-Versicherung im Vorfeld dieser Unfälle abgeschlossen habe beziehungsweise dazu überredet wurde. Zwar bedingen Unfälle per se nur einen kleinen Teil der Berufsunfähigkeiten an sich, aber das heißt nicht, dass Unfälle nicht eben auch dafür sorgen können, dass du erst gar keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen kannst oder nur unter erschwerten Bedingungen. Das sind »zwei verschiedene Paar Schuhe«, wie mein Vater sagen würde.

Übrigens spiele ich bis heute Fußball, Tischtennis (wenn auch nicht mehr im Verein) und mache sonst jede Sportart, auf die ich Lust habe. Ich hatte mir damals eine zweite Meinung eingeholt und mir einen Termin in einer Klinik geben lassen, die sich auf Kreuzbandrisse spezialisiert hatte. Dank meiner Krankenzusatzversicherung für stationäre Krankenhausaufenthalte, die ich ebenfalls zu Ausbildungsbeginn abgeschlossen hatte, konnte ich hier die entsprechenden Zusatzleistungen in Anspruch nehmen. Auch dafür bin ich einfach dankbar und habe bis heute – im Gegensatz zu vielen meiner Fußballfreunde, die nicht zu einem Spezialisten gegangen sind – keinerlei Probleme mit meinem »neuen« Kreuzband. Gesundheit ist für mich persönlich einfach das Allerwichtigste. Ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche. Ein kranker beziehungsweise ein nicht körperlich fitter Mensch nur einen. Und die richtigen Versicherungen unterstützen mich eben auch finanziell dabei, mir diese Gesundheit zu erhalten oder – wenn nötig – wiederherzustellen.

Meine Berufsunfähigkeitsversicherung werde ich übrigens vermutlich auch irgendwann kündigen.

Denn wie viele andere habe ich das ambitionierte Ziel, irgendwann finanziell frei und unabhängig zu sein. Und da du gerade dieses Buch in der Hand hältst, ist es nicht ganz unrealistisch, dass du dieses Ziel möglicherweise auch hast. Denn niemand kauft ein Buch über Versicherungen mal einfach so. Meist geht dem eine gewisse finanzielle Selbstfindungsphase voraus und irgendwann stößt man eben auch auf das Thema Versicherungen. Wenn das bei dir nicht der Fall sein sollte, dann ist das überhaupt nicht schlimm. Ich wollte nur die Menschen, auf die dies ebenfalls zutrifft, hiermit kurz direkt ansprechen. Einfach damit ihr aufgrund eurer finanziellen Ambitionen keinen fatalen Fehler macht.

Sollte ich irgendwann an den Punkt kommen, dass ich finanziell wirklich auf niemanden mehr angewiesen bin, komme, was wolle, dann werde ich meine Berufsunfähigkeitsversicherung kündigen. Denn dann hat diese bis dahin ihren Zweck sehr gut erfüllt. Sie hat mich auf dem Weg zu meiner finanziellen Unabhängigkeit geschützt. Hat diesen Weg links und rechts für mich gesichert. Aber wenn dann ein finanzielles Risiko einfach nicht mehr vorhanden ist, dann muss man dieses ja auch nicht mehr absichern. Wenn ich nicht mehr auf mein aktives Arbeitseinkommen angewiesen bin, dann brauche ich auch keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr, welche mir dieses absichert.

Aber bitte mach nicht den Fehler, das Pferd von hinten aufsatteln zu wollen. Zu oft lese ich in den Kommentaren unter meinen Videos, dass man die Berufsunfähigkeitsversicherung nur bis 50 Jahre abgeschlossen habe, weil man bis dahin eh finanziell durch sei und man sich dann einiges an Beitrag spare, weil die Laufzeit ja nicht bis 67 Jahre gehe. Oder noch besser: Man schließt erst gar keine BU-Versicherung ab und legt das Geld dafür einfach zur Seite oder investiert es in einen ETF-Sparplan. Da hat man ja dann auch was davon, wenn man nicht berufsunfähig wird. Zack, dem Versicherungsvermittler ein Schnippchen geschlagen!

Willst du Gott zum Lachen bringen, dann erzähl ihm von deinen Plänen, lautet ein sehr bekanntes Sprichwort. Es passt einfach zu gut. Ich habe auch den Plan und das Ziel, bis zu meinem 50. Geburtstag finanziell frei zu sein. Aber ich bin eben auch rational genug, um zu wissen, dass es vermutlich mehrere Millionen Dinge gibt, die mir hier einen Strich durch die Rechnung machen können, an welche ich nicht mal ansatzweise gedacht habe. Und dieses Risiko kann ich für mich selbst, für meine finanzielle Existenz niemals eingehen. Was ist denn, wenn du mit 48 Jahren berufsunfähig bist und deine Berufsunfähigkeitsversicherung nur bis 50 läuft? Hast du genug finanzielle Mittel, um es bis zur Rente zu schaffen? Und falls ja, wovon lebst du dann in der Rente, weil du hier auch nur auf dein Depot gesetzt hast, aber schon vorher ran musstest. Was ist, wenn du keine BU-Versicherung abgeschlossen hast, sondern einen ETF-Sparplan mit monatlich 200 Euro und dann drei Jahre später für fünf Jahre berufsunfähig bist? Dann hast du nicht mal annähernd genug Kapital angehäuft, um davon mehrere Jahre leben zu können.

Die durchschnittliche Leistungsdauer bei einer Berufsunfähigkeitsrente beträgt im Übrigen sechs Jahre.19

Ist nun also die Antwort auf die Frage, ob du auf jeden Fall eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen solltest, ein klares Ja? Nein, definitiv nicht.

All meine Beispiele, Erklärungen und Zahlen sollten nur eines bewirken: Du solltest einfach auch mal eine andere Perspektive auf diese Versicherung bekommen. Es war ein Versuch, damit wieder ein Gleichgewicht in deinem Kopf herzustellen, was die Thematik Berufsunfähigkeit angeht. Einen Gegenpol zum ganzen Versicherungs-Bashing und der größtenteils reinen Meinungsmache aufzubauen.

Am Ende entscheidest allein du, ob du deine Arbeitskraft über zum Beispiel eine Berufsunfähigkeitsversicherung absichern möchtest oder nicht. Dies hängt vor allem auch von deinem persönlichen Risikoempfinden ab. Ich kenne zum Beispiel auch Menschen, die sind hergegangen und haben mit Anfang 20 mal ausgerechnet, wie viel Kapital sie monatlich sparen müssten, um zum Zeitpunkt X genug Vermögen aufgebaut zu haben, um dann auch eine mögliche Berufsunfähigkeit abfedern zu können. Im Gegenzug wird dann in Kauf genommen, dass man zum Beispiel bis zum 45. Lebensjahr nicht berufsunfähig werden darf, denn sonst geht der Plan nicht auf. Auch eine Herangehensweise. Würden wir allerdings einem Kunden bei uns in der Beratung diese Strategie empfehlen, würden wir, wenn das Ganze schiefgeht, ziemlich schnell vor Gericht gezerrt werden. Und mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Sieger aus dieser Nummer hervorgehen. Ja, Versicherungsvermittler haften, teilweise sehr lange, für ihre Beratung und die Aussagen, die dort getroffen und dokumentiert wurden. Dazu aber auch später mehr.

Ich wünsche mir wirklich sehr, dass dir dieses Kapitel in der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Form der Arbeitskraftabsicherung helfen konnte.