Nachdem ich jetzt viel über den Versicherungsvermittler aus Fleisch und Blut gesprochen habe, wird es jetzt ein wenig digitaler. Genauer gesagt möchte ich dir in diesem Kapitel Sinn und Unsinn beziehungsweise Fluch und Segen von Versicherungs-Apps näher erläutern: digitale Versicherungsmanager auf dem Smartphone oder im Browser, wo du alle deine Versicherungen digital hinterlegen kannst. Über die App-Anwendungen kannst du neue Angebote anfordern, einen Schaden melden, Versicherungen vergleichen und so weiter. Also grundsätzlich erst mal eine in meinen Augen echt coole Sache. Quasi exakt das Gleiche, was der klassische Versicherungsvermittler als Person macht, nur eben sehr digital und auf dem Smartphone. In einem Zeitalter, in dem alles über Apps bestimmt wird, wollen natürlich auch viele Menschen ihre Versicherungen digitalisieren. Die 25 Quadratmeter Platz, die bisher für Versicherungsordner beansprucht wurden, kannst du also ab sofort sinnvoller verwenden.
Ich möchte dieses Kapitel wirklich kurz halten. Mir geht es eigentlich nur um eine wichtige Sache, die leider sehr oft nicht erwähnt wird, wenn du dir eine Versicherungs-App herunterlädst und dich dann dort registrierst. Und zwar wird hier in der Regel ein sogenanntes Maklermandat erteilt. Ein Maklermandat ist nichts anderes, als dass du damit einem Unternehmen den Zugriff auf deine Versicherungen erlaubst. Du berechtigst das Unternehmen dadurch, die Informationen zu deinen Versicherungen bei den jeweiligen Versicherern anzufragen, sodass diese dann digital zum Beispiel in der App hinterlegt werden können. Weiterhin kann das Unternehmen für dich Versicherungen abschließen und kündigen – natürlich mit vorheriger Willenserklärung deinerseits. So weit, so gut. Das ist in meinen Augen alles kein Problem. Du gibst jeden Tag deine Daten an zig Unternehmen weiter. Ich denke, da müssen wir uns nichts vormachen. Aber klar, Versicherungsinformationen sind vielleicht noch etwas sensibler und nicht jeder sollte auf diese Daten Zugriff haben, oder? Das Problem bei Versicherungs-Apps ist nun das folgende: Wenn du deine Versicherungen in einer Versicherungs-App anlegst und dort das Maklermandat digital unterschrieben oder bestätigt hast, dann verliert dein bisheriger Vermittler den Zugriff auf deine Versicherungen. Vielleicht hattest du bisher keinen Ansprechpartner. Okay, dann ist alles cool. Sehr oft passiert in der Praxis allerdings das Folgende: Der Vermittler ruft seinen Kunden an und fragt, warum er sich denn jetzt plötzlich von jemand anderem betreuen lassen möchte? Warum er denn nicht mehr mit dem Service und der Beratung zufrieden sei? Der Kunde antwortet dann, dass das überhaupt nicht stimme und er weiterhin vom betreffenden Berater betreut und beraten werden möchte.
Lange Zeit schwebten dann große Fragezeichen über dem Kopf des Beraters, weil ja der Kunde definitiv den Auftrag erteilt hat, dass er von jemand anderem betreut werden möchte, und ihm das Mandat entzogen wurde, aber der Kunde eben genau das verneint hat. Und wenn wir jetzt annehmen, dass der Kunde nicht lügt, dann kann hier ja irgendetwas nicht stimmen. Das war so in den Anfängen von Versicherungs-Apps. Heutzutage wird der Vermittler dem Kunden direkt die Anschlussfrage stellen, ob er denn kürzlich eine Versicherungs-App heruntergeladen und sich dort mit seinen Versicherungen registriert hat. Und dann sagt der Kunde so was wie: »Ja, stimmt. Da habe ich mir vor zwei Wochen eine App heruntergeladen. Hat so ein Influencer empfohlen. Aber ich wollte einfach nur eine digitale Übersicht meiner Versicherungen haben. Mehr nicht. Natürlich will ich weiterhin von dir betreut werden!«
Und genau hier haben wir dann das Problem. Wenn du aktuell betreut wirst, dann entziehst du durch das Unterzeichnen eines Maklermandats in einer Versicherungs-App deinem bisherigen Betreuer alle Befugnisse und er kann nicht mehr in deine Versicherungen reinschauen, weiß nicht, was Sache ist, und kann dich eben auch nicht mehr wie bisher beraten und unterstützen, wenn es zum Beispiel um Vertragsänderungen geht. Weil rechtlich betrachtet jetzt jemand anderes das Maklermandat hat.
Übrigens: Wer auch immer das Maklermandat hält, bekommt auch entsprechend die sogenannte Bestandsprovision von den Versicherern gezahlt (wird nicht von allen gezahlt). Eine – zugegebenermaßen – relativ geringe jährliche Vergütung für das Betreuen und Verwalten der Versicherungsverträge.
Diese ganzen Informationen werden dir nicht wirklich vorenthalten bei Versicherungs-Apps, aber sie werden auch nicht so kommuniziert, dass dir als Kunden die Konsequenzen beim Registrieren in der App und beim Anlegen der Versicherungen wirklich klar wären. Hier wünsche ich mir mehr Transparenz. Denn auch solche Praktiken sorgen dafür, dass erneut ein fader Beigeschmack beim Thema Versicherungen zurückbleibt.
Ganz zu schweigen von dem verwaltungstechnischen Riesen-Monster-Aufwand, der im Hintergrund passiert, wenn ein Maklermandat gewechselt wird und dann vielleicht sogar wieder zurückgewechselt wird, weil man dies ja eigentlich gar nicht wollte. Nicht selten dauert so ein Prozess mehrere Monate. Ja, Monate. Nicht Stunden, Tage oder Wochen. Monate. Und an die Kosten, die dadurch verursacht werden, möchte ich gar nicht denken. Könnte alles vermieden werden, mit ein wenig mehr Transparenz und Aufklärung ...
So viel zum Thema Versicherungs-Apps. Finde ich grundsätzlich eine super Sache, setzen wir als digitale Schnittstelle zu unseren Kunden ebenfalls ein. Nur solltest du dir der Konsequenzen im Vorfeld bewusst sein.