Haya stieg erleichtert in die Limousine. Sie war klimatisiert – ein Segen nach der drückenden Hitze draußen. Sie war Araberin und davon überzeugt gewesen, sie habe mit solch einem Wetter keine Probleme, aber je weiter ihre Schwangerschaft fortschritt, umso weniger gefiel es ihr.
»Zu Bar-al-Yanni bitte«, sagte sie dem Fahrer.
»Sofort, Ma’am.« Er fädelte den Wagen geschickt in den Verkehr ein, und Haya musste sich bemühen, wach zu bleiben. Der Jetlag machte ihr zu schaffen, aber sie wollte dies hier unbedingt noch erledigen. Danach konnte sie ins Hotel zurückkehren, das Schildchen an die Tür hängen, das Telefon ausstöpseln und schlafen.
Es war wichtig, genug einzukaufen. Sie musste bei dieser Reise viermal so erfolgreich sein wie sonst, denn ihr Baby wurde langsam zu groß und zu unruhig. Nach ihrer Rückkehr in die USA würde sie erst einmal nicht mehr fliegen, und daher brauchte Haya genug Ware, um mindestens die nächsten fünf Monate überbrücken zu können. Sie würde sich erst wieder in ein Flugzeug setzen, wenn ihr Baby abgestillt war, und sie brauchte mindestens vier Monate, um einen weiblichen Ersatz für sie so auszubilden, dass sie nach Hayas Maßstäben verhandelte und agierte.
Sie konnte nicht alles allein schaffen.
Die kostbaren Stücke auszuwählen, das war für Haya der Erfüllung eines Traums gleichgekommen. Sally kümmerte sich um die westliche Mode und die Ausstattung des Ladens, während Haya für den exotischen Touch und die ethische Dimension sorgte. Sie kaufte Kunst, Schmuck, Stoffe, Dekoartikel und Teppiche in der islamischen Welt, und zwar nicht von Großhändlern, sondern direkt von den Frauen, die sie herstellten, oder von Kollektiven, die unverheiratete Mütter oder Witwen gebildet hatten; das Einkommen durch den Verkauf der kostbaren Dinge, die sie fabrizierten, rettete ihre Kinder vor dem Verhungern. Haya hatte große Ambitionen: Sie wollte die reichen Amerikanerinnen süchtig nach diesen Objekten machen, damit sie viel Geld dafür zahlten, denn dadurch würde jeder gewinnen: Die Kunden bekamen ein Unikat, und die Frauen, die die Waren herstellten, einen fairen Preis. Haya zweifelte nicht daran, dass dieses System für viele der armen Frauen einen entscheidenden Wandel bedeutete. Und GLAMOUR würde sich natürlich ein fettes Stück von diesem Kuchen abschneiden.
Haya wollte Geld verdienen. Für ihre eigene Unabhängigkeit und für ihr Kind – Ahmeds Kind. Profit und Prinzipien. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn beides kombiniert werden konnte.
Das kleine Königreich Ghada war ihre letzte Etappe. Hier wollte Haya in traditionellen Schmuck investieren. Die Stammesfrauen aus der Wüste fertigten wunderschöne Ketten und Armbänder aus kleinen Metallscheiben, eine Variante des Münzschmucks, der in anderen arabischen Ländern üblich war. Haya hatte Sally ein Muster gezeigt, und Sally war schier aus dem Häuschen geraten. Die kostbaren Stücke, so beschloss sie, würden der Mittelpunkt der Eröffnungskollektion werden. Das traditionelle Material war Silber, aber Haya wollte versuchen, eine Gemeinde zu überreden, sie in Kupfer herzustellen. Amerikaner mochten Silber nicht so gerne; es lief zu schnell an.
»Möglicherweise kommt es auf der Straße im Norden der Stadt zu Verzögerungen«, sagte der Fahrer in ägyptischem Arabisch, das im Nahen Osten fast überall verstanden wurde. Haya seufzte. »Und warum?«
Sie wollte nicht zu spät kommen. Man wartete in der kleinen Oase auf sie, und es war ohnehin schwierig gewesen, dieses Treffen zu arrangieren. Diese Frauen trauten Amerikanern nicht, nicht einmal, wenn sie arabischer Herkunft waren.
»Eine der Scheichas ist zu Besuch. Scheicha Aziza, die Tochter des Halbonkels des Königs. Sie wird mit einigen Leibwächtern unterwegs sein.«
»Aha.« Haya biss sich auf die Unterlippe. Die königliche Familie von Ghada, überaus wohlhabend durch Geschäfte mit Öl und Immobilien, war ausgesprochen groß. Der König, inzwischen alt und müde, besaß die absolute Macht. Die vielen Brüder und Schwestern, Töchter und Söhne, hießen alle Prinz oder Prinzessin. Wer nicht in direkter Linie verwandt war, trug den Titel Scheich oder Scheicha. Für alle Fälle blätterte Haya in ihrem Buch nach. Prinzen oder Emire wurden mit Königliche Hoheit angeredet, Scheicha schlicht Hoheit.
»Warum ist sie hier? In einer bestimmten Funktion?«
»Die Frauen des Königshauses kümmern sich oft um örtliche Märkte und Bazare. Sie fördern das traditionelle Handwerk.«
»Ach.« Haya lächelte. »Tatsächlich?«
Vielleicht ließ sich das irgendwie nutzen. Sie wusste, wie sehr sich die Menschen im Westen von Titeln beeindrucken ließen. Wenn sie die Ketten aus Ghada mit »von Königinnen getragen« bewerben konnte, würden sie sich noch besser verkaufen. Ob sich die Scheicha mit einer solchen Kette fotografieren ließe? Aufgeregt sah Haya die Werbekampagne vor ihrem inneren Auge. Vielleicht fand sich ja eine noch höher stehende Frau, eine Tochter oder eine Enkelin des Königs, die sich bereit erklärte, mit dem Schmuck zu posieren.
»Wenn Sie mich eine halbe Stunde schneller ans Ziel bringen, zahle ich Ihnen einen Bonus«, sagte sie. »Vor allem, wenn Sie mich so nah wie möglich an die Hoheiten heranbringen.«
Es war ein Triumph. Und nicht nur, weil Haya die Ehre hatte, mit Begum Ghida al-Ali, der Witwe eines ehemaligen Stammeshäuptlings, zu sprechen. Sie hatte dieses Trüppchen verarmter Frauen, Witwen oder ehemaliger Straßenkinder organisiert, und sie verarbeiteten die winzigen Metallscheiben zu überaus feinen, kostbaren Schmuckstücken. Der Schmuck verdiente es, als Kunstwerk betrachtet zu werden, und Haya hatte kein Problem damit, ihn auch als Kunst zu verkaufen. Sie schlossen einen Vertrag ab, sie tranken Minztee darauf, und Haya ließ als Anzahlung eine stattliche Summe da.
Und dann hatte sich Haya, ein paar Musterketten in der Hand, entschlossen einer Frau im Gefolge der Scheicha genähert. Die Frau trug ein westliches Kostüm, ein Tuch um die Haare und eine Sonnenbrille und wirkte, als könne sie Entscheidungen treffen. Tatsächlich sagte sie Haya, Ihre Hoheit könne im Augenblick nicht mit ihr sprechen, sie solle aber eine Telefonnummer dalassen und man würde sie kontaktieren. Ja, man würde das traditionelle Handwerk unterstützen, und, ja, man suche schon länger eine Möglichkeit, in die Vereinigten Staaten zu exportieren. Wenn die Scheicha die Sicherheit hätte, dass die Handwerkerinnen einen fairen Preis für ihre Arbeit bekämen ...
Wegen des letzten Punktes machte sich Haya keine Sorgen. Sie hinterließ ihre Visitenkarte und fuhr in einem Taxi zurück zum Hotel. Dort nahm sie ein ausgedehntes Bad, wusch ihr Haar und legte sich dann, eingewickelt in ein riesiges, weiches Badetuch, aufs Bett. Das Zimmer war klimatisiert, und sie wollte nichts als schlafen, morgen wieder aufstehen und sich zum Flughafen bringen lassen.
Die Arbeit war erledigt. Nun konnte sie nur noch auf die Geburt ihres Kindes warten.
Das Telefon klingelte. Mit einem tiefen Seufzer wälzte sie sich zur Seite, um den Hörer abzunehmen.
»Ja?«
»Kann ich bitte mit Haya al-Yanna sprechen?« Eine männliche Stimme, arabischer Akzent, tief und samtig, das Alter war nicht herauszuhören.
»Am Apparat.«
»Mrs. al-Yanna, mein Name ist Jaber Ibn Mohammed. Ich arbeite für den Palast und die Regierung von Ghada.« Haya schloss kurz die Augen. Verdammt. Diesen Anrufer konnte sie nun wirklich nicht abwimmeln.
»Sehr freundlich, dass Sie anrufen«, sagte sie also.
»Man hat mir mitgeteilt, dass Sie morgen früh bereits in die USA zurückfliegen wollen. Haben Sie heute Abend noch Zeit für ein Treffen? Ich kann in Ihr Hotel kommen.«
»Es wäre mir eine Ehre.«
»Falls der Palast ein Projekt wie dieses bewilligen soll, müssen wir den Ablauf und die Bedingungen genau kennen.«
»Das ist selbstverständlich.« Haya verabschiedete sich in Gedanken von einem freien Abend. »Um sechs Uhr in der Lobby? Wir könnten vielleicht zusammen essen.«
»Gut. Bis später.«
Haya legte auf und seufzte noch einmal tief. Verdammt und zugenäht. Sie stellte den Wecker ihres Handys. Sie hatte immerhin noch eine halbe Stunde, und das war besser als nichts.
Er wartete in der Lobby. Haya war überrascht, einen jungen Mann zu sehen, kaum älter als sie selbst. Er war groß, hatte eine aristokratische Nase und dunkle Augen, die ihr interessiert entgegensahen. Seine olivfarbene Haut war sonnengebräunt, und er trug einen hervorragend geschnittenen Anzug, der seinen Körperbau betonte. Kräftig, dachte sie, aber nicht massig.
»Mrs. al-Yanna. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.«
Er betrachtete sie anerkennend, ohne unhöflich zu wirken, doch dann blieb sein Blick an ihrem Bauch hängen.
»Sie sind ja schwanger«, entfuhr es ihm.
Sie lächelte. »Ja. Maschallah.«
»Verzeihen Sie, das war sehr taktlos von mir. Ich war nur überrascht. Ist Ihr Mann ebenfalls hier?«
»Ich bin Witwe«, erwiderte sie ruhig.
Sein Blick flackerte verlegen. »Verzeihen Sie mir.«
»Sie konnten es ja nicht wissen.«
Er schien gründlich aus der Bahn geworfen worden zu sein; seine anfängliche Zuversicht war verschwunden. »Sollen wir etwas essen?«, fragte er nun. »Ähm, ich meine ... eine schwangere Frau braucht doch sicher ein anständiges Abendessen. Die Küche hier ist nicht schlecht, auch wenn es sich um eine Kette handelt. Immerhin gibt es auf der Karte einige landestypische Speisen.«
»Das klingt gut.« Und Haya meinte es so. Der Mann gefiel ihr; er war rücksichtsvoll, und sie war hungrig, und nun hatte sie für die Dauer eines Abendessens Zeit, ihm ihren Plan in allen Einzelheiten zu erklären.
»Dann kommen Sie bitte mit.« Und zu ihrer Überraschung bot er ihr seinen Arm.
Gute Manieren, dachte sie. Und ein hübsches Gesicht. Doch beinahe gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen. War das nicht Verrat an Ahmed? Sie war im siebten Monat schwanger. Wie konnte sie es wagen, überhaupt über einen anderen Mann nachzudenken?
Sie bestellten verschiedene Gerichte: Fleisch in Weinblätter eingewickelt, kleine gegrillte Vögel, die ghadische Version von Tabbouleh und Ziegenkäse mit Kräutern und Olivenöl. Sie erfuhr, dass Jaber in Cambridge gewesen war – St. John’s College, präzisierte er – und seinen Militärdienst in den USA, in West Point, geleistet hatte.
Haya erzählte ebenfalls ein wenig von sich, aber nicht viel. Sie wollte Ahmed nicht weiter als nötig in diese Geschäfte hineinziehen.
»Ich muss Sie zu diesem Kaufhaus befragen«, sagte er schließlich. Es klang, als bedaure er, zum Geschäft kommen zu müssen.
»Es soll ein Luxuskaufhaus werden«, erklärte sie. »Sehr prestigeträchtig und hochpreisig. Wir haben einen sehr renommierten Financier – Craig Levin.«
»Levin«, wiederholte er beeindruckt.
»Ich bin eine von drei Inhaberinnen. Das Gebäude, das wir benutzen, gehörte meinem Mann. Meine Arbeit ist das Aufspüren von Kunst, Schmuck und Kosmetik aus dem Nahen Osten. Fairer Handel ist uns wichtig; wir wollen dafür sorgen, dass benachteiligte Frauen einen guten Preis für ihre Produkte erzielen.«
»Und dabei Gewinn machen.«
Haya ließ sich nicht erschüttern. »Ja, sicher. Dies ist kein Non-Profit-Unternehmen. Sie wissen, dass diese Frauen letztendlich keine Almosen brauchen, sondern langfristige Verträge, die ihnen ein Einkommen sichern. Und die kann es nur geben, wenn die Einkäufer Gewinne erzielen.«
Er lächelte anerkennend. »Sie klingen wie eine Frau, die weiß, was sie will.«
»Das tue ich.« Haya neigte leicht den Kopf. »Und ich möchte auch vollkommen offen mit Ihnen reden, denn wir wünschen uns die Mitwirkung einer Scheicha oder Prinzessin.«
»Das ist wahr.«
»Ein Foto der Dame mit dem Schmuck wird unsere Sache unterstützen. Es wird unsere Firma reicher machen, und, was das betrifft, auch mich.« Sie errötete leicht. »Obwohl ich nicht daran zweifle, dass diese Stücke eine Qualität besitzen, die für sich spricht.« Haya lächelte. »Sie sehen, Mr. Ibn Mohammed, ich bin ganz aufrichtig zu Ihnen. Denn im Endeffekt geht es hier um einen geschäftlichen Vorschlag.«
»Und einen, der recht vernünftig klingt.« Er machte eine Pause und musterte sie eindringlich. »Solange Sie uns glaubhaft versichern können, dass Sie einen fairen Marktpreis zahlen, werden die Frauen von Ghada Ihr Vorhaben unterstützen.«
»Sobald ich zu Hause bin, faxe ich die Dokumente zum Palast.«
»Sehr schön.« Er lächelte leicht und ließ seinen Blick wieder lange auf ihrem Gesicht verweilen; Haya senkte verlegen den Kopf. »Dann werden wir wohl ins Geschäft kommen. Ich nehme an, Sie werden in nächster Zeit nicht mehr reisen.«
»Nicht mehr, bis das Baby geboren ist.«
»Vernünftig.« Er zögerte einen Moment. Dann: »Verzeihen Sie mir meine Dreistigkeit, Mrs. al-Yanna, aber ich halte Sie für eine sehr ungewöhnliche Person.«
»Ist das ein Kompliment?«
Jaber grinste. »Oh, ja. Und es gefällt mir, dass eine Landsmännin in den USA Erfolg hat. Sie sind nicht nur eine arabische Frau, sondern auch eine Witwe und eine zukünftige Mutter, inschallah. Das sollte die Amerikaner kräftig durcheinanderrütteln.«
Haya musste lachen. »Wahrscheinlich.« Er gefiel ihr immer mehr. »Sie sind selbst ziemlich ungewöhnlich. Ich hatte mir Diplomaten immer viel steifer und konservativer vorgestellt.«
»Vielen Dank.« Er neigte den Kopf, dann kehrte er zum Geschäft zurück. »Ich denke, dass Scheicha Aziza die Idee mit den Fotos gutheißt. Wenn die Verkaufszahlen stimmen und unsere Frauen einen Nutzen davon haben, könnte ein anderes Mitglied der Königsfamilie vielleicht ebenfalls einwilligen. Der König ist einverstanden.«
»Das ist ja wunderbar.« Haya packte die Aufregung.
»Aber wir möchten, dass Sie uns eine größere Produktpalette abnehmen – Teppiche, Lampen und dergleichen mehr.«
»Wir hoffen, dass es nicht bei dem einen Kaufhaus bleibt«, sagte Haya zuversichtlich. »Aber ich kann erst entscheiden, wenn es so weit ist. Dann allerdings könnten wir sehr viel mehr bestellen.«
»Nun, das hört sich an, als wären wir uns einig.« Er hob sein Glas mit Mineralwasser zu einem Toast.
»Das freut mich sehr, Mr. Ibn Mohammed.«
»Nennen Sie mich bitte Jaber.«
Sie lächelte. »Dann Haya.«
»Übrigens ...« Er zögerte. »Nicht, dass es wirklich eine Rolle spielt, aber wenn Sie mit dem Palast kommunizieren, dann heißt es nicht Mister ... tut mir leid. Ich kümmere mich intensiv um die Belange von Scheicha Aziza, weil sie – nun, weil sie meine Mutter ist.«
Haya verschluckte sich an ihrem Wasser und musste husten. Und dann wurde sie tiefrot vor Verlegenheit.
»Das bedeutet ...«
Er schwieg.
»Verzeihen Sie mir, Hoheit.« Am liebsten wäre sie davongelaufen und hätte sich irgendwo versteckt.
»Da gibt es nichts zu verzeihen. Ich habe Sie in dem Glauben gelassen, ich hätte eine andere Funktion inne. Ich muss mich entschuldigen. Nur besetze ich tatsächlich eine Regierungsstelle und ziehe es gewöhnlich vor, mich darüber zu definieren und nicht als Mitglied der Familie.«
Haya war durchaus bewusst, dass er nicht königliche Familie gesagt hatte; das war nicht nötig.
»Ich verstehe, Hoheit«, wiederholte sie.
»Ich würde immer noch Jaber vorziehen.« Er winkte dem Kellner und sprach mit ihm so schnell im ghadischen Dialekt, dass Haya nicht folgen konnte. »Ich sollte jetzt gehen. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Mrs. al-Yanna.«
»Haya.«
»Haya.« Er grinste. »Wir bleiben in Kontakt.«
Sie überlegte, ob sie aufstehen und einen Knicks machen sollte, aber es war schon zu spät. Mit einer knappen Verbeugung verabschiedete er sich und war fort.
»Ich möchte auschecken.«
»Natürlich, Madam.«
»Zimmer 406.« Haya schob Schlüssel und Kreditkarte über die Theke. »Ich habe ein, zwei Male nach Amerika telefoniert und zwei Flaschen Mineralwasser bestellt ...«
»Schon in Ordnung, Madam. Keine Belastung.«
»Wie bitte?«
»Ihre Rechnung wurde vom Königreich von Ghada beglichen. Befehl von Seiner Hoheit Scheich Jaber.«
»Nun, das Essen von gestern vielleicht ...«
»Die gesamte Rechnung, Madam.«
»Ich verstehe.« Sie musste sich ein Lächeln verkneifen. »Wie großzügig von Seiner Hoheit. Könnten Sie mir wohl ein Taxi rufen, das mich zum Flughafen bringt?«
»Das wird nicht nötig sein. Seine Hoheit hat einen Regierungswagen geschickt. Er wartet seit einer Stunde draußen.« Auf dem Heimflug sagte sich Haya immer wieder, dass es sich nur um eine großzügige Höflichkeitsgeste handelte. Sie war eine wichtige Geschäftsfrau für Ghada, und sie hatten eine Abmachung getroffen. Das war alles, worum es ging.
Jaber war ein Scheich, außerdem ein Regierungsbeamter, ein Minister. Er war vermutlich verheiratet. Ein Mann in seiner Position war wohl kaum an einer schwangeren Frau interessiert. Sie musste unbedingt mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben ... auch in der ersten Klasse der Royal Ghadanian Airlines. Am Flughafen hatte Haya festgestellt, dass Scheich Jaber ihrem Businessclass-Ticket ein Upgrade verpasst hatte.
Zu Hause angekommen, ließ sie sofort die wichtigen Einzelheiten des Geschäfts von einer von Janes Assistentinnen nach Ghada faxen.
Sie wurde langsam schwerfällig, der Bauch wuchs, und sie war ständig erschöpft. Haya beschloss, die Eröffnung zum größten Teil Jane und Sally zu überlassen. Sie war durch den Laden gegangen und hatte gesehen, wie wunderschön die Dinge, die sie im Orient ausfindig gemacht hatte, ausgestellt worden waren. Gemeinsam mit Sallys überschäumendem Modedesign würden sie Herz und Seele von GLAMOUR darstellen.
Aber im Augenblick, dachte Haya, stand ein Kind an erster Stelle. Es war naiv, auf eine neue Liebe zu hoffen, und sie wollte kein Risiko eingehen, ein zweites Mal einen niederschmetternden Verlust hinnehmen zu müssen. Also ließ sie jeden Kontakt mit Ghada über ihr Büro laufen. Stattdessen stürzte sie sich darauf, das Kinderzimmer auszustatten und in einem hübschen Sonnengelb streichen zu lassen. Kein Mann wollte das Kind eines anderen.
Sobald das Baby auf der Welt war, würde sie ohnehin nichts anderes mehr im Kopf haben, nicht wahr?