Die Stadt schien, als sie sie vom Hochmoor aus unter sich liegen sahen, in ihrem eigenen Feuer zu schimmern. Funken stiegen aus in Reihen angeordneten Schornsteinen empor, und das abrupte Aufflackern von Ofenflammen huschte flüchtig durch das gewundene Tal. Die höllischen Lichter zuckten über einen von rußigen Wolken bedeckten Himmel. Brooke ging durch den Kopf, wie inadäquat das Wort Stadt doch war, umfasste es schließlich einerseits die fließenden Reflexionen auf dem Cam inmitten von mittelalterlichem Gemäuer und andererseits dies – die Stadt Sheffield – einen flimmernden Schmelztiegel aus Ziegeln und Stahl.
Am Steuer des Wasp schielte Edison von der bergab führenden Straße aus auf die Szenerie. Er habe Verwandte in Leeds, erzählte er Brooke, und die sagten, das einzige Mal, dass irgendjemand seit Menschengedenken einen klaren Himmel über Sheffield gesehen habe, sei zu Zeiten des Generalstreiks gewesen. Dieser Ort stand für Miasmen von Pech und Schwefel, für Häuserschluchten mit fensterlosen Ziegelmauern, unterbrochen nur von flüchtigen Ausblicken auf die fernen Hochmoore.
Über eine Reihe steiler Kurven gelangten sie in die Stadt. Brooke fiel ein Gebäude auf, bei dem es sich um das Rathaus handeln musste, und ein hoher florentinischer Turm, eingehüllt in schmutzigen Dunst. Eine vornehme neoklassische Konzerthalle erhob sich gegenüber einem hell erleuchteten Kaufhaus, und in einem Springbrunnen mit einem Delfin aus weißem Stein schoss Wasser himmelwärts. Auf eisernen Schienen ratterten Straßenbahnen vorbei.
West Bar, Heimat des Polizeihauptquartiers, lag in einer Senke, durch die ein Kanal verlief, der in einem orangefarbenen Licht erglühte. Hinter dem Gebäude führte ein Hof zu einer Steinwand, von der in Intervallen Wasser herabstürzte. Cambridge, dachte Brooke, schwebte am Rand des Marschlands, wohingegen dieser Ort wirkte, als wäre er aus dem Stein herausgemeißelt worden.
Detective Inspector Solly erschien bewaffnet mit Stadtplan und Taschenlampe und dirigierte Edison am Steuer des Wasp zum hinteren Ende einer Kolonne aus acht ungekennzeichneten Fahrzeugen, zu denen zwei große schwarze Kleintransporter und ein Lastwagen gehörten.
»In voller Truppenstärke«, sagte Solly lächelnd und setzte sich in den Fond. »Die werden allerdings inzwischen ausgeflogen sein. Wie ich schon sagte, Brooke, wollten wir einen Mann einschleusen, um herauszufinden, wer an der Spitze der Organisation steht. Dafür ist es jetzt zu spät. Man kann einfach nichts geheim halten, was? Trotzdem haben Sie die Schandtat angezeigt, Brooke. Das geht auf Ihre Kappe. Hoffen wir, dass Sie richtig liegen. Wenn Sie das tun, dann werden die Fetzen fliegen … Sie sagten, das Fleisch ist infiziert?«
Brooke drehte sich auf dem Beifahrersitz halb nach hinten um.
»Nur das Pferdefleisch«, sagte er. »Die Kadaver sollten vergraben werden, und man hat Soldaten damit beauftragt. Corporal Currie hatte eine bessere Idee. Man schafft die Wagen einfach runter zu den Gruben und dann weiter bis zu einem Sandweg auf der anderen Seite; dort verlädt man das Pferdefleisch in einen Lastwagen und füllt die leeren Gruben wieder auf.«
Die Fahrzeugkolonne entfernte sich über halb dunkle Straßen von West Bar.
»In der Nacht der Großen Verdunkelung ist alles schiefgelaufen«, fuhr Brooke fort. »Unser scharfsinniger Sergeant hat die Kolonne aufgehalten, und Currie musste die Sache abblasen. Folglich blieb ein leerer Laster auf dem Castle Hill zurück. Aber sie hatten zuvor schon fünf Transporte durchgeführt, möglicherweise auch mehr. Dieses Fleisch ist für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Es ist tödlich!«
Eine breite Straße blieb hinter ihnen zurück, dann ein Bahnhof, und sie fuhren unter einer Reihe gewaltiger steinerner Brückenbögen hindurch. Hier begann das Industriegebiet der Stadt, und die Straße führte pfeilgerade über Meilen an hohen Fabrikmauern vorbei. Brooke stellte sich vor, wie die Bomber, wenn der Luftkrieg begann, dem schmalen Silberstreif des Flusses zu diesen Metallwerken folgten. Für jeden Bomber, den sie nach Cambridge schickten, würden die Deutschen hundert hierher befehlen.
Sie passierten zwei Reihenhauszeilen, dann dehnte sich vor ihnen ein Gelände mit verfallenen eingeschossigen Fabrikgebäuden aus. Die Wagen holperten über eiserne Schienen, ehe sie zwischen zwei großen maroden Torpfosten aus Beton einbogen.
Vor ihnen lag das alte Schlachthaus. Solly hatte ihnen erzählt, dass man es in der Stadt nur das »Fleischhaus« nannte. Zwei in klassischem Stil erbaute Verwaltungsgebäude mit schmückenden Säulen säumten zu beiden Seiten die Zufahrt zu einem Komplex aus niedrigen Bauten, in deren Oberlichtern sich das Mondlicht fing.
»Als Kinder haben wir das gerochen«, erzählte Solly. »Sogar im Oberdeck eines Busses war man vor dem Gestank nicht sicher. Eisengeruch im Wind, beinahe wie Rost. Und dann waren da natürlich die Geräusche, das Muhen und dieses eigenartige Gebrüll. Sie wissen es, natürlich wissen die Tiere es, wenn der Tod auf sie lauert, weil überall der Gestank von verbrannten Knochen von den Sägen in der Luft hängt.«
Die Wagen schalteten die Scheinwerfer aus und rumpelten unbeleuchtet weiter. Jenseits der Tore wurden auch die Motoren abgestellt, und sie rollten aus. Auf einer Seite des Hauptgebäudes befand sich eine alte Fahrzeughalle, eigentlich nicht mehr als ein hoher Schuppen mit einem Giebeldach und einem gläsernen Vordach über den großen offenen Toren.
Brooke hörte, wie hinter ihm die Trommel eines Revolvers gedreht wurde.
»Wie viele Waffen?«, fragte er.
»Jeder Inspector hat eine, das macht sechs. Der Papierkram ist erledigt, Brooke, das ist in dieser Stadt keine große Sache. Die sind bewaffnet, wir sind bewaffnet. Sehen Sie nur zu, dass Sie hinter mir bleiben.«
Er beugte sich vor, und Brooke nahm einen Hauch von Bier in seinem Atem wahr. »Wenn wir hier heute Abend jemanden finden, nehmen wir ihn mit nach West Bar, und wenn er die Reise in einem Leichensack antreten will, ist mir das auch recht.«
Die beiden schwarzen Kleintransporter waren zum Stehen gekommen, die Hintertüren wurden geöffnet, und zwei Trupps uniformierter Constables kamen zum Vorschein, die mit gezogenen Gummiknüppeln als Reserve an einer Wand Aufstellung nahmen.
Ein Chief Inspector namens Garside dirigierte seine Leute wie ein Verkehrspolizist auf einer belebten Kreuzung. Eine hastige Durchsuchung der Fahrzeughalle förderte nichts zutage. Dann musste ein stummer Befehl ergangen sein, denn mehrere der Constables fingen an zu rauchen, und das Geflüster der Männer in Zivil wurde lauter.
Solly schlenderte zurück zu Brooke und Edison, die neben dem Wasp stehen geblieben waren. »Hab’s Ihnen ja gleich gesagt. Die haben sich weggepisst. Haben irgendwie Wind von der Geschichte gekriegt. Hätten wir mal gewartet.«
Zwei Bogenlampen, die über einen Generator in einem der Polizeitransporter betrieben wurden, leuchteten die Garage aus, und der ölige Betonboden glitzerte, als wäre er von Eis bedeckt. Garside und Solly wurden herbeigerufen, um eine der Gruben in der Fahrzeughalle zu inspizieren. Hier hatten die Mechaniker im Dunkel eines niedrigen schmierigen Lochs unter den Lastern arbeiten können. Erneut schlug die Stimmung um. Ein Arzt mit einer schwarzen Tasche wurde aus einem der wartenden Fahrzeuge geholt.
Dann war Solly wieder da. »Die haben in der Grube einen erledigt«, sagte er. »Abschiedsgeschenk für den Pathologen. Nach dem, was von seinem Haar übrig ist, würde ich sagen, das ist Ihr vermisster Fahrer, Brooke – Ginger Thorpe. Jesus …« Er tastete nach seinen Zigaretten. »Aus der Nähe ist der Gestank garstig. Sie haben ihn verbrannt. Haben ihn in Öl gewälzt und ein Streichholz hinterhergeworfen.«
Garside, dessen Silhouette sich durch einen nicht vorhandenen Hals und breite Schultern auszeichnete, kam zu ihnen. Er roch vage nach Pfefferminz.
»Brooke? Der Yard hat angerufen. Offensichtlich soll ich Sie unterstützen. Nun, hier bin ich und unterstütze. Sieht aus, als hätte sich die Bande aus dem Staub gemacht. Aber wir werden das Gelände durchsuchen. Worauf sollen wir achten?«
»Eiskästen. Ein Kühllager, das groß genug ist, um einen Markt für illegales Fleisch zu etablieren.«
Garside zermalmte knirschend ein Pfefferminzbonbon mit den Backenzähnen. »Dieser Laden wurde sechsunddreißig dichtgemacht. Wir hatten nach ihrem ersten Anruf für eine Woche einen Wagen zur Bewachung abgestellt. Nüscht. Scheiße auch, gar nüscht. Und dann hören Sie mal …«
Er hielt eine Hand an ein Blumenkohlohr.
»Still wie im Grab. Kein Strom. Das Fleisch dürfte inzwischen im Handel sein. Hier, in Leeds, das Tal rauf nach Manchester.«
Garside musterte seine Schuhe. »Trotzdem. Gründlich, das sind wir. Übertrieben gründlich.« Er holte tief Luft. »Wo ist unser Mann mit dem Schlüssel?«, brüllte er einer Gruppe Detectives zu, die sich um einen Funkwagen versammelt hatten.
Das Gelände, erklärte Garside, war von einem Transportunternehmen gemietet worden. Ein Mann in einem braunen Overall führte sie als Vertreter der Eigentümer zu einer Metalltür, kämpfte eine Weile mit den Vorhängeschlössern und stieß sie auf.
»Gehen Sie voran, McDuff«, sagte Garside. »Bringen wir das Theater hinter uns.«
Der Lichtstrahl von Taschenlampen tanzte durch einen großen, beinahe dreißig Meter langen Raum, in dem Metalltische in drei parallelen Reihen standen. An der Decke war einmal ein Flaschenzug über ein Schienensystem gelaufen, und am Ende des Raums befanden sich drei Industrieaufzüge mit Knöpfen für drei Ebenen:
ERDGESCHOSS
KELLER
KÜHLRÄUME
Sie nahmen die Treppe zum Keller, der ebenso groß war wie der Betriebsraum im Erdgeschoss. Korridore mit Ziegelmauern führten zu einer Reihe von Räumen, die noch immer mit Werkzeugen und Fässern vollgestopft waren, und schließlich zu einem Maschinenraum, in dem drei große Stromgeneratoren standen, die mit einer dicken Staubschicht überzogen waren.
Garside zog mit dem Finger eine Spur durch den Schmutz auf dem Metall. Dann fegte er den Staub von einem Stuhl, setzte sich, zog einen Flachmann hervor und bot ihn Solly an, nachdem er selbst einen Schluck getrunken hatte.
»Hab’s ja gesagt«, bemerkte Solly. »Ihr Fleisch ist weg, Brooke.«
Brooke dachte daran, ihnen zu erklären, was das bedeutete: dass Hunderte, Tausende, sterben könnten. Aber das konnte warten, denn als sie die Treppe vom Erdgeschoss aus hinabgestiegen waren, da hatte er es gespürt, diesen Hauch von Kälte, ein Grad, vielleicht zwei, aber nichtsdestoweniger wahrnehmbar.
»Ich würde mir gern die Kühlräume ansehen«, sagte er und ging voraus zur Treppe.
Das tiefste Geschoss lag tiefer unter dem Keller als der Keller unter dem Erdgeschoss. Sechs angeordnete Treppenläufe führten sie in einen Raum von weniger als zehn Fuß Kantenlänge, aus dem eine einzelne, verschlossene Tür herausführte. Der Schlüsselmann holte sie ein und mühte sich mit dem Vorhängeschloss ab.
Garside zeigte Brooke schweigend den Staub an seiner Hand, den er am Treppengeländer aufgesammelt hatte. Der Fliesenboden unter ihren Füßen war voller Sand.
Als die Tür geöffnet war, kamen drei mobile Generatoren zum Vorschein, deren neue Metallteile im Licht der Taschenlampen glänzten, und hinter ihnen befanden sich mehrere Fahrstuhltüren. Neben einer stand ein hoher Metallhocker direkt an den Bedienelementen, und auf dem Boden lag neben einem Keramikbecher eine Ausgabe des Sheffield Star, auf deren Titelseite Neville Chamberlain aus einem offenen Wagen winkte. Zigarettenkippen verteilten sich über den Fußboden. Das zerdrückte Papier war weiß und trocken. In den Schatten blitzten Rattenaugen auf.
Garside holte tief Luft. »Benzinbetriebene Generatoren, um Kühlräume und Fahrstühle mit Strom zu versorgen. Genau, die Benzintanks müssen oben sein. Das haben wir also übersehen. Unter anderem.« Er wandte sich an Solly. »Schaffen Sie mir die Elektriker hier runter. Ich will eines von den Dingern in Gang setzen. Ich will Licht. Sofort. Und die Uniformierten sollen auch herkommen, aber schnurstracks!«
Brooke fiel erst jetzt auf, dass die linke Wand des kleinen Raums tatsächlich aus einer Reihe von Metalltüren bestand, die alle mit Vorhängeschlössern gesichert waren.
»Die sind neu«, verkündete der Schlüsselmann und begutachtete die Schlösser. »Ich brauche einen Bolzenschneider.«
Brooke legte eine Hand an die nächste Tür. Sie fühlte sich eiskalt an.
Es kostete die zwei Elektriker keine zwanzig Minuten, den ersten der drei Generatoren zu starten. Die Sache mit dem Bolzenschneider erforderte mehr Zeit, weshalb die Lampen schon Strom hatten, als das erste Vorhängeschloss geöffnet war.
Edison verteilte Gesichtsmasken, eine freundliche Gabe aus Aldiss’ Lagerraum im Laboratorium, die sie in einem Ranzen aus Cambridge mitgebracht hatten.
Brooke lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Hebel und stemmte die erste Tür auf, worauf die Luft im Inneren mit einem hörbaren Zischen entwich.
Den Anblick würde er nie wieder vergessen: Dieser Kühlraum, der sich als der Erste von sechs entpuppen sollte, enthielt unverarbeitetes Fleisch. Auf einer Seite hingen ganze Rinder an Haken. Aber auf der anderen Seite war ein Bereich für die Pferde freigehalten worden. Ein Bild von der Westfront blitzte in seinem Kopf auf, von den windigen, winterlichen Feldern Flanderns mit den steifen, in die Luft gereckten Gliedern aufgedunsener Pferde. Frost glitzerte in gefrorenen Augen.
Edison folgte ihm in den Kühlraum und knöpfte sich den Mantel bis unters Kinn zu.
Auf den Knien streckte Brooke eine Hand nach dem Hals eines Pferdes aus, in dessen Gebiss sich das Licht fing, als wären die Zähne mit Diamanten besetzt.
»Also schön«, sagte Garside, die Worte durch die Maske verzerrt, »Sie erzählen mir besser, was ich wissen sollte.«
Brooke zog ein Notizbuch hervor, obwohl er sich die entscheidenden Fakten bereits eingeprägt hatte. »Diese Pferde sind mit einem tödlichen Bakterium infiziert worden. Einer der Gründe, warum das so gefährlich ist, ist, dass es sich über Sporen verbreitet – im Grunde eine Saat. Und die Erreger sind zäh. Sie können diese niedrigen Temperaturen überstehen.«
Er gab Garside Zeit, die Information zu verarbeiten. »Feuer überstehen sie nicht. Ein Verbrennungsofen wäre geeignet. Aber vorsichtig. Menschen können sich dieses Bakterium einfangen. Es löst Milzbrand aus und kann auf drei Arten übertragen werden – über eine Berührung der Haut, das Einatmen der Sporen oder den Verzehr von befallenem Fleisch. Die Leute, die am meisten gefährdet sind, sind die Schlachthausarbeiter. Sie müssen die Männer finden, die das getan haben. Sie müssen sich vergewissern, dass sie das Fleisch nur eingelagert haben. Dass es noch nicht auf dem Markt ist! Und Sie müssen all das hier vernichten …«
In dem weißen Licht konnte er zum ersten Mal Garsides Augen sehen, die sich nun verengten, als würde er nach einem Ausweg suchen, einer einfachen Lösung.
Während er die Kadaver beäugte, sackten seine Schultern herab. »Also gut. Sehen wir uns die anderen an …«
Kühlraum zwei und drei enthielten geschlachtete Schweine und Lämmer, Nummer vier Geflügel. Im fünften hingen Rinderhälften. Die Generatoren konnten noch nicht lange abgeschaltet gewesen sein, denn sie sahen nirgends Anzeichen für angetautes Fleisch. Die Häute schimmerten unter einer Schichte eisigen Reifs.
In Nummer fünf rief Edison laut. Brooke, der zwischen aufgehängten Schweinekörpern entlanggegangen war, lief zu ihm und blieb neben seinem Sergeant stehen.
Seite an Seite mit den Schlachtkörpern hing Jack Gretorix am Haken, das Gesicht zu einer hässlichen Fratze gefroren. Ein Auge war geschlossen, das andere spiegelte schwach das elektrische Licht. Sie hatten einen Haken durch seinen Gürtel geführt und ihn mit dem Flaschenzug hochgezerrt, und dann hatten sie seine Hände an der Schiene festgebunden. Es gab keine Anzeichen für Wunden oder Gewaltanwendung. Die Frostschicht sorgte dafür, dass er und seine Kleidung die gleiche Farbe angenommen hatten wie die Tiere neben ihm.
»Jack«, sagte Garside, als wollte er einen alten Freund begrüßen. »Tja, einer weniger, über den wir uns den Kopf zerbrechen müssen. Schneidet ihn los …«
Brooke dachte über die Ironie nach, die dem Tod des jungen Gretorix anhaftete: Seine letzten Tage hatte er in Furcht vor Flammen und Hitze zugebracht, dem Markenzeichen seiner Mörder, nur um dann hier in eisiger Stille, umgeben von leeren Blicken aus den glasigen Augen unschuldiger Tiere zu sterben.
Wieder war es Edison, dessen scharfe Augen sie zum ersten Kühlraum zurücklockten. Er führte sie vorbei an den vielen steifen Kadavern und zeigte auf zwei Pferde, die sie zuvor alle übersehen hatten: Sie waren teilweise zerlegt, einem fehlte ein Bein, dem anderen ein Teil des Bauchlappens. Fahl und blutleer lag das rote Fleisch vor ihnen.
»Ich habe auch teilweise zerlegte Schweine im dritten Kühlraum gesehen«, sagte er. »Jemand hat sich unterwegs an dem Fleisch bedient. Inzwischen wird es wohl verzehrt worden sein.«
Garside sah fassungslos aus, vielleicht aufgrund dieser neuen Erkenntnis. Doch wahrscheinlicher war, dass es am Anblick der gefrorenen Pferdeeingeweide lag, Gedärme, säuberlich um fahle Organe gewickelt.
Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, zündete sie aber nicht an. »Wenn jemand sich das einfängt … Wonach müssen wir Ausschau halten, Brooke?«
Aldiss hatte ihm einen kurzen Überblick geliefert. Die Symptome hingen vom Infektionsweg ab: über eine Berührung, über die Luft oder über den Verzehr.
»Das ist kompliziert. Aber wir müssen auf Hautgeschwüre achten, steife Glieder, blutiges Erbrechen, Schmerzen in Nase und Hals – Schwellungen, Atemprobleme. Schock, toxischer Schock. Und dann das Eintreten des Todes.«
Eine Stunde später, nachdem sie Solly abgesetzt hatten, stellte Brooke im Wagen die letzte Verbindung her. Erinnerte Edison sich an Jed Sneeth, der ausgestreckt auf seinem Bett auf Manor Farm gelegen hatte, kränkelnd, und daran, wie er sich beklagt hatte, seine Glieder seien immer so steif? Und dann Brookes persönliche Erinnerung: ein weißes Porzellanwaschbecken, mit Blutstropfen befleckt.