Kapitel 2

Ich stochere in dem gewaltigen Makkaroni-Schinken-Käse-Berg herum, der sich auf meinem Teller erhebt. Alles klebt aneinander, und die zerlaufenen Käseschlieren sind hart und kalt. Mir wird schlecht, und ich schiebe meinen Teller möglichst unauffällig beiseite.

»Bist du schon satt?«, fragt Lizzy.

»Äh ja, es war wirklich superlecker, aber ich habe nicht so viel Hunger«, lüge ich.

Dominique rülpst. »Du willst sagen, das war ein Schweinefraß. Es war wirklich eklig. Trotzdem danke fürs Kochen, Lizzy. Morgen übernehme ich das.«

Ein paar Sekunden lang starrt Lizzy sie beleidigt an, aber dann bricht sie in Lachen aus. »Du hast recht, es schmeckt scheußlich und sieht aus, wie schon mal gegessen. Tut mir leid, Mädels ... soll ich euch überbackenen Toast machen?«

»Nein, bitte nicht, ich habe kein Vertrauen mehr in dich und deine Käse-Kochkünste«, sagt Dominique und grinst. »Ich habe eine bessere Idee: Das hier wird unser Abendessen.« Sie angelt eine angebrochene Flasche Wodka aus ihrer Tasche. »Überraschung! Hat jemand Lust auf Wodka-Cola?«

Lizzy und ich starren sie sprachlos an. Lizzy ist die Erste, die etwas sagt: »Wie kommst du denn daran?«

»Och, ganz einfach, aus der Hausbar meines Vaters mitgenommen«, sagt Dominique achtlos. »Merkt er sowieso nicht, da stehen mindestens hundert Flaschen.«

Lizzy fängt an zu kichern. »Ich habe noch nie Wodka-Cola getrunken.«

»Dann wird's ja höchste Zeit«, sagt Dominique. »Willst du auch, Mel?«

Ich hätte lieber eine normale Cola, aber ich will auch nicht als Einzige keinen Wodka trinken.

»Ein bisschen«, sage ich mit einem Seufzer.

Geschickt wie ein Barkeeper schenkt Dominique unsere Gläser randvoll mit Wodka und Cola ein.

»Okay, Mädels«, sagt Dominique und hebt ihr Glas. »Auf unseren Miniurlaub. Alles geht, und alles ist hier erlaubt. Es gilt nur eine einzige Regel: What happens in the Ardennen, stays in the Ardennen!«

Sie lächelt verschwörerisch und trinkt ein paar große Schlucke. »Prost!«

Lizzy und ich folgen ihrem Beispiel. Der Drink ist so stark, dass ich das Gefühl habe, er brennt mir die Kehle weg. Aber ich lasse es mir nicht anmerken.

»Wuhuhu, let's party ›till we die!«, ruft Dominique und stößt noch einmal nur mit Lizzy an.

Hallo, signalisiere ich ohne Worte in Richtung Lizzy. Aber sie tut so, als würde sie es nicht sehen, und wirft den Kopf lachend in den Nacken.

Wenn ich jetzt nach oben ginge, würde sie es wahrscheinlich nicht einmal merken. Ich bin so froh, dass Dominique und Lizzy sich kein Zimmer teilen. Ich habe einfach angeboten, auf dem Schlafsofa im Büro zu schlafen, dann hat jede ihr eigenes Zimmer. Ich hab die dunklen Wolken schon aufziehen sehen ...

»Wow, hört ihr das? Was für ein grauenhaftes Wetter«, sagt Dominique jetzt.

Wir lauschen dem zunehmenden Heulen des Windes.

Ich schaue durch das Küchenfenster hinaus und versuche, etwas vom Wald zu sehen, aber es ist ungewöhnlich dunkel draußen. Als wäre die Welt um uns herum verschwunden, und wir wären ganz allein.

»Zum Glück funktioniert die Heizung«, sagt Lizzy.

»Ja, mein Pa hat alles überprüfen lassen, als er wusste, dass wir für ein paar Tage hierherfahren«, sagt Dominique. »Und meine Eltern wollten auch unbedingt, dass wir ihr Auto nehmen und nicht mit dem Zug fahren. Das ist der Vorteil, wenn man Einzelkind ist – sie tun immer alles für mich.«

Sie wirft uns einen triumphierenden Blick zu, als wäre es eine großartige Leistung, keine Geschwister zu haben.

»Na, dann sind sie wahrscheinlich noch nie mit dir im Auto gefahren.« Lizzy prustet vor Lachen. »Ich bin froh, dass wir lebend angekommen sind.«

Dominique streckt ihr die Zunge raus. »He, hallo, ein bisschen mehr Respekt und Dankbarkeit wären durchaus ...«

Draußen ertönt ein lauter Knall. Wir sehen uns erschrocken an.

»W-was war das?«, frage ich, und mir klopft das Herz bis zum Hals.

»Ich nehme an, irgendwo schlägt ein Fensterladen«, sagt Dominique zögernd. »Vielleicht sollten wir ihn schnell befestigen?«

»Auf keinen Fall gehe ich jetzt da raus.« Lizzy schüttelt sich. »Es ist super dunkel. Wir machen es gleich morgen früh, okay?«

Dominique nickt und beugt sich vor. »Wusstet ihr, ... dass vor ein paar Jahren hier im Haus einige Mädchen fast ermordet wurden?«

Ich schaue Dominique an, um zu sehen, ob sie uns auf den Arm nimmt. Aber sie sieht uns unverwandt an.

»Im Ernst.« Sie senkt die Stimme. »Mein Vater hat beim Kauf des Hauses einen Ordner mit alten Bauzeichnungen, den Nutzungsplan und noch mehr solcher Sachen vom Makler bekommen. Dabei war auch ein alter Zeitungsartikel.«

Ich setze mich aufrechter auf meinen Stuhl. »Was ... was stand denn da drin?«

»Es ist schon einige Jahre her, da waren vier niederländische Mädchen in den Weihnachtsferien hier.« Dominique flüstert jetzt, als würde sie befürchten, dass jemand mithört. »Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber das Ganze ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Drei der Mädchen wurden schwer verletzt. Danach ist nie wieder jemand hier im Haus gewesen.«

»Heftig. Was ist denn passiert?«, fragt Lizzy begierig, als ginge es um ein Gerücht über jemanden aus der Schule.

Dominique zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, das stand nicht im Bericht. Vielleicht war irgendein Irrer hinter ihnen her, ein Mörder?«

Eine unheimliche Stille senkt sich über uns. Es ist, als würde die Dunkelheit von draußen näherkriechen. Als würde ich überall im Haus plötzlich Dinge knarren hören.

»Uhuhu, spannend«, sagt Dominique. »Stellt euch vor, dieser Psycho läuft hier noch irgendwo rum und wartet schon seit Jahren darauf, dass hier wieder neue Leute wohnen. Vielleicht ruht ein Fluch auf diesem Haus?!« Sie fasst sich an die Stelle, wo sich das Herz befindet, und sieht uns mit dramatischem Blick an. »Lebt wohl, Lizzy und Mel, wir werden alle drei dran glauben müssen. Es war schön, euch kennengelernt zu haben.«

Dominique und Lizzy kriegen sich kaum ein vor Lachen.

»Gute Geschichte, Do«, sagt Lizzy und wischt sich die Lachtränen aus den Augen. »Ich war immer schon ganz verrückt nach Horrorfilmen.«

»Ich ... ich nicht«, sage ich heiser und ärgere mich über den unsicheren Klang in meiner Stimme. »Können wir bitte über was anderes reden?«

Dominique starrt mich mit einem kühlen, nachdenklichen Blick an. »Warum? Ich fand das Thema gut.«

»Oh Mel, du Angsthase. Was kann hier schon passieren?« Lizzy legt ihre Hand auf meine, und ihre Wärme dringt durch meine Haut. »Du hast doch bestimmt Bär dabei?«

Jetzt muss ich auch lachen. »Bär liegt zu Hause in meinem Schrank bei den anderen Kuscheltieren von früher«, sage ich.

»Er war so süß«, seufzt Lizzy. »Mit seinen großen braunen Augen.«

»Ich war immer neidisch auf deinen Ollie Elefant, wenn wir zusammen übernachtet haben. Der hatte so einen schönen Rüssel.«

Wir kichern. Es fühlt sich wieder an wie früher: Lizzy und ich kennen uns so gut!

»Wie niedlich, das Geplauder über eure Kuscheltiere«, sagt Dominique.

Am Ton ihrer Stimme höre ich, dass sie sich ärgert, weil Lizzy und ich von früher reden. »Aber wir sind keine sechs mehr.« Sie hält die Wodkaflasche hoch. »Wer will?«