Kapitel 5

I m Schatten des Flügels, der in der Lobby des Hotels Laguna Maldita stand, hatte Plato den perfekten Platz, um die nächsten Ereignisse zu beobachten. Der schwarz-weiße Flügel machte ihn auf perfekte Weise unsichtbar.

»Hörst du diesen endlosen Krach?«, fragte Francesca Ward in ihrem starken spanischen Akzent. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und betrachtete die Wand in der Lobby des Hotels Laguna Maldita. Ein lautes Pochen, das wie ein Herzschlag klang, hallte von den Stuckwänden wider.

»Das sind alte Rohre, Schatz«, erklärte ihr Mann Jack Ward. »Es ist ein altes Gebäude und die machen immer seltsame Geräusche.«

»Seltsame Geräusche sind eine Sache.« Francesca schürzte die Lippen gegenüber ihrem Mann. »Es ist nicht nur das. Meine Sachen verschwinden ständig. Wenn die Heizung nicht läuft, gibt es überall im Hotel kaltes Wasser. Ich schwöre, ich habe gestern Abend jemanden den Flur entlanglaufen sehen.«

Jack warf seiner Tochter Laura einen vorsichtigen Blick zu. Sie saß neben ihnen in der Lobby an einem Tisch und machte ihre Mathehausaufgaben. Jetzt schaute sie auf, Neugier in ihren großen braunen Augen. Die Zwölfjährige hatte das helle Haar ihres Vaters, aber die hispanischen Züge ihrer Mutter, wie ihre mokkafarbenen Augen und die olivfarbene Haut.

Francesca war in San Miguel de Allende geboren und aufgewachsen, aber für das College in die Vereinigten Staaten gezogen. Dort hatten sie und Jack geheiratet und auch Laura bekommen, aber auf der Suche nach einem neuen Abenteuer hatte die Familie das Hotel Laguna Maldita gekauft. Der Preis war fast ein Schnäppchen gewesen und keiner der Einheimischen schien sich für das alte Hotel zu interessieren – sie warfen ihnen vielmehr zweifelnde Blicke zu, als die Familie erwähnte, dass sie es führen wollten.

Gäste anzulocken hatte sich als Herausforderung erwiesen, weshalb Jack damit begonnen hatte, in lokalen Touristenbroschüren zu werben und Flugblätter zu verteilen. Er war für das Marketing und die Rezeption zuständig. Francesca war Köchin und Barkeeperin in einer Person.

Von Laura erwarteten sie, dass sie in der Schule auf dem Laufenden blieb, wenn sie in ihrer Freizeit Fußball spielen wollte. Dem kleinen Mädchen hatte es nicht gefallen, von ihren Freunden und der Schule in den USA wegzuziehen, aber ihre Eltern hofften, dass sie es mit der Zeit zu schätzen wusste, an einem Ort aufzuwachsen, an dem die Menschen in Scharen Urlaub machten.

»Ich bin mir sicher, dass du einen Gast gesehen hast, der spät aus seinem Zimmer gekommen ist«, beruhigte Jack seine Frau und widmete ihr wieder seine Aufmerksamkeit.

Francesca schüttelte ihren Kopf. Der Dutt, mit dem sie ihr dunkelbraunes Haar zusammengebunden hatte, schwankte durch die Bewegung. »Wir haben kaum Gäste und die, die wir haben, waren nicht im dritten Stock, wo ich jemanden gesehen habe.«

»Du tüftelst ständig an neuen Rezepten für das Restaurant, Schatz«, tröstete Jack. »Ich bin sicher, du bist nur erschöpft.«

Die Wände polterten, als ob etwas in ihnen war und versuchte, herauszukommen. Francesca zuckte zusammen. Jack verkrampfte sich. Laura lachte, scheinbar amüsiert.

Francesca schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Nein, es ist dieser Ort! Ich kann mich nicht richtig ausruhen und bin immer irgendwie unruhig.«

Jack legte seiner Frau eine tröstende Hand auf die Schulter. »Das alles ist neu für uns. Das Hotel ist alt. Wir werden die Macken finden und ausmerzen. Dann wird der Laden florieren und wir können uns den Traum von Gastlichkeit erfüllen, wie wir es uns immer gewünscht haben.«

Francesca öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch in dem Augenblick marschierten drei Männer durch den gewölbten Eingang in das Hotel.

Als Jack sie erblickte, warf er seiner Frau einen aufgeregten Blick zu, in der Hoffnung, dass gerade neue Gäste einchecken würden. »Laura, warum hilfst du deiner Mutter nicht in der Küche bei den Vorbereitungen für das Abendessen?«

»Aber …«

»Jetzt«, drängte ihr Vater.

Laura nickte und folgte ihrer Mutter nach hinten in die Küche, während Jack sich umdrehte, um die drei Mafiosi zu begrüßen, die er fälschlicherweise für zahlende Gäste hielt.