Kurz nach neun Uhr macht die Mail mit der Mitteilung, dass ich in der heutigen Staatsratssitzung zur Staatssekretärin des Justiz- und Bereitschaftsministeriums ernannt werden soll, intern die Runde.
Zwei Stunden später versammeln sich die Minister und der Ministerpräsident beim König im Schloss zum Staatsrat.
Und seitdem bin ich nicht mehr Referatsleiterin.
»Ja, gratuliere, Clara. Vielleicht kannst du die gebrauchen?«, fragt Vigdis in professionellem Tonfall. Sie steht in der Tür zu meinem alten Büro, ein paar zusammengelegte Kartons in der Hand.
Mit so etwas hat sie jahrelange Erfahrung, schon allein bei all den Ministern, die überstürzt ihre Sachen packen mussten, viele nur mit ein paar Stunden Zeit, um das Büro zu räumen, bevor der Nachfolger in der Tür steht und mit Blumenstrauß und Schlüsselkarte lächelnd auf einem Foto verewigt wird, während sie selbst den Aufzug nach unten nehmen und auf die Straße treten müssen, wo kein Dienstwagen mit Chauffeur sie erwartet und auch sonst niemand mehr. Ich wette, sie graust sich schon davor, eines Tages Munchs Sammlung von Helikoptern und Einsatzfahrzeugen einpacken zu müssen.
»Ja, danke.« Ich nehme die Kartons entgegen.
»Wolls Büro ist heute Nacht geräumt und gereinigt worden, es ist für dich bereit. Ich stelle dir einen Aktenwagen vor die Tür, dann kannst du alles hochbringen. Hier ist im Moment ganz schön was los, der Minister ist ziemlich nervös wegen dieser Morde, du weißt ja. Da können wir den besonnenen Kopf einer Frau gut gebrauchen, Clara. Ich freue mich, dass du kommst.«
»Vielen Dank«, sage ich. Das ist ja wirklich eine Menge Freundlichkeit und Fürsorge.
Mein Büro liegt gegenüber der Teeküche. Als ich die ersten Kartons auf den Aktenwagen stapele, stehen ein paar meiner Kollegen dort, den Hintern gegen die Spüle gelehnt.
Sie sagen nichts. Schauen mich nur an.
Und als ich hinter dem Wagen in den Ministerflur komme, stehen der kleine politische Referent und meine beiden Mit-Staatssekretäre vor dem Eisbären und lachen lauthals über irgendwas.
Ich bekomme mit, dass sie etwas über das Parteibüro sagen. Und dass etwas ganz und gar unglaublich sein soll. Vigdis sitzt direkt daneben hinter ihrem Tisch, sie lächelt milde und überlegen.
Die beiden Staatssekretäre entdecken mich, verstummen, schauen mich an.
In dem Augenblick kommt Mona aus ihrem Büro, sie bleibt stehen und sieht mich mit einem schmalen Lächeln an.
»Schau an, Clara, jetzt stehst du hier mit deiner neuen Gang.«
Der eine von den beiden anderen murmelt etwas. Diesmal verstehe ich kein Wort davon.
Munch kommt aus seinem Büro, es liegt schräg gegenüber von Monas. Zwischen beiden sitzen Vigdis und die anderen Sekretärinnen.
»Ich brauche jemanden, der in den Fernsehnachrichten was zu den fehlenden Löschhubschraubern sagt. Heute Abend. Ich sitze das ganze Wochenende wegen Schwiegermutters 75. in Bodø fest.«
Die anderen schauen auf den Boden, da will niemand ran. Um die Sache gibt es in den letzten Tagen ziemlich viel Wirbel, wir kommen in den Medien jämmerlich schlecht weg.
Munch schaut mich an: »Clara, Lust, ins kalte Wasser zu springen?«
»Warum nicht«, antworte ich. »Ich habe zwar keine Ahnung von diesen Hubschraubern, aber …«
»Das macht nichts, sonst auch niemand«, sagt er mit einem Seitenblick zum übrigen politischen Führungspersonal.
»Heute ist ja Freitag, da gibt es wieder eine Weinlotterie«, zwitschert Vigdis. »Passt es euch um drei? Du bist doch sicher dabei, Clara, als Ehrengast?«
»Natürlich.«
Da piepst es in meiner Tasche.