Mama, Mama, Mama, heult er, er denkt wohl, dass ich dann aufhöre, aber ich schlage seinen Kopf nur umso fester auf den Boden. Vielleicht hören das die unten drunter, ich scheiß drauf, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass sie die Leute vom Jugendamt alarmiert haben, die danach hier rumgeschnüffelt haben.
Wenn sie mich auf Droge antreffen oder beweisen können, dass ich die Kinder schlage, müssen sie sie mir wegnehmen, das habe ich bis jetzt vermeiden können, denn ich bin schlauer als sie, schlauer, als die Leute es mir zutrauen. Die Leute halten mich für dumm, weil ich so aussehe, mit der ganzen Schminke und dem Botox, mit den Haaren und Kleidern. Bin ich aber nicht.
Ich bin nur nicht so wie sie.
»Mama, hör auf!«, ruft seine Schwester, zerrt an mir. »Das darfst du nicht, hör auf! Nein! Nein!«
Ich drehe mich um und wische ihr eine, dass sie auf den Boden fällt. Verfluchte Scheißgören, ich klemme mir eins unter jeden Arm, trage sie die Treppe hoch.
Die Schritte hallen auf den Stufen, sie heulen beide, aber ich mache den Verschlag auf und schleudere sie rein, mache wieder zu, hänge den Haken vor. Da drin sind Matratzen, da können sie spielen oder schlafen, Kekse sind auch da, die können sie essen. Und die Kammer ist schallisoliert. Der Vormieter hat sie wohl als Kino benutzt, Pornos geschaut und so.
Der Typ, der grade da ist, ist unruhig, es gibt keinen Schnaps mehr im Haus, er will in die Stadt, noch Koks besorgen. Ich sage, ja, ich fahre ihn, so viel getrunken habe ich noch nicht, und auf die Weise werd ich ihn wenigstens los.
Als ich wieder nach Hause komme, höre ich Schläge. Verdammte Scheiße, was machen die denn. Ich trampel die Treppe hoch, in meinem Kopf kocht es schon wieder. Ich mache die Tür auf, und grässlicher Gestank schlägt mir entgegen.
Der Junge hat sich in die Windeln geschissen und reingefasst, alles ist voller Kacke, seine Hand und die Wand, die Matratze und seine Schwester.
»Verfluchte Scheißgören!« Ich schmeiße die Tür wieder zu, gehe ins Bad, lasse Wasser in die Wanne, ziehe mich aus und hänge die Kleider an den Haken an der Tür.
Dann hole ich das weiße Pulver aus meinem Versteck, schütte es auf den kleinen Spiegel.
Ich hab ihm gesagt, ich hätte nichts mehr. Wollte es nicht mit ihm teilen, mit niemandem. Den Spiegel lege ich vorsichtig auf den Rand der Badewanne.
Ich gehe noch mal runter, hole mir ein Glas Rosé aus dem Kühlschrank, er ist teuer, den wollte ich auch nicht teilen.
Wieder oben im Bad, stelle ich das Glas neben den kleinen Spiegel und lege mich vorsichtig ins Wasser. Wahrscheinlich schlafe ich ein, ich werde in der Wanne immer so dösig.
Etwas knarrt im Haus, das muss der Wind sein.
Ich lehne mich zurück, mache ein Selfie, schicke es ein paar Friends, aber jedenfalls nicht dem Typen, der vorhin hier war. Eigentlich hoffe ich, der kommt nie wieder. Zu kleiner Schwanz, zu wenig Geld, zu wenig Grips. Nur sein Selbstvertrauen, das ist riesig.
Langsam breitet sich die Wärme in meinem Körper aus, aber auf der Haut, die nicht im Wasser ist, spüre ich einen Luftzug von der Tür her. Wahrscheinlich hab ich sie nicht richtig zugemacht. Sollte aufstehen und das nachholen, aber ich will jetzt nicht aus dem warmen Wasser raus.
Ich drehe mich zur Tür, will nachschauen, wie weit sie auf ist.
Da sehe ich sie.
Eine fremde Frau, schwarze Jogginghose und schwarze Kapuzenjacke, sie steht ganz still in meiner Badezimmertür.
Wie ist sie hier reingekommen? Was will sie?
Ich will schreien, aber sie legt den Zeigefinger auf die Lippen, nickt nach hinten in den Flur.
»Pssst«, sagt sie. »Dich kann sowieso niemand hören.«
Ich sage nichts. Versuche, mich hinzusetzen. Das Wasser schwappt. Ich habe die Badewanne zu voll gemacht. Es läuft was auf den Boden. Die Frau kommt auf mich zu.
Jetzt müsste ich aufstehen, auf sie losgehen, sie zu Boden werfen, was auch immer, aber ich schaffe es nicht. Kann nicht mal klar denken.
»Wer bist du?«, frage ich, ich flüstere, als ob ich sie nicht reizen wollte. »Was willst du hier?«
»Ich bin hier, um dich kaltzumachen.« Sie spricht leise, mit heiserer Stimme, sie klingt fremd, ist nicht von hier.
Jetzt spüre ich etwas Kaltes an der Schläfe. Metall.
Eine Pistole.
»Du, hör mal«, sage ich, schiebe mich ein paar Zentimeter hoch, sie stoppt mich, presst mir den Lauf der Pistole fester an die Schläfe. Ich schiele schräg zu ihr hoch, halte den Kopf still. »Ich hab keine Ahnung, wer du bist. Was willst du? Lass uns einfach über alles reden …«
»Das ist für die beiden«, wieder nickt sie in Richtung des Verschlags.
»Für die Kinder?« Ich habe eine Fistelstimme. »Warum denn?«
»Damit ihnen das hier in Zukunft erspart bleibt. Es ist Zeit, dass sie dich loswerden.« Jetzt beugt sie sich zu mir vor.
Sie ist schön. Ihre Augen sind elegant geschminkt.
Und sie sind sehr blau. So blaue Augen habe ich noch nie gesehen.
»Und für Lars«, sagt sie.