54 – Leif

1982

Irgendwie wurde alles etwas leichter, nachdem Agnes ausgezogen war.

Ich atmete etwas freier, schlief besser, saß weniger mit dem Gewehr auf dem Balkon, ich sprach mit Clara, erzählte ihr auch von dem Olivenbaum und der Höhle in den Bergen, von den Ziegen und Grillen, davon, wie die Granaten die große Stille zerbrachen, und von dem Splitter, den ich mir aus der Hüfte zog und mit nach Hause nahm.

»Wo ist der jetzt?«, wollte sie wissen, und ich holte die Streichholzschachtel aus der Kommodenschublade im Schlafzimmer und zeigte ihn ihr.

»Kann ich ihn anfassen?«, fragte sie.

Und dann saß sie da und wog ihn in der Hand.

»Das ist mein Erinnerungsstück«, sagte ich, »eines von beiden.«

»Kann ich mir da Schmuck draus machen?«

»Schmuck?«, fragte ich erstaunt. »Warum nicht, wenn du willst.«

»Hast du noch mehr? Kann ich das sehen?«, fragte sie mit schräg gelegtem Kopf.

»Ja, Moment.« Ich ging wieder zu der Kommode und holte das blaue Käppi mit den Einschusslöchern.

Sie hielt es im Schoß, drehte und wendete es hin und her.

»Hast du das von jemandem weggenommen?«

»Nein, es lag hinterher auf dem Boden.«

»Und hast du die ganzen Löcher da reingemacht?«

»Ich weiß nicht genau, aber ja, wahrscheinlich. Weißt du … das Seltsame ist, mitten in all dem Grauen habe ich mich trotzdem lebendiger gefühlt als jemals sonst.«

»Weil du jemanden erschossen hast?«

»Nein, nicht nur darum, um Himmels willen.«

»Warum dann?«

»Das kann man jemandem, der nicht dabei war, schwer erklären. Irgendwie kam mir alles so sinnvoll vor.«