Christine trug das Frühstückstablett ins Eßzimmer. Die Sonne schien um diese Tageszeit direkt auf den in warmen Mais-Farben gedeckten Tisch. Sie liebte es, mit Horst zusammen zu frühstücken, und hatte es geschafft, daß er deshalb eine halbe Stunde früher aufstand, obwohl ihm auch eine Tasse Nescafé und ein hastig verschlungenes Stück Brot genügt hätten. Er las die Zeitung und schaute mit einem Lächeln auf, als sie ihm Kaffee einschenkte.
»Hübsch siehst du aus. Ist das neu?«
Er wandte sich wieder seiner Zeitung zu und begann das Ei aufzuklopfen, ohne hinzusehen. Sie antwortete nicht, er erwartete auch keine Antwort, aber es war nett, daß er gefragt hatte, andere Männer waren morgens überhaupt nicht ansprechbar. Sie setzte sich hin und schnitt ein Brötchen für ihn auf. Die Bluse war wirklich neu. Eine bunt bestickte Hirtenbluse, die sie in einer neuen kleinen Boutique entdeckt hatte. Echte Handarbeit und gar nicht teuer.
»Schinken oder Käse?«
»Hm?« Er sah auf, lächelte und faltete die Zeitung zusammen. »Verzeih.« Er nahm das Brötchen und bestrich es mit Butter und Honig.
Sie sah ihm zu. »Wird es heute spät bei dir?«
»Fünf, halb sechs. Später auf keinen Fall. Es sei denn, der Chef hat wieder einen seiner glorreichen Einfälle zum Wochenende.«
»Aber du denkst doch dran, daß wir heute abend bei Gert und Ilse eingeladen sind?«
»O Gott!« Er lachte. »Das hab ich natürlich schon vergessen. Läßt sich wohl nicht vermeiden, wie?«
»Du hast selber zugesagt.«
»Na klar, die sind ja auch nett.« Er stand auf. »Müssen wir was mitbringen?«
»Wein, dachte ich, und vielleicht kannst du in der Stadt noch ein paar Blumen besorgen.« Sie begleitete ihn zur Tür und erinnerte ihn daran, die Autoschlüssel einzustecken, die noch von gestern in seinem Regenmantel waren.
Die Sonne schien zwar noch, aber im Westen zogen Wolken auf, und vermutlich würde es noch am Nachmittag oder Abend regnen. Er küßte sie und gab ihr einen zärtlichen Stups auf die Nase.
»Tschüs, mach’s gut.«
Sie sah ihm nach, wie er über den Kiesweg zur Garage ging. »Und fahr vorsichtig!«
Er winkte ihr noch einmal zu, ohne sich umzudrehen. Sie wartete, bis das Auto aus der Garage fuhr und vorn auf die Straße bog. Er hupte noch einmal. Sie ging ins Haus zurück.
Der Kaffee war noch warm. Sie goß ihre Tasse voll und zündete sich eine Zigarette an. Sie mochte diese Stunde zwischen Frühstück und Hausarbeit, die friedliche Ruhe und die Gedanken an den Tag. Von ihrem Platz aus konnte sie ins Wohnzimmer sehen, den hellen Teppichboden, die Bücherregale und die neue Sitzgarnitur. Sie wohnten jetzt schon fast zwei Jahre in dem Haus, aber für sie war es immer noch neu und schön, und sie konnte sich jeden Tag daran freuen – wie als Kind, als sie ihr erstes Fahrrad zum Geburtstag bekommen hatte. Es war ein schönes Gefühl, daß Horst jetzt soviel verdiente, daß sie nicht mehr auf den Pfennig sehen mußten und daß sie, wenn sie Lust hatte, nachher in die Stadt fahren konnte, um zu sehen, ob sie nicht noch ein Kleid für heute abend fand. Sie freute sich auf die Party. Gert und Ilse luden immer eine Menge lustiger und interessanter Leute ein, und sicher gab es irgend etwas Ausgefallenes zum Essen.
Christine drückte ihre Zigarette aus, stand auf und stellte das Radio ein. Ein alter Beatles-Song. Sie summte mit, während sie den Tisch abräumte.