Kapitel 3

Die Zelle war ein ursprünglich einmal weiß gekalkter Raum von drei mal drei Metern mit einer offenen Gittertür, die auf den Innenhof des Cuartel hinausging. Früher war hier auch die Polizeiwache gewesen, aber die war jetzt im neuen Verwaltungsbau neben der Kirche untergebracht. Niemand goß die staubigen Geranien, die zwischen Sand und Zigarettenstummeln vor sich hinkümmerten. Ab und zu kamen zwei Arbeiter und hackten die Mauern auf, um neue Zellen einzurichten. Mit dem Touristenstrom nahm nicht nur das Geld zu, auch das Verbrechen. Der eine Arbeiter hieß Paco, ein zahnloser alter Mann mit einem verwitterten Kasperlegesicht. Am zweiten Tag kam er an Roberts Zelle vorbei und ließ ein kleines Päckchen aus zusammengeknülltem Zeitungspapier fallen. Ein Krümelchen Afghan. Gabi vermutlich. Gute alte Gabi, er hatte sie doch unterschätzt.

Das Essen brachte ihm Toni, der jüngste Guardia. Ein freundlicher, etwas tumber Bauernjunge, der einzige, der sich bei Roberts Verhaftung nicht an der Prügelei beteiligt hatte. Mehr wußte er nicht. Nur, daß sie plötzlich über ihm waren, ihn zusammenschlugen und im Rover ins Cuartel karrten. Aber es war keine Razzia gewesen, sie waren nur wegen ihm gekommen. Das war nicht das erstemal. Einmal hatte er nach der Polizeistunde noch die Internationale gesungen. Aber daran konnte er sich erinnern. Diesmal volles Blackout. Robert trank einen Schluck von dem abgestandenen Zisternenwasser, drehte sich einen Joint und legte sich auf das Feldbett zurück. Fliegen, Mücken, Flöhe. Er schloß die Augen und zog den Rauch in die Lungen. Er war auf der Post gewesen, hatte die Glanzpapiereinladung von Kurt bekommen und hatte sich dann systematisch besoffen. Blende. Als er in der Zelle aufgewacht war, hatte er Blut an den Kleidern. Das konnte nicht allein von ihm stammen. Sie sagten ihm nichts. Aber irgend etwas war passiert. Am vierten Tag kam dieser Advokat. Wenn er überhaupt einer war. Jacquelines Idee vermutlich, diese Anglos glauben unerschütterlich an die Allmacht der Botschaften und Konsulate. Der Advokat ließ ihm eine angeschmuddelte Visitenkarte da und verlangte erst mal Geld. Viel Geld.

Robert gab ihm Namen, Telefonnummer und Adresse von Kurt. Kurt war reich. Kurt war sein Freund. Robert kratzte einen Flohstich auf und kicherte vor sich hin. Das war aber auch zu komisch. Ein Jammer, daß er Kurts Gesicht nicht sehen konnte. Falls sie ihn überhaupt verständigten. Und was würde er tun. Zahlen oder nicht zahlen, das war hier die Frage.

Am letzten Zug verbrannte Robert sich die Fingerspitzen. Es tat nicht weh. Auf seinem Arm saß eine dicke grüne Schmeißfliege. Schimmernd. Funkelnd. Violett und golden. Wie eine riesige Kupferkuppel im Sonnenlicht. Zarte Seidenflügel mit einem Filigrangerüst drin. Drachenflieger. Schwarz glänzende Facettenaugen, die alles verstanden, was er dachte.

Wir zwei, dachte Robert, ließ den Jointstummel fallen und schlief ein. Er wachte auch nicht auf, als Toni ihm den Alutopf mit dem Fischreis neben das Bett stellte und das Wasser erneuerte. Er träumte. Gina. Ihre Haare, ihre Brüste, ihre kinderweiche Samthaut und ihr Geruch. Ihr großer Zeh, der ein bißchen zu lang war, und ihre Hände. Das Moosbett im Wald unter schattigen Tannen. Und er. Und alles in Eastman Supercolor.