Kapitel 6

»Also?«

Der Zug hielt noch mal in Pasing. Das war vollkommen verrückt. Auf den Gleisen draußen standen die Lehrlinge und Jungmanager, die Studenten und die Verkäuferinnen und warteten auf ihre S-Bahn. Ein Tag wie jeder andere. Ich könnte aussteigen. Nichts weiter als aussteigen und rübergehen auf den anderen Bahnsteig.

»Denk nach, verdammt noch mal. Das ist lebensnotwendig!«

Der Zug stand jetzt schon mindestens drei Minuten. Wenn er nicht sofort anfährt, steige ich aus. Er fuhr noch immer nicht los. Ich blieb sitzen. Im Erste-Klasse-Plüsch mit den schneeweiß gestärkten Schutzdeckchen am Kopfende und den getönten Scheiben. Damit die Armen und Entrechteten uns von ihren S-Bahnsteigen aus nicht erkennen konnten. Mit gerahmten Hochglanzfotos von Paris und Nizza und Avignon. Der Zug ruckte an, ich sprang in Panik hoch. Fiel in die weichen Polster zurück. Wir hatten Fensterplätze, ich saß in Fahrtrichtung. Er legte seine Hand auf mein Knie. Schmale Finger. Braun gebrannt. »Bitte!«

Ich dachte nach. Also gut, wenn’s der Wahrheitsfindung diente. Am Rucksack selbst war nichts, das häßliche Plastikschildchen hatte ich abgetrennt. Und innen, zum größten Teil Klamotten, fast alle neu, einige hatten noch die Etiketten dran, mir wurde schlecht, wenn ich nur an das Geld dachte. Waschzeug, Schminkkram, nur das Nötigste, Medikamente und Erste-Hilfe-Päckchen, kein Rezept, kein Zettel dabei. Meine neuen Notizbücher und die farbigen Stifte, die Musikkassetten, der kleine Recorder, Fotoapparat, Filme, Taschenlampe, Überlebenssilberfolie und Moskitokerze. Sprachführer in Italienisch, Spanisch und Portugiesisch, Landkarten und kleine Fotobändchen.

»Nichts.«

»Bist du ganz sicher?!«

»Absolut nichts.« Es war grotesk. Ich hatte den Rucksack nur mit Requisiten vollgepackt. Lebensecht und authentisch. Und rundum unpersönlich. Alles, was mit mir zu tun hatte, war in meiner Beuteltasche verstaut, die prall und fett an meiner linken Schulter hing, embryogleich unter meinen Ellbogen geklemmt, der wandernde Uterus oder ein Känguruh geht auf Reisen.

»Warum lachst du?« Er war irritiert. Ich hatte gar nicht gemerkt, daß ich gelacht hatte. War es lustig? Oder wurde ich verrückt? Der Zug legte jetzt deutlich zu, und die sonst so vertrauten Vororte von München fetzten vorbei. Siedlungen, Villen, Gärten. Viel Grün.

»Wann sind wir in Marseille?«

»Marseille?« Er sah mich nachdenklich an. »Der Zug fährt nicht nach …« er unterbrach sich, schaute hoch. Unsere Abteiltür wurde aufgezogen. Blaue Uniform. Schwarzes Leder und rote Litzen. Fundus Bundesbahn. Ich entspannte und merkte plötzlich, daß ich die Luft angehalten hatte.

»Die Fahrkarten bitte.« Auch noch Lächeln. Er war jung, jünger als ich, aber was heißt das schon. Der Knabe Marc, der mir gegenübersaß, hätte vermutlich auch sein Sohn sein können. Jedermanns Sohnyboy.

»Wir müssen leider nachlösen. Haben es nicht geschafft. Sorry.«

»Wohin?« Blick auf mich, dann wieder auf Marc.

»Friedrichshafen. Zweimal einfach, erster.«

Die Fundusuniform nickte und holte Stift, Blöckchen und ein dickes Buch mit Tarifen aus der schwarzen Ledertasche hervor. Das Blau-Rot wirkte proper und nostalgisch. Ich hätte ihn gern gefragt, ob er ein Trillerpfeifchen dabei hatte, statt dessen zog ich meinen Känguruhbeutel nach vorn und klappte ihn auf. Patentverschluß und siebenhundertundsieben Einzelfächer. Großes Geld, Schecks, Papiere etc. waren gut versteckt. In der Börse hatte ich den Personalausweis und ein paar Hunderter. Kleingeld in drei Währungen. Ich wühlte bis zur Schulter in der Tasche und fand die Börse nicht. Die Tasche war auch neu. Marc und Fundus beobachteten mich mit stoischem Gleichmut. Tampax, Papierslips, Gott nein, da konnte es ja nicht sein! Ich versuchte, mich wegzudrehen, ohne verdächtig zu wirken, die silberne Dose mit den Hustenpastillen fiel heraus und hundert silbergraue Fisherman’s Friends kollerten über den Sitz.

Panik. Atemübungen. Die Börse lag natürlich ganz normal im ersten Fach, helles Schweinsleder mit Rot abgesetzt. Sehr jugendlich. Ich zitterte die Geldlappen raus wie ein altes Mütterchen, das einem Betrüger ihr Erspartes für eine Patentrheumadecke anvertraut. Das Wechselgeld fiel auch runter, Marc steckte es ein. Um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen, vermutlich. Fundus wünschte uns noch eine gute Fahrt und schloß die Tür hinter sich mit leisem Plopp. Ich verstaute hektisch meine Habseligkeiten in dem Beutel. Der war nun wirklich alles, was ich hatte. The rest of my life. Meine Güte, wenn ich doch richtig singen könnte. Ich hätte gern hinter den verschiedenen Reißverschlüssen nachgesehen, ob auch noch alles an Ort und Stelle war, aber Marc ließ mich nicht aus den Augen, und ein kleines Geheimnis sollte man als Frau doch immer noch für sich bewahren.

Wir schwiegen.

Es klingelte. Im Gang erschien der Getränketrolly. Marc kaufte vom Wechselgeld zwei Pikkolo für uns und eine Tüte Erdnüsse. Verhungern würde ich jedenfalls nicht.

»Mach nicht so ‘n Gesicht. Bitte!« Er kam mit seinem überschwappenden Plastikbecher auf meine Seite rüber und küßte mich. Kühl, feucht auf die Wange. »Bitte. Dann siehst du fremd aus.«

»Bin ich das denn nicht?«

»Nein.« Entschieden. Er schwang sich wieder auf seinen Fenstersitz mir gegenüber und verschüttete keinen Tropfen dabei. Trank. Sah mich an. Hob sein Glas. »Ich kenne dich, seit ich denken kann.«

»Danke.«

»So mein ich das nicht. Ich hab geschlafen. Und dann hab ich dich gesehen. Ehrlich. Boingg und so. Du glaubst mir nicht. Es stimmt! Ich hab alle deine Filme gesehen!«

So was trifft natürlich. Und dann zählte er auch noch jede Menge Titel auf. Drei insgesamt, immerhin. Seine Hand lag wieder langfingrig auf meinem Knie. True love.

»True love!«

Das hätte er jetzt nicht sagen dürfen. O verdammt noch mal, genau das NICHT. Er war einfach zu jung dafür, er war sogar zu jung für den ganz, ganz jungen Frank Sinatra, geschweige denn für den sich lichtenden Bing Crosby. Als ich elf war, hatte meine Mutter mich mit Grace Kelly verglichen. So rein, so blond. Ich konnte ›Die oberen Zehntausend‹ immer wieder ansehen und mir vorstellen, was alles aus mir geworden wäre, wenn ich mir auch so reiche Eltern ausgesucht hätte. Ich trank meinen Plastikbecher leer, Marc füllte nach. Ich nahm noch einen Schluck, stellte den Becher auf das Mitteltischchen und lehnte mich zurück.

Das Rauf und Runter der Telefonleitungen, das Glitzern der gläsernen Isolatoren in der Sonne. Kindheit, Ferien. Nur leider regnete es. Grau-grau-grau. Im Rot eines vorbeiflitzenden Tennisplatzes funkelten riesige Wasserpfützen.

Marc Sowieso. Wenn überhaupt.

Alter achtzehn bis zwanzig. Wenn überhaupt.

Kleider sauber und teuer.

Geld: Wo? Wenn überhaupt.

Auftreten: Selbstsicher, höflich, Klasse.

Charakter: Fraglich. Wenn überhaupt.

Erotische Ausstrahlung: Boingg und so.

Motiv!!!

Es mußte eins geben. Der Junge hatte zwar drei meiner Filme gesehen, aber er hatte mich nur zufällig wiedererkannt. Nix true love und so. Oder doch? Kusch! Er hatte die Szene mit den Bullen beobachtet, er hatte beobachtet, wie jemand weiße Tütchen in meinen dämlich und teuer da rumstehenden Rucksack gestopft hatte. Bahnhofsrazzia. Marc-wie-Dollar rettet unschuldigen Tatort-Star vor dem Kerker. Entbrennt in Liebe und steigt mit in den nächsten Zug nach Marseille oder Friedrichshafen. Prinz Eisenherz in Action. Herr Ober, Champagner!

Ich war jünger und schöner als erhofft.

Der etwa gleichaltrige Knabe vorhin, der mich Mutter genannt hatte, brauchte dringend eine Brille.

Die Bezeichnung Mutter bezog sich nur auf mein Geschlecht und nicht auf mein Alter.

Haha.

Es gab nur drei logische Erklärungen für das Rätsel. Eine wie die andere häßlich, mies und doch acrylklar:

Alles war nur Bluff. Es gab weder ein Tütchen in meinem Rucksack noch sonst einen Grund abzuhauen, Marc, die Glasperle, hatte sich einen Scherz erlaubt. Bild hockte im Nachbarabteil.

Marc, die Blüte, hatte selber einen Rucksack voll mit Zeug zurückgelassen und versteckte sich jetzt hinter mir. Daß das blaugrüne Luxusding mir gehörte, hatte ihn überrascht.

Marc, der Hosenknopf, hatte die Tütchen in der Eile selber in meinen Himalayasack gestopft und wollte mich jetzt außer Gefecht setzen.

Einwände?

Er hätte wegrennen können, aber es sah so aus, als hätte die Polizei den Rückweg abgeschnitten, sie hatten zwar nicht hinter dem Glashaus nachgesehen, hatten aber die Gruppe der jungen Leute dicht umzingelt. Keiner konnte da wieder raus. Er hätte sich also im hinteren Teil des Bahnsteigs rumdrücken müssen, das wäre aufgefallen.

Und, wenn man schon Gepäck und Ware zurücklassen muß, was ist dann erfreulicher, als ein dümmliches Fernsehsternchen mit prallvoller Geldtasche?

Oder natürlich, und das hätte ich fast vergessen, Marc, the british pound, war Mitglied des Geheimdienstes und verfolgte mich jetzt unauffällig als V-Mann.

Seine Prüfung hatte er vermutlich mit sieben abgelegt. Er sah auch nicht aus wie ein Junkie. Seit wann nahmen junge Leute überhaupt Drogen mit, wenn sie von München nach Süden reisten. Doch wohl eher umgekehrt? Oder ein Dealer hatte sich hier mit Reiseproviant nützlich gemacht.

Marc, der Dealer?

Die Vorstellung war nun wirklich ekelerregend, und ich suchte nach allen Anzeichen und Hinweisen, die dagegen sprachen. Meine immensen Kenntnisse zu diesem Vorgehen bezog ich aus dem Studium der Tagesmedien und verschiedener Krimidrehbücher.

Oder Marc, der Junkie?

Das wär mir lieber gewesen. Wenn überhaupt. Marc, die Muschel. Opfer und Flüchtling wie ich.

»Stimmt alles nicht«, er hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, jetzt plötzlich stand er auf und zog seine Jacke aus. British indeed. Darunter ein weiß-weißes Jeanshemd mit einem blauen Gummibärchen an der Brusttasche. War es das Gummibärchen? Er krempelte die Ärmel hoch und zeigte mir seine Arme. Die Innenseiten waren etwas weniger gebräunt als der Rest. »Keine Einstiche.« Er lächelte und setzte sich wieder hin. »Auch sonst nirgendwo. Soll ich dir das auch vorführen?«

Ich sagte nichts. Konnte der Kerl. meine Gedanken lesen? Marc wie? Marc Psi. Wenn er nicht so schön gewesen wäre. Das irritierte mich am meisten. Halb so alt und doppelt so schön. Ekelerregend. Nicht nur die Wimpern. Vor allem war er weder glatt noch berechnend. Nur lieb und charmant und richtig super-macho-cool. Er beugte sich vor und schaute mir direkt in die Augen. Ehrlich und offen und voller Unschuld.

»Bitte. Glaub mir doch. Ja? Ich bin kein Junkie und kein Dealer. Ich hab nichts damit zu tun. Okay? Mein Name ist Markus Allermann. Ich werde im August zwanzig und habe die mittlere Reife, eine halbe Lehre als Schreiner und eine andere halbe als Automechaniker.« Er machte eine kleine Pause, sah mich abwartend an. Langwimprig. Ich dachte an seine weichen Handflächen, als er mir den Mund zugehalten hatte. Keine Spur von Hornhaut oder Schwielen. Ich sagte nichts. Er zeigte mir kurz seine Zungenspitze, bevor er fortfuhr. »Ich wollte meine Tante Rosel abholen. Da hab ich diese Leute gesehen, die da lagen, die Rucksäcke, die Razzia. Einer von den Typen hat gewarnt, die anderen haben ihren Kram in die Bahngleise geworfen. Nur einer hatte nicht nur Hasch, der hatte weiße Tütchen. Und da stand dieser blaugrüne Rucksack rum, da hat er’s reingesteckt.«

»Tante Rosel.«

»Ja, okay. Es ist ‘ne Tante, aber sie heißt Lina. Wir sind verlobt. Ich hab dich gesehen. Da gab’s keine Frage. Klar?«

»Alles klar.« Ich grinste, um ihm zu zeigen, daß ich mehr wußte, als mein Pokerface zeigte. Der Zug, wo immer er auch hinwollte, fuhr im Moment durch das bayerische Oberland. Die Wolken bekamen Risse, zaghaftes Sonnenlicht malte die Werbepostkarte vor den Fenstern bunt. Sanfte Hügel, großzügig das Grün und Braun der Felder und Wiesen, Wälder, rotgedeckte Dörfer mit Zwiebelturmkirchen. Ich stand auf. »Gibt’s hier einen Speisewagen?«

Zwischen Hochglanz-Nizza und Paris war ein Spiegel. Ich beugte mich vor und fuhr mit der Hand durch meine Haare. Sah mich wie auf einem Fernsehschirm. Jung, schmal, blond und ein bißchen geheimnsisvoll. Vielleicht war der Spiegel auch blind. Oder ich. Er stand plötzlich hinter mir und umarmte mich. Küßte mich hinters Ohr und grinste über meine Schulter mit ins Spiegelbild. Wir waren ein interessantes Paar.

Der Speisewagen war am anderen Ende des Zugs, irgendwie hatte man verschiedene Kurswagen dazwischengehängt. Verwirrend. Wenn ich meinen Rucksack noch gehabt hätte, wäre ich nie aus unserem Abteil rausgekommen, aus Angst, man könnte ihn in der Zwischenzeit aufmachen oder klauen. Die Angst brauchte ich ja nun nicht mehr zu haben. Freedom is just another word for nothing left to lose … kling, klang. Nicht ganz von der Hand zu weisen. Vor uns waren zwei knitterfreie Vertreter und ein mittelaltes Ehepaar, ich konnte aber zwischen ihnen hindurchschauen und erkannte nur noch einen freien Tisch. Marc, der Petrodollar, war vor mir, hielt mir die Türen auf, half mir, lächelte den Oberkellner an. Wir bekamen den Tisch, die Vertreter mußten sich an die Imbißbar drücken.

Da saß ich. Fensterplatz mit Bayernpanorama, weißes Tischtuch, gelbes Lämpchen und mir gegenüber ein junger Gentleman. »Zwei trockene Sherry bitte und die Karte!«

Nichts dagegen einzuwenden. Heiko oder so einer hätte natürlich niemals den Aperitif einfach so über meinen Kopf hinweg bestellen dürfen. Heiko hatte, wenn ich es mir recht überlegte, nie auch nur ein Glas Wasser für mich bestellt. Der Sherry kam kühl und blaßgelb wie in der Reklame. Die Karte sah aus wie immer. Alles sah aus wie, immer. Der Bahnhof hatte sich das Image eines Flughafenkaufhauses zugelegt, die Bahn sollte laut Massivwerbung einen völlig neuen Super- und Verwöhnservice bieten, aber ich sah nur dieselben müden Kellner und an den Nachbartischen matschige Pfanniberge über Tiefkühlerbsen und Hormonsteaks.

»Kein Hummer!« Er schien das wirklich zu bedauern.

»Kein Kaviar.« Wir lachten. Es gab gute Weine, wir fanden einen Côte du Rhone, bestellten Omelette dazu und baten den Ober, dafür zu sorgen, daß genug von dem Wein übrig blieb. Marc Centime mochte ja jung sein, aber er verstand es zu leben. Kein Einspruch, Euer Ehren.

»Und was machen wir in Friedrichshafen?«

»Kommt drauf an, was du vorhast.«

»Möglichkeiten?« Der Wein war trocken, leicht und doch weich. Ich hatte in der Nacht kaum geschlafen und nichts gefrühstückt außer dem Spülkaffee und dem Papphörnchen. Aber mein Verstand war klar und messerscharf. Wie eh und je.

»Ich hab Freunde in Friedrichshafen. Da könnten wir erst mal hin.« Er stocherte in seinem Omelette herum und schob den Teller weg. »Ich bin kein Fan von Bahnreisen. Wir könnten ein Auto nehmen. Dann wären wir unabhängig.« Er strahlte. »Wir könnten einfach so rumkurven, wohin wir wollen, wann wir wollen«, er winkte mit der leeren Weinflasche nach einer neuen und nahm eine alte Semmel aus dem Korb. Kaute dran herum. Verträumt: »Frankreich ist toll. Da gibt’s in jedem Dorf und in jedem winzigen Bistro einen besseren Fraß als hier.«

»Locker.«

Er lachte kurz, legte die angebissene Semmel weg, trank einen Schluck Côte du Rhone und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Wieviel Geld haben wir eigentlich?«

Klare Frage. Er sah mich an. Ernst, offen, ehrlich. Vor den Fenstern ächzte das Allgäu vorbei. Schwer und grün und langsam. Bergauf.

Auto. Nehmen. Geld. Wir.

Ohne Netz und Sprungtuch. Das hatte ich doch gewollt. Oder? Das Abenteuer. Die Jugend. Die Spannung des spontanen Heute. Hübsch formuliert. Ich lächelte zurück. Offen, ehrlich und vor allem ernst. Klare Antwort:

»Etwas über tausend.«

Er saß mir gegenüber, das gelbe Licht konkurrierte mit der grellen Märzsonne über den Bergen. »Dann sind wir reich!« Er bückte sich, schaute kurz nach dem Kellner und holte dann seinen Schuh auf den Tisch. Mailand, zwiefach handgenäht, nachtblaues Oberleder. Sein Zeigefingernagel schob sich kurz unter den Absatz, hob ihn ab und drückte ihn sofort wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Zog den Schuh wieder an.

Die Hand blieb oben auf dem Tisch. Zur Faust geballt, die Finger nach oben. Öffnete sich langsam.

Und gab drei briefmarkenklein gefaltete Geldscheine frei. Bräunlich und unscheinbar. Ein leichter Dreh, und die drei Briefmarken rutschten direkt vor mir auf das weinfeuchte Bundesbahntischtuch. Bei einem konnte ich die Zahl erkennen. Eine Eins und eine Null. Die anderen Nullen waren unter dem Kniff. Zwei.

Da lagen sie. Drei Tausender. De-Marc saß da und grinste zufrieden.