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wischen kahlem Buschwerk kauerten sie hinter einem Buchenstamm. Die Kälte kroch Heiland in die Knochen und bestärkte ihn in seinem Entschluss, sich vom Beutegeld einen Wintermantel zu kaufen; gleich mit den Schuhen für die Kleine. Krüger knackte indes mit den Fingergelenken.
Ein Güterzug rasselte auf der Rückseite des Parks in Richtung Halle vorbei und schien kein Ende zu nehmen. Das Zischen und Stampfen der Lokomotive war längst verklungen, da ratterte noch immer ein Waggon nach dem anderen über das Gleisbett.
Max Heiland behielt die Artilleriestraße und die neue Villa im Auge, in deren Vorgarten Joseph vor schon fast einer Viertelstunde verschwunden war. Seitdem hatte sich noch kein einziger Fußgänger auf der abendlichen Straße gezeigt, von einem Automobil ganz zu schweigen. Abgesehen von den Zügen, kam Heiland die Gegend hier noch ruhiger vor als sein geliebtes Stötteritz.
Joseph ließ sich Zeit, wahrscheinlich arbeitete er gründlich und besonders vorsichtig. Irgendwo zwischen den Villen schlug ein Hund an, und sofort fragte Heiland sich, ob das Gekläff mit dem Schweiger zu tun haben mochte. Doch dann flitzte eine Katze aus dem Nachbargarten, und der Hund gab wieder Ruhe.
«Irgendwas ist schiefgelaufen», flüsterte Krüger. «So lange braucht doch kein Mensch, um in ein Haus einzusteigen!» Der ehemalige Unteroffizier wollte über Hof und Kellertür in die Villa eindringen und ein Zeichen mit der Taschenlampe geben,
sobald er die Terrassentür geöffnet hatte. «Wenn der ein Profi ist, dann bin ich der nächste Reichskanzler.» Karl Krüger steckte sich eine Zigarette in den Mund und kramte nach seinem Feuerzeug.
«Nicht jetzt, Karl.» Flüsternd legte Heiland ihm die Hand auf den Arm. «Wenn die Operation vorbei ist, kannst du rauchen, so viel du willst.»
«Du redest schon wie dieser Einarmige.» Krüger ließ das Feuerzeug, wo es war, und steckte die Zigarette in die Brusttasche. «‹Operation› …» Verächtlich blies er die Backen auf. «Nie wieder lass ich mich mit dem ein.»
«Zehntausend Mark?» Heiland musterte sein Profil von der Seite. Trotz der Dunkelheit konnte er seinen Adamsapfel auf- und abtanzen sehen. «Mindestens fünftausend?»
«Nur deswegen bin ich ja noch hier. Aber dieser verdammte Kriegsheld hätte uns einen Profi mitgeben müssen, wenn es um so viel Geld geht, findest du nicht? Oder das Türschloss uns überlassen müssen.»
«Was ist los mit dir, Karl? Es ist doch gar nichts passiert.»
«Noch nicht.» Krüger zog den Rotz hoch und spuckte hinter sich ins Unterholz. «Der Kerl ist schon fast eine halbe Stunde weg.»
«Du übertreibst. Joseph kennt das Haus. Angeblich weiß er ja sogar, hinter welchem Bild der Tresor steckt.»
«Der Mann ist ein Tier, ich mag ihn nicht. Macht er dich gar nicht nervös?»
«Geht so.» Heiland konnte den ehemaligen Unteroffizier auch nicht leiden, sicher, doch was kümmerten ihn jetzt noch Empfindungen? Er hatte alle Unruhe abgestreift und fühlte sich, wie er sich nach dem Gongschlag zur ersten Runde immer fühlte: gelassen und konzentriert. «Das ist außerdem
scheißegal – der Kampf hat angefangen, jetzt gibt’s keinen Weg zurück. Also reiß dich zusammen.»
«Weiß schon.» Krüger lehnte gegen den Buchenstamm und knackte wieder mit den Fingergelenken. Irgendwann holte er seine Pistole aus der Jacke und drehte sie zwischen den Fingern.
Heiland merkte es erst, als sein Freund die Waffe entsicherte. Das metallene Knirschen erschreckte ihn, und er zuckte zusammen. «Spinnst du jetzt? Steck das Mistding weg!» Krüger gehorchte anstandslos.
An der Hofseite der Villa flammte kurz ein schwaches Licht auf. «Er ist drin.» Heiland richtete sich auf den Knien auf und spähte über die Straße und in den dunklen Garten der Villa. Zweimal noch blinkte dort kurz hintereinander das Licht hinter dem Terrassenfenster auf. «Er hat die Terrassentür geöffnet.» Er schlug Krüger auf die Schulter. «Du bist dran, Karl.»
«Bis gleich.» Krüger hievte seinen schweren Rucksack auf die Schulter, stand auf und schlich aus dem Park.
Wie vereinbart wartete Heiland, bis sein Freund in den Garten der Fabrikantenvilla eingedrungen war. Aufmerksam beobachtete er danach jedes einzelne Fenster der beiden Nachbarhäuser und horchte erst noch ein paar Atemzüge lang nach Motorengebrumm, Schrittlärm und Hufschlag, bevor er schließlich den Affen mit seinem Werkzeug aus dem Unterholz zog und ihn sich auf den Rücken schnallte.
Wie ein harmloser einsamer Nachtwanderer lief er auf einem Parkweg zuerst ein Stück zurück in Richtung Wagen und Breitenfelder Straße, bevor auch er den Park verließ, die Artilleriestraße überquerte und auf ihr zurück zu der Villa ging, in der sein heutiger Gegner auf ihn wartete: ein Wandtresor mit einigen tausend Mark hinter dem Zahlenschloss.
In Höhe der Villa, etwa auf halbem Weg zur nächsten
Gaslaterne, flog sein Blick noch einmal über die Fassaden der Nachbarhäuser. Nur wenige Fenster waren erleuchtet, hinter keinem regte sich ein Vorhang oder zeigte sich ein Mensch. Heiland huschte in den Garten und schlich in geduckter Haltung bis zur Terrasse. Sein geschwollenes Auge pochte.
Joseph öffnete ihm die Terrassentür, und Heiland schlüpfte in einen Raum, in dem es nach kaltem Zigarrenrauch roch. «Zieht die Vorhänge zu», raunte Joseph und zerrte den schweren Vorhangstoff vor die Terrassentür und das Fenster daneben. Krüger und Heiland verdunkelten die drei anderen Fenster.
Eine Taschenlampe flammte auf, ihr Lichtkegel wanderte über das Schnitzwerk einer Tür, eine fast deckenhohe Zimmerpflanze, einen Kamin und ruhte schließlich auf einem Gemälde mit Flusslandschaft und Brücke.
«Ist das unser Bild, Joseph?», fragte Krüger.
Der schüttelte den Kopf und richtete seinen Lampenstrahl auf das nächste Gemälde. Das hing über einem wuchtigen Sofa und zeigte ein Sonnenblumenfeld. «Abhängen.»
Heiland und Krüger setzten ihre Rucksäcke auf der Couch ab und nahmen das Bild von der Wand. «Da ist er ja, unser Freund.» Krüger lachte, und Heilands Herz schlug höher: Der Lampenstrahl riss die lackierte, stark gemaserte Holztür eines kleinen Wandschranks aus der Dunkelheit. «Und nicht mal ein Zahlenschloss hat er! Wie menschenfreundlich auch.»
«Von der Firma Louis Walther.» Das Bild noch in den Händen, schaute sich Heiland den Geldschrank genau an. «Baujahr sieben oder acht, das Schloss kenn ich. Da brauchst du dein Schweißgerät gar nicht erst auspacken, Karl.» Sie legten das Gemälde auf einem Esstisch ab, und Heiland öffnete seinen Affen, um sein Werkzeug herauszuholen.
Im Schein von Josephs Taschenlampe kniete er schließlich
auf dem Sofa und probierte seine Dietriche durch. Hier ging es nicht um schnelle Reaktion, kraftvolle Haken und gut gezielte Geraden, hier ging es um Feingefühl und ein feines Gehör.
Schon der elfte Dietrich machte ihm Freude. «Könnte passen.» Heiland musste ihn noch ein wenig mit der Metallsäge und der Feile bearbeiteten, dann glitt er endgültig ins Schloss.
«Gratuliere!» Krüger strahlte, die Miene des ehemaligen Unteroffiziers blieb vollkommen reglos.
«Spar dir deine Glückwünsche, bis wir wissen, was hinter dieser Tür so alles auf uns wartet.» Heiland drehte den Dietrich, drehte zweimal, drehte, bis er die Schranktür aufziehen konnte. Joseph leuchtete hinein.
«Ein Haufen Papiere, sonst gar nichts», sagte Krüger, und Heiland zischte einen Fluch. Joseph aber drängte ihn zur Seite, holte die Papiere aus dem Wandschrank und trug sie zum Esstisch.
«He, Kamerad!» Heiland, den nach der Enttäuschung nun auch noch die Wut packte, sprang ihm hinterher, griff nach seiner Schulter und riss ihn herum. «Von Schmuck und Goldmünzen war die Rede, nicht von so was hier!» Mit der flachen Hand schlug er auf die Papiere in Josephs Händen.
Krügers Armeelampe flammte auf und tauchte Heiland und den Schweiger in gleißendes Licht. «Nervös?», fragte der ehemalige Unteroffizier und schaute Heiland in die Augen. Dann musterte er dessen Hand auf seiner Schulter, und zwar so lange, bis Heiland ihn losließ.
Er wandte sich von ihm ab und ging weiter zum Esstisch. «Das ist nicht der einzige Wandschrank im Haus», sagte er endlich, «im ersten Obergeschoss gibt es noch einen.» Mit einer Kopfbewegung deutete er zur Decke. «Im Zimmer direkt über diesem hier. Dann liegen Schmuck und Gold eben in dem. Geht
schon mal vor, ich komm gleich nach.» Am Tisch warf er den Papierstapel auf das Gemälde, nahm seine Lampe zwischen die Zähne und begann, ihn durchzusehen.
Heiland guckte unschlüssig zu Karl Krüger hinüber. Der knipste seine Lampe aus, hievte den Rucksack mit dem Schweißgerät auf den Rücken und ging zur Tür. Na schön, dann eben noch einer, dachte Heiland, holte sein Werkzeug und folgte ihm.
«Der Tresor steckt hinter dem blauen Gemälde mit der weißen Frau», sagte Joseph, ohne von den Papieren aufzusehen. «Und keine Hektik, verstanden? Vor Mitternacht kommt hier niemand nach Hause. Ihr habt alle Zeit der Welt.»
Sie stiegen die Treppe hinauf. «So viele Worte auf einmal hat der ja noch nie aneinandergereiht», flüsterte Heiland. Der Lichtkegel von Krügers Lampe wanderte vor ihnen her über die Stufen. «Woher kennt der sich überhaupt so gut aus in dieser Villa?»
«Wahrscheinlich ist er mit dem Gärtner verwandt oder mit dem Dienstmädchen verheiratet.» Krüger ließ seinen Lampenschein über die drei Türen im oberen Flur links des Treppengeländers wandern, ging zielstrebig zur mittleren und öffnete sie. «Jede Menge Bilder.» Noch von der Schwelle aus leuchtete er in den Raum hinein. «Und da ist auch schon das blaue mit dem weißen Engel.»
Heiland folgte ihm und schaute zu dem Gemälde hin. «Das ist kein Engel, das ist eine Braut.»
«Ein Engel.» Krüger setzte seinen schweren Rucksack auf dem Sekretär ab. «Komm, fass mit an.»
Gemeinsam hängten sie das großformatige Bild ab und lehnten es gegen den warmen Kachelofen an der Schmalseite des Zimmers. «Wieder ein Walther-Schrank», sagte Heiland, als Krüger den Lampenkegel auf die nun leere Wand neben dem
Sekretär richtete. «Diesmal aber aus Metall und mit Zahlenschloss.»
«Wenn der nicht allerhand Schätze zu verbergen hat, kannst du Anna zu mir sagen.» Krüger ging zum Sekretär und löste die Schnallen seines Rucksacks. «Ohne Schweißgerät werden wir kaum an die hübschen Sachen kommen, was meinst du, Max?» Auf der Treppe näherten sich Schritte.
«Ich probiere es erst einmal so.» Unter dem Wandtresor setzte Heiland seinen Affen ab und holte seinen Stethoskopkasten heraus. Das teure Stück – ein modernes Membranstethoskop – hatte er im letzten Sommer beim Einbruch in eine Arztpraxis mitgehen lassen.
«Lampe aus!», zischte Joseph, als er den Raum betrat. Dann stieß er einen Fluch aus und sprang zu den Fenstern. «Läutet doch gleich bei den Nachbarn!» Schimpfend zog er die Vorhänge vor. «Vielleicht sind die ja so nett, euch zu helfen.» Er richtete den Schein seiner Taschenlampe erst auf Heiland, dann auf Krüger. «Hab ich’s hier mit Profis zu tun oder mit verdammten Stümpern?»
«Stümper?» Heiland hatte genug von dem Schweiger. Drohend ging er auf ihn zu. «Ich werd dir gleich ‹Stümper›!» Die ganze bisher unterdrückte Wut auf den arroganten Kerl kochte jetzt in ihm hoch.
«Ruhig Blut, Max.» Krüger hielt ihn am Jackenärmel fest. Und an Joseph gewandt: «Kann schon mal passieren, oder?» Er führte Heiland zurück zum Wandtresor. «Mach deine Arbeit. Wenn du ihn nicht innerhalb von fünf Minuten aufkriegst, rücke ich ihm mit dem Schweißgerät auf den Pelz.» Der Lichtkegel seiner Lampe fiel auf das Zahlenschloss.
Heiland zog die Jacke aus und legte den Ohrbügel seines Stethoskops an. Es fiel ihm schwer, den Ärger auf den ehemaligen
Unteroffizier zu zügeln. Am liebsten hätte er diesen Kerl mit seinen Fäusten bekannt gemacht. Erneut spürte er, wie sein geschwollenes Auge schmerzhaft pochte.
Ja, ruhig Blut, Max, dachte er und konzentrierte sich auf seine Arbeit, das kühlte die Wut. Er legte das Bruststück des Stethoskops zwischen Zahlenschloss und Tresorrand und bedeutete Krüger, es dort festzuhalten. Joseph sorgte für Lampenlicht, und Heiland hatte nun beide Hände frei, um an den Zahlenrädern herumzudrehen.
«Ich höre überhaupt nichts», sagte er schon nach kurzer Zeit, drehte das Stethoskopbruststück von der Membran- auf die Trichterseite und probierte es wieder. «Bringt auch nichts.» Er nahm den Stethoskopbügel ab. «Pack dein Schweißgerät aus, Karl.»
Das Brummen eines Motors näherte sich draußen auf der Straße. Joseph knipste sofort die Lampe aus und wandte den Kopf zum Fenster. Das Motorengeräusch wurde erst lauter und verstummte dann direkt vor dem Haus. Alle drei lauschten sie jetzt in höchster Anspannung. Draußen wurden Autotüren geöffnet und zugeschlagen. Dreimal insgesamt, zählte Max Heiland. Er hörte Männerstimmen, eine Frau lachte. Das Atmen fiel ihm schwer.
Joseph huschte zum Fenster. Zwischen Wand und Vorhang lugte er auf die Artilleriestraße hinunter. Heiland glaubte, Schritte auf dem Gartenweg zu hören, dann deutlicher auf der Vortreppe. Wieder Stimmen, lauter diesmal – ein Schloss schnappte auf, eine Tür quietschte. Leute betraten das Erdgeschoss.
«Verfluchter Mist!», zischte Krüger. «Hast du nicht gesagt, die kommen nicht vor Mitternacht nach Hause?»
«Nichts wie raus hier», flüsterte Heiland. Sein Mund war
trocken, seine Kehle wie zugeschnürt. Hastig packte er sein Stethoskop zusammen und verstaute die Kiste im Affen. Es war jetzt stockdunkel im Raum.
Joseph winkte mit herrischer Geste ab, huschte zur Tür, lauschte dort. «Wenn sie in eines der unteren Zimmer gehen, schleichen wir die Treppe hinunter und machen uns aus dem Staub», flüsterte er.
«Und wenn sie zuerst ins Terrassenzimmer gehen?» Heiland dachte an den offenen Wandschrank und das Bild auf dem Tisch. «Dann wissen sie sofort, was die Stunde geschlagen hat.»
«Sie kommen die Treppe hoch, alle drei.» Joseph hatte plötzlich eine Pistole in der Hand, mit ihr deutete er zum Kachelofen. «Zurück an die Wand mit dem Bild, schnell. Die Rucksäcke hinter den Vorhang, zack, zack!» Wie mechanisch gehorchten Max Heiland und Karl Krüger. «Her zu mir.»
Stimmen näherten sich auf der Treppe, ihre Besitzer plauderten ausgelassen – Heiland erkannte eine Frauen- und zwei Männerstimmen. Er und Krüger huschten zur Tür, drückten sich an die Wand – Krüger rechts, Heiland links hinter Joseph. Die Frau lachte jetzt direkt vor der Tür. Heilands Herz klopfte wie verrückt.
Jemand zog die Tür auf, Licht fiel herein. Ein Mann trat über die Schwelle, tastete nach einem Lichtschalter. So blitzschnell, als hätte Joseph genau darauf gelauert, griff er nach seinem Arm, riss ihn ins Zimmer, stieß ihn zu Boden und feuerte eine Kugel auf ihn ab.
«Lauf, Rosa, lauf!», schrie eine Männerstimme draußen im Flur. Joseph sprang in die offene Tür und schoss hinaus. Heiland sah seinen Freund breitbeinig an der Wand stehen – seine Pistole in beiden Händen, zielte Krüger auf den Mann am Boden.
«Schnapp dir die Frau!» Joseph packte Heiland, riss ihn zu sich und stieß ihn aus dem Zimmer auf den Flur hinaus. Auf der Treppe sah Heiland einen Blondschopf nach unten verschwinden. «Sie darf nicht entkommen!», brüllte Joseph hinter ihm.
Ein Mann robbte bäuchlings am Treppengeländer vorbei zu einer Tür auf der anderen Seite des Flurs. «Renn weg, Rosa, renn bloß weg!», brüllte er. Er zog eine Blutspur auf dem Parkett hinter sich her, drehte sich auf den Rücken und hielt plötzlich einen Trommelrevolver in der Faust. Joseph schoss wieder auf ihn, und als Heiland sich über das Treppengeländer schwang und den Stufen entgegenflog, entdeckte er etwas in Josephs linker Hand, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: eine Handgranate!
Ein Schuss krachte, eine Kugel pfiff dicht an seinem Ohr vorbei und schlug in die Wand ein. Er duckte sich und hörte schon das nächste Geschoss neben seinem Kopf vorbeizischen – es sprengte Splitter aus der Balustrade über der Treppe.
Heiland ließ sich fallen und rollte die Stufen hinunter. Nur weg von Joseph und seiner verdammten Handgranate! Im Flur unten kniete eine blonde Frau in schwarzem Kleid auf dem Parkett – sie musste gestolpert und die Treppe hinuntergestürzt sein.
Die alte Mauser rutschte Heiland aus dem Hosenbund, schlitterte ihm voraus von Stufe zu Stufe. Über ihm fielen Schüsse und Krüger schrie unverständliches Zeug, und eine andere Stimme brüllte schon wieder: «Renn, Rosa!» Unter ihm zog die blonde Frau sich am Treppengeländer hoch.
Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie die Pistole an, die nun vor der Spitze ihres roten Stöckelschuhs auf der untersten Stufe lag. Schon bückte sie sich danach.
Heiland war schneller – er packte ihr Handgelenk, griff zur Mauser und riss die Blonde zu sich auf die Treppe. Ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen, in ihrem Blick flackerten Angst und Schrecken, sie riss den tiefrot geschminkten Mund auf und begann zu kreischen. Sie kreischte so laut, dass Heiland die Ohren gellten, so durchdringend, dass man es im ganzen Viertel hören musste.
Er entsicherte die Pistole und rammte der Frau den Lauf in den Mund.