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6. Februar
Hagen ist hier gewesen. Dein Gewehr in der Hand habe ich hinter dem Vorhang gestanden und seinen neuen Opel vor dem Haus stehen sehen, sonst hätte ich die Tür nicht geöffnet.
Ich habe mich gewundert, denn vorige Woche erst hat er mir erklärt, dass er das Haus eines Juden lieber nicht betrete. Heute hat er so ungeduldig geklingelt, als könnte er es gar nicht erwarten, dein Haus endlich zu betreten. Willy hörte seine Stimme und fing sofort an, ihn zu beschimpfen.
Unruhig hat er gewirkt, beinahe besorgt. Beides bin ich nicht gewohnt von meinem Bruder. Nervös ist er schon hin und wieder, du kennst ihn ja, Albert, doch dass er sich um seine kleine Schwester Sorgen macht? Das hat mein Misstrauen erregt.
Was mit mir los sei, wollte Hagen wissen, warum ich mich schon den zweiten Abend nicht im Bonaparte habe blicken lassen, und ob ich etwas mit der Schießerei in der Villa in Gohlis zu tun hätte. Er habe Gerüchte gehört, über eine Affäre zwischen mir und dem toten Baumann, und was da dran sei.
«Nichts», habe ich gesagt und mit den Tränen gekämpft.
Da hat er angefangen zu schreien und Zimmer für Zimmer zu durchsuchen. Ich habe ihn aufgefordert, sofort mein Haus zu verlassen, und als ich ihm den Weg zur Treppe ins Obergeschoss versperrt habe, hat er mich zur Seite gestoßen – und oben im Bad dann Heinrichs Rasierzeug entdeckt.
«Hat Baumann noch mehr Kram hier in dem verdammten Judenhaus?», hat er geschrien. Da bin ich zum Fernsprecher gegangen und wollte die Nummer des Inspektors wählen.
Hagen ist die Treppe heruntergepoltert gekommen, hat mich gepackt und gerufen: «Wo hat er’s versteckt?» Er hat mich geschüttelt und angeschrien – bis ich ihn vors Schienbein getreten habe.
Da hat er mich geschlagen und zu Boden gestoßen. Es gebe Leute, die mich weit weniger zartfühlend nach Heinrichs Sachen fragen würden, wenn sie könnten, hat er gesagt, und wenn ich nicht endlich rede, seien diese Leute die nächsten, die bei mir vor der Tür stehen würden.
Da bin ich ins Wohnzimmer gerannt, habe das Gewehr geholt und ihn mit zwei Schüssen vor die Füße aus dem Haus gejagt.