LIEBE, FRUCHTBARKEIT UND EIN WEITER BLICK: FREYJA

Eine schöne und anmutige Frau, die vor einer großen hölzernen Halle auf einem grünen Hügel steht. Sie atmet tief die klare und kalte Luft ein, während Wolken über den weiten Himmel ziehen und das Gras sich wie ein grünes Meer wiegt. In ihren zarten und doch kräftigen Händen hält sie ein feines Gewebe voller Zauberkraft: vor Energie schimmernde Federn, pulsierende Fäden, eine Energie aus uralten Zeiten. Geschickt wirft sie sich dieses Tuch um die Schultern, schlüpft mit den Armen hinein und verschmilzt mit der Kraft. Ihre Arme werden zu Flügeln, Nase und Mund wandeln sich zu einem schwarzgelben Schnabel … und im Bruchteil eines Augenblicks wird sie zu einem Falken, der sich mit einem weit tönenden Ruf in den Wind wirft. Die Flügel ausgebreitet, den Blick auf den Horizont gerichtet, ist die Seele dieser Göttin in Falkengestalt von Freiheit und tiefer Zugehörigkeit erfüllt.

Freyja oder Freya74 ist wohl die bekannteste Göttin der germanischen und nordeuropäischen Völker und zugleich die wohl vielfältigste Göttin des gesamten nordischen Pantheons. Sie ist die Schwester und zunächst auch Geliebte von Freyr. Die beiden stammen aus dem uralten Göttergeschlecht der Vanen, bei denen eine Geschwisterehe absolut gängig war, welche jedoch bei den Asen nicht toleriert wurde.75 Als Vanengottheiten gehören sie einer uralten, zutiefst naturverbundenen und bäuerlichen Kultur an, und zugleich gelten die Vanen als friedliebendes, ästhetisches, fruchtbares Göttergeschlecht, das neben allen bäuerlichen Themen einen hohen Sinn für Kunst, Schönheit und Fülle auf allen Ebenen hatte. Wir als Autorenpaar können sagen, dass die Vanen unser liebstes Göttergeschlecht sind und für uns wie kein anderes für Naturverbundenheit, Freiheit und Ursprünglichkeit stehen. Freyja galt stets als die schönste Göttin, jedoch aufgrund ihrer Bedeutsamkeit auch als die Große Stamm-Mutter Nordeuropas (obwohl man ihren Vater, die vermutliche Mutter und somit ihre Abstammung ebenfalls kennt, steht sie spannenderweise recht weit oben im Pantheon) und damit in gewisser Weise auch als die Verkörperung von Mutter Erde selbst und ihrem Fruchtbarkeit bringenden Schoß. Sie ist die Tochter von Njörd, dem Gott des Meeres (und sehr wahrscheinlich von dessen Zwillingsschwester Nerthus, einer Erd- und Muttergöttin), und allein in ihrer Herkunft liegt bereits so viel: Das große, Fruchtbarkeit bringende Meer, der Urgrund, aus dem alles Leben entstiegen ist, brachte auch Freyja und Freyr hervor. Dieses Göttergeschlecht der Vanen steht für unglaubliche Lebendigkeit und Fruchtbarkeit, denn alles Leben und Sauerstoff-Erzeugende stammt aus dem Meer oder den Wäldern dieser Erde. Somit bringen diese Vegetationsgötter uns in vielerlei Hinsicht die Luft zum Atmen, pure fruchtbare Lebendigkeit und üppige Fülle. Es heißt, Freyja würde in ihrem Leib die Seelen Verstorbener hüten, um sie wieder zu gebären, und zugleich hütet sie die Hälfte der Gefallenen und bietet ihnen eine „letzte Seelenheimat“ in ihrer Halle Folkvangr. Wir können hierin also erneut unsere bekannte Frau Holle leise anklingen hören, zumal Freyja auch zugeschrieben wird, dass sie Leben schenkt, indem sie die Hüterin aller Gewässer ist und diese mit ihrem Wissen und ihrer Zauberkunst belebt. Einer ihrer Beinamen lautet Mardöll, was „die die See anschwellen lässt“ beziehungsweise „die das Meer leuchten lässt“ bedeutet und sie ebenfalls in eine machtvolle Verbindung mit dem Meer bringt.

Doch beginnen wir ganz von vorn. Freyja ist altnordisch, bedeutet zunächst einmal „Herrin, Frau“ (auch „Dame“) und lässt daher den Raum, absolut jede Frau in ihr zu sehen. Sie ist eine freie Frau und zugleich ein Sinnbild für DIE FREIE FRAU schlechthin, die heute auch getrost als die Ahnin aller freien Frauen weltweit betrachtet werden kann. Freyja ist eine durch und durch souveräne, eigenständige, selbstbewusste und selbstbestimmte, wunderschöne und starke Frau, die genau weiß, was sie will und was nicht, sich nichts sagen lässt, sondern tatsächlich auch nur das tut, was sie tun möchte. Sie geht ihren Weg und lässt sich aufgrund ihrer Klugheit nicht vor irgendeinen Karren spannen, sondern ist stets für ihren leidenschaftlichen Einsatz für die gerechte Sache bekannt. Freyja ist eine extrem vielfältige Göttin, die unterschiedlichsten und teils auf den ersten Blick gegensätzlichen Aufgabengebieten zugeordnet ist – und auch darin ist sie ein wunderbares Symbol für Freiheit und Selbstbestimmung. Dies spiegelt sich ebenfalls darin, dass zu ihren Gemächern bzw. der gesamten Burg nur Zugang hat, wer von ihr eingelassen wird. Nur sie hat den Schlüssel. Sie öffnet die Tür – oder eben nicht. Genauso öffnet sie sich selbst, also ihren Leib, ihren Schoß, nur dann, wenn sie das möchte, und steht damit für eine freie, leidenschaftliche und absolut selbstbestimmte Sexualität. Aus all dem kristallisierte sich der Schlüssel als eines ihrer Symbole heraus. Sie ist die Göttin der Schönheit und der Liebe, der Sexualität und Lust, der Sinnlichkeit auf allen Ebenen, der Sonne, der Fruchtbarkeit – in all diesen Bereichen hat sie eine recht strahlende Rolle (Sonne und „strahlend schön“) und etwas zutiefst Erfreuendes sowie Genießerisches.

Die Jötin (also Riesin) Hyndla sagt über Freyja: „Du rennst wie verrückt herum und willst immer nur das eine. Du hast doch jeden unter deinen Rock gelassen und treibst dich in den Nächten draußen herum, … so wie Heidrun den Ziegenböcken hinterherrennt.“76

Loki behauptet sogar, dass alle Asen und Alben Freyjas Liebhaber gewesen seien.77 Du kannst an diesen Aussagen zumindest deutlich erkennen, dass sie keine Scheu vor dem sexuellen Aspekt der Welt bzw. des Lebens hat und es in vielerlei Hinsicht liebt, ihre Leidenschaften auszuleben.

Dies könnte man auch getrost so interpretieren, dass Freyja definitiv außerhalb des vorgegebenen Rahmens agiert und damit nicht nur ihrer Selbstbestimmtheit und Leidenschaft Ausdruck verleiht, sondern bewusst Grenzen aufrüttelt oder auflöst (und sei es nur in den Köpfen) – und diese Zaunreiterei innerhalb der sexuellen Ekstase sie bereits als schamanische Grenzgängerin ausweist. Zumindest ist in ihrem ganzen Wesen ein gesellschaftlich aufrüttelnder Teil klar erkennbar.

Fühlst du dich frei?

Welche Grenzen sind in deinem Leben zu eng gesteckt?

Und du möchtest sie (vielleicht schon lange) aufweichen?

Wo fühlst du dich fremdbestimmt?

Was kannst du als ersten kleinen Schritt tun, um deine Selbstbestimmung zurückzuerobern?

Kannst du deine Sexualität lustvoll und leidenschaftlich genießen?

Wenn nein: Was fehlt zu deinem sinnlichen Glück beziehungsweise was wäre ein erster kleiner Schritt darauf zu?

Was bedeuten Lust und Leidenschaft für dich?

Welchen Platz haben sie in deinem Leben?

Auf welche Weise könntest du beide Qualitäten mehr in deinen Alltag bringen? Kannst du selbst deinen Körper segnen?

Fühlst du dich durch und durch lebendig?

Welche körperliche Aktivität lässt dich lebendig fühlen?

Wie kannst du mehr von dieser Aktivität in dein Leben einladen?

Als eine Göttin der Fülle und des Reichtums weist sie sich unter anderem dadurch aus, dass alle ihre Tränen pures Gold sind. Daher findest du einen bekannten Kenning für Gold in der Skaldik: „Freyjas Tränen“. Auch wenn Freyr und Freyja beide als Gottheiten der Fülle bekannt sind, ist hier eine leicht unterschiedliche Gewichtung ihrer Aufgaben erkennbar: Freyr tritt als Fruchtbarkeitsgott auf, der die Felder und Wälder segnet/begattet und damit für eine reiche Ernte sorgt; Freyja tritt als Fruchtbarkeitsgöttin insbesondere innerhalb der Sexualität auf (Kinderwunsch) und schenkt zudem Reichtum in Form von Gold und Silber.

Sie selbst liebt schönes Geschmeide und soll aus diesem Grund mit vier Zwergen je eine Nacht verbracht haben, um an ihr berühmtes Brisingamen (Halsband/Kette aus Flammen/ Feuer) zu kommen – eine Kette oder ein Hüftgeschmeide, das etymologisch jedoch viel eher mit der Kraft des Mondes/ Menstruation und auch Kultur zu tun hat, mit Erkenntnis, Wachstum und daraus erfolgender Erleuchtung, als mit einem bloßen Wunsch nach hübschem Schmuck. Es wird in den Mythen als schönstes aller Schmuckstücke beschrieben und soll aus Gold und Bernstein geschmiedet worden sein. Falls das Brisingamen ein Hüftgeschmeide oder Gürtel ist, so betont es Freyjas Becken strahlend und würde zu ihr als Beschützerin der Gebärenden ebenso passen wie zur sexuellen Leidenschaft und puren Weiblichkeit. Ist es doch ein Halsschmuck, so könnte es für die Ausdruckskraft der Göttin stehen und auch für ihre Lebenskraft, die sie mit ihrer Sexualität gewinnt. Ebenso galt in den nordischen Kulturen ein wertvoller Halsschmuck als Symbol für Macht und Stärke, was dadurch erkennbar ist, dass man in den Mooren überdimensional große Schmuckketten fand. Es ist davon auszugehen, dass diese für Menschen viel zu großen Ketten riesigen hölzernen Götterstatuen umgehängt wurden. Einer von Freyjas Beinamen lautet Menglada – die (mit dem Brisingamen) Geschmückte (eigentlich: „die Halsbandfrohe“), und möglicherweise gehen diese Moorfunde auf einen Freyja-Kult zurück.

Beides jedoch, ob nun Hals- oder Hüftgeschmeide, erscheint wie ein Symbol der Umgürtung der Großen Göttin, der Erde selbst. Es könnte also auch Freyjas Umarmung bzw. Umfassung der gesamten Lebenssphäre in ihrer Rolle der erdverbundenen Fruchtbarkeitsgöttin symbolisieren. Da vier Zwerge den Himmelsrichtungen zugeordnet sind und vier Zwerge (wenn auch nicht namensgleich, aber auch die Gottheiten tragen ja stets viele Namen) das Brisingamen aus vier Teilen schmieden, könnte dies ebenso das Erdumspannende oder Allumfassende darstellen. Die Quellen schweigen sich dazu aus, und diese Assoziationen begleiten uns und unsere Teilnehmer seit Jahren – was assoziierst du selbst?

Interessant ist, dass Freyjas Leidenschaften offensichtlich vielen ein Dorn im Auge waren und moralische Entrüstung entfachten – während Odin sich begeistert seinen Liebschaften widmen kann und stets gefeiert wird. Insbesondere zu Freyja und dem Brisingamen, welches sie unbedingt haben wollte, weil sie nie etwas Schöneres gesehen hatte, und zu den Zwergen, die wiederum Freyja jeweils für eine Nacht bei sich haben wollten, weil sie nie eine schönere Frau erblickt hatten, gäbe es einen passenden Vergleich zu Odin. Als er den Dichtermet unbedingt haben wollte, um der Eloquenteste aller Dichter zu werden, erschien es ihm nur folgerichtig, die gute Gunnlöd zu begatten. Er wollte etwas unbedingt und setzte seinen Körper und sexuelle Begierde dafür ein. Freyja, die genau das Gleiche macht, wird dafür verurteilt. Im Grunde ist dies heute noch die häufige Reaktion: Eine sexuell selbstbestimmte und äußerst lustvolle Frau wird schnell als „Schlampe“ abgestempelt und vorverurteilt, während ein sich ähnlich verhaltender Mann gern als „toller Hengst“ gefeiert wird oder zumindest ein anerkennendes Nicken erntet. Weil Freyja mit den Zwergen die vier Nächte verbrachte, hing ihr also (vor allem in christlicher Deutungsweise) der Ruf einer äußerst anrüchigen, sexbesessenen „Hure“ an, die oberflächlich ist bzw. mal eben schnell mit jedem das Bett teilen würde – doch für die Zwerge gibt es auch psychologische Deutungen, die vielmehr mit der Bedeutung des Brisingamen in Verbindung stehen und der Erkenntnis, die man erlangen kann, wenn man bereit ist, in die Tiefen hinabzusteigen. Die wilden Abenteuer finden nämlich im Reich der Zwerge, tief unter der Erde statt. Daran kann man sehen, dass Freyja sich nicht zu schade ist, in andere Reiche und Welten hinabzusteigen. Dies kann möglicherweise ein Sinnbild dafür sein, dass sie auch bereit ist, sich ihre eigene Tiefe anzuschauen und ggf. auch ihre Schattenseiten (im Dunkelalbenheim/Swartalfheim). Außerdem wird dadurch ein weiterer Aspekt ganz klar: Sie steigt nicht in die Erde hinab, reißt die Diamanten, Edelsteine und Erze an sich und nimmt sich einfach, was sie an Werten aus der Erde braucht, sondern sie gibt etwas zurück. Es zeigt ihre Stellung als eine naturverbundene Bewahrerin der Erde und ihrer Geschenke und setzt ein Zeichen gegen die Ausbeutung dieser Schätze. Wir würden uns freuen, wenn du diese Interpretation einfach mal so in dir wirken lässt, nachspürst, was es mit dir macht, und vielleicht nachsinnst, wie unsere Welt sich verändern könnte, wenn wir alle ein wenig mehr unseren „Freyja-Aspekt“ ausleben würden.78

Freyja ist also ganz sicher eine gute Göttinnenbegleitung für sinnlich-erotische und auch magische Abenteuer, aber diese sind nicht leichtfertig oder oberflächlich, sondern sie lebt hier ihre Freiheit und Selbstbestimmtheit aus. Falls du jemals vorhast, dir einen magischen Liebestalisman herzustellen, den du dann unter Freyjas Segen stellst, so ist es wichtig, dass du im Hinterkopf behältst, dass sie nicht gerade als die gute Ehefrau oder nette Hausfrau bekannt ist, die sich bindet und treusorgend ist – sondern als die wilde, lustvolle Abenteurerin. Die Bezeichnungen „um jemanden freien“ oder „Freier“ für einen Liebhaber gehen auf diese Göttin bis heute zurück, ebenso wie die Wörter „Freude, froh, erfreuen“ etc. – wodurch sie auch den Beinamen „die Erfreuende“ trägt. Dabei geht es nicht nur darum, dass sie mit ihrer Sinnlichkeit und Schönheit andere erfreut, sondern immer auch sich selbst. Die Sagas bezeugen heute noch all die Lästereien über sie (vor allem ausgerechnet von Loki) und ihr wildes Liebesleben, worüber sie nur milde lächelt. Sie rechtfertigt sich nicht, wodurch sie allen Frauen den Weg ebnet, ganz selbstverständlich die gleichen Rechte wie alle Männer einzufordern und zu leben. Freyja bleibt die unwiderstehlich strahlend Schöne, in aller Selbstverständlichkeit, und es geht niemanden etwas an, was und wen sie begehrt und auf welche Weise sie dem nachgeht. Sie steht zu allem, was sie tut.

Vielleicht hast du in manchen Augenblicken deines Lebens mit Herausforderungen bezüglich Selbstfürsorge und Selbstannahme zu kämpfen, dann möchten wir dich ermutigen: Der Freitag, der nach Freyja benannt ist, eignet sich dazu, sich zumindest einmal in der Woche daran zu erinnern, Lust und Sinnlichkeit zu leben, magisch zu wirken, sich selbst und anderen Flügel zu verleihen, die Zwerge zu besuchen, uraltes und tiefes Wissen zu erlangen und/oder weiterzugeben, nach allen nur erdenklichen Möglichkeiten frei und selbstbestimmt zu leben und dieses kostbare Leben fruchtbar zu machen. Sollest du nicht jeden Freitag dafür Zeit und Raum in deinem Alltag finden, kannst du dich diesen Themen natürlich auch sehr gut „saisonal“ widmen. Dazu gibt es unterschiedliche Interpretationen (letztlich so vielfältig wie die Göttin selbst) von verschiedenen Forscherinnen. Freyja wird unter anderem der Monat Februar zugeordnet, wenn aus der Erde langsam wieder das Leben zurückkehrt und die Sonnenstrahlen stärker spürbar werden, denn dafür steht letztlich das feurige Halsband Brisingamen ebenfalls. Ebenso gibt es die feste Verknüpfung mit der Wintersonnenwende, dem Julfest, zu dem sie gemeinsam mit Freyr die Sonne und die Wärme ins gesamte Nordeuropa zurückbrachte und den unwirtlichen Winter mit hoffnungsvollem Licht erfüllte. Doch als die Göttin, die ebenfalls die sexuelle Glut leidenschaftlich entfacht und das Freudenfeuer bringt, ist sie natürlich DIE Göttin des Monats Mai und der gesamten Maifestivitäten mit Maibaum (Phallus), bunten Bändern, tanzenden Menschen und der damit einhergehenden Vereinigungssymbolik, der „Heiligen Hochzeit“.

Für welches Thema „brennst“ du?

Wo entwickelst du in Diskussionen oder in deinem Tun eine leidenschaftliche Kraft? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Fruchtbarkeit für dich?

Wie kann dein Einsatz für das, was du leidenschaftlich vertrittst, noch fruchtbarer werden?

Kannst du Fülle gut annehmen und genießen?

Spürst du Fülle oder eher Mangel in deinem Leben?

Ist dein Leben fruchtbar? Welche Früchte trägt es?

PFLANZEN, TIERE UND EIN FRIEDVOLLES MITEINANDER

Gerade bei einer so naturverbundenen Göttin wie Freyja lohnt sich auch ein Blick in die Tier- und Pflanzenwelt, der dir ganz einfache Wege aufzeigen kann, diese Gottheit „ganz nebenbei“ in deinen Alltag einzubringen. Pflanzen, die man mit Freyja in Verbindung bringt, sind u. a. aufgrund ihres ausgeprägten Gerechtigkeitssinnes die Linde (unter der die Thing- Versammlungen stattfanden, für die alle zusammenkamen, um abzustimmen oder Gericht zu halten), die Schlüsselblume (denn sie hatte als Herrin die Schlüsselgewalt), Frauenmantel (als starke, freie Göttin, die alle Frauen unter ihrem Mantel beschützt) sowie heutiges „Mariengras“, das ein europäischer Verwandter des nordamerikanischen Sweetgrass ist, aus dem die bekannten Räucherzöpfe gebunden werden (aufgrund des süßen, sinnlichen Duftes). Auch der Holunder, Erdbeeren, Schafgarbe, Flachs sowie Arnika und Ringelblume (wegen des leuchtenden Orange/Gelb) werden ihr oft zugeschrieben.

Freyja und Freyr sind zuständig für das Wetter, also Regen und Sonnenschein, für ein üppiges Wachstum, damit auch für Fruchtbarkeit auf den Feldern und in den Wäldern (Tiere mitgemeint), für Liebe und Freude und ebenfalls fruchtbares Miteinander.

Zudem stehen sie für Frieden. Das erste eher unschöne Aufeinandertreffen von Vanen und Asen wird als der erste Krieg überhaupt benannt, zu dessen Friedenssicherung schließlich die beiden Geschwister und ihr Vater Njörd als „Pfand“ beziehungsweise als Geiseln zu den Asen wechseln und fortan dort leben.

Die Vanen sind wie bereits erwähnt älter als die Asen, reichen also weiter zurück. Auf diese erdverbundenen Naturgottheiten trafen die Kulturgottheiten, man könnte auch sagen, es ging um „Erdgötter versus Himmelsgötter“. Die drei Vanengottheiten brachten sich schließlich äußerst sinnvoll und vor allem großzügig im Asen-Pantheon ein und sicherten damit den Frieden.79

Wie Freyr reitet auch Freyja auf einem Wildschwein (ihres heißt Hildisvini), was ihr den Beinamen Syr einbrachte, der „Sau“ bedeutet. In der damaligen Zeit war das natürlich auch ein Hinweis auf die reiche Fülle, die sie bringt, sozusagen ein „Glücksschwein“, das über die langen Winter hindurch nähren wird.

Sie besitzt jedoch ebenfalls einen Wagen, der von Katzen gezogen wird (diese heißen Bygul und Trjegul) und mit dem sie über den Himmel fahren kann. Damit begibt sie sich in ihrer Funktion als Todes- oder Kriegsgöttin80 zu den Schlachtfeldern und wählt unter den Gefallenen die Hälfte aus, die sie mit nach Folkvangr in ihren Prunksaal Sessrumnir nimmt.81 Mit dabei sind die Walküren, die mit ihren Schwanenfedern die gefallenen Helden hinfortfliegen. Die andere Hälfte der Gefallenen kommt zum Asengott Odin nach Walhalla – was die meisten Menschen vermutlich schon einmal gehört haben, da es häufig zitiert wird und in Filmen und Büchern auftaucht. Freyja gilt als kluge, strategische Kriegskennerin und als geschickte Kämpferin, die vor allem mit dem Speer agiert. Dies passt wiederum zu ihrer Aufgabe als Stabträgerin, denn auch der Speer ist ein Stab, der ihrer anderen Seite entspricht: der Magie und Zauberkunst. Darin zeigen sich ganz deutlich die schamanischen Wurzeln unserer Kultur.

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74Weitere bekannte Schreibweisen sind: Freja und Freia. Zudem sind diverse Beinamen wie zum Beispiel Mardöll, Vanadis, Gifjon, Hörn, Menglada für sie verzeichnet.

75Besonders Loki scheint das ein Dorn im Auge gewesen zu sein, wie seine Zankreden beweisen. Siehe Lokasenna 30–32

76Hyndlalied 32

77Lokasenna 30. Alben meint in diesem Zusammenhang sowohl Lichtalben als auch Schwarzalben, sprich Zwerge.

78Freyjas Vorliebe für Edelsteine und Schmuck zeigt sich auch in den Namen ihrer Töchter Hnoss und Gersimi. Beide Namen bedeuten „Juwelen“ bzw. „Kostbarkeit“.

79Die Vanen gelten als die „gebenden Gottheiten“. Zu dieser Charakteristik passen auch drei Beinamen Freyjas: Vanadis, Gefn und Hörn. Vanadis bedeutet die Dis („Göttin“, aber auch „Kind“) der Vanen; Gefn bedeutet „die Geberin“ (Gefjon gibt es auch als eigenständige Göttin). Ihre wahrscheinlich eher „flachsblonden“ Haare waren möglicherweise ein Symbol für die Felder, worauf der Name Hörn hindeuten könnte, der wahrscheinlich „Flachs“ bedeutet, was aber nur aus schwedischen Ortsnamen rekonstruiert werden kann.

80Diese Bezeichnung steht im Widerspruch zu ihrer eher friedensbringenden Aufgabe und tauchte erst auf, als die Asen ins Spiel kamen – stellt also nicht unbedingt ihren ursprünglichen Charakter dar.

81Sessrumnir meint eigentlich ein Schiff mit vielen Ruderbänken; im Gylfaginning 23 verwendet Snorri Sturluson jedoch für Freyjas Halle diesen Namen, was u. U. auf eine Verwechslung bzw. auf ein Missverständnis zurückzuführen ist. Gemeint ist auf jeden Fall ein Raum mit vielen Sitzgelegenheiten.