Die schiffsförmigen Steingräber (insbesondere auf Bornholm) sind ebenso bekannt wie die Feuerbestattungen, bei denen Boote mit dem Leichnam ins offene Meer gelassen und dann angezündet wurden. Außerdem sind da noch die Petroglyphen der „Ahnenboote“ auf skandinavischen Felsen, bootsförmige Kirchen in Irland oder die Navetas (Grabanlagen) auf Menorca, die einem umgedrehten Schiffsrumpf gleichen – überall (auch außerhalb von Europa) finden sich solche Verknüpfungen von Booten und Ahnenverehrung. Scheinbar gingen unsere Vorfahren davon aus, dass man übers Große Wasser heimkehrt zu den Ahnen, die bereits vorangegangen sind, beziehungsweise dass man sich zeremoniell mit ihnen wieder in „einen Fluss“ stellen oder in den Fluss des Lebens durch die Begleitung seiner Ahnen zurückfinden kann.
Dinge, die du benötigst:
Ein mittelgroßes Stück trockene, abgefallene Baumrinde, auf der du und deine Ahnen symbolisch Platz finden können. So viele kleine Y-förmige Zweige, wie du Ahnen mit einbeziehen magst, ebenso viele kleine „Querbalken“-Zweige, etwas Jute-/Baumwollschnur zum Zusammenbinden (die Quer-Zweige bilden dann mittig auf dem umgedrehten Y die Arme) und jeweils eines der genannten Utensilien auch für dich selbst. Stelle sie gerne einmal auf und schneide/feile ggf. die Füße etwas ab, sodass sie Stand finden. Ggf. kannst du auch ein wenig rötlichen Sand, Ocker oder rote Blätter (im Herbst gesammelt/getrocknet) oder auch ein paar Blüten, Körner o. Ä. als Dekoration verwenden.118
Vorbereitung:
Stimme dich gerne ein wenig auf deine Ahnen ein und spüre nach, wie sich diese Verbindung für dich anfühlt.
Bist du dankbar, mit deinen Ahnen gemeinsam im Fluss des Lebens zu schwimmen? Spürst du gar ihre Unterstützung (auch über den Tod hinaus) in dir?
Gibt es etwas in deiner Ahnenlinie, das einer Reinigung bedarf, oder solche Verstrickungen/Blockaden/Kontaktabbrüche, dass etwas wieder ins Fließen gebracht werden darf? (Hiermit muss nicht die Aufnahme des Kontakts gewünscht sein, sondern ein eigenes inneres Fließen, dass nach einem Bruch möglicherweise zum Stocken kam.)
Wünschst du dir, mit deiner Herkunftslinie verbundener zu sein? Und magst du diese Verbindung nun auch mehr in dein Leben einladen?
Im folgenden Ritual kannst du deine ureigenen Bedürfnisse ganz leicht mit hineingeben, indem du es sowohl in den eigentlichen Handlungen als auch innerlich/energetisch anders ausrichtest, während du es durchführst. Sieh unseren Vorschlag hier also gern als eine Inspiration, die sich mit deinen Lebensfunken mischen darf, um etwas für dich Stimmiges zu kreieren.
Während du diesen Impulsen nachsinnst und deine Innenschau sich entfalten kann, binde gern deine Ahnen zusammen, indem du die Quer-Zweige auf die auf dem Kopf stehenden Y-förmigen Zweige bindest und dadurch kleine (Zweig-)Menschen entstehen. Wenn dir dabei schon in den Sinn kommt, wer welchen Ahnen repräsentieren soll, kannst du den Ahninnen schon „Leben einhauchen“, ihre Namen aussprechen oder sie ihnen auf deine Weise widmen. Denkbar ist auch ein kreativ-spielerischer Umgang damit: Wenn Großmutter Erna Rot geliebt hat, könntest du der Stellvertreterfigur zum Beispiel ein kleines rotes Kleid aus einer Serviette basteln oder deinem Opa Karl, falls der ein Schäfer war, den Schäferstab noch mit in die Hand drücken und so die Ahnen für dich dadurch kenntlicher machen. Drücke dich also gern frei aus und verwende dabei (abbaubare) Naturmaterialien, damit alles in der Natur verbleiben kann.
Das Ritual:
•Tauche nun erneut in eine innige Zusammenarbeit mit der Natur ein. Hierzu wähle bitte einen Ort in deiner Nähe mit fließendem Wasser (Flussufer, kleine Bäche in Feld und Wald, ggf. auch eine Stelle am Meer mit eher sanften Wellen). Während du zu diesem Ort gehst, kläre in dir noch einmal die Intention für dein Ritual: Was wünschst du dir für dich und deine Ahnenlinie, für dich und deine Ahnenverbundenheit, für dich und deinen Stand im Leben?
•Bereite an dem von dir gewählten Ort am Wasser auf deine Weise einen heiligen Raum/erschaffe Atmosphäre durch das, was du bist und tust. Das kann zum Beispiel eine stille Meditation sein, um ganz an dem Ort anzukommen, ein frei entstehender Gesang oder ein Lieblingslied (ggf. in diesem Falle auch ein Lied deiner Ahnen), das du dem Ort schenken möchtest, ein Gebet; du kannst auch trommeln oder rasseln, ein wenig Räucherwerk anzünden …
•Lade deine Ahnen ein, nun hier bei dir zu sein und dich zu unterstützen/Zeugen deiner Handlungen zu werden. Es geschieht so viel, wenn die Worte (selbst leise) deine Kehle hörbar verlassen dürfen. Selbstverständlich kann dies frei aus dem Herzen heraus fließen und wird dir voll und ganz entsprechen. Menschen aus unseren Kursen berichten uns immer wieder, dass ihnen besonders der Beginn schwerfällt. Solltest du dir zum Einstieg einen Text wünschen, kannst du auch unseren nehmen und von diesen Zeilen ausgehend deine ganz persönlichen Worte im Anschluss hinzufügen:
„Meine Ahnen, nah und fern, meine Verwandten in allen Zeiten,
möge euer Leben in mir fortwirken, ohne mich zu bestimmen.
Mögen eure Wege nicht vergeblich gewesen sein und meinen eigenen freien Weg möglich machen.
Möge ich mich stets erinnern, dass das Leben aus ferner Vergangenheit an mich weitergereicht wurde und ihr als Krieger, Heilerinnen, Magier, Bäuerinnen, Jäger, Druiden, Seherinnen und Schamanen hinter mir steht.
Schenkt mir heute eure Kraft und eure Weisheit, sodass ich meinen Weg nicht alleine gehen muss. Schenkt mir Einsicht, Mut und Unterscheidungsfähigkeit, sodass ich auf eurem positiven Wirken aufbaue und euer negatives Wirken nicht wiederholen werde. Möge ich selbst für künftige Generationen ein würdiger Ahne sein.“119
•Beginne dann, deine kleinen Zweigmenschen einen nach dem anderen ganz bewusst auf deine als Boot fungierende Baumrinde zu stellen. Wenn du die jeweiligen Ahnen gekannt hast, lasse gern deine Erinnerungen, dein Lachen, deine Freude über gemeinsame Erlebnisse mit einfließen. Rituale werden von klarer Intention des Geistes und Tiefe des Herzens getragen und lassen dadurch einen gewissen Zauber entstehen, der in den Alltag hinüberreicht.
•Wann immer alle deine Ahnen auf dem Boot stehen (und hierbei lasse dich von deiner Intuition führen, wer wo steht und in welcher Anordnung es für dich stimmig ist), stelle das Zweigmenschlein, das für dich selbst steht, mit auf das Boot. Nimm dir gern einen Moment, um nachzuspüren, wie sich das anfühlt, inmitten der Stellvertreter-Ahnen zu stehen.
•Wenn du magst, belebe nun alles mit der Natur: rote Blätter, ein wenig rötlicher Sand oder Ocker für die Lebenskraft, Blüten und Kerne/Körner für die Fülle des Lebens. Lege diese Gaben mit auf das Boot.
•Je nachdem, was dein persönliches Anliegen ist – Blockaden lösen und in den Fluss des Lebens zurückfinden, gemeinsam mit den Ahnen in Verbundenheit durch das Leben reisen, sich wieder in der Ahnenlinie zugehörig fühlen –, was es auch sei: Sprich gern deinen Wunsch noch einmal laut aus, der sich aus deiner Einstimmung und Innenschau heraus ergeben hat, und lasse dann begleitet von Freude und all deinen guten Wünschen oder Dankbarkeit dein Ahnenboot zu Wasser.
•Beobachte, wie es Fahrt aufnimmt oder leise dahintreibt, und empfange so eine erste Botschaft der Natur. Überlasse dich mit diesem Ritual dem Fluss des Lebens und kultiviere Hingabe. Vertraue dem Prozess.
•Wann immer es für dich stimmig ist, verabschiede dich von diesem Ort und kehre nach Hause zurück.
Halte gerne zu Hause deine Erlebnisse und Gefühle während des Rituals fest. Wann immer etwas erneut ins Stocken geraten sollte, kannst du dies wieder durchführen. Wann immer du dir mehr Zugehörigkeit und Verbundenheit wünschst, kannst du dies durchführen. Es muss nicht nur einmal geschehen und könnte sogar jährlich als ein schönes Ritual zum Ahnenfest Samhain um den 1.11. stattfinden. Es stärkt unsere Wurzeln, wenn wir uns regelmäßig (jährlich oder was immer dies für dich bedeuten würde) bewusst machen, aus welch ferner Zeit das Leben an uns weitergereicht wurde, und dafür danken.
Natürlich kannst du auch am kommenden Tag zurückkehren und schauen, ob du dein Boot irgendwo am Ufer findest.
118 Bilder dazu findest du zum besseren Vorstellen auf dem Blog der Autorin: www.jennie-appel.de
119 Aus dem Buch „Ahnenreise“ von Jennie Appel und Dirk Grosser, S. 29