Kapitel 22

DA­VI­ON

Rauch steigt aus den Schorn­stei­nen der al­ten Fa­brik­hal­le, als ich den Jeep auf den lee­ren Park­platz len­ke, den Motor aus­schal­te und mei­nen Blick über die zer­bro­che­nen Fens­ter­schei­ben schwei­fen las­se. Die bun­ten Graf­fi­tisch­mie­re­rei­en auf dem grau­en Be­ton wir­ken wie der reins­te Hohn.

Ne­ben mir at­met La­to laut aus. »Ge­nau­so gut könn­test du dir ’ne Knar­re in den Mund schie­ben.«

Ich deu­te hoch zum Eisen­tor, über dem ei­ne klei­ne ro­te Lam­pe blinkt. »Die wis­sen, dass wir hier sind, und wir le­ben noch.«

»Ja aber wie lan­ge?« Er wirkt nicht nur be­sorgt, La­to hat Angst.

Mir ge­fällt die Sa­che auch nicht, aber Min­kow ist ei­ne ti­cken­de Zeit­bom­be und sie droht je­den Tag hoch­zu­ge­hen. Ich kann nicht län­ger auf Zeit spie­len.

»Di­Res­ta hasst Min­kow, er wird sich die Sa­che an­hö­ren.«

»Und uns da­nach exe­ku­tie­ren.«

»Nicht, wenn wir ihm et­was bie­ten, das Min­kow er­le­digt.«

La­to lacht bit­ter. »Wir ha­ben aber nichts.«

Noch nicht . »Das muss er nicht wis­sen.«

»Das ist Wahn­sinn, Dav. Selbst wenn er mit­spielt  … Das ist, als wür­dest du dich zwi­schen Pest und Cho­le­ra ent­schei­den müs­sen.«

Ich öff­ne die Wagen­tür und stei­ge aus. Ei­si­ger Mor­gen­wind weht den Ge­stank von Fisch und Blut zu mir und mein Ma­gen ver­krampft sich. Si­an und La­to hal­ten mich für ei­ne Ma­schi­ne und ich ge­be mir alle Mü­he, das Bild auf­recht zu er­hal­ten.

Aber die Wahr­heit ist, alles, was zwi­schen ihr und mir vor­ge­fal­len ist, das, was mit den Tie­ren pas­siert ist, hat Spu­ren hin­ter­las­sen.

Ich schla­fe kaum, er­tap­pe mich da­bei, wie ich mir wün­sche, sie wie­der in mei­nem Bett zu ha­ben. Ih­re war­me, wei­che Haut an mei­ner zu spü­ren und mein Ge­sicht in ih­rem Haar zu ver­gra­ben, um für ei­ne Wei­le alles zu ver­ges­sen. Zu ver­ges­sen, dass Min­kow je­den Tag zu­schla­gen und sie tö­ten könn­te.

Ich den­ke da­ran, wie sie sich an­ge­fühlt hat. Wie es war, sie zu be­rüh­ren. Ih­re Lip­pen auf mei­nem Hals zu spü­ren. Ih­re gro­ßen Augen und ihr Lä­cheln, als wir aufs Meer blick­ten und sie sich da­ran er­in­ner­te, wie wir frü­her waren.

Sie, das Kind, das of­fen und neu­gie­rig die Welt er­kun­den woll­te.

Ich der Mann, der sie vor al­lem Bö­sen be­schüt­zen woll­te.

Der ein­mal gut war und alles rich­tig ma­chen woll­te.

Heu­te will ich nur noch über­le­ben.

La­to schlägt die Wagen­tür zu, doch ich win­ke ab.

»Ich ha­be ge­sagt, ich will dich nicht da­bei ha­ben.«

»Tja wir bei­de oder kei­ner, Dav.«

»Du hät­test bei ihr blei­ben sol­len.« Sie hat Angst und ich ha­be nichts ge­tan, um sie ihr zu neh­men.

»Ge­stern hast du mich raus­ge­schmis­sen, als ich sie küs­sen woll­te.«

Et­was, auf das ich nicht stolz bin. Si­an ist ta­bu. Die Nacht mit ihr war ein Feh­ler. Je­des Ge­fühl, das ich für sie ha­be, ist ein Feh­ler.

Ich ge­he auf die Eisen­tür zu, schie­be die Hän­de in die Ja­cken­taschen und se­he hoch zur Ka­me­ra. Sum­mend folgt sie mei­nen Be­we­gun­gen und fo­kus­siert ei­nen Augen­blick. Schwe­re Schrit­te schlur­fen hin­ter der Eisen­tür, quiet­schend öff­net sie sich ei­nen Spalt und ein Fleisch­bro­cken mit pla­tin­blon­den Haaren und An­zug, streckt sei­nen Kopf ein Stück her­aus. »Was wollt ihr?«

»Ich ha­be ein An­ge­bot für Mr. Di­Res­ta.«

Der Fleisch­bro­cken lacht und will die Tür schlie­ßen. »Kein Be­darf.«

»Es geht um Min­kow.«

Er hält in­ne, wirft ei­nen Blick über die Schul­ter und nickt. Er öff­net das Eisen­tor und macht ei­ne Hand­be­we­gung, da­mit wir ein­tre­ten.

Der Ge­stank von fri­schem Blut steigt in mei­ne Na­se. Aus dem Augen­win­kel be­ob­ach­te ich, wie sich La­to kurz ei­ne Hand un­ter die Na­se hält. Alles hier stinkt nach Tod.

Ein Grab aus Be­ton und Stahl, das bei An­bruch der Nacht sei­ne gie­ri­gen Klau­en aus­streckt, um weite­re hoff­nungs­lo­se Seelen ins Fe­ge­feu­er zu be­för­dern.

»Hier ent­lang.« Der Fleisch­bro­cken führt uns vor­bei an ei­nem Stahl­tre­sen, des­sen silber po­lier­te Ober­flä­che mit den Chrom­bar­ho­ckern um die Wet­te strahlt. Be­leuch­te­te Glas­rega­le mit den teu­ers­ten Spi­ri­tuo­sen zie­ren die Back­stein­wän­de, rechts und links gibt es Loun­ge­be­rei­che in de­ren schwe­ren Leder­ses­seln sich die hoch­ka­rä­ti­gen Gäs­te die Schei­ne zu­ste­cken, um ih­re Wet­ten für die abend­li­chen Ver­an­stal­tun­gen ab­zu­ge­ben.

Am En­de der Emp­fangs­hal­le, die vor Jahr­zehn­ten ein­mal als Schiffs­fa­brik dien­te, stei­gen wir drei Stufen hoch zu ei­ner wei­te­ren Stahl­tür. Der Fleisch­bro­cken klopft an, war­tet ei­ni­ge Se­kun­den und öff­net uns die Tür. »Mr. Di­Res­ta emp­fängt Sie jetzt.«

Hin­ter mir hö­re ich La­to aus­at­men. Er ist an­ge­spannt. Ei­ner der Grün­de, wa­rum ich ihn nicht da­bei ha­ben woll­te.

Di­Res­ta sitzt hin­ter sei­nem Mas­siv­holz­schreib­tisch und legt Papie­re bei­sei­te. Als ich nä­her kom­me, er­hebt er sich, knöpft mit ei­ner ge­schick­ten Be­we­gung sein Ja­ckett zu und reicht mir die Hand. »Ich hät­te nie mit Ih­nen ge­rech­net, Mr. Ca­ta­no. Bit­te.« Er macht ei­ne aus­schwei­fen­de Hand­ge­ste. »Set­zen Sie sich.« Für ei­nen Mo­ment fällt sein Blick auf La­to, dann setzt er sich wie­der, legt die Ell­bogen auf der Tisch­plat­te ab und beugt sich leicht nach vor­ne.

Ich neh­me ne­ben La­to Platz und schie­le zur Sei­te. Der Fleisch­bro­cken steht ker­zen­ge­ra­de mit den Hän­den im Schoß ver­schränkt da.

»Ich ge­he da­von aus, Sie sind in­tel­li­gent ge­nug, um nichts zu ver­su­chen, Mr. Ca­ta­no.«

»Ich will re­den.«

Di­Res­ta nickt dem Fleisch­bro­cken zu. »Ist in Ord­nung.«

»Wenn Sie et­was brau­chen, ich bin drau­ßen.« Die Tür schließt sich. Di­Res­ta rich­tet den Blick wie­der auf mich. »Was kann ich für Sie tun?«

»Wir wer­den un­se­re Ge­schäf­te mit Mr. Min­kow dem­nächst nie­der­le­gen. Es ha­ben sich  … Kom­pli­ka­tio­nen er­ge­ben.«

Sei­ne rund­li­chen Wan­gen span­nen sich an, sei­ne Mund­win­kel zu­cken. Di­Res­tas Schaden­freu­de ist kaum zu über­se­hen. »Das über­rascht mich. Kilt­hor­ne Creeks Dre­am Te­am geht ge­trenn­te We­ge. Ich er­in­ne­re mich noch zu gut an Ih­re An­fangs­zeit, Mr. Ca­ta­no. Sie ha­ben gu­te, sehr gu­te An­ge­bo­te ab­ge­lehnt, um für Min­kow den Lauf­bur­schen zu spie­len.«

Er spielt sei­ne Kar­ten aus und ge­nießt mei­ne La­ge.

Ich neh­me es ihm nicht ein­mal übel. Nach all den Jah­ren die Ge­nug­tu­ung mei­ner Nie­der­la­ge zu er­le­ben, muss sich be­rau­schend an­füh­len.

»Ich ha­be mich da­mals für das ent­schie­den, was ich für rich­tig hielt.«

»Aber ich ver­ste­he nicht ganz mei­ne Rol­le. Sie sind nicht hier, um mein da­ma­li­ges An­ge­bot an­zu­neh­men. Sie waren schon immer ar­ro­gant, Mr. Ca­ta­no. Wo­mit kann ich dann die­nen?«

Sei­ne Sub­ti­li­tät geht mir auf die Ner­ven. Si­an hat La­tos Zet­tel auf der The­ke si­cher längst ent­deckt und nach dem, was pas­siert ist, will ich sie nicht lan­ge allei­ne las­sen.

Ich fal­te die Hän­de im Schoß und leh­ne mich zurück. »Sie wis­sen, wie das läuft. Man steigt nicht ein­fach bei Min­kow aus.«

Er nickt. »Ich dach­te immer, Sie könn­ten sich selbst be­schüt­zen.«

»Es ha­ben sich Din­ge er­ge­ben, die die An­ge­le­gen­heit er­schwe­ren.«

»Din­ge?«

»Spielt kei­ne Ro…«

»Ver­trauen, Mr. Ca­ta­no. Wenn ich Ih­nen hel­fen soll, er­war­te ich Ehr­lich­keit.«

La­to räu­spert sich ner­vös und auch mir ge­fällt die Sa­che nicht. Hier­her zu kom­men, war das ei­ne, aber nach al­lem, was ich ihr zu­ge­mu­tet ha­be, will ich sie nicht in weite­re Krie­ge hin­ein­zie­hen.

Di­Res­ta er­hebt sich. »Dann tut es mir leid.«

Ich win­ke ab, er setzt sich wie­der.

»Der letz­te De­al lief nicht wie ge­plant. Ich schul­de Min­kow Geld.«

Er lä­chelt wis­send. »Das tut mir eben­falls leid.«

»Ich ha­be Un­ter­lagen, die ihn über­füh­ren. Wir kön­nen ihn sau­ber aus dem Weg schaf­fen. Sieb­zig Pro­zent der Ka­na­da-Tou­ren gin­gen da­mit an Sie.«

Sieb­zig Pro­zent, die An­drew Di­Res­ta seit Jah­ren feh­len. Da­mit wür­de das Mo­no­pol an ihn über­ge­hen. Kilt­hor­ne Creeks flo­rie­ren­de Un­ter­grund­wirt­schaft wür­de nicht län­ger ge­teilt. »Hun­dert Pro­zent. Vier­hun­dert Mil­lio­nen mehr im Jahr.«

Sei­ne Na­sen­flü­gel wei­ten sich, doch nichts an sei­ner Mie­ne ver­än­dert sich. An­drew Di­Res­ta ist nicht wie Min­kow, der sei­ne Emo­tio­nen nach außen trägt. Di­Res­tas Mas­ke sitzt ta­del­los.

»Was ha­ben Sie da­von?« Er schüt­tet sich ein Glas mit Was­ser ein und trinkt ei­nen Schluck.

»Ich stei­ge aus und lie­fe­re Ih­nen Min­kow. Sie ga­ran­tie­ren für die körper­li­che und fi­nanz­iel­le Si­cher­heit mei­ner Fa­mi­lie und ich bin raus aus dem Ge­schäft.«

»Sie wol­len aus­stei­gen?«

La­tos Kopf schießt zur Sei­te, doch ich ig­no­rie­re ihn. »Der Preis ist es ein­fach nicht mehr wert.«

Di­Res­ta lacht. »Sechs Mil­lio­nen pro Jahr sind es nicht wert?«

»Kom­men wir ins Ge­schäft?«

»Um was für be­las­ten­des Ma­te­ri­al han­delt es sich?«

Jetzt kommst du zum Teil, bei dem du am Ab­grund ent­lang­schlit­terst .

Ich bin noch immer fest da­von über­zeugt, dass uns Bu­fords Ge­heim­nis in die Kar­ten spielt. Er hat­te nichts mehr zu ver­lie­ren, aber er lieb­te Si­an und woll­te sie be­schüt­zen. Auf sei­ne kran­ke Art woll­te er sie be­schüt­zen. Et­was, das Min­kow das Ge­nick bre­chen wird, liegt ir­gend­wo in ei­nem Schließ­fach. Ich weiß nur noch nicht, was.

»Ei­ne Auf­lis­tung der Rou­ten und Kun­den. Be­wirkt Wun­der als an­ony­mer Tipp bei der Grenz­poli­zei.«

Er stützt die Ell­bogen auf und sieht mich se­kun­den­lang an. Falls er mich ein­schüch­tern will, ge­lingt es ihm nicht. Ich ha­be kei­ne Angst vor Men­schen wie Min­kow oder Di­Res­ta. Viel mehr fürch­te ich mich vor de­nen, die ver­bor­gen hin­ter dem Ge­sicht der Recht­schaf­fen­heit Ver­bre­chen be­ge­hen.

Der freund­li­che On­kel, der sei­ne sechs­jäh­ri­ge Nich­te ver­ge­wal­tigt.

Die Kran­ken­schwes­ter, die ih­ren Pa­tien­ten Gift in die Ve­nen spritzt.

Der Pries­ter, der nach der Beich­te klei­ne Jun­gen ins Hin­ter­zim­mer lockt.

Nicht die Dun­kel­heit, son­dern das Licht bringt die größ­ten Mons­ter her­vor.

»Wo­her ha­ben Sie be­sag­te Un­ter­lagen?«, fragt er.

»Das spielt kei­ne Rol­le.«

»Und wie kom­men Sie da­rauf, dass ich Ih­nen traue? Wer ga­ran­tiert mir, dass Sie die­se Un­ter­lagen über­haupt be­sit­zen? Dass Min­kow Sie nicht ge­schickt hat, um ir­gend­ei­nen per­fi­den Plan durch­zu­set­zen? Ver­trauen muss man sich ver­die­nen, Mr. Ca­ta­no.«

»Min­kow hat mei­ne Tie­re ge­tö­tet, ich bin fer­tig mit ihm.«

Er lacht. »Sie und Ih­re ver­rück­te Tier­lie­be. Hat er Ih­ren Hund an­ge­rührt?«

»Las­sen Sie mich be­wei­sen, dass es mir ernst ist.« Wahr­schein­lich schickt er mich zu Min­kow, um ihm In­for­ma­tio­nen zum näch­sten De­al zu be­sor­gen. Oder zur Gren­ze, um dort De­als zu ver­hin­dern. Was auch immer er ver­langt, ich bin vor­be­rei­tet.

»Ha­ben Sie sich je­mals ge­fragt, wa­rum ich die­ses Eta­blis­se­ment ins Le­ben ge­ru­fen ha­be?«

»Es ist lu­kra­tiv.«

»Blut ist Macht, Mr. Ca­ta­no. Reg­num san­gui­nis sanc­tum est. Es ret­tet oder tö­tet uns. Es gibt nichts Ehr­li­che­res als Blut. Mr. Doa­kes da drau­ßen hat das ver­stan­den. Nur des­we­gen ge­hört er zu mei­nen engs­ten Ver­trau­ten.«

La­to sieht mich ver­wirrt an und auch ich bin nicht si­cher, was Di­Res­ta mir da­mit sa­gen will.

Er lä­chelt. »Je­der Spie­ler hat sei­ne Ge­folgs­leu­te und je­der die­ser Män­ner hat ei­ne Auf­ga­be. Ih­re ist es, mei­ne In­ten­tio­nen nicht zu hin­ter­fra­gen.«

Die Sa­che ge­fällt mir nicht. Ich kom­me mit nichts und ge­he mit noch we­ni­ger. Min­kow ist uns immer zwei Schrit­te vor­aus und mir läuft die Zeit da­von. »Was schla­gen Sie vor?«

»Ihr Blut für mein Ver­trauen. Über­mor­gen. Drei­und­zwan­zig Uhr.«

Ne­ben mir at­met La­to scharf ein.

»Ge­win­nen Sie, kom­men wir ins Ge­schäft. Ver­lie­ren Sie  … Na ja, dann müs­sen Sie sich we­gen Min­kow nicht mehr sor­gen.«

***

»Fehl­an­zei­ge.« La­to bleibt auf dem Trep­pen­ab­satz ste­hen. »Oben ist sie auch nicht.«

»Sa­to­ri ist auch nicht hier.« Er wür­de nie frei­wil­lig mit­ge­hen. Ich strei­che mir durchs Haar und se­he aus dem Fens­ter, in die Nacht. »Sie kennt sich nicht aus. Wenn sie da ir­gend­wo -«

Die Haus­tür öff­net sich.

Si­an und Sa­to­ri kom­men her­ein. Sie zieht ih­re Ja­cke aus, reibt sich den Schnee aus dem Haar und be­tritt das Wohn­zim­mer. »Ich dach­te schon, Min­kow hät­te euch in die -«

»Wo zur Höl­le warst du? Wie ver­dammt noch mal hast du mei­nen Hund da­zu ge­bracht, mit­zu­ge­hen?«

Sa­to­ri ge­horcht noch nicht mal La­to.

Sie lä­chelt und strei­chelt sei­nen Kopf. »Wir sind Bud­dys.«

»Schei­ße, du kannst nicht ein­fach ab­hau­en.«

»Aber ihr schon? Ihr wart den hal­ben Tag weg. Mir war lang­wei­lig, al­so ha­be ich Sha­dow ge­sucht. Er ist drau­ßen.«

»Du hast was?« La­tos Augen wei­ten sich. »Gehts ihm gut?«

»Er hat an der Brust ziem­lich was ab­be­kom­men und er ist to­tal durch­ge­fro­ren, aber er scheint okay zu sein. Ich wuss­te nur nicht, wo ich ihn un­ter­brin­gen soll.«

»Ich küm­me­re mich drum.« La­to schnappt sich sei­ne Ja­cke und ver­lässt das Haus.

Als er ver­schwun­den ist, lässt Si­an sich auf die Couch fal­len. Ih­re Wan­gen sind rot, Schneef­lo­cken hän­gen in ih­ren Wim­pern, ih­re Lip­pen sind bläu­lich. Sie lehnt sich zurück und zieht die Bei­ne dicht an den Körper. Oh­ne mich zu be­grü­ßen, springt mein Hund auf die Couch und legt sich ne­ben sie.

»Was soll­te das? Ihr schleicht euch weg, wäh­rend ich schla­fe?«

»Du hät­test mit­kom­men wol­len.«

»Und ob. Wo wart ihr über­haupt?«

Breit­bei­nig set­ze ich mich ne­ben sie.

Si­an sieht mich an. »Es hat was mit die­sem Di­Res­ta zu tun.«

Ich ni­cke.

»Hat es et­was ge­bracht?«

»Nicht so, wie ich ge­hofft ha­be, aber ja. Wenn alles gut geht, hilft er uns.«

»Was will er da­für?« Ih­re Mie­ne ist be­sorgt. Sie weiß, alles in mei­ner Welt kos­tet ei­nen ho­hen Preis.

Ich schwei­ge, denn ich will sie nicht be­un­ru­hi­gen. Es ge­nügt, wenn La­to sich sorgt.

»Da­vi­on.« Sie legt ei­ne Hand an mei­ne Wan­ge, da­mit ich sie an­se­he. »Was will er?«

In dem Mo­ment kommt La­to zurück. Er räu­spert sich und setzt sich auf den Ses­sel ge­gen­über.

Si­an sieht zwi­schen uns hin und her. »Ihr macht mir Angst.«

»Dav soll kämp­fen.«

»Bo­xen?«

»So ähn­lich.« Er sieht mich an und zuckt mit den Schul­tern. »Sie wür­de es so­wie­so er­fah­ren.«

»Gott ver­dammt. Ich ge­win­ne, al­so kein Grund -«

»Was pas­siert, wenn du ver­lierst?«, fragt sie vor­sich­tig.

»Dann stirbt er.«

»Was?«

»Di­Res­ta ver­an­stal­tet Blut­kämp­fe für die Eli­te«, ant­wor­tet La­to. »Das Event in Kilt­hor­ne Creek. Zu­min­dest für die­je­ni­gen, die Be­scheid wis­sen. Ei­ne Mög­lich­keit, die Stadt sau­ber zu hal­ten.«

»Es gibt rei­che Leu­te in Kilt­hor­ne Creek?«, fragt Si­an ir­ri­tiert.

La­to schüt­telt den Kopf. »Man mun­kelt, er hat Kon­tak­te nach Whi­te­crest.«

»Und was be­deu­tet das? Ich ka­pie­re gar nichts mehr.«

Si­an steht auf und reibt sich die Stirn. Sie schweigt ei­nen Mo­ment, aber in ih­rem Blick liegt Angst. Ge­nau das, was ich ver­mei­den woll­te. Sie hat ge­nug mit­ge­macht.

»Es ist alles okay. Ich kämp­fe, ge­win­ne und zie­he Di­Res­ta auf un­se­re Sei­te.«

»Nichts für un­gut, Dav, aber die meis­ten Kämp­fer sind ei­ni­ge Jah­re jün­ger als du. Selbst wenn du ge­winnst  … denkst du, er be­merkt den Bluff mit den Be­wei­sen nicht? Ich sags nicht ger­ne, aber dei­ne Chan­cen sind nicht die be­sten.«

»Ich lie­be dei­ne Ehr­lich­keit, Jun­ge.«

Er zuckt mit den Schul­tern. »Wir ha­ben kei­ne Zeit für Lü­gen.«

»Wel­che Be­wei­se?«, fragt Si­an. »Schei­ße, könnt ihr mir mal sa­gen, was hier los ist?«

La­to er­zählt ihr von un­se­rem Ge­spräch mit Di­Res­ta. Si­an lässt sich wie­der ne­ben mich fal­len. »Al­so blei­ben uns zwei Ta­ge.« Sie nimmt den At­las vom Tisch. »Das krie­ge ich hin.«

»Was ist mit Teil eins?« La­to sieht mich an. »Wann hast du das letz­te Mal ge­boxt?«

Als ich in Mia­mi bei Ty­ler war. Es war ein harm­lo­ser Kampf un­ter Freun­den, bei dem ich ge­merkt ha­be, wie schwach mei­ne Lin­ke ge­wor­den ist. »Ist ei­ne Wei­le her.«

»Wie willst du dann in zwei Ta­gen fit wer­den?«

»Wir kön­nen trai­nie­ren.« Si­an schiebt den At­las bei­sei­te. »Ich bin wirk­lich gut.«

»Ich schla­ge kei­ne Mäd­chen.«

»Du wirst dich noch um­se­hen, Mr.« Sie steht auf und zieht mich an mei­nem Hand­ge­lenk hoch. »Uns blei­ben zwei Ta­ge. Al­so los.«