SIAN
Als er in einer grauen Jogginghose und weißem T-Shirt den Fitnessraum im zweiten Stock betritt, lege ich das Seil beiseite und binde mir die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz. Er sieht gut aus. Kein Vergleich zu meinen Lehrern oder Janes neununddreißigjährigem Vater, der mit seiner Halbglatze und dem Bierbauch wie fünfzig aussieht.
Kräftige Venen durchziehen seine muskulösen Arme. Seine Schultern sind breit, seine Haut ist straff. Davion wirkt fit und er besitzt Ausdauer, wie er beim Treppensteigen im Leuchtturm bewiesen hat. Gute Voraussetzungen fürs Boxen, aber nicht das Einzige, auf das es ankommt.
Ich laufe hinüber zum Boxsack und nicke Davion zu. »Fangen wir klein an. Versuch ein paar Jabs.«
»Ich bin kein Anfänger und ich bezweifle, dass ich einen von DiRestas Leuten mit einem Jab beeindrucken kann.«
Ich ziehe meinen Hoodie aus, unter dem ich einen schwarzen Sport-BH trage, und werfe ihn zu Boden. Für einen Moment fällt Davions Blick auf meinen nackten Bauch, doch als er es bemerkt, sieht er an mir vorbei. Ich versuche, mein pochendes Herz zu ignorieren, aber mit ihm in diesem Raum, bei dem gedämpften Licht alleine zu sein, während Lato unten am Rätsel arbeitet und draußen der Schnee fällt, fühlt sich gefährlich intim an.
Ich will ihm nah sein.
Wenn ich abends alleine in meinem Bett liege, nur ein paar Meter durch Wände getrennt von ihm, wenn er neben mir auf dem Sofa sitzt, wenn er mir auf dem Gang begegnet – wünsche ich mir, er würde mich wieder berühren. Ich stelle mir vor, wie es wäre, ihn zu küssen. Wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen würden. Die Lodge mit ihren gemütlichen Holzwänden und den Glasfronten, die Berge in der Ferne und die meilenweiten, schneebedeckten Wälder verstärken dieses Gefühl noch.
Als gäbe es nur uns beide. Als wären wir alleine auf der Welt und alles, was früher einmal war, spielt keine Rolle.
Davion räuspert sich. Wahrscheinlich spürt er die Anziehung auch, aber er wird nicht zulassen, dass noch einmal etwas zwischen uns passiert.
Ich trete ein paar Schritte zurück und nehme die Deckung auf. »Okay, dann greif mich an.«
Er lächelt. »Ich kann dich nicht schlagen, Kleine.«
»Du tust sonst ganz andere Dinge.«
»Ich will dir nicht …« Er beißt die Zähne zusammen. »Bei den Kämpfen gelten keine Regeln.«
»Gut. Dann los.«
Er seufzt, macht einen Schritt auf mich zu und holt aus. Seine Faust rauscht einen Zentimeter an meiner Wange vorbei, im selben Moment kicke ich ihm mit dem rechten Knie in die Rippen. »Vorsicht, Mr. Catano.«
»Scheiße.«
»Komm schon, schlag mich.« Ich zwinkere ihm zu, schieße vor und verpasse ihm einen Uppercut. Sein Kinn fliegt hoch, er holt aus und donnert mir seine Faust auf den Oberarm. Der Schlag schmerzt, aber nicht sehr. Er hält sich zurück. »Du schlägst wie ein Mädchen, alter Mann.«
»Pass auf, was du sagst, little bird.« Er klingt amüsiert, als würden wir das alles nur zum Spaß machen, aber wenn ich an das denke, was ihm bevorsteht, zieht sich mein Magen zusammen.
Wieder schieße ich blitzschnell vor. Diesmal treffe ich seine Nase. Blut läuft heraus, er verzieht den Mund.
Ich lasse die Fäuste sinken und schüttele den Kopf. »So wird das nichts.«
Davion wischt sich das Blut von der Oberlippe. »Ich sagte, ich schlage dich nicht.«
»Dann stirbst du.«
Er lächelt. Ausgerechnet jetzt lächelt er und Wut und Angst durchströmen mich.
»Das habe ich nicht vor.«
»Dann mach was, verdammt. Steh nicht rum und tu so, als wäre alles okay.«
Er kommt einen Schritt näher und legt den Kopf schräg. »Was ist los?«
Und obwohl ich sie bisher kontrollieren konnte, laufen Tränen über meine erhitzten Wangen. »Neva und Ghost sind tot und wir tun so, als wäre nichts passiert. Minkow ist da draußen und wer weiß, was er als Nächstes vorhat. Und als ob das alles noch nicht reicht, lässt du dich auf so einen bescheuerten Deal ein. Du könntest verdammt noch mal sterben.« Ich wische die Tränen weg. »Ich will dich nicht noch mal verlieren.«
»Ich tue das, um uns verdammt noch mal den Arsch zu retten. Ich habe uns da reingeritten, ich hole uns wieder raus.«
»Aber es muss doch eine andere Möglichkeit geben.«
»Gäbe es die, wäre ich nicht zu DiResta gegangen.« Er kommt näher und nimmt sanft mein Kinn in seine Hand. »Ihr unterschätzt mich. Du hast gesehen, zu was ich fähig bin.«
Er meint den Mann im Tunnel.
»Er war gefesselt.«
Davion lacht bitter und lässt mein Kinn los. »Geh nach oben. Schlaf dich aus.«
»Das mit uns …«
»Hör auf damit.« Er schüttelt den Kopf. »Es ist nichts passiert.«
»Zweimal ist nichts passiert? Warum gehst du dann dazwischen, sobald Lato mir näherkommt?«
Er schweigt.
»Es hat dich nicht kalt gelassen, Dav. Du tust so, als würde es dich nicht – »
»Du denkst, es macht mir etwas aus?« Er nimmt ein Handtuch vom Boden und reibt sich über die nasse Brust.
»Dann stört es dich nicht? Du willst nichts von mir?«
Er kommt näher, beugt sich hinunter und bringt seine Lippen an mein Ohr. Er lässt seine Hand von meinem Bauch bis zwischen meine Beine wandern und packt besitzergreifend zu.
»Das wollte ich. Dich ficken, dich benutzen. Es ist einsam hier oben, Sian. Ich musste Druck ablassen, aber du bist nichts für mich.«
Arschloch. Ich stoße ihn zurück. Seine Worte versetzen mir einen Stich, aber ich hoffe, er bemerkt es nicht. »Küsst du mich deswegen nicht?«
Er sieht an mir vorbei.
»Wenn ich dir egal bin … Wenn das alles keine Rolle spielt, warum küsst du mich dann nicht?«
»Ich bin nicht der Kuscheltyp, Mädchen.«
»Trotzdem hast du Gefühle. Weißt du, warum Prostituierte ihre Freier nie auf den Mund küssen? Weil es intimer ist als Sex. Ein Kuss bedeutet mehr als Ficken.«
Er lacht verächtlich und wirft das Handtuch zu Boden.
»Okay.« Ich trete einen Schritt vor, stelle mich auf Zehenspitzen und recke den Hals. »Wenn ich dir nichts bedeute, dann küss mich.«
»Das ist lächerlich«, flüstert er.
»Ach ja? Na los, dann küss mich.«
Nur wenige Millimeter trennen uns voneinander. Sein warmer Atem streift meine Lippen. Ich öffne den Mund und schließe die Augen, doch im selben Moment weicht er zurück.
»Du kennst mich nicht«, flüstert er. »Und jetzt geh auf dein -«
»Ist okay.« Enttäuscht atme ich aus. »Das Rätsel -«
»Scheiß auf das Rätsel. Wir wissen nicht mal, ob uns das irgendwas bringt.«
»Dann gibst du auf? Einfach so?«
»Was zur Hölle willst du von mir?«
»Dir ist einfach nicht zu helfen.« Ich nehme meinen Pullover vom Boden und ziehe ihn über. Ich habe es so verdammt satt. »Jedes Mal, wenn wir uns näherkommen, machst du einen Rückzieher.«
»Wenn wir uns näherkommen? Was denkst du dir eigentlich?« Seine Stimme schmettert durch den Raum. Offenbar bin ich nicht die Einzige mit Wut im Bauch. »Dass aus uns irgendwas wird?« Er lacht verächtlich. Genauso gut hätte er mir seine Faust in den Bauch donnern können. »Du bist zu jung, verdammt. Wach auf! Ich wollte dich ficken.«
Meine Hand klatscht in sein Gesicht. »Fick dich selbst, Catano.«
***
Als ich eine Stunde später aus der Dusche komme und immer noch nicht müde bin, verlasse ich mein Zimmer, bleibe vor der Tür stehen und lausche.
Kein Licht scheint unter den Türen ihrer Zimmer. Alles ist still. Wahrscheinlich schlafen sie, es ist schon nach eins und hinter uns liegt ein langer Tag.
Mit den Fingern entwirre ich meine nassen Haare und tapse barfuß und nur in einem weißen Spitzennachthemd bekleidet, die Treppe hinunter.
Der Schrei einer Frau hallt vom Wohnzimmer, ich halte inne, lausche und höre gedämpfte Stimmen. Vorsichtig schleiche ich zum Treppenabsatz, laufe zur Küche und bleibe dort stehen.
Lato sitzt zurückgelehnt auf der Couch. Sein Atem geht schwer, er bewegt seine Hand auf und ab, während er auf den Bildschirm starrt.
Der Mann greift die Haare der blonden Frau, schleift sie hinüber zur Motorhaube eines Wagens, auf der sich das Mondlicht spiegelt, und presst ihren nackten Oberkörper gegen das Blech. Er öffnet den Reißverschluss seiner Jeans, holt seinen steifen Penis heraus, greift ihre Hüften und stößt in sie.
Lato stöhnt auf, bewegt seine Hand schneller und Wärme schießt in meinen Magen. Ich drehe mich um, will zurück in mein Zimmer gehen.
»Was machst du hier?« Seine Stimme hält mich zurück.
Scheiße was?
Langsam drehe ich mich um, mein Herz schlägt schneller. »Ich … wollte nicht stören.«
Lato wirft einen Blick über die Schulter, die Hand hat er noch immer in seiner Jogginghose. »Tust du nicht.«
»Aber du …« Was zur Hölle ist hier los?
»Was, Sian?« Seine Stimme klingt heiser. »Du hast so viel gesehen, aber das schockt dich?«
Ich schlucke. Meine Muskeln sind wie gelähmt. Mein Blick fällt auf den Bildschirm, wo die Frau jetzt auf dem Asphalt vor dem Mann kniet und ihm einen bläst, während er ihre Haare zu einem Zopf zusammenhält und in ihren Mund stößt.
»Komm her.« Lato winkt mich zu sich. »Ist okay, wir sind unter uns.«
Zögerlich gehe ich einen Schritt in Richtung Couch, doch dann bleibe ich stehen. Was tust du hier?
»Ist okay«, sagt Lato. »Komm her.«
Das Stöhnen des Mannes zusammen mit dem Knacken des Feuers dringt durch den Raum und mit jeder Sekunde wächst der Drang, zu ihm zu gehen und herauszufinden, was passiert.
Er streckt seine freie Hand aus.
Ich kann gehen, mich in mein Bett legen und die halbe Nacht grübeln, wie es gewesen wäre. Was geschehen wäre, wenn ich mutig gewesen wäre. Oder ich …
Langsam gehe ich zum Sofa und setze mich mit wild klopfendem Herzen neben ihn. Mein Blick fällt auf die Hand in seiner Hose und mein Körper erwärmt sich.
Er streicht mir durchs Haar. »Hast du Angst?«
Ich schüttele den Kopf.
»Willst du bei mir sein?«
Die Wärme in mir wandelt sich in Hitze, die bis zwischen meine Beine schießt.
Die Frau im Fernsehen stöhnt, der Mann dreht sie um, spreizt ihre Beine und vögelt sie auf der Motorhaube.
Ich nicke und rücke näher zu Lato.
Ich habe Davions Spielchen und seine Kälte so satt. Egal, was ich versuche, er schottet sich ab. Ich habe einfach keine Chance und es wird Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren, denn vielleicht ist es besser so. Vor uns liegt keine Zukunft.
Lato ist da. Er hat keine Probleme, Nähe zuzulassen, und genau danach sehne ich mich. Nach Nähe.
Nach Berührungen und Momenten, um dem Horror der letzten Tage entfliehen zu können.
Lato bringt seine Lippen an meine und küsst mich. Seine Hand wandert zu meiner Brust, er knetet sie und lässt seine Zunge über meinen Hals gleiten. Ich lasse den Kopf zurücksinken, schlinge einen Arm um seinen Nacken und ziehe ihn näher.
In dem Moment höre ich Schritte hinter mir. Ich zucke zusammen und erstarre.
Davion hält ein Glas mit Scotch in der Hand, setzt sich breitbeinig auf die andere Seite der Couch und lehnt sich entspannt zurück, als würde er mit uns fernsehen wollen.
»Entspann dich«, flüstert Lato und lässt seine Zunge über mein Ohrläppchen gleiten. »Wir haben uns ausgesprochen.«
Jeder Nerv in meinem Körper steht unter Strom. Ich drehe das Gesicht zur Seite, weil ich Angst vor Davions Reaktion habe.
Unsere Blicke treffen sich. Er sitzt seitlich, sein Arm ruht auf der Rückenlehne und er sieht mich über den Rand seines Glases an. Keine Wut, sondern eine Art Trauer liegt in seinem Blick.
Sag was. Wenn ich dir wichtig bin, sag etwas.
Doch anstatt dazwischenzugehen, wie bisher, wenn Lato und ich uns nähergekommen sind, sitzt er nur da und sieht mich an.
Lato packt mein Kinn, damit ich mich wieder ihm widme.
Die Geräusche aus dem Fernseher und die Hitze des Kaminfeuers zusammen mit seinen Berührungen treiben meinen Puls in die Höhe.
Er verteilt sanfte Küsse auf meinem Hals, wandert mit der Zunge über mein Ohrläppchen und knetet meine Brust.
»Du fühlst dich so gut an. So weich«, flüstert er und sieht zu Davion. »Du hast keine Ahnung, was für Glück du hattest.«
Lato schaltet den Fernseher stumm, steht auf und drückt mich zurück.
Gott, was tust du hier? Ich weiß es nicht, aber es fühlt sich berauschend an.
»Entspann dich, alles ist okay.«
Ich lehne mich zurück, lasse den Rücken gegen die Lehne sinken, nur allzu bewusst, dass Davions Arm darüber liegt, und sehe auf zu Lato. Der sanfte Schein des Feuers lässt seine nackte Brust geschmeidig glänzen. Sein Oberkörper ist definiert, mit angedeuteten Bauchmuskeln und einem V, das sich bis hinunter zum Bund seiner Hose zieht. Er geht zur Kommode, auf der das Telefon steht, öffnet die oberste Schublade und kommt mit einem Kondom in der Hand zurück. Langsam schiebt er sich die Hose von den Hüften, packt seinen Ständer und rollt sich das Gummi über.
Er beugt sich über mich, küsst mich und lässt seine Hand von meinem Oberschenkel bis hinauf zur Hüfte gleiten. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. »Kein Slip. Was hattest du vor?«
»Ich dachte, ihr schlaft.«
Noch immer lächelnd küsst er mich, streicht mit dem Finger über meine Pussy und schiebt ihn in mich. »Nicht heute, Florida«, flüstert er und dringt wieder mit seinem Finger in mich ein. »Gott, sie fühlt sich so verdammt gut an.«
Ein elektrischer Impuls schießt durch meine Klit, ich kralle die Nägel ins Polster der Couch und unterdrücke ein Stöhnen.
Es fühlt sich gut an, aber es genügt nicht. Ich nehme Latos Hand, schiebe sie zu meiner Klit und richte mich auf, um ihn zu küssen. Gierig dringt seine Zunge in meinen Mund. Er packt meine Knie, spreizt sie und bringt seinen Ständer in Position. »Es wird ihr gefallen, Dav.«
Gott. Davion.
Ich sehe auf.
Sein Blick ruht noch immer auf mir.
Langsam stellt er das Glas auf den Tisch, rückt näher und nimmt meinen Arm. Er legt ihn über die Rückenlehne und hält ihn fest. Adrenalin peitscht durch mein Blut.
Selbst Latos Berührungen fühlen sich intensiver an. Davions Ruhe, seine geschmeidigen Bewegungen machen mir Angst.
Wann rastet er aus? Warum geht er nicht wie sonst dazwischen?
»Was hast du -«
In dem Moment dringt Lato in mich ein. Instinktiv packe ich Davions Hand und wölbe den Rücken.
»Fuck.« Latos Atem geht stoßweise, er schluckt und bewegt sich langsam in mir. »Sie ist so eng.« Er stützt eine Hand auf die Seitenlehne und legt die andere unter mein Knie, um mein Bein weiter zu spreizen. »Hat er dich beim ersten Mal hart gefickt?«
Ich schlucke. Selbst jetzt, beim dritten Mal fühlt es sich noch ungewohnt an, aber es tut nicht mehr weh. Ich wünschte nur, Lato würde mich berühren, damit es sich besser anfühlt.
Ich schiebe eine Hand zwischen uns, um mich zu streicheln, aber er nimmt sie und presst sie in das Polster des Sofas. »Ich bring dich zum Kommen, keine Sorge.«
Nicht so.
Er schiebt mein Nachthemd hoch bis zu meinem Bauch, knetet eine Brust und bewegt sich schneller.
»Hey.« Davions Stimme lässt mich erschaudern. Sanft streicht er mir eine Strähne hinters Ohr. »Berühr sie.«
»Fuck, ich kann … Ahh.« Lato packt meine Hüfte und rammt sich in mich.
Ich schließe die Augen, versuche, mich auf seinen Rhythmus zu konzentrieren, und dränge mein Becken gegen seins in der Hoffnung, es dort zu spüren, wo ich es brauche, doch dann legt Davion mein Bein über seins, um mehr Platz zu schaffen, verstärkt den Griff um mein Handgelenk und reibt mit zwei Fingern über meine Klit.
Gott, ja . Ich wölbe den Rücken, Lato lächelt. »Das gefällt ihr.«
Die Hitze verbrennt mich innerlich. Ich kralle die Nägel in Davions Handgelenk und dränge mein Becken gegen seine Hand. Ich will mehr.
»Braves Mädchen. Gefällt dir das?«
Gott, in der dunkelsten Ecke meines Verstandes weiß ich, wie verkommen das alles ist. Wie verboten diese Situation ist. Aber mein Körper übernimmt die Kontrolle und ich wehre mich nicht dagegen. Wenn ich morgen in den Spiegel sehe, kann ich darüber nachdenken.
Jetzt will ich leben.
»Mehr.« Ich sehe Dav an und stöhne. »Mehr.«
Lato keucht und vögelt mich wie ein Irrer. »Ja Dav, mach weiter. Gibs ihr.«
Ich rutsche mit dem Rücken höher zu Davion, lehne meinen Kopf gegen seine Schulter und lege die Hand auf die Beule in seiner Hose. »Bitte. Ich will mehr.«
Sein Unterkiefer verspannt sich. Er beugt sich herab, beißt in meinen Hals und reibt meine Klit in kreisenden Bewegungen.
Gott, er macht mich verrückt.
Lato vögelt mich, Davion spüre ich. Überall.
Nur wegen ihm schlägt mein Herz schneller. Nur wegen ihm leide ich. Nur wegen ihm verliere ich noch den Verstand.
»Ahh, ja.«
»Gott, was machst du?«, keucht Lato. »Ihre Fotze zieht sich so eng … Fuck.«
Immer tiefer und schneller stößt er in mich.
Ich lege eine Hand an Davions Wange, vergrabe mein Gesicht an seinem Hals und lasse mich fallen, während er mich streichelt und Lato mich vögelt. »Ja, ja.« In mir rollt der Orgasmus an und breitet sich mit einer Druckwelle von meinem Magen bis in die Beine aus. Meine Pussy zieht sich rhythmisch um Latos Schwanz zusammen, er rammt sich noch einmal in mich und bricht dann keuchend über mir zusammen.
Für einen Moment liegen wir nur da.
Latos Herzschlag an meiner Brust. Meine Gesicht an Davions Hals, dort wo sein Puls ganz schnell schlägt und sein Parfüm in meine Nase dringt. Angenehmer Nebel umhüllt meinen Verstand.
Lato küsst meine Wange, steht auf und verlässt das Zimmer. Sekunden später höre ich seine Schritte auf der Treppe, dann fällt die Badezimmertür ins Schloss und Wasser rauscht.
Ohne mich aufzusetzen, schiebe ich mein Nachthemd über die Beine. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ob ich überhaupt etwas sagen soll. Was geschehen ist, ist geschehen.
Draußen ist es noch immer dunkel, die Nacht ist noch nicht vorüber und so merkwürdig es klingt, das macht es leichter.
Dinge, die wir im Schutz der Dunkelheit tun, sind die Dinge, die uns zu Monstern machen.
Davion steht auf, greift meinen Arm und zieht mich auf die Beine. Mit einem Ruck packt er meine Hüften, hebt mich hoch und trägt mich hinüber zur Küchentheke. Dort angekommen setzt er mich ab, dreht mich um und legt eine Hand zwischen meine Schulterblätter. Mir bleibt keine Sekunde zum Nachdenken.
Er beugt mich vor, sodass meine Brust auf der Theke lehnt, zerrt mein Kleid bis zum Hintern hoch und fällt über meinen Hals her. Im selben Moment reiben seine Finger über meine überreizte Klit.
»So nass für mich«, flüstert er gegen mein Ohr. »Hat er dich gut gefickt?« Er wickelt mein Haar um seine freie Hand, reißt meinen Kopf zurück und leckt über meine Wange. »Schätze nicht. Du kamst, als ich es dir mit den Fingern besorgt habe. Brauchst du einen richtigen Mann, little bird?«
Verdammt. Ich nicke, wölbe den Rücken und umklammere die Ecken der Theke. Die Nerven in meiner Klit schreien auf. Ich weiß nicht, ob ich noch eine Runde schaffe, doch er fühlt sich so gut an, dass ich nicht aufhören will. Gott verdammt, er macht mich verrückt. Ich bin noch immer verletzt über sein Verhalten und ich weiß, was heute Nacht passiert, wird zum letzten Mal sein, aber in diesem Moment ist es mir egal. Ich will ihn noch einmal spüren, bevor es vorbei ist. Ein letztes Mal, bevor er in den Ring steigt und vielleicht nie wieder zurückkehrt.
Er küsst meinen Nacken, beißt gierig in die Haut meines Halses und dann höre ich das Geräusch seines Reißverschlusses und das Klappern seines Gürtels. Er packt meine Hüften, zieht mich zu sich und versenkt sich in mir. Mir bleibt keine Sekunde, um mich an seine Größe zu gewöhnen. Wie ein Wilder rammt er sich in mich.
»Ahh.«
Er stößt ein tiefes Grollen aus und reißt meinen Kopf zurück, während er die andere in meine Hüfte krallt. Seine Haut klatscht gegen meine, sein Stöhnen und mein schneller Atem dringen durch die Stille des Hauses. Brennende Hitze schießt von meinem Magen bis zwischen meine Beine. Ich klammere mich an den Kanten der Theke fest, doch Dav beschleunigt das Tempo und ich kippe nach vorne. Mit einem Ruck in meinem Haar zieht er mich wieder auf die Zehenspitzen, dreht meinen Kopf zur Seite und sieht mich an. Sein Blick ist düster, sein Kiefer angespannt. Schweiß glänzt auf seiner Stirn. Ich presse die Zähne zusammen, zwinge mich, seinem Blick standzuhalten und spüre einen zweiten Orgasmus aufsteigen.
Ja. Gott ja verdammt.
»Fuck!«, stöhnt er.
Er reißt meinen Kopf weiter zurück. Mein Ansatz schmerzt, aber es ist mir egal. Sein Bart kitzelt an meinem Nacken, er beißt zu, reibt meine Klit und der Orgasmus schießt durch mich hindurch. Meine Beine zittern, meine Muskeln verkrampfen. Davion stöhnt, stößt noch zweimal zu und kommt in mir.
***
Ich folge den Blutspuren im Schnee. Gehe tiefer in den Wald, bis ich Minkows Leiche entdecke. Seine Brust ist aufgerissen. Eine Krähe pickt an seinen heraushängenden Eingeweiden. Sie sieht mich mit einem merkwürdig trüben Blick an, bevor sie sich wieder über Minkows Überreste hermacht.
Ein paar Meter weiter liegt Davion röchelnd und hält sich die Kehle. Ich knie mich neben ihn in den Schnee. Blut spritzt auf mein Nachthemd und tränkt es rot. Davion vergräbt die Finger im Schnitt an seinem Hals und zerfetzt sich die Kehle. »Alles und jeder stirbt.« Seine Stimme ist nur noch ein Röcheln. »Du stirbst.«
Schweißgebadet schrecke ich im Bett hoch und schnappe nach Luft. Meine Kehle ist staubtrocken und mein Herz hämmert gegen die Rippen. Es dauert einige Sekunden, bis sich meine Augen an das schwache Licht des Kaminfeuers gewöhnen und ich die vertrauten Umrisse meines Zimmers wahrnehme.
Ein Traum, nichts weiter.
Selbst jetzt, im Wachzustand, schmecke ich noch das Blut auf meiner Zunge.
»Scheiße.« Ich lecke mir über die Lippen, taste nach meinem Handy auf dem Nachttisch, auf dem meine Playlist im Hintergrund spielt. Die sanften Anfangsklänge von Winterblood bringen mich zurück in die Realität. Verschlafen reibe ich mir die Augen und wische übers Display.
Nach drei. Diese Nacht nimmt einfach kein Ende.
Langsam schwinge ich die Beine aus dem Bett. Ein dumpfer Schmerz fährt durch meine Oberschenkel und ich verziehe den Mund.
Einen Moment lang presse ich die Füße gegen den Holzboden, atme tief durch und stehe auf. Schnee weht gegen die Glasfront, das kühle Mondlicht lässt die Baumkronen glitzern. Als ich mich halbwegs gefasst fühle, wickele ich mir die Wolldecke um die Schultern und gehe nach unten. Im Wohnzimmer riecht es nach Davions Parfüm und Feuerholz.
Das sanfte Glühen im Kamin wirft schummriges Licht auf die Couch. Davion liegt auf dem Rücken, sein rechter Arm baumelt herunter.
Satori hebt schläfrig den Kopf, blinzelt ein paar Mal und dreht sich dann auf die Seite, um weiter vor dem Kamin zu schlafen.
Ich schleiche zur Couch und setze mich seitlich auf die Lehne.
Davions Augen sind verborgen unter seiner Hand und seine Brust hebt und senkt sich in gleichmäßigen Zügen.
Langsam strecke ich meinen Zeigefinger aus und hoffe, er wacht nicht auf. Ich weiß, es war nur Sex. Ich weiß, die Chancen, dass sich alles zum Guten wendet, sind gering. Und selbst wenn wir heil aus der Sache mit Minkow und DiResta herauskommen, zwischen uns wird nie mehr sein.
Aber was mein Verstand weiß und mein Herz fühlt , sind verschiedene Dinge.
Wie Eis und Feuer.
Wie Luft und Wasser.
Wie Licht und Schatten.
Ich habe noch nie so viel für jemanden empfunden wie für Davion.
Früher war er mein Beschützer, heute ist er mein Untergang.
Nichts von all dem, was geschehen ist, ändert etwas daran und immer wieder stelle ich mir die Frage, ob Mom mir raten würde, mich von ihm fernzuhalten. Mom, die das Risiko und das Abenteuer so sehr geliebt hat, dass es auf mich übergegangen ist. Red und ich sind wie sie. Für das Gefühl, wenn Adrenalin durch unser Blut schießt und die Welt unendlich scheint.
Vorsichtig, immer darauf bedacht, er könnte aufwachen, streiche ich über seine Unterlippe. Sie fühlt sich weich an und sein Bart kitzelt.
Ich knie mich vor die Couch, bringe mein Gesicht näher an seins und wünschte, wir hätten eine Zukunft. Eine Chance, auch wenn sie noch so gering ist.
Er hat mich nie geküsst.
Sein Atem geht in gleichmäßigen Zügen, die Wärme des Kamins und seines Körpers hüllen mich ein. Ich lasse die Decke sinken, lege meine Lippen auf seine und küsse ihn. Zum ersten Mal. Zum letzten Mal.
Mein Herz hämmert wild, wie eben, als ich aus meinem Albtraum aufgewacht bin. Jetzt will ich nicht erwachen.
Ich küsse ihn noch einmal und weiche langsam zurück.
»Du irrst dich«, flüstere ich gegen seine Lippen und wische mir die Tränen von der Wange. »Manchmal ist die Dunkelheit ein Ort für Magie. Der Leuchtturm hätte keine Bedeutung ohne sie. Sterne existieren nicht ohne die Nacht.«
Ich stehe auf, nehme die Decke vom Boden und lege sie über ihn. Morgen ist ein neuer Tag. Vielleicht der letzte, den wir zusammen haben. Der Gedanke daran schnürt mir die Kehle zusammen, aber ich werde stark sein. So wie immer. Egal, was passiert, ich werde es überstehen.
Ein letztes Mal beuge ich mich zu ihm herunter, küsse ihn und richte mich auf. Ich wende mich zum Gehen ab.
Im selben Moment schießt seine Hand hervor. Er greift mein Handgelenk, zieht mich zu sich herunter, legt seine Lippen auf meine und öffnet den Mund. Leidenschaftlich dringt seine Zunge in meinen Mund und streicht über meine. Er legt eine Hand unter mein Kinn und vertieft den Kuss.
Ein Strom aus Adrenalin und Glück schießt durch mein Blut. Ich schlinge die Arme um seinen Nacken, schließe die Augen und gebe mich dem Moment hin. Er wird vergehen. Aber das Gefühl, das glühende, verzehrende Gefühl wird bleiben.
Denn ich bin in Davion Catano verliebt.