Kapitel 16
Luisa Fernandez erhob sich von der gepolsterten Bank und sah sich um. Ein schwerer, fast unanständig sinnlicher Blumenduft und die von den vielen flackernden Kerzen sauerstoffarme Luft stiegen ihr in die Nase. Sie sah eine dunkle Gestalt in dem Beichtstuhl verschwinden, der etwas von einem großen lackierten Kleiderschrank hatte. Wie immer stellte sich bei ihr das kribbelnde, erwartungsvolle Gefühl ein, als sie die dunkle Zelle betrat, sich der Nähe des Mannes peinlich bewusst, dessen Atem sie durch die Trennwand fast zu spüren glaubte. Im Beichtstuhl roch es nach Holz und Möbelpolitur. Der Samt der bourgognefarben gepolsterten Kniebank war durch das nervöse Hin- und Herrutschen der Beichtkinder nahezu durchgescheuert. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die glänzende Messingplatte mit den ausgestanzten Löchern, die dafür sorgte, dass jeder Laut ungehindert passieren konnte. Sie hörte leise Geräusche von der anderen Seite. Ein Knarren, wie wenn ein Mensch sich zurechtsetzt.
Ein lähmendes Gefühl erfasste ihren Körper. Ihr Hals schnürte sich zu, und sie schlug das Kreuzzeichen vor der Brust.
»Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt«, flüsterte sie.
»Sag, was dich bedrückt, mein Kind.«
Irgendetwas an der Stimme war anders als sonst, stellte sie fest und zögerte kurz.
»Das … was ich getan habe … ist unverzeihlich …«
»Alle Sünden können verziehen werden … Kein Mensch ist ohne Sünde …«
»Ich … liebe ihn«, sagte sie schließlich.
»Liebe ist keine Sünde …«
»Aber … mit ihm ist es anders. Ich habe geträumt … dass wir als Mann und Frau zusammen sind …«
Die folgende Stille war vollkommen, bis im Hintergrund einzelne Töne erklangen, als ob sich jemand an der Orgel warmspielte.
»Gott, unser barmherziger Vater, erlöst dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes von deinen Sünden, Amen.«
»Amen«, wiederholte Luisa.
»Gehe in Frieden.«
Sie verließ den Beichtstuhl und setzte sich auf die hinterste Bank im Kirchenraum, um sich ein wenig zu sammeln. Sie war sicher, das Richtige getan zu haben, bezweifelte aber, dass das genug war. Obgleich sie erleichtert war über die Vergebung, hatte in der Stimme des Priesters etwas Unheilschwangeres mitgeklungen. Als wäre das Ganze noch nicht ausgestanden. In diesem Augenblick war ihr klar, dass sie ihn sehen musste. Um jeden Preis. Sie stand auf und verließ die Kirche.
Auf der Straße nahm sie ihr Handy heraus und machte ein paar Anrufe.