|57|Kapitel 4

Nach 1948:

Wahrheitsgehalt der Bibel und Nationalismus

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948, trat die Biblische Archäologie in eine neue Phase ein. Jetzt wurden die Stätten noch einmal untersucht und ausgegraben, die womöglich Verbindungen zwischen den alten Israeliten und den Israelis aufzeigen konnten, um einerseits eine Nationalgeschichte zu konstruieren und andererseits weiterhin den Wahrheitsgehalt der biblischen Erzählungen zu erkunden.

1951 wurde Kathleen Kenyon zur Direktorin der British School of Archaeology in Jerusalem ernannt (die heute ihr zu Ehren den Namen Kenyon Institute trägt) und nahm kurz darauf die Arbeit in Jericho auf. Bei ihren dortigen Grabungen in den Jahren 1952 bis 1958 setzte sie die erfolgreiche Wheeler-Kenyon-Methode der vertikalen Grabung ein, was zu einigen sehr wichtigen Entdeckungen führte.

Kenyon war gebeten worden, in Jericho zu graben, weil durch die vorherige Arbeit des britischen Archäologen John Garstang |58|zwischen 1931 und 1936 neue Fragen aufgeworfen worden waren. Garstang hatte nicht als erster in Jericho gewirkt, Charles Warren, Ernst Sellin und Carl Watzinger waren schon vor ihm dort gewesen, doch anders als jene früheren Ausgräber, die die Zerstörung der Stadt IV dieser Fundstätte auf die Zeit um 1550 v. Chr. datierten, war Garstang der Ansicht, dass sie um 1400 v. Chr. zerstört worden sei, und zwar von Josua und den einfallenden Israeliten, wie die Bibel es beschreibt (Jos 6,1–20). Allerdings stieß diese Deutung auf scharfe Kritik aus verschiedenen Lagern – man hat sie sogar als den berühmtesten Fauxpas in der Geschichte der Biblischen Archäologie bezeichnet –, und deshalb bat er Kenyon, die Grabungen wiederaufzunehmen, um seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu überprüfen.

Garstang gründete seine Datierung der Zerstörung von Jericho zum Teil auf das Fehlen importierter mykenischer Keramik aus Griechenland. Solche Keramik findet sich normalerweise an kanaanitischen Siedlungsplätzen des 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr.; dass es in Jericho keine gab, hieß laut Garstang, dass die Stadt schon vor dem Jahr 1400 v. Chr. zerstört worden sein musste. Er ging davon aus, dass die Stadtmauer nach einem Erdbeben in dieser Zeit eingestürzt war und die Stadt dann von den einfallenden Israeliten, die die Situation ausnutzten, vernichtet wurde.

Mit Hilfe ihrer verbesserten Grabungsmethoden stellte Kenyon zweifelsfrei fest, dass die Stadt IV tatsächlich um 1550 v. Chr. zerstört worden war, wie die früheren Ausgräber angenommen hatten, und nicht erst 1400 v. Chr., wie Garstang meinte. Sie konnte nachweisen, dass nicht nur die mykenische Importkeramik aus dem 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. fehlte, sondern auch die Keramik |59|der SB-I-Zeit, einem Zeitabschnitt der späten Bronzezeit, der auf die Zeit von 1550 bis 1400 v. Chr. anzusetzen ist. Das lässt vermuten, dass die Stätte schon zu Beginn dieser Zeit nicht mehr besiedelt war. Die Stadtmauer, die Garstang gefunden hatte, könnte tatsächlich bei einem Erdbeben zusammengestürzt sein – aber sie gehörte nicht zur Stadt IV. Sie war vielmehr schon tausend Jahre früher, um 2400 v. Chr., in sich zusammengefallen.

Nach Kenyons Befund war Jericho für den Rest der späten Bronzezeit bis in die frühe Eisenzeit hinein im wesentlichen verlassen, es war also zur Zeit Josuas und der heranziehenden Israeliten unbewohnt. Die archäologischen Befunde und die biblische Darstellung sind also asymmetrisch (oder nicht miteinander vereinbar), und das an einem Ort, der für die Erzählung von der israelitischen Eroberung von so grundlegender Bedeutung ist. Obwohl die Debatte über Jericho noch heute andauert, hat Garstangs Position unter den Biblischen Archäologen nur noch wenige Anhänger; die meisten schließen sich Kenyons Ansicht an.

Tatsächlich bereute Garstang selbst später zutiefst, dass er seine Grabungsdaten von Jericho mit den Bibelpassagen zu Josuas Einnahme der Stadt verbunden hatte. Er war ein sorgfältiger Archäologe, der als erster Direktor der British School of Archaeology in Jerusalem amtierte und die britische Politik hinsichtlich der Altertümer in der Region prägte. Er gehörte auch zu den Gelehrten, die 1922 mit Albright an der Entwicklung der chronologischen Terminologie gearbeitet hatten, die seitdem im Fach verwendet wird. Es ist durchaus möglich, dass Garstang hier unter dem allzu starken Einfluss seiner Frau, die das Kapitel schrieb, in dem Jerichos Zerstörung mit Josua in Verbindung gebracht wurde, und unter dem |60|Einfluss des Hauptsponsors seiner Grabungen Sir Charles Marston stand, der mit Hilfe der Archäologie die Bibel beweisen wollte. Wenn das stimmt, dann haben wir hier vielleicht das früheste Beispiel dafür, dass ein Finanzier auf die Deutung von Grabungsergebnissen einwirkte oder sie beeinflusste – dies gilt noch heute als ein überall lauerndes Problem in der Biblischen Archäologie.

Neben Samaria und Jericho grub Kenyon von 1961 an auch einige Jahre in Jerusalem. Ihre wichtigste Entdeckung dort war die sogenannte »gestufte Steinkonstruktion«, von der man annimmt, dass sie Teil des ursprünglichen jebusitischen (oder kanaanitischen) Verteidigungssystems der Stadt war, das auf die Bronzezeit zurückgeht. Leider starb Kenyon, bevor sie die Ergebnisse ihrer Grabungen in Jericho und Jerusalem vollständig publizieren konnte, und es sollte Jahrzehnte dauern, bis andere Wissenschaftler die Ergebnisse für sie veröffentlichten.

Abgesehen von Kenyon war Yigael Yadin wohl der bekannteste Biblische Archäologe der direkten Nachkriegszeit. Yadin hatte drei vollwertige Berufslaufbahnen: Als Militär diente er, neben vielen anderen Aufgaben, als Stabschef der iraelischen Streitkräfte. Als Politiker wirkte er als stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung von Menachem Begin. Und als Archäologe gehörte er der Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem an.

Ungeachtet seiner militärischen und politischen Karriere war Yadin eigentlich buchstäblich dazu geboren, Archäologe zu werden. Er war der Sohn von Eliezer Sukenik, jenem Professor der Hebräischen Universität, der 1947 die ersten drei Qumranrollen kaufte. Yadin war damals gerade dreißig Jahre alt und Student. Nachdem er im Unabhängigkeitskrieg 1948 als Einsatzleiter und dann |61|als Stabschef gedient hatte, ging Yadin schließlich an die Universität zurück und schrieb seine Doktorarbeit zur Übersetzung der Qumranrollen.

Später unterrichtete er als Universitätsprofessor und Mentor eine ganze Generation zukünftiger Archäologen und sorgte dafür, dass an vielen Fundstätten, darunter Megiddo, (wieder) gegraben wurde. Er war nicht nur daran interessiert, unter Rückgriff auf antike Beweise für jüdisches Leben im Land eine nationale Identität für Israel zu schaffen, sondern er war auch – wie sein amerikanisches Gegenstück Albright – der Ansicht, dass die Archäologie dazu beitragen könne, die Genauigkeit und Authentizität der Bibel zu belegen.

Yadins erste größere Grabungen fanden in Hazor im Norden Israels statt. John Garstang hatte dort schon 1928 gearbeitet, doch erst Yadins Kampagnen zwischen 1955 und 1958 – im Auftrag der Hebräischen Universität Jerusalem und teilweise finanziert von der Familie Rothschild – hauchten der Stätte wieder Leben ein. Yadin genoss die bedingungslose Unterstützung von David Ben-Gurion, weil seine Ergebnisse dem ersten Ministerpräsidenten Israels halfen, dem neuen Staat eine Identität zu schaffen. Die Grabungen in Hazor waren im Grunde eine nationale Angelegenheit, der Staat stellte die Arbeiter. Yadins Mitarbeiter gehörten zu den besten, die es gab; viele seiner Schnittleiter, die für einzelne Teile der Grabung zuständig waren, wurden später arrivierte Archäologieprofessoren oder Entscheidungsträger der Antikenverwaltung.

In Hazor legte Yadin die Reste einer riesigen kanaanitischen Stadt frei, die in der mittleren und späten Bronzezeit und besonders im 2. Jahrtausend v. Chr. eine Blütezeit erlebt hatte. Er kam |62|zu dem Schluss, dass Hazor eine wichtige Metropole gewesen sei, eine Stadt, die im 18. Jahrhundert v. Chr. sogar in Texten aus dem fernen Mari in Mesopotamien Erwähnung fand. Die Stadt wurde in ihrer Frühzeit von einem massiven, nach außen abschüssigen Erdwall, einem sogenannten Glacis, geschützt, das neunzig Meter breit und fünfzehn Meter hoch war. Dieses Glacis gab der Stätte eine unverwechselbare Form, die man heute am besten sehen kann, wenn man sich ihr von Süden her nähert.

Yadin fand in Hazor auch die Reste einer Stadt der späten Bronzezeit, wahrscheinlich genauer des 13. Jahrhunderts v. Chr., die durch ein Feuer zerstört worden war. Ausgehend von seiner Datierung dieser Zerstörung durch Keramik und andere Kleinfunde, die sich in den Ruinen fanden, schrieb Yadin den Brand dieser Stadt den einfallenden Israeliten zu, die der Überlieferung der Bibel zufolge Hazor bei ihrer Eroberung Kanaans eingenommen und niedergebrannt hatten (Jos 11,10–13). Dies bestätigte in seinen Augen die biblischen Erzählungen von der israelitischen Landnahme in Kanaan und damit die Ansprüche der Juden auf das alte Land Israel.

Yadin grub auch in Megiddo. Auf den Spuren von Gottlieb Schumacher (1903–1905) und der University of Chicago (1925–1939) leitete Yadin Mitte der 1960er und Anfang der 1970er Jahre die dritte Expedition. Auf den wenigen, kurzen Kampagnen dort bildete er wie zuvor schon in Hazor seine Studenten aus. Vor allem aber nutzte er die Grabungen als eine Gelegenheit, seine Theorien zur Authentizität der biblischen Überlieferung zu prüfen.

In Megiddo legte Yadin die Reste von Häusern und anderen Bauten frei, darunter ein Stadttor und einen Palast. Diesen Palast identifizierte er aufgrund seines Grundrisses als ein »bit hilani« – ein |63|mesopotamischer Name für einen bestimmten Palasttyp, den man in Nordsyrien zur Zeit Salomos häufiger fand. Das nahegelegene Stadttor mit sechs Kammern war einer Kasemattenmauer angegliedert (parallel verlaufende innere und äußere Verteidigungsmauern, die durch innere Bauten so verbunden waren, dass kleine Räume entstanden, die sowohl als Mauerteile wie auch als Lager oder Wohnräume dienten).

Schon in Hazor hatte Yadin einen Teil einer Kasemattenmauer und ein Stadttor gefunden, die denen in Megiddo sehr ähnelten. Er datierte all diese Bauten auf die Zeit Salomos im 10. Jahrhundert v. Chr., auch aufgrund eines Bibelabschnitts – einer Passage aus dem 1. Buch der Könige, die die Bautätigkeit von Salomo in Megiddo, Hazor, Geser und Jerusalem beschreibt: »So verhielt es sich mit dem Frondienst: König Salomo hatte Fronarbeiter ausgehoben zum Bau des Tempels, seines Palastes, des Millo und der Mauern von Jerusalem, Hazor, Megiddo und Geser« (1 Kön 9,15).

Yadin wollte überprüfen, ob es in Geser, dem letzten im Bibelvers erwähnten Ort, ein ähnliches Tor gab. Die Fundstätte war schon zuvor von 1902 bis 1905 sowie von 1907 bis 1909 von dem irischen Archäologen Robert Alexander Stewart Macalister ausgegraben worden. Yadin blätterte daher erst einmal in Macalisters Bericht und fand dort, was er suchte – ein Stadttor, das denen von Megiddo und Hazor verblüffend ähnelte. Macalister hatte eine Hälfte davon gefunden, es aber als makkabäische Festung oder Palast identifiziert und auf das 2. Jahrhundert v. Chr. datiert, in die Zeit des Aufstands unter Judas »dem Hammer« Makkabäus. Yadin war der Ansicht, dass Macalister dieses Bauwerk falsch identifiziert hatte und es stattdessen ein halbes Stadttor war, komplett |64|mit Kammern wie jenen in Megiddo und Hazor. Allerdings musste die andere Hälfte noch freigelegt werden.

Inzwischen hatte das Hebrew Union College – Jewish Institute of Religion in Jerusalem zusammen mit dem Harvard Semitic Museum die Arbeiten in Geser schon wieder aufgenommen. Yadin trat mit dem amerikanischen Archäologenteam, das dort grub, in Kontakt und erklärte ihnen seine Theorie. Sobald sie ihre Hacken und Kellen ansetzten, fanden sie die andere Hälfte des Tores und bestätigten damit seine Hypothese.

Diese ersten amerikanischen Grabungen in Geser dauerten zehn Jahre. Dort wurde das System, nach dem amerikanische Collegestudenten sich freiwillig an der Grabung beteiligen konnten und dafür Leistungspunkte im College erhielten, erstmals in größerem Rahmen eingesetzt. Diese Praxis, die für die nötigen Dollars sorgt, die man bei einer Grabung braucht, ist heute bei allen größeren Projekten in Israel wie auch bei vielen in Jordanien, Syrien, der Türkei, Griechenland und Ägypten üblich. In den 1960er Jahren floss erstmals zusätzliches Geld für Grabungen wie in Geser von privaten Spendern, philanthropischen Organisationen und schließlich von wissenschaftlichen und staatlichen Stiftungen wie National Science Foundation und National Endowment for the Humanities. All diese Zusendungen sind noch immer die wichtigsten Finanzierungsquellen, auch in Geser, wo gerade wieder gegraben wird, diesmal von einem amerikanisch-israelischen Team.

Yadin fand bei seiner Arbeit in Hazor und Megiddo neues Material, doch weltweite Aufmerksamkeit sicherten ihm erst seine Grabungen in Masada, der Wüstenfestung, die die Römer nach dem Jüdischen Krieg (66–70 n. Chr.) belagert hatten. Die Grabungen dauerten |65|nur von 1963 bis 1965, doch Yadin bezog ein internationales Archäologenteam ein und arbeitete mit so vielen Freiwilligen wie kein anderer in Israel. Masada ist genau betrachtet keine biblische Stätte, wenn man einmal davon absieht, dass Herodes der Große sie 40 v. Chr. befestigte, aber sie spielt in der Archäologie der Region eine große Rolle, denn sie ist seit ihrer Freilegung ein Symbol des israelischen Nationalismus und Gegenstand der Diskussion.

image

image

Granatapfel aus Elfenbein. Der wunderschöne Fund wird dem Tempel des Salomo zugerechnet. André Lemaire ergänzte die paläohebräische Inschrift: »Zum Tempel des Herrn [JHWH] gehörend, heilig den Priestern«. Mehr dazu auf Seite 146.

image

Ossuar des Jakobus. Die in Aramäisch in die Seitenwand geritzte Inschrift, die dem ersten nachchristlichen Jahrhundert zugerechnet wird, lautet »Jakob, Sohn des Joseph, Bruder des Jesus« (Seite 150).

image

Talpiot-Grab. Ist es wirklich das »verlorene Grab« Jesu, das Felsengrab, wie der Filmemacher Simcha Jacobovici behauptete? Mehr dazu auf Seite 132.

image

Der Berg Ararat in der Türkei. Fast jedes Jahr hört man von einem neuen Ort, an dem die Arche Noah gestrandet sein soll, ob wie hier am Berg Ararat oder am iranischen Elburz-Gebirge (Seite 98).

image

Exodus-Karte. Die Bibel erzählt vom Exodus, dem Auszug der Hebräer aus Ägypten, wo sie versklavt worden waren. Noch immer sucht die Archäologie nach Zeugnissen zu dem Ereignis, das beim jüdischen Passah-Fest gefeiert wird (Seite 100).

image

Kopie des Geser-Kalenders. Die in paläohebräisch geschriebene Inschrift aus dem zehnten Jahrhundert v. Chr. zählt die wichtigsten landwirtschaftlichen Tätigkeiten im Jahreslauf auf, darunter Phasen der Ernte und der Saat, das Flachsziehen und die Weinlese. Mehr dazu auf Seite 42.

image

Mescha-Stele. Die von Charles Clermont-Ganneau übersetzte Inschrift beschreibt nicht nur die Leistungen des Königs Mescha von Moab, sondern erwähnt als eine der ersten außerbiblischen Inschriften eine Person des Alten Testaments, »Omri, König über Israel« (Seite 30).

image

Die archäologische Stätte Megiddo in Israel. Die befestigte Stadt, das biblische Armageddon, wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts ausgegraben. Ein riesiges archäologisches Projekt. Allein 20 Bauphasen lassen sich für den Zeitraum von 3000 – 300 v. Chr. unterscheiden. Mehr dazu auf Seite 52.

image

Sir William Matthew Flinders Petrie. Der Brite revolutionierte im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert durch die Stratigraphie und Keramikseriation das junge Fach der Biblischen Archäologie und untermauerte durch seine Entdeckungen seinen Ruf als Gründervater dieser Wissenschaft (Seite 36).

image

Stratigraphische Schichten in Tel Kabil in Israel. Die Geschichte des Palastes aus der Mittleren Bronzezeit II kann man in Form mehrerer Bodenniveaus mit übereinanderliegenden Siedlungsschichten im Profil erkennen.

image

Israel-Stele. Die Granitstele trägt eine Inschrift aus dem fünften Regierungsjahr des Pharaos Merenptah (1207 v. Chr.). Die Inschrift preist seinem Sieg über die Libyer und enthält die erste außerbiblische Erwähnung Israels. Sir Flinders Petrie grub die Stele 1896 im Totentempel des Pharao aus. Mehr dazu auf Seite 38.

image

Die Negev-Wüste in Israel. Unter dem Deckmantel archäologischer Forschungen leisteten hier T. E. Lawrence und später N. Glueck in erster Linie militärische Aufklärungsarbeit, aber dabei wurden viele archäologische Funde gemacht, auch zu Stätten der biblischen Zeit (Seite 44 und 51).

image

T. E. Lawrence. Der heute als »Lawrence von Arabien« bekannte britische Archäologe und Offizier wurde 1914 von dem Palestine Exploration Fund mit der archäologischen Oberflächenaufnahme in Südpalästina beauftragt. In einem Gebiet, das die Bibel die »Wüste Zin« nennt, suchte er offiziell nach biblischen Stätten.

image

William Foxwell Albright. Der Direktor der American School of Oriental Research in Jerusalem bestimmte lange Zeit das Feld der Biblischen Archäologie. In den 1920er Jahren erarbeitete er eine archäologisch gesicherte Chronologie, eine Pionierleistung für das junge Fach (Seite 47).

image

Jericho. Die Ausgrabungsstätte Tel El Sultan, am Westufer des Jordan gelegen, gibt Aufschluss über verschiedene Siedlungsphasen der biblischen Siedlung. Als gesichert gilt nunmehr, dass die Stadt IV bereits um 1550 v. Chr. zerstört wurde und nicht erst um 1400 v. Chr. von Josua und den Israeliten, wie es die Bibel schreibt.

image

Aufsicht auf die Bereiche K und Q in Megiddo am Ende der Grabungskampagne 2008. Zu erkennen sind die 5 × 5 m großen Wheeler-Kenyon-Quadrate in einem Gitter mit 1 m breiten Stegen. Bei dieser vertikalen Grabungsmethode wird besonders auf die Unterschiede in Farbe und Zusammensetzung des Bodens geachtet (Seite 55).

image

Gestufte Steinkonstruktion. 1961 von K. Kenyon vor den Mauern Jerusalems Altstadt entdeckt. Erst als Teil der ursprünglichen jebusitischen Verteidigungsanlage gedeutet, verband man es später mit einem größeren Komplex. Wegen der Keramikdatierung für das zehnte Jahrhundert v. Chr. wird die Anlage heute als Teil des Palastes König Davids angesehen (Seite 60).

image

Yigael Yadin. Der wohl bekannteste Biblische Archäologe der Nachkriegszeit sorgte dafür, dass an vielen Fundstätten, darunter Megiddo, wieder gegraben wurde. Er war überzeugt, dass die Archäologie dazu beitragen könne, die Genauigkeit und Authentizität der Bibel zu belegen (Seite 60).

image

Masada. Etwa 50 km südöstlich von Jerusalem erhebt sich die Stadt gut 400 m über der Landschaft. Wenngleich keine biblische Stätte ist die Wüstenfestung seit ihrer Freilegung durch Yadin in den Jahren 1963 bis 1965 ein Symbol des israelischen Nationalismus und Gegenstand der Diskussion um ihre Besetzung 70 – 73 n. Chr. durch jüdische Rebellen. Mehr dazu ab Seite 64.

image

Ausgrabungskampagnen in Megiddo. Israel Finkelstein (rechts) und der Autor (links) arbeiteten über zehn Jahre gemeinsam bei den archäologischen Ausgrabungen in Megiddo.

Masada erhebt sich etwa 400 Meter über der trockenen Landschaft nahe dem Südende des Toten Meeres, fast fünfzig Kilometer südöstlich von Jerusalem. Die Bergfestung auf der Spitze diente Herodes’ Mutter und seiner Verlobten als sicherer Unterschlupf, während er 40 v. Chr. nach Rom reiste, um Marcus Antonius und den Senat um Unterstützung seiner Herrschaft zu bitten. Herodes sah den Ort als eine mögliche Zuflucht für sich selbst und seine Familie und stattete ihn mit zwei Palästen, einigen Zisternen, Kasernen und Lagerhäusern aus. Er nutzte Masada dann allerdings nie als Festung, und erst ein Jahrhundert später erlangte die Stätte ihre größte Bekanntheit, als jüdische Rebellen, die Sicarii (Dolchträger), sie im Jahr 70 n. Chr. nach der Niederlage im Jüdischen Krieg und der Zerstörung Jerusalems durch römische Armeen unter dem Kommando des Titus eroberten.

Von 70 bis 73 n. Chr. hielten die jüdischen Rebellen Masada besetzt und plünderten das Land ringsum auf der Suche nach Nahrung, bis die Römer schließlich beschlossen, sich diese lästigen Juden ein für alle Mal vom Hals zu schaffen. Was dann geschah, hat Flavius Josephus, der jüdische General, der zum römischen Historiker wurde, in aller Ausführlichkeit beschrieben. Laut Josephus belagerten die Römer Masada und errichteten in der Wüste verschiedene |66|Lager sowie eine Mauer, die die Bergfestung vollständig einkreiste, um die Bewohner von Essen und sonstigem Nachschub abzuschneiden. Dann bauten sie eine massive Rampe an der Bergflanke und rollten ihre Kriegsmaschinen bis direkt auf den Gipfel. Bald brachen sie ein Loch in die Verteidigungsanlagen und bereiteten die Erstürmung vor. Dann allerdings kam die Nacht, und die Römer verschoben ihren Angriff auf den nächsten Morgen. In jener Nacht, während des Passahfestes im Jahr 73 n. Chr., beschlossen die jüdischen Verteidiger von Masada, lieber von eigener Hand zu sterben, als den römischen Soldaten in die Hände zu fallen. Etwa 960 Menschen starben. Als die Römer am nächsten Morgen anrückten, fanden sie nur wenige Überlebende, die sich in einer leeren Zisterne versteckt hatten und sich schließlich herauswagten, um die tragische Geschichte zu erzählen.

Es gibt allerdings einige Zweifel hinsichtlich der Genauigkeit von Josephus’ Darstellung. Historiker, die sich mit dem alten Israel beschäftigten, haben schon lange auf verschiedene Fehler hingewiesen, die Josephus bei seiner Wiedergabe der Ereignisse unterliefen – so erwähnt er beispielsweise nur einen Palast auf der Hügelspitze, nicht zwei, und gibt die falsche Höhe für die Mauern auf dem Gipfel an. Man geht allgemein davon aus, dass er bei der Belagerung und Eroberung von Masada nicht selbst dabei war. Höchstwahrscheinlich schrieb Josephus seinen Bericht in der sicheren Hauptstadt Rom mit Hilfe der Kriegstagebücher und anderer Primärquellen, die ihm Flavius Silva, der römische Leiter der Operation, zur Verfügung gestellt hatte.

Yadin beschloss, in Masada großflächig zu graben, um festzustellen, was dort vor fast zweitausend Jahren wirklich geschehen |67|war. Die praktischen Schwierigkeiten, die der 400 Meter hohe Berg dabei bot, machten die Grabung zu einem einzigartigen Unternehmen. Schweres Gerät musste per Hubschrauber auf den Gipfel gebracht werden, die Freiwilligen mussten jeden Morgen den langen, gewundenen »Schlangenpfad« hinaufsteigen und jeden Abend wieder hinunterwandern. Doch Yadin und bald auch die Weltöffentlichkeit fand, dass es den Aufwand wert war. Das Grabungsteam legte viele Bauten frei, darunter zwei Paläste, eine Gerberei, Lagerräume und Zisternen, dazu Kleinfunde des Alltagslebens wie die Gürtelschnalle eines Mannes – Dinge, die ihnen einen Blick auf das Leben der Bewohner in den Tagen und Wochen vor ihrem Tod erlaubten.

Für Yadin vielleicht am wichtigsten war, dass die Ausgräber Spuren eines Konflikts fanden – Haufen von Schleudersteinen, Pfeilspitzen und andere Waffen. Sie entdeckten mehrere Leichen, darunter eine Gruppe von drei Körpern, die Yadin als die sterblichen Überreste von Mann, Frau und Kind deutete. Weitere Tote wurden in einer Höhle in der Felsflanke gefunden. Die Ergebnisse der Grabung schlugen die Bürger Israels in ihren Bann und wurden auch weit jenseits der Grenzen des neuen Staates zur Kenntnis genommen. Yadin schuf eine Art Nationalepos, ausgehend von der Überzeugung, dass diese Grabungen Josephus’ Bericht bestätigten. Mehrere Jahrzehnte lang wurden neue Rekruten in einer Zeremonie auf dem Gipfel von Masada mit der feierlichen Erklärung, dass die Festung »nie wieder« fallen werde, auf die israelische Armee eingeschworen.

In den letzten Jahren jedoch ist Yadins Interpretation seiner Grabung in Frage gestellt worden, am entschiedensten von Nachman |68|Ben-Yehuda, einem Professor der Soziologie und Anthropologie an der Hebräischen Universität Jerusalem. In zwei Büchern und einigen Aufsätzen haben Ben-Yehuda und andere Fachleute, darunter der Anthropologe Joe Zias, sich mit einigen Problemen in Yadins Deutung befasst und mögliche Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen herausgearbeitet. Am wichtigsten ist wohl die Entdeckung, dass die »Familiengruppe«, die Yadin gefunden hatte, vielleicht gar keine Familie war, sondern einfach mehrere nicht miteinander verwandte Individuen, und dass die Toten in der Höhle eher römische Soldaten waren als jüdische Verteidiger. Die Kontroverse um Masada und die Frage, ob es den Selbstmord der jüdischen Verteidiger je gegeben hat, ist auch heute noch nicht beendet. Die israelische Armee jedenfalls hält ihre Rekrutengelöbnisse nicht mehr auf der Festung ab.