Die Biblischen Archäologen heute sind im allgemeinen eher daran interessiert, mehr über Einzelheiten des Alltagslebens in der biblischen Welt zu erfahren, als daran, die Berichte der Bibel zu beweisen oder zu widerlegen, doch bei vielen Laien liegen die Prioritäten anders. Sie wollen wissen: Gab es die Sintflut? Haben Abraham und die Patriarchen tatsächlich irgendwann gelebt? Wurden Sodom und Gomorra durch Feuer und Schwefel zerstört? Und was ist mit dem Exodus? Das waren einige Fragen in der Biblischen Archäologie, die die frühesten Pioniere des Faches faszinierten. Sie klingen noch heute nach, doch die Biblischen Archäologen sind auch heute weit von zuverlässigen Antworten entfernt.
Tatsächlich werden Lösungen und Antworten auf solche Fragen häufiger von Pseudo-Archäologen oder archäologischen Scharlatanen angeboten. Sie ziehen den Leuten Geld aus der Tasche, um fragwürdige Unternehmen zu finanzieren, die unser Wissen kaum bereichern können. Jedes Jahr machen sich »wissenschaftliche« Expeditionen |95|auf den Weg, um nach dem Garten Eden zu suchen, nach der Arche Noah, Sodom und Gomorra, der Bundeslade oder den zehn verlorenen Stämmen Israels. Hinter diesen Expeditionen stehen oft gewaltige Geldsummen, gestiftet von naiven Gläubigen, die bereitwillig die Geschichten ehrlicher, aber fehlgeleiteter Amateure oder habgieriger Betrüger akzeptieren.
Diese Unternehmungen, die gewöhnlich außerhalb der etablierten Wissenschaftsinstitutionen vonstatten gehen, stiften Verwirrung bei den Menschen, die nicht mehr wissen, was wahr und was Täuschung ist. Indem sie auf Pseudo-Archäologie zurückgreifen und anerkannte archäologische Prinzipien sowie wissenschaftliche Erkenntnisse außer acht lassen, bringen die archäologischen Scharlatane das ganze Fach der Biblischen Archäologie in Misskredit.
Es stimmt, dass in den letzten hundert Jahren im Nahen Osten großartige archäologische Stätten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. entdeckt wurden. Sie lieferten tiefe Einblicke in die Lebenswelt der Kanaaniter Syro-Palästinas, der Hethiter Anatoliens, der Ägypter und der Völker Mesopotamiens, die alle für den biblischen Text und die Welt der Bibel relevant sind. Allerdings werfen solche Entdeckungen relativ wenig Licht auf die Geschichten des Alten Testaments – vor allem die Bücher Genesis und Exodus bleiben im Dunkeln. Viele frühe Geschichten des Alten Testaments konnten von Archäologen noch nicht bestätigt werden und bleiben Glaubenssache.
Andererseits profitieren Nachrichten von Ereignissen aus etwas späterer Zeit, nachdem das Reich Davids und Salomos im 1. Jahrtausend v. Chr. auseinandergebrochen war, von außerbiblischen Inschriften, Berichten und anderen Dokumenten, die man heranziehen kann, um biblische Details zu bestätigen. So sind zum Beispiel |96|der Angriff Sanheribs und der Assyrer auf Juda im Jahr 701 v. Chr. und die Zerstörung Jerusalems und des Tempels 586 v. Chr. durch Nebukadnezzar und die Neubabylonier, die als Ereignisse im Alten Testament beschrieben werden, durch archäologische Grabungen und Artefakte unabhängig von der Bibel bestätigt worden.
Ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten bei der Suche nach archäologischen Belegen für Ereignisse in frühen Abschnitten des Alten Testaments und für die Möglichkeiten, die sich Pseudo-Archäologen dadurch bieten, ist die Geschichte von der Sintflut und der Arche Noah, wie sie das Buch Genesis erzählt.
1929 stießen der britische Archäologe Leonard Woolley – der fünfzehn Jahre zuvor zusammen mit T. E. Lawrence eine archäologische Oberflächenuntersuchung in der Wüste Negev durchgeführt hatte – und sein Team in der alten Stadt Kisch im heutigen Irak auf eine mehrere Meter dicke Sedimentschicht, die durch eine Überflutung im Altertum entstanden sein musste. Oberhalb wie unterhalb der Schicht fanden sich Artefakte, vor allem Keramik, was zeigte, dass vor und nach der Flut Menschen dort gelebt hatten. Es war Woolleys Ehefrau, die aufgeregt ausrief, er habe »die Sintflut gefunden!« Die Entdeckung schaffte es weltweit in die Schlagzeilen, doch schon kurz darauf distanzierte sich Woolley von solchen Ideen und erklärte, sein Fund sei einfach ein Beweis für eine lokale Überschwemmung, nicht für eine weltweite Flutkatastrophe. Tatsächlich haben sich Belege für solche regional begrenzten Überschwemmungen an verschiedenen Stätten in Mesopotamien gefunden, was bei einem »Zweistromland« eigentlich nicht überraschen kann. Tigris und Euphrat traten häufig über die Ufer und setzten die Umgebung unter Wasser.
|97|In einem größeren Maßstab gibt es geologische Hinweise darauf, dass in der nicht allzu fernen Vergangenheit, sicherlich in einer Zeit, als sich schon Menschen im Nahen Osten und in Kleinasien niedergelassen hatten, manchmal gewaltige Überflutungen in einem größeren Gebiet auftraten. 1997 legten William Ryan und Walter Pitman, zwei Geologen der Columbia University, Daten vor, die ein solches Ereignis im Schwarzmeergebiet vor etwa 7500 Jahren dokumentieren, als das Meer weite Flächen in der heutigen Türkei und vielleicht noch südlich davon überflutete. Diese Ereignisse könnten Katalysatoren für Mythen und Epen über eine große Flut gewesen sein.
Es ist verständlich, dass solche lokal begrenzten, aber dort vielleicht verheerenden Überflutungen den Ursprung jener Geschichten bildeten, die die Sumerer, Akkader und Babylonier sich erzählten und die sich in so vielen Einzelheiten mit der Geschichte von Noah und seiner Arche im Alten Testament decken. Die früheste, sumerische Fassung dieser Geschichte reicht vielleicht bis in die Zeit um 2700 v. Chr. zurück. Darin geht es um einen Mann namens Ziusudra, der die große Flut überlebt. In einer mehrere Jahrhunderte jüngeren Version heißt der Überlebende Atrahasis. 1800 v. Chr. ist es im Gilgamesch-Epos Utnapischtim, der die Sintflut überlebt und die Geschichte von Gilgamesch, dem Helden des Epos, erzählt. Erst viel später, wahrscheinlich irgendwann zwischen 1200 und 900 v. Chr., wurde die biblische Fassung von Noah und der Sintflut niedergeschrieben.
Diese Erzählungen ähneln sich zu sehr, als dass man an einen Zufall glauben könnte. Im wesentlichen scheinen sie von derselben Geschichte auszugehen, obwohl sich natürlich auch einige Einzelheiten unterscheiden |98|– der Name des Überlebenden, die Zahl und die Arten von Vögeln, die sofort nach der Sintflut freigelassen wurden, und die Gründe hinter der Flutkatastrophe. In den früheren Fassungen etwa wurde die Flut gesandt, weil die Menschen zu viel Lärm machten; in der biblischen Version kommt sie, weil die Menschen zu böse und verdorben sind. Die biblische Geschichte von der Sintflut könnte daher ein Beispiel einer Geschichte sein, die nicht nur innerhalb eines Stammes oder Volkes von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde, sondern auch von Kultur zu Kultur, etwa von den Sumerern über die Akkader und Babylonier schließlich zu den Israeliten, vielleicht über den Umweg der Kanaaniter.
Archäologisch gesehen ist allerdings noch kein unanfechtbarer Beweis für eine weltweite Flut gefunden worden. Ähnlich hat auch noch kein glaubwürdiger Archäologe Reste der Arche Noah gefunden. Und doch hört man praktisch jedes Jahr, dass irgendeine »Expedition« das Schiff gefunden habe. Ein einschlägiges Beispiel ist Bob Cornuke, Gründer des Bible Archaeology Search and Exploration (BASE) Institute in Colorado. Cornuke war nach eigenen Auskünften früher Kriminalbeamter und gehörte einer Spezialeinheit an, ist aber inzwischen zum Bibelforscher, internationalen Forschungsreisenden und Bestseller-Autor mutiert.
2006 leitete er eine Expedition auf der Suche nach der Arche Noah. Einigen Medienberichten zufolge fand Cornukes Team bootförmige Felsen auf einer Höhe von etwa 4000 Metern auf dem Berg Takht-i Suleiman im iranischen Elburz-Gebirge. Cornuke sagte, die Felsen sähen »Holz unheimlich ähnlich. … Wir haben dünne Scheiben von den Gesteinsproben geschnitten und [Holz-]Zellstrukturen |99|gefunden.« Doch die Begutachtung durch professionelle Geologen widerlegte diese Ergebnisse schnell. Kevin Pickering, Geologe am University College London und Fachmann für Sedimentgesteine, sagte: »Die Fotos zeigen offenbar mit Eisen durchsetztes Sedimentgestein, wahrscheinlich dünne Schichten von verkieseltem Sandstein und Schiefer, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einem marinen Umfeld vor langer Zeit dort abgelagert haben.« Trotz Cornukes grandioser Selbstvermarktung gibt es keinen archäologischen – oder geologischen – Beleg dafür, dass er die Arche gefunden haben könnte.
Unter den vielen Fundstätten, die Leonard Woolley ausgrub, war auch ein Ort in Mesopotamien, der unter dem Namen Tell Muqayyar bekannt ist. Nach Auskunft der in Tell Muqayyar selbst gefundenen Inschriften stand hier eine antike Stadt namens Ur. Woolley und andere verbanden diese Stätte schnell mit dem biblischen »Ur der Chaldäer« – wo der Überlieferung zufolge Abraham geboren wurde, der Patriarch, der in Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen verehrt wird. Nun gab es aber mehrere Stätten im Nahen Osten, die den Namen Ur trugen, genau wie es heute in den Vereinigten Staaten viele große und kleine Städte namens »Troy«, also Troja, gibt, und es ist unklar, welches Ur, wenn überhaupt eines, man mit Abraham in Verbindung bringen kann, genauso wie keine der Städte in Amerika tatsächlich etwas mit dem Trojanischen Krieg zu tun hat.
Die Frage nach der Existenz von Abraham, Isaak und Jakob – den sogenannten Patriarchen – bleibt unter Archäologen und Bibelwissenschaftlern umstritten. Während einige Archäologen meinen, dass die Einzelheiten der Patriarchengeschichten mit ihren Wanderungen |100|gut in die Lebensbedingungen, Sitten und Gebräuche des frühen 2. Jahrtausends v. Chr. passen, argumentieren andere, dass die Geschichten und ihre Hauptpersonen ebensogut erst Jahrhunderte später, im 1. Jahrtausend v. Chr., erfunden worden sein können. Es ist einfach so, dass zwar bei zahlreichen Ausgrabungen an Fundstätten vom alten Mesopotamien über Kanaan bis nach Ägypten unglaubliche Mengen archäologischer Funde und Befunde aus dem frühen 2. bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. ans Licht gekommen sind, dass es aber bisher keinen direkten archäologischen oder außerbiblischen schriftlichen Beweis gibt, der die Existenz Abrahams und der anderen Patriarchen bestätigen oder widerlegen würde.
Ähnlich verhält es sich mit der vielleicht verzwicktesten Frage, die von Biblischen Archäologen und vor allem an sie gestellt wird, der Frage nach dem Exodus. Mit dem Begriff Exodus bezeichnet man den Auszug der Hebräer aus Ägypten, wo sie von mehreren Pharaonen nacheinander versklavt worden waren. Die Erinnerung an dieses freudige Ereignis wird alljährlich beim jüdischen Passahfest gefeiert. Trotz der Bemühungen etlicher Biblischer Archäologen – und einer noch größeren Zahl begeisterter Amateure – über viele Jahrzehnte hinweg ist bisher noch kein glaubhafter direkter archäologischer Beleg für den Exodus gefunden worden. Man kann natürlich argumentieren, dass ein solcher Beleg auch schwer zu finden wäre, da Nomaden im allgemeinen keine dauerhaften Bauten hinterlassen, doch Archäologen haben in der Wüste Sinai durchaus nomadische Lagerplätze aus anderen Epochen gefunden und freigelegt. Wenn es also archäologische Überreste vom Exodus gäbe, würde man doch erwarten, dass man sie inzwischen gefunden hätte. Und doch fehlt bisher jede Spur von den biblischen »sechshunderttausend |101|Mann zu Fuß, nicht gerechnet die Kinder. Auch ein großer Haufen anderer Leute zog mit, dazu … eine sehr große Menge Vieh« (Ex 12,37f.), die vierzig Jahre in der Wüste umherwanderten. Das soll nicht heißen, dass ein solches Ereignis nicht stattgefunden hat, sondern nur, dass bisher noch keine archäologischen Belege dafür gefunden wurden.
Verbunden mit der Exodus-Geschichte ist die biblische Erzählung von der Landnahme Israels, der Eroberung Kanaans durch die Israeliten, in den alttestamentlichen Büchern Josua und Richter. Sie beschreibt, wie Josua und sein Heer über das Land herfielen und es in blitzschnellen Angriffen überrannten. Sie zerstörten die wichtigen kanaanitischen Städte und nahmen ihre Könige gefangen. Im ganzen letzten Jahrhundert haben sich Biblische Archäologen darüber gestritten, wann dies geschah – und sich schließlich auf etwa 1250 v. Chr. als die wahrscheinlichste Zeit geeinigt, weil die Inschrift des Pharaos Merenptah aus dem Jahr 1207 v. Chr. eine Gruppe namens »Israel« in der Region Kanaan für jene Zeit erwähnt. Es wurden auch verschiedene miteinander konkurrierende Theorien zu der Frage entwickelt, wie die israelitische Eroberung Kanaans denn nun tatsächlich vonstatten ging, immer ausgehend von den archäologischen Funden und Befunden, die bei Grabungen an verschiedenen im biblischen Bericht vorkommenden Orten ans Licht kamen.
So bevorzugte zum Beispiel William F. Albright das »Eroberungsmodell«, das die biblische Darstellung der Ereignisse im Grunde für bare Münze nimmt, und argumentierte, dass die Eroberung nach einem plötzlichen und gewalttätigen Blitzangriff stattgefunden habe. Doch nicht alle waren seiner Meinung. Die deutschen |102|Theologen Albrecht Alt und Martin Noth sprachen sich für ein »Migrationsmodell« aus, demzufolge im Laufe der Zeit kleine Gruppen hebräischer Nomaden ohne große Umwälzungen in Kanaan einwanderten. Die Amerikaner George Mendenhall und Norman Gottwald propagierten das »Revoltenmodell« und vertraten die Ansicht, die Israeliten seien eine Unterschicht innerhalb der kanaanitischen Gesellschaft gewesen und die Landnahme eigentlich eine Rebellion marxistischen Typs, in der die unterdrückende Oberschicht gestürzt wurde und das Proletariat die Macht übernahm. Und schließlich hat Israel Finkelstein das Modell der »unsichtbaren Israeliten« vertreten, demzufolge Israeliten und Kanaaniter gleichzeitig in Kanaan lebten und sich das Land teilten, bis die Wirtschaft nach dem Rückzug Ägyptens aus der Region am Ende der späten Bronzezeit zusammenbrach. Erst zu dieser Zeit traten die Israeliten allmählich und friedlich aus dem Schatten der Kanaaniter heraus und übernahmen die Macht.
Alle diese Modelle können sich bei ihrer Argumentation auf archäologische Belege stützen. Ein kleines Problem haben allerdings die Anhänger Albrights und des Eroberungsmodells: viele Orte, von denen in der Bibel ausdrücklich berichtet wird, dass die einfallenden Israeliten sie zerstörten, sind inzwischen von Biblischen Archäologen ausgegraben worden – und daraus hat sich ein interessantes Rätsel ergeben. Einerseits zeigen die meisten dieser Stätten keine archäologischen Hinweise auf eine Zerstörung – und manche, wie etwa Jericho, waren damals noch nicht einmal bewohnt. Andererseits gibt es Orte in der Region, die definitiv zu jener Zeit zerstört wurden, doch keiner von ihnen wird in der biblischen Erzählung erwähnt. Einer der wenigen Orte, die laut Bibel von den |103|Israeliten zerstört wurden und an denen Archäologen tatsächlich einen Zerstörungshorizont gefunden haben, ist Hazor.
Yigael Yadin glaubte, dass er mit seinen Grabungen in Hazor in den 1950er Jahren Beweise für die israelitische Zerstörung der Stadt des 13. Jahrhunderts v. Chr. gefunden habe, die (in seinen Augen) den biblischen Bericht der Landnahme bestätigten. Nach einer Unterbrechung von mehr als drei Jahrzehnten begannen 1990 neue Grabungen in Hazor unter der Leitung von Yadins Schüler Amnon Ben-Tor, der weitere Überreste dieser zerstörten Stadt fand. Jetzt diskutiert man wieder darüber, wer für diese Zerstörung verantwortlich war – Israeliten, Ägypter, Kanaaniter oder Seevölker?
Wie Yadin vor ihm tritt auch Ben-Tor für die Israeliten als die wahrscheinlichsten Aggressoren ein und liefert eine ganze Liste von Gründen dafür, einschließlich der Feststellung, dass weder die Ägypter noch die Kanaaniter die Schuldigen sein könnten, weil ägyptische wie kanaanitische Statuen entweiht im Zerstörungshorizont gefunden wurden und keine der beiden Gruppen so etwas geduldet hätte. Doch er hat mit diesen Argumenten nicht alle Forscher überzeugt, und so kann man sich auf der Suche nach den Zerstörern von Hazor nur schwer zwischen den Israeliten, einer umherstreifenden Gruppe der sogenannten Seevölker, die etwa zur selben Zeit in der Region auftauchten, oder einer anderen, bisher unbekannten Gruppe entscheiden. Es gibt keine archäologischen Belege, die Yadins und Ben-Tors Theorie widersprechen würden, aber im Moment auch keine zusätzlichen archäologischen Belege, um sie zu untermauern.
Wichtige Komponenten in dieser Diskussion sind die damit zusammenhängenden Fragen, wer genau die Israeliten waren |104|und woran man erkennt, dass man archäologische Belege für ihre Existenz freigelegt hat. Früher galt es als ein allgemein anerkannter Grundsatz in der Biblischen Archäologie, dass man, wenn man Gefäße mit Randwulst oder Häuser mit vier Räumen in einer Siedlung der späten Bronzezeit oder frühen Eisenzeit fand, eine israelitische Siedlung ausgrub, da man davon ausging, dass diese Merkmale einzig und allein israelitischen und nicht kanaanitischen Ursprungs seien. In letzter Zeit allerdings haben verschiedene Wissenschaftler festgestellt, dass solche Gegenstände und Baustrukturen nicht allein den Israeliten und sogar vielleicht nicht allein der frühen Eisenzeit zuzuordnen sind.
Wie kann man also einen Israeliten von einem Kanaaniter unterscheiden? Einige Archäologen haben vorgeschlagen, dass das Fehlen von Schweineknochen in einer Siedlung der entsprechenden Epoche wegen des alttestamentlichen Verbots, Schweinefleisch zu essen, ein Anzeichen für die Anwesenheit von Israeliten statt von Kanaanitern sein könnte. Andere beharren darauf, dass man eine so verallgemeinernde Beobachtung nicht gelten lassen kann und dass auf jeden Fall die Argumentation ex negativo – mit dem Fehlen eines Objekts an einer Fundstätte – immer gefährlich ist, da die nächste Kelle Erde schon den Gegenbeweis erbringen kann. Die Frage bleibt also wie so viele andere in der Biblischen Archäologie vorerst offen.