|164|Epilog

Nachdem die Biblische Archäologie den ins Leere führenden Nihilismus der 1990er Jahre und der ersten Jahre des neuen Jahrtausends überstanden hat, profitiert sie ungeachtet der fortdauernden Diskussionen über David und Salomo wie auch über die Frage möglicher Fälschungen von neuen Entdeckungen, besonders von neugefundenen Texten.

So hat etwa Aren Maeir von der Bar-Ilan-Universität, der die Philisterstadt Tell es-Safi/Gat ausgräbt, in einer Schicht des 10. oder 9. Jahrhunderts v. Chr. eine Tonscherbe gefunden, auf der vielleicht das antike Äquivalent des Namens »Goliath« eingeritzt ist. Die Scherbe (und der Name) haben zwar fast sicher nichts mit Davids Goliath zu tun, aber der Fund zeigt doch, dass dieser Personenname in der Gegend zu etwa der passenden Zeit durchaus gebräuchlich war.

In Tel Zayit ist Ron Tappy vom Pittsburgh Theological Seminary auf das älteste bisher aus dem Heiligen Land bekannte Beispiel |165|eines geschriebenen Alphabets gestoßen. Es befindet sich auf einem 17 Kilo schweren Kalksteinbrocken, der später in einer Mauer verbaut worden war. Das Abecedarium von Tel Zayit stammt aus dem späten 10. Jahrhundert v. Chr. und ist ein wichtiger Vorläufer in der Geschichte der Schrift; die Ausgräber vermuten, dass »alle nachfolgenden Alphabete der antiken Welt (einschließlich nichtsemitischer wie etwa des griechischen) sich von dem Alphabet ableiten, das auf der Tel Zayit-Inschrift zu sehen ist«.

Und an der Grabungsstätte Khirbet Qeiyafa (vielleicht das antike Schaarajim) hat Yossi Garfinkel von der Hebräischen Universität Jerusalem eine wahrscheinlich aus dem 10. Jahrhundert stammende Tonscherbe mit fünf Zeilen Hebräisch gefunden, geschrieben mit Tinte in einer protokanaanitischen Schrift, einem Vorläufer des hebräischen Alphabets. Die Worte »König«, »Richter« und »Sklave« konnte man sofort erkennen, doch der Rest der Inschrift war so ausgeblichen, dass mit bloßem Auge nichts zu lesen war. Das Ostrakon wurde in die Vereinigten Staaten gebracht, wo Greg Bearman, der früher am Jet Propulsion Laboratory am California Institute of Technology für die NASA gearbeitet und Pionierarbeit bei der Anwendung moderner bildgebender Verfahren in der Archäologie geleistet hat, die verschiedensten Hightech-Systeme in Massachusetts und Kalifornien einsetzte, um weitere Bilder zu bekommen, darunter zwei verschiedene bildgebende Spektrometer (eines, das das gesamte Reflexionsspektrum einer Zeile auf einmal erfasst, und eines, das Bilder sowohl des Reflexions- wie des Fluoreszenzspektrums liefert) und ein bildgebendes Multispektralsystem mit höherer räumlicher Auflösung als die beiden vorhergenannten Methoden. Wenn all diese Bilder analysiert sind, sollte |166|man die ganze Inschrift lesen können; und falls dies wirklich gelingt, könnten diese fortschrittlichen Methoden auch auf einige fragmentarisch erhaltene Qumranrollen und andere antike Inschriften angewendet werden.

Was nichtschriftliche Entdeckungen angeht, so haben die Biblischen Archäologen Tom Levy von der University of California in San Diego und Mohammad Najjar von »Jordan’s Friends of Archaeology« Belege dafür veröffentlicht, dass an der Grabungsstätte Khirbat en-Nahas in Jordanien, wo in der Antike Kupfer geschmolzen wurde, eine etwa sieben Meter dicke Schicht aus Verhüttungsrückständen zu finden ist. Laut Levy kann die Stätte im biblischen Königreich Edom mit der Radiokarbonmethode auf das 10. oder 9. Jahrhundert v. Chr. datiert werden, ist also wohl etwa dreihundert Jahre älter als bisher angenommen – Khirbat en-Nahas könnte so mit den berühmten Kupferminen König Salomos in Verbindung gebracht werden.

In Jerusalem haben Forscher verschiedene wichtige Funde angekündigt, darunter eine Schicht unberührter und noch unausgegrabener Überreste aus der Zeit des Ersten Tempels oben auf dem Tempelberg, die die islamische ›Waqf‹ – eine religiöse Stiftung, die die Aufsicht über das Areal führt – bei Reparaturarbeiten gefunden hat. Die Schicht, die wahrscheinlich aus dem 8. bis 6. Jahrhundert stammt, enthält Keramik, Knochen und andere antike Überreste, die ersten aus dieser Epoche, die man auf dem Tempelberg gefunden hat. Im Zuge derselben Arbeiten auf dem Tempelberg wurde auch eine Mauer gefunden, die wahrscheinlich aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. stammt und vielleicht zu einem Hof des Zweiten Tempels gehörte; falls sich das bewahrheitet, würde es uns helfen, einen |167|ersten Einblick in die Anlage des Tempels zu gewinnen. Etwa zur selben Zeit wurde ein Steinbruch in Jerusalem gefunden, der womöglich die massiven Quader für den Zweiten Tempel lieferte. Es ist der erste Hinweis darauf, dass solche Materialien vor Ort beschafft worden sein könnten. Und schließlich wurde eine riesige Stadtentwässerung aus der Zeit des Jüdischen Krieges im 1. Jahrhundert n. Chr. in Jerusalem gefunden. Sie passt zu der Beschreibung von Josephus, dem jüdischen General, der zum römischen Historiker wurde, von einem Fluchtweg, den man während der römischen Belagerung benutzte.

Ganz offensichtlich bleibt auf dem Feld der Biblischen Archäologie noch viel Spannendes zu entdecken. Das Fach ist nicht neu, wird seit über einem Jahrhundert ernsthaft betrieben, aber es hat mit den modernen Entwicklungen Schritt gehalten. Anfangs waren Hacke und Schaufel die wichtigsten Werkzeuge, heute jedoch setzen Biblische Archäologen neben klassischen Grabungsmethoden auch Magnetometer, Bodenradar, geoelektrische Widerstandsmessung und Satellitenfotografie ein, mit denen sie unter die Oberfläche sehen können, bevor die eigentlichen Grabungen beginnen. Die Radiokarbondatierung wird parallel zu klassischen Methoden zur chronologischen Einordnung wie Keramikseriation und -typisierung verwendet, und Biblische Archäologen arbeiten Hand in Hand mit Spezialisten für keramische Petrographie, Rückstandsanalyse und DNA-Analyse, um eher anthropologisch ausgerichtete Fragen zu Ethnizität, Gender, Handel und der Entstehung von Herrschaft und komplexen Gesellschaftsstrukturen zu beantworten.

Manchmal tragen diese Werkzeuge dazu bei, den biblischen Text zu bestätigen, manchmal nicht. Hin und wieder können die Archäologen |168|die Menschen, Orte und Ereignisse der Bibel lebendig werden lassen. Doch es geht in der Biblischen Archäologie nicht darum, die Bibel zu beweisen oder zu widerlegen; die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, wollen die materielle Kultur der entsprechenden Länder und Zeiten untersuchen und die Kultur und Geschichte des Heiligen Landes über eine Zeitspanne von mehr als zweitausend Jahren hinweg rekonstruieren. Und das an sich ist für Fachleute wie für die breitere Öffentlichkeit schon absolut faszinierend.