Anfang des Jahres hat ein befreundeter Unternehmer einen Preis erhalten als »Sozialunternehmer des Jahres«. Ich habe mich sehr für ihn gefreut. Gleichzeitig fragte ich mich, ob es einen solchen Preis in zehn Jahren auch noch geben wird. Ich denke nicht. Im Jahr 2030 werden wir keine dezidierten Sozialunternehmer mehr brauchen, denn bis dahin wird jeder Unternehmer Verantwortung für die großen Probleme der Welt übernommen haben. Eines der größten Probleme unserer Zeit ist die Klimakrise – und die gilt es anzugehen. Heute.
Bei der Geschwindigkeit, mit der CO2 und andere Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden, könnte der Klimawandel allein aufgrund des steigenden Meeresspiegels etwa 2 Milliarden Menschen aus ihrem Lebensraum verdrängen – vor dem Jahr 2100. Das dürfen wir nicht zulassen.
Denn 97 Prozent der Wissenschaftler sind sich einig, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Wir Menschen müssen also auch dafür sorgen, dass wir den Klimawandel in den Griff bekommen. Climate Action ist das Stichwort. Und hier sehe ich die größte Verantwortung auf Unternehmensseite.
Im Jahr 2030 gehört der CO2-Fußabdruck jedes Unternehmens auf die Executive Agenda und ist Bestandteil unseres Unternehmensalltags. Denn als Unternehmer schauen wir uns kontinuierlich den Umsatz und Profit in unseren Unternehmen an. Da CO2 die wichtigste Währung unseres Jahrhunderts ist, haben wir CO2-Emissionen in unseren Management-Meetings auf Prio 1 gesetzt. Wir tracken diese nicht nur kontinuierlich, sondern managen sie aktiv. Wir prüfen jeden Monat, wie sich der CO2-Fußabdruck verändert und an welchen Stellschrauben wir drehen müssen, um ihn unter einem bestimmten Limit zu halten. Der CO2-Fußabdruck ist zudem an den Erfolg des Unternehmens und die Boni des Managements gekoppelt. Werden die CO2-Ziele nicht erreicht, schrumpft der Bonus.
Der CO2-Fußabruck spielt aber nicht nur auf der obersten Managementebene eine Rolle, sondern auch in den einzelnen Unternehmensbereichen. Jede Abteilung hat ein CO2-Budget und muss dieses aktiv managen. Bei der Planung von Produktionen, Lieferkette oder Marketing- und Sales-Aktivitäten gilt es, die CO2-Emissionen zu berücksichtigen.
Carbon-Management-Plattformen, die Unternehmen direkt an ihre Unternehmenssoftware anschließen können und so die Daten, die den CO2-Emissionen entsprechen, herausfiltern und berechnen, sind ein wichtiger Schritt, um den Kampf gegen den Klimawandel technologisch zu unterstützen.
Für die CO2-Analyse werden die organisatorischen Einheiten zunächst definiert: Welche Standorte gilt es zu berücksichtigen? Wie geht man mit Tochterunternehmen, Joint Ventures und Franchisenehmern um? Wie sollen die Ergebnisse konsolidiert werden? Auf Basis der umfassenden Datenanalyse wird dann der CO2-Fußabruck berechnet, den es sukzessive zu reduzieren gilt.
Außerdem gibt es Maschinen, die Kohlendioxid direkt aus der Luft einfangen. Das in der Luft abgeschiedene Kohlendioxid wird entweder recycelt und als Rohstoff verwendet oder durch sichere Lagerung vollständig aus der Luft entfernt. Laufend werden neue CO2-sparende Produkte auf den Markt gebracht.
Technologische Lösungen allein werden aber nicht ausreichen, solange die Verursacher der CO2-Emissionen nicht aktiv an der Reduktion mitwirken. Unsere Wirtschaft und die Entscheidungen der Unternehmer spielen weiterhin eine tragende Rolle bei der Reduktion der Treibhausgase. Daher haben wir unser Wirtschaftssystem überdacht und arbeiten kontinuierlich an einer neuen nachhaltigeren und widerstandsfähigeren Geschäftswelt.
Wir haben den Purpose der Unternehmen in den Fokus gerückt. Purpose und Profit gehen im Jahr 2030 Hand in Hand, denn Unternehmer wollen wirklich große Wirkung, sprich Impact, erzielen. Das Prinzip »Impact ist eine Gleichung von Purpose und Profit« hat sich mehrheitlich durchgesetzt.
Waren es Angaben des Bundesverband Deutsche Startups zufolge im Jahr 2020 noch 21 Prozent aller deutschen Gründer, die Produkte und Dienstleistungen für den Umwelt- und Klimaschutz anboten, sind es im Jahr 2030 die klare Mehrheit. Entscheidend ist dabei, dass diese Start-ups ihren sozialen und ökologischen Impact direkt in ihr Geschäftsmodell integriert haben. Purpose und Profit sind unwiederbringlich im Business-Modell miteinander verknüpft. Je größer das Unternehmen wird, desto mehr Purpose erzielt es. Die Business-Logik und die Lösung der Probleme der Welt schließen sich nicht aus. Sie gehören zusammen.
So brauchen wir keine dezidierten Sozialunternehmer mehr, da alle Unternehmen sich ihrer Verantwortung gegenüber unserem Planeten bewusst geworden sind und aktiv Purpose und Profit miteinander verknüpfen.
MEINE ZUKUNFTSBAUSTEINE
Wir setzen den CO2-Fußabdruck als wichtigsten KPI unserer Zeit auf die Agenda jedes Management-Meetings.
Wir erfassen mithilfe von Technologie aktiv unsere CO2-Emissionen, werten sie aus und reduzieren sie kontinuierlich.
Wir haben eine Generation von Unternehmen, die Purpose & Profit wahrhaftig zu gleichen Teilen gewichten.
ANNA ALEX ist Gründerin und Chief Customer Officer (CCO) von Planetly, einem Climate-Tech-Unternehmen, das digitale Tools für die Berechnung, den Ausgleich und die Reduzierung von CO2-Emissionen entwickelt. Alex hat erfolgreich den Personal Shopping Service OUTFITTERY aufgebaut. Im Sommer 2019 trat sie der Klimaschutzinitiative Leaders for Climate Action bei, die von mehr als 100 digitalen Unternehmern in Deutschland ins Leben gerufen wurde. Inspiriert von den Zielen der Initiative und verstärkt durch den Wunsch, die Klimakrise aktiv und unternehmerisch anzugehen, gründete Anna Alex gemeinsam mit Benedikt Franke Planetly. Anna Alex studierte Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Psychologie in Freiburg und Paris und begann ihre Karriere im Start-up-Inkubator Rocket Internet. Im Laufe ihrer Karriere wurde sie zu Europas Inspiring Fifty, den »inspirierendsten Frauen in der Technik« und »Junge Elite – Top 40 unter 40« gewählt.