Deutschland – Weltmeister für soziale Innovationen

ANDREAS RICKERT

Deutschland ist das innovativste Land der Welt. Das besagt der Bloomberg-Innovations-Index 2020, nach dem wir Top-Bewertungen in den Bereichen wertschöpfende Produktion, sprich hoch entwickelter Maschinenbau, High-Tech-Dichte und Patentaktivität erreichen. Alles traditionelle Branchen, in denen wir seit Jahrzehnten als Weltmarktführer etabliert sind.

Meine Vision ist es, dass Deutschland auch im Jahr 2030 Innovationsweltmeister ist, und ich wünsche mir, dass wir besonders für unsere Aktivitäten im Bereich Social Innovation ausgezeichnet werden. Denn das ist es, was ich als wichtigstes zukunftsorientiertes Business-Modell betrachte. Wir leisten einen klaren Beitrag zur Lösung der lokalen und globalen Herausforderungen.

Ich sehe dabei vier Elemente, die uns für den Titel innovatives, sozial und gesellschaftlich engagiertes Deutschland im Jahr 2030 ins Rennen schicken werden.

Deutschland steht für Werte

Wir haben einen globalen Ruf als eine moralisch integre Nation und Gesellschaft. Diesem normativen Anspruch werden wir zukünftig auch durch unser Handeln in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft absolut gerecht. Damit schaffen wir nicht nur eine plurale, offene, wertebasierte und starke Gesellschaft, sondern wir ziehen auch Talente und Kapital nach Deutschland.

Deutschland ist radikal innovativ

Wir verstehen die Herausforderung unsere Zeit – gut zusammengefasst in den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN – nicht primär als Probleme sondern auch als Chancen, Chancen für eine bessere Welt und Chancen für wirtschaftliche Entwicklungen.

Im Jahr 2030 haben wir eine neue Generation an Impact-Akteuren, die mit sozialen Innovationen Lösungsansätze für gesellschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen bieten. Ein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal sozialer Innovationen gegenüber anderen Innovationsformen liegt in der Zielsetzung: Bei sozialen Innovationen geht es um die Schaffung eines klaren gesellschaftlichen Mehrwerts beziehungsweise einer sozialen Wirkung (Social Impact).

Vorreiter sind hierbei Start-ups: Bereits 2019 war laut dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor für 83,5 Prozent der Gründer die gesellschaftliche Wirkung bedeutsamer als finanzielle Rendite und für 96,7 Prozent mindestens gleichwertig mit finanzieller Rendite. Ein starkes Zeichen, was in den nachfolgenden Jahren für viel Veränderung in der Start-up-Szene gesorgt hat. Wir sind mittlerweile Vorreiter in Bereichen wie Klimaschutz, beispielsweise mit Ecosia, Ed-Tech mit der Ready School, Food mit SirPlus und sehr vielen nachhaltigen Produkten aus den Bereichen Fashion und Beauty.

Und auch die Großkonzerne erkennen ihre Verantwortung und die Opportunitäten. So legte beispielsweise mit »value balancing alliance« der BASF und anderer Konzerne einen strategischen Ansatz vor, um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der gesamten Wertschöpfungskette zu messen. Damit wurden in der Folge bei der Bewertung von Unternehmen alle Kosten, also sowohl angerichteter Schaden als auch positive Wirkungen, mit einberechnet. Wir treiben auch die deutsche Schlüsselindustrie Mobility nachhaltig voran. Circular Economy und Share Economy sind hierbei treibende Prinzipien. So war etwa Share Now aus dem Zusammenschluss von Daimler und BMW nur der erste Schritt. 2030 sind Autos, Scooter und Roller elektrisch und miteinander verbunden, und Mobility Apps zeigen uns das jeweils beste Verkehrsmittel an, um an unser Ziel zu kommen.

Insgesamt haben wir in den 2020er-Jahren verstärkt in Innovationen investiert und uns dabei darauf konzentriert den rapiden Fortschritt in digitalen Bereichen wie Big Data, IoT, Blockchain, aber auch in anderen neuen Technologiefeldern wie der künstlichen Intelligenz oder der Biotechnologie zugunsten des Gemeinwohls zu widmen.

Was uns erfolgreich gelungen ist, ist die Verknüpfung aller relevanten Akteure in Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, um radikal neue Fragestellungen und Antworten zu erarbeiten, anstatt an der inkrementellen Verbesserung bestehender (und oftmals mangelhafter) Lösungsansätze zu arbeiten. Diverse Programme zur Förderung von Sozialunternehmen, Inkubatoren und Hubs sowie das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) und die Bundesinitiative Impact Investing als Interessenvertretung gegenüber der Politik sind etablierter denn je. Unser Fokus liegt heute darauf, das Potenzial neuer (disruptiver) Technologien für eine weitreichende positive soziale Wirkung auszuloten.

Impact Investing ist Mainstram

Spiegelbildlich zur Impact-Realwirtschaft erlebt Impact Investing eine enorme Dynamik. Grundsätzlich gibt es in 2030 nur nachhaltige Geldanlagen – das heißt, Kapital darf nur angelegt werden, ohne Schaden anzurichten –; und der Anteil von Impact Investing – das heißt, Investments mit beabsichtigten und messbaren positiven Wirkungen – hat sich ausgehend von 6 Milliarden Euro im Jahr 2020 innerhalb von zehn Jahren verzehnfacht.

Private Investoren und VC investieren dabei noch gezielter in Ideen mit sozialer Wirkung, und institutionelle Investoren speisen große Fonds zum Beispiel für Klimainvestments.

Ein großer Katalysator war in den 2020er-Jahren die Mobilisierung von nachrichtenlosen Konten. Bis zu 9 Milliarden Euro von Konten, die keinen Eigentümer*innen zugeordnet werden können, wurden für die Finanzierung sozialer Innovationen verwendet.

Auf staatlicher Seite haben sich in Deutschland insbesondere das BMFSFJ, das BMWi und das BMBF zum Thema soziale Innovationen positioniert und stellen entsprechende Fördermittel zur Verfügung. Ob der übergeordneten Bedeutung des Themas hat das Kanzleramt aber eine koordinierende Funktion übernommen und dem Vorbild von NESTA in UK eine staatliche Agentur für die Stärkung von sozialen Innovationen ins Leben gerufen.

Diese staatlichen Maßnahmen und Mittel werden durch Stiftungen und private Philanthropen flankiert. Hier ist weniger das Volumen entscheidend, sondern der hohe Freiheitsgrad und die Risikobereitschaft dieser Gelder, womit durch Förderungen und Impact Investing besonders innovative, aber auch risikoreiche Ansätze in der Frühphase angeschoben werden können.

In keinem anderen Land wird so viel Kapital für Impact bereitgestellt, und nirgendwo werden so geschickt die verschiedenen Finanzierungsquellen miteinander verzahnt wie in Deutschland.

Berlin: Social Innovation Capital

Damit Innovationen »on the ground« entstehen, braucht es ein stimulierendes Umfeld, ein Cluster. Und Berlin hat hierfür alle Zutaten: eine lange Tradition von sozial-ökologischer Wirtschaft, Forschung und Lehre an Universitäten mit Weltruf, Politik und Verbände, eine hohe Dichte an gemeinnützigen Organisationen und NGOs, eine plurale, kreative und agile Bevölkerung. Und eine besondere Bedeutung in diesem Ökosystem kommt der Social-Entrepreneurship-Szene zu, die sich durch eine hohe Dynamik auszeichnet.

Und so hat sich Berlin in den 2020ern als globaler Vorreiter etabliert – aber auch in anderen Städten Deutschlands hat sich diese Entwicklung immer stärker gezeigt.

Unser Erfolgsrezept: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, indem wir innovative und agile Start-ups fördern und gleichzeitig etablierte Wirtschaftsunternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen involvieren. Eine weitere wichtige Rolle spielen Universitäten und Forschungseinrichtungen, indem Forschungserkenntnisse mit hohem Potenzial zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen in Inkubatoren in die Praxis transferiert und skaliert werden.

Für die Entwicklung von Berlin als weltweit anerkanntem »Social Innovation Capital« sind neben dem Handeln der Innovationen schaffenden Akteuren stimulierende Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung: Ein »Social Innovation Hub« hat eine koordinierende Funktion und verknüpft die einzelnen Player aus den verschiedenen Sektoren. Ein »Social Innovation Fund« hebelt weiteres Kapital und finanziert besonders potenzialträchtige innovative Projekte. Eine klare Kommunikationsstrategie, koordiniert von Berlin Partner, positioniert Berlin im globalen Kontext und zieht so Impact-Investitionen und Talente nach Berlin.

Im globalen Kontext hat Berlin, hat Deutschland, hat die EU mit werbebasiertem Handeln, mit sozialen Innovationen und mit Impact-Kapital klar einen Wettbewerbsvorteil!

DR. ANDREAS M. RICKERT gründete 2010 PHINEO und führt diesen Think-and-Do-Tank seitdem als Vorstandsvorsitzender. Zuvor war Andreas Rickert als Director in der Bertelsmann Stiftung und bei der Weltbank in Washington, D.C., als Senior Governance Specialist. Seine Karriere begann er bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company. Andreas Rickert hat Biologie in Düsseldorf, Davis und Bonn studiert und in Molekularbiologie in Köln und Stanford promoviert. Ferner hat Andreas Rickert mehrere Aufsichtsratsposten bei mittelständischen Unternehmen inne und ist als Impact Business Angel aktiv. Die Mitwirkung in diversen Gremien, wie beispielsweise dem Kuratorium der Studienstiftung des Deutschen Volkes oder dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, rundet das Tätigkeitsprofil ab. Andreas Rickert ist verheiratet und hat drei Töchter.