Deutschland leidet unter Wohnungsnot, rund eine Million zusätzliche Wohnungen werden benötigt. Wir brauchen in Zukunft vor allem günstigen Wohnraum. Allein die Zuwanderung von Geflüchteten erhöht den Bedarf um 400 000 bezahlbare Wohnungen. Und hier liegt die Krux: Mit nur 3,3 Prozent ist der Anteil des sozialen Wohnungsbaus am gesamten deutschen Gebäudebestand im europäischen Vergleich in Deutschland eher gering (Critical Housing Analysis). Heißt: Der Bedarf an Sozialwohnungen kann heute schon nicht gedeckt werden.
Zwei Faktoren behindern die Bautätigkeit: hohe Kosten – auch für Grund und Boden – und zu lange Genehmigungsverfahren.
Eine Lösung liegt in der Digitalisierung. Wenn sich Unternehmen und Verwaltungen gleichermaßen der Digitalisierung öffnen, bleibt damit auch (sozialer) Wohnungsbau weiterhin unternehmerisch interessant. Und: Die existenzielle Notwendigkeit und soziale Aufgabe des Staates, nämlich die Bereitstellung von Wohnraum, wird damit sichergestellt.
Bei uns im Unternehmen arbeiten wir bereits digital und dadurch sehr effizient. BIM (Building Information Modeling) eröffnet uns große Chancen der Produktivitätssteigerung, wenn alle Gewerke in einem 3D-Modell vertreten sind und man genau sehen kann, wo beispielsweise die Durchbrüche für Leitungen sind. Man baut so schneller und auch weniger fehleranfällig, was die Kosten erheblich senkt. Alle Baubeteiligten sind in einer Cloud. BIM ermöglicht es, den gesamten Bauprozess, vom Grundstückskauf bis zur Abnahme, digital zu steuern.
Ein Problem des Baugewerbes ist immer schon die Ineffizienz und der damit einhergehende Verlust an Wirtschaftlichkeit. Es gibt Schätzungen, dass fast 20 Prozent jedes Bauprojekts Nacharbeiten sind. Die Branche erwirtschaftet im Durchschnitt viel zu geringe Gewinnmargen. Das liegt daran, dass die Bauindustrie immer noch auf Werkzeuge und Verfahren angewiesen ist, die teilweise vor über 100 Jahren entwickelt wurden. Robotik auf der Baustelle kann hier die Lösung des Problems sein.
Unternehmen wie Scaled Robotics (aus Barcelona, an dem wir einen kleinen Anteil halten), die digitale Lösungen für den Bau anbieten, modernisieren und verschlanken den Bauprozess, reduzieren die Fehleranfälligkeit um ein Vielfaches und steigern damit die Produktivität.
Nicht nur auf Unternehmensseite muss digitalisiert werden: Gerade in den Verwaltungen könnten wir langwierige Genehmigungsverfahren extrem beschleunigen, wenn digital gearbeitet wird. Das Gegenteil ist der Fall: Bauanträge müssen heute noch x-fach kopiert in den Verwaltungen abgegeben werden – der interne Postverteilweg läuft noch wie im vergangenen Jahrhundert ab. Ständig geht etwas verloren, und man muss nachliefern. Das Resultat: Der Wohnungsbau stockt, und Menschen finden keinen bezahlbaren Wohnraum.
Auch hier ist die Digitalisierung der Schlüssel: Genehmigungsfristen und Verfahren der Baurechtschaffung müssen digitalisiert und damit beschleunigt werden.
Meine Vision als Bauunternehmer: Alle Seiten im Bauprozess können gleichzeitig und remote arbeiten und nicht, wie es heute noch praktiziert wird, nacheinander, was Prozesse natürlich extrem verlangsamt.
Warum arbeiten Verwaltungen denn noch so langsam und veraltet?
Wir haben immer noch einen falschen Glauben an den Staat, dessen Regulierungshoheit wir schützen wie ein schönes Baudenkmal. Wir brauchen eine klare Rechtsordnung als Rahmen. Wenn der Staat aber ins Geschehen eingreift und organisiert, wird es immer langsam oder zu langsam sein. Ohne Digitalisierung hätte nicht ein einziges Unternehmen der Baubranche die Corona-Krise überleben können. Wir sehen hingegen das Theater bei den Schulen während der Corona Krise. Die Bautätigkeit hingegen konnte fortgeführt werden, weil Planungen komplett remote weiterlaufen konnten. Das zeigt doch, dass es auch auf Verwaltungsseite funktionieren kann. Die digitale Entwicklung wurde im Bauwesen komplett verschlafen. Und was noch viel schlimmer ist: Dem Staat wird in diesem Land mehr als der fortschrittlichen Wirtschaft geglaubt.
Bezahlbarer Wohnraum muss nicht bedrückend oder hässlich sein. In der Kosteneffizienz liegt der Schlüssel für attraktiven, preisgünstigen Wohnungsbau. Dem Widerspruch zwischen Kosteneffizienz und architektonischer Qualität wollen wir uns mit einem eigenen Start-up gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern im Bereich digitaler Systembau widmen.
Unser Ziel: Mieten von 8 bis 10 Euro pro Quadratmeter in guten Lagen in Mittelstädten. Das gibt es unternehmerisch so noch nicht in Deutschland. Die Baukosten werden deutlich gedrückt, wir wollen aber trotzdem attraktiv bauen und Menschen schönen Lebensraum bieten. So kann man in Zukunft bezahlbaren Wohnraum in vielen Städten, in denen der Grund und Boden nicht zu teuer ist, schaffen.
Bezahlbarer, attraktiver Wohnraum in Städten bedeutet aber auch, dass man »in die Höhe bauen muss«, insbesondere wenn man weniger Grundfläche versiegeln will. Hierzu planen wir einen ganz neuen Hochhaustyp, einen 50 bis 60 Meter hohen Turm, der preiswert gebaut und architektonisch attraktiv ist. Was mir dabei wichtig ist: Form follows function. Die Architektur soll für die Menschen gemacht sein und einer Ästhetik folgen, die gefällt. Wir planen dabei langlebige und ästhetische Backsteinfassaden aus Fertigteilen. Ein Baumaterial, das zu Recht schon im sozialen Wohnungsbau der 1920er-Jahre zum Einsatz kam. Ein schönes Beispiel aus meiner Heimatstadt Köln ist ein Ensemble des sozialen Wohnungsbaus mit Backsteinfassaden im Klettenberggürtel.
Unsere Vision: Wir wollen durch die Systematisierung der Abläufe, der Vorfertigung im Systembau und ihrer digitalen Planung dann nach außen auch Architektur zeigen, die gut aussieht. Rund 100 Jahre nach der Blüte des sozialen Wohnungsbaus wollen wir eine Renaissance einläuten.
Es gibt schon viele gelungene Beispiele aus Dänemark und den Niederlanden. Im Kopenhagener Stadtteil Bispebjerg zum Beispiel wurde ein Gebäude in Form einer Welle mit hochwertigen Sozialwohnungen geschaffen. Hier zeigt sich, wie gut ein »Wohnblock« aussehen und in den baulichen Kontext der Nachbarschaft integriert werden kann.
In Eindhoven erregt der Bau der »Trudo Vertical Forests« von Stefano Boeri zu Recht Aufsehen. Das wichtige Thema der Grünflächen bei Bauprojekten wird hier vertikal gelöst. Gärten werden in die Höhe gebaut und somit zur Fassade. Urbane Bewaldung in der Architektur kann somit auch zur Verbesserung der Umwelt in Metropolen beitragen.
In Amsterdam begeistert das Gebäude »Terras op Zuid« Bewohner und Anwohner gleichermaßen mit großzügigen Terrassen in Südausrichtung.
Die Beispiele zeigen, dass sozialer Wohnungsbau das Potenzial hat, auch zum Prestigeobjekt für Bauherren und Architekten zu werden, was natürlich dem Standort genauso zugutekommt wie den Bewohnern.
Eines ist klar: Mietpreisbremsen, so wie sie der Berliner Senat durchgeboxt hat, sind das denkbar ungünstigste Mittel, um Wohnraum günstig zu halten. Innenstädte mit gedeckelten Mieten verfallen, so wie Lissabon in den 1970er-Jahren. Keiner will mehr bauen, man senkt den Wert der Wohnungen. Was man so erreicht: Eigentümer wie Mieter werden geschädigt. Es ist ein großer Irrtum des linken Parteienspektrums, Preise kontrollieren zu wollen. Man wird damit keinen sozialen Wohnungsbau begünstigen, das Gegenteil ist der Fall. Mietpreisdeckelung führt zu einer deutlichen Verschärfung auf dem Wohnungsmarkt.
Attraktiver sozialer Wohnungsbau geht aber nie ohne die andere Seite, also die Planungsbehörden und Städte. Sie müssen hier mitspielen, um dem Problem der Unterproduktion von Wohnungen zu begegnen. Das hat einfach viel mit Genehmigungsprozessen und der Verfügbarkeit von Grundstücken zu tun. Hier widersprechen sich oftmals die verschiedenen Ebenen der Politik. Wenn die Bundesregierung 400 000 Wohnungen bauen will, heißt das noch lange nicht, dass dies beispielsweise der Bezirk Köln-Mitte auch so sieht.
Hier kommt es oft zu aberwitzigen Geschichten, wenn zum Beispiel in einer Stadt die Mehrheiten in der Regierung wechseln. Dann wird schon mal um ein Stockwerk gestritten, und ein Baum kann den Ausschlag geben, dass 400 Wohnungen eben nicht gebaut werden. Was mich ärgert: Die Politik verhindert somit den Bau von bezahlbarem Wohnraum für die Menschen.
Das Bau- und Vergaberecht muss dringend reformiert und durch Digitalisierung beschleunigt werden. Der Schlüssel liegt in der Schnelligkeit, um Menschen schlussendlich den Wohnraum zu bieten, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihn brauchen. Wohnraum ist und bleibt eine existenzielle Notwendigkeit.
MEINE ZUKUNFTSBAUSTEINE
Hand in Hand: Roboter und Poliere. Digitale Lösungen für den Bau modernisieren und verschlanken den Bauprozess, reduzieren die Fehleranfälligkeit um ein Vielfaches und steigern damit die Produktivität
Ende des Reglementierungsdschungels: Alle Seiten im Bauprozess arbeiten digital und damit gleichzeitig und remote.
Natur und Beton: Mit der Systematisierung der Abläufe, der Vorfertigung im Systembau und ihrer digitalen Planung zeigen wir Architektur, die gefällt. Rund 100 Jahre nach der Blüte des sozialen Wohnungsbaus läuten wir eine Renaissance ein.
DR. PATRICK ADENAUER studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und schloss sein Studium 1985 als Diplom-Kaufmann ab. Anschließend promovierte er ebenfalls an der Universität zu Köln. Von 1985 bis 1989 arbeitete er bei Peat, Marwick, Mitchell & Co. (heute KPMG) in New York und Düsseldorf. Seit 1989 leitet er zusammen mit seinem Bruder, Paul Bauwens-Adenauer, zuerst als Geschäftsführer und ab 1993 als Geschäftsführender Gesellschafter die Unternehmensgruppe Bauwens. Neben seinen beruflichen Verpflichtungen nimmt er seit vielen Jahren Ämter im öffentlichen Leben wahr, so als Präsident des Family Business Network Deutschland – FBN e. V., als Präsident des Verbandes »Die Familienunternehmer « (2005–2011), als Mitglied im Senat der Deutschen Nationalstiftung, sowie als Aufsichts- und Beirat unter anderem bei der Talanx Bancassurance Holding AG, Vollack Management und Beteiligungen GmbH & Co. KG, DuMont Mediengruppe und der TÜV Rheinland AG. Gesellschaftlich engagiert sich Dr. Patrick Adenauer, gemeinsam mit seinem Bruder Paul Bauwens-Adenauer, beispielsweise als Gründer der Kölner Grün Stiftung.