9.
Freitag, 20. Dezember 2019 Dresden
Ulf Wolters öffnete die Tür zum Hotelzimmer und ließ seinem weltreisenden neuen Freund den Vortritt.
»Wow!« Marco pfiff durch die Zähne. »Schicke Einrichtung.«
Ulf wuchtete seinen großen grünen Rucksack ins Zimmer und schloss die Tür. »Darf man auch erwarten für dreihundert Euro die Nacht. Das würden meine Auftraggeber nie übernehmen.«
Marco sah ihn lächelnd an und zog sich die Mütze mit den Ohrenklappen vom Kopf. »Umso besser, dass wir uns zusammen diese Luxussuite leisten, nicht wahr?«
»Tun wir das nur des Geldes wegen?«, fragte Ulf, obwohl er die Antwort kannte.
Bisher waren sie über anzügliche Andeutungen und eindeutige Blicke nicht hinausgegangen, aber natürlich reichte das, um sich über Marcos sexuelle Ausrichtung sicher sein zu können.
Marco ließ sich auf die Ablage für die Koffer sinken und schnürte seine klobigen Bergstiefel auf.
»Tja, allein hätte ich mir das Zimmer auch nicht geleistet, aber Geld spielt für mich bei der Entscheidung keine Rolle.«
»Sondern?«, fragte Ulf.
Marco zog die Stiefel aus und stand auf. »Ist ganz schön warm hier drinnen!«
Er legte die dicke Jacke ab, unter der er eines dieser Expeditionshemden mit vielen Taschen trug. Das streifte er über den Kopf hinweg ab, das weiße T-Shirt darunter rutschte hoch und entblößte einen flachen, muskulösen Bauch. Die Muskulatur an den Armen war ausgeprägt und sehnig.
Mit ein paar Handgriffen versuchte Marco, sein zerzaustes Haar zu richten, sah danach aber noch verwegener aus.
Es war eine kleine Show, die er gerade abzog, keine Frage.
»Vielleicht lerne ich gern neue Freunde kennen«, beantwortete Marco die Frage und kam auf Ulf zu.
»Geht das bei dir immer so schnell?«
»Das Leben ist kurz, und ich bin auf der Reise.«
Sie standen jetzt ganz dicht beieinander, und Ulf konnte ihn riechen. Marcos Plastikklamotten rochen nach Schweiß.
»Ich beneide dich um dein Leben«, sagte Ulf. »Davon träume ich schon lange, komme aber nicht dazu. Bisher war das Lesen mein Reisen.«
»Lesen ersetzt nicht das wirkliche Reisen«, sagte Marco.
»Nein, aber es ist besser als gar nichts.«
»Verdienst du nicht genug damit, Computer zu reparieren?« Marco wurde mutiger und nestelte am Reißverschluss von Ulfs Jacke herum.
»Es geht so.«
»Vielleicht sollte ich dich einfach mit auf meine Reise nehmen«, schlug Marco vor und zog den Reißverschluss auf.
Ulf zog sich ein winziges Stück zurück. »Vielleicht solltest du vorher duschen, und dann schauen wir mal, ob deine Idee Hand und Fuß hat.«