SÜDCHINESISCHE SEE IN DER NÄHE VON KI-SONG ISLAND
Kurt und Joe machten sich in der Phantom auf den Weg und ließen die Sapphire hinter sich zurück. Sie hatten kurz in Erwägung gezogen, den Air Truck zu benutzen, aber da sie wussten, dass die Vector-Einheiten unter Wasser deponiert worden waren und dass sie auf keinen Fall gesehen werden durften, wenn sie sich der Insel näherten, hatten sie keine andere Wahl.
Nachdem sie sich ein beträchtliches Stück in nördlicher Richtung entfernt hatten, schwenkte die Sapphire auf ihren Kurs ein und folgte ihnen in gemächlicher Fahrt. Sie hatten verabredet, dass die Jacht dicht genug hinter ihnen blieb, um ihnen notfalls Hilfe leisten zu können, aber auch wieder nicht so dicht, dass sie auf der Insel oder auf Emmersons Schiff einen Alarm auslösten.
Während sich die Phantom der Insel näherte, lenkte Joe das flache U-Boot an die Wasseroberfläche, damit Kurt die Tarnkappendrohne der Phantom starten konnte. Die für jedes Radar unsichtbare Drohne hatte breite flache Rotorflügel, die weniger Auftrieb erzeugten als die regulären Rotorflügel, dafür waren sie erheblich leiser. Sie erlaubten der Drohne einen vollkommen unauffälligen Schwebeflug. Dreihundert Meter über dem Grund war die Drohne für das menschliche Ohr nicht mehr wahrnehmbar.
Beim ersten Überflug war keinerlei Aktivität zu sehen. »An der Inselfront nichts Neues«, modifizierte Kurt den Titel eines berühmten Kriegsfilms.
»Siehst du irgendwelche Hinweise darauf, wo sie die Server versteckt haben könnten?«, fragte Joe.
Die Insel war knapp fünf Meilen lang, aber nur einige Hundert Meter breit. Die Küstenniederungen waren mit dichtem Urwald bewachsen, während ein Grat aus vulkanischem Gestein das Rückgrat der Insel bildete und an einem Punkt bis in siebzig Meter Höhe aufragte. Eine Bucht in der Form eines Halbmonds, geschützt von einem vorgelagerten Riff, war das auffälligste Merkmal der nördlichen Seite der Insel, während die südliche Seite deutlich steiler und zerklüfteter aussah. Ein Hafen wurde von einer zerbröckelnden Mole abgeschirmt.
»Die einzigen Hotspots, die ich erkennen kann, befinden sich nicht weit vom Hafen entfernt«, sagte Kurt. »Ein paar windschiefe und baufällige Wellblechhütten und zwei Fahrzeuge mit noch warmen Motorhauben.«
»Der Hafen wäre ein geeigneter Ort«, sagte Joe. »Ebener Grund und einfacher Zugang. Außerdem vor starkem Wellengang geschützt.«
Kurt musste ihm zustimmen. Als er das Dock ins Visier nahm und heranzoomte, fand er noch etwas anderes, das ihre Einschätzung bestätigte – eine einzige große Maschine, die einen neuen und kaum benutzten Eindruck vermittelte. »Als was würdest du dies bezeichnen?«
Joe beugte sich zu dem Monitor vor und studierte das Bild, das die Drohnenkamera übermittelte. »Als Teleskopkran«, sagte Joe. »Er hat genau die richtige Größe, um diese Server auf den Haken zu nehmen.«
»Nimm Kurs auf den Hafen«, sagte Kurt. »Ich packe meine Sachen zusammen.«
Etwa vierhundert Meter vor der Hafenmole verließ Kurt die Phantom . Er trug einen schwarzen Nasstauchanzug und benutzte wieder einen Rebreather, um sich nicht durch aufsteigende Luftblasen zu verraten. Ein Nachtsicht-Headset, das in seine Tauchermaske integriert war, funktionierte in der geringen Wassertiefe im Hafen der Insel weitaus effizienter als das System der Scarab in der Wassertiefe, in der das Wrack der Canberra Swift lag.
Mit kräftigen Beinschlägen passierte er die Mole und gelangte in den geschützten Hafen. Auf der Brust trug er einen Beutel, der mit Sprengladungen gefüllt war, und einen zweiten Beutel mit dem gleichen Inhalt zog er als Reserve hinter sich her. Das zusätzliche Gewicht drosselte sein Tempo so, dass er sich nur relativ langsam seinem Ziel näherte.
Das Erste, was in Sicht kam, war das äußere Ende des Betondocks. Sich am Sockel des Docks entlangtastend, entdeckte er schließlich ein Paar heller Lichtquellen, die ohne das Nachtsichtgerät unsichtbar für ihn geblieben wären.
Er setzte seinen Weg fort, hielt auf die winzigen Lichtpunkte zu und traf auf einen langen achteckigen Zylinder, in dem er einen der verschwundenen Hydro-Com-Server erkannte.
Dies war das erste Mal, dass Kurt eine der Einheiten in natura betrachten konnte. Sie waren größer, als er es sich vorgestellt hatte. Er schwamm näher an sie heran und strich mit der Hand über eine Kohlefaserplatte, die zur äußeren Druckhülle gehörte. Sie hatte eine raue Oberfläche, wie eine Kieselwand. Als er die matt leuchtende Kontrolltafel und eine Kette von LED s erreichte, die dem Wasser ringsum zu einem blau-weißen Leuchten verhalfen, verharrte er.
Dann bewegte er sich zu dem Ring in der Mitte, der sich um das Gehäuse spannte. An diesem Ring waren die Turbinenblätter befestigt, die, von der Wasserströmung angetrieben, rund um die Servereinheit rotierten und auf diese Weise den elektrischen Strom erzeugten, der den Rechner in Gang hielt.
Es handelte sich um ein Design von bemerkenswerter Eleganz, insgesamt schien es ein technisches Wunderwerk zu sein. Kurt empfand fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, wenn er daran dachte, dass er im Begriff war, dieses technische Juwel zu zerstören.
Sich an einem der Haltegriffe an der Außenhülle fixierend, zog er den Beutel mit den Sprengladungen zu sich heran und stellte ihn auf den Meeresboden. Er öffnete ihn und holte die erste Ladung heraus.
Es waren die gleichen Sprengladungen, die sie auch schon am Wrack der Swift eingesetzt hatten, eine Kombination von RDX und Thermit mit über zweitausend Grad Celsius Hitze und einer alles vernichtenden Druckwelle.
Kurt platzierte die Ladungen und stellte den Zeitzünder ein. Während dieser die verstreichende Zeit abzuzählen begann, schwamm Kurt zum zweiten Server, präparierte ihn auf die gleiche Weise und justierte den Zeitzünder dergestalt, dass beide Ladungen im Abstand von nur wenigen Sekunden explodieren würden.
Danach überließ er die beiden Computer der Obhut ihrer Timer und schwamm weiter, um die restlichen Sprengladungen zu verteilen. Bei neutralem Auftrieb im Wasser schwebend, suchte Kurt die Bucht ab. Er schaltete das Nachtsichtgerät auf volle Leistung, immer in der Hoffnung, das Leuchten einer weiteren Kontrolltafel wahrnehmen zu können. In seiner Umgebung sah er nichts anderes als den dunklen Schlick auf dem Grund der Bucht, die Betonwand des Docks und die Rümpfe und Kiele einiger kleiner Boote.
Die anderen Server waren nirgendwo zu sehen.