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»G wendolyn!«, rief Lukas. »Was … was machst du denn hier?« Er war so verdutzt, dass er ganz vergaß, sich den feuchten Sand und die stinkenden Algen aus dem Gesicht zu wischen. Die Begeisterung für das weite Meer, die Wellen und den unendlichen Horizont war schnell wieder verschwunden, dafür war er viel zu verwirrt.

»Das Gleiche könnte ich euch fragen«, gab Gwendolyn wütend zurück. »Eben stehe ich noch mit meinem Bogen auf einer Waldlichtung nahe unseres Dorfs und pirsche mich an den schönsten Rehbock meines Lebens an, und plötzlich stehe ich hier am Strand von …« Sie sah sich auf dem verlassenen Küstenstreifen um. »Ja, wo eigentlich? Bei Ysbaddadens Augenlidern, ich habe keine Ahnung, wo ich bin!«

»Da geht es dir wie uns«, erwiderte Giovanni, der als Erster seine Sprache wiedergefunden hatte. Er seufzte tief. »Das könnte uns nur Senno sagen. Aber so wie es aussieht, ist er verschwunden.«

»Senno?« Gwendolyn musterte Giovanni streng. »Ist das nicht dieser komische Astrologe, der euch das letzte Mal nach Prag gezaubert hat? Soll das heißen, das hat der Bursche jetzt auch mit mir gemacht?«

»Äh, eigentlich nicht«, stotterte Lukas. »Es … es muss sich um ein Versehen handeln …«

»Na, dieses Versehen ist dir vermutlich nicht besonders unangenehm«, entgegnete Paulus grinsend. Die Freunde hatten Lukas schon früher mit Gwendolyn aufgezogen. Ein finsterer Blick von ihr brachte Paulus allerdings auch jetzt schnell zum Schweigen.

Wind zerrte an Lukas’ Kleidern, ein paar Möwen kreischten; in seinen Ohren klang es beinahe höhnisch, so, als würden sie sich über ihn lustig machen. Er hat eine böse Ahnung, warum sie ausgerechnet auf Gwendolyn gestoßen waren. Als Senno sie alle aufgefordert hatte, sich auf Wales zu konzentrieren, hatte Lukas an Gwendolyn gedacht. Ihr Bild war einfach so in seinem Kopf entstanden, er hatte es nicht verhindern können. Er hatte sich nach ihr … gesehnt. War es das gewesen? Jedenfalls hatte dieses Sehnen offenbar dazu geführt, dass nun Gwendolyn hier vor ihnen stand – und Senno verschwunden war.

»Vielleicht erzählt ihr Milchbärte mir erstmal, was das alles soll und wo wir genau sind«, sagte Gwendolyn. Sie legte Bogen und Köcher ab und setzte sich auf einen nahegelegenen Stein. Missmutig ließ sie den Blick über eine Felsenküste schweifen, die nur wenige Meilen entfernt war. Hohe Klippen waren zu erkennen, die von saftig grünem Gras bewachsen waren. Im Hintergrund erhoben sich ebenso grüne Hügel. Schwärme von kreischenden Seevögeln kreisten über dem Meer, die Brandung rauschte an den Strand und trieb Tang und Muscheln an.

»Zumindest ist das hier noch Wales«, fuhr sie fort. Das rieche ich. Das Meer, die salzigen Wiesen, der Schafdung … Kein anderes Land riecht so. Und kein anderes Land hat so schöne Klippen und so grünes Gras.» Sie wandte sich an Lukas. »Lass mich raten. Das alles hat wieder mal mit deiner Schwester und diesem verfluchten Schönborn zu tun?«

Lukas nickte. Dann begann er stockend zu erzählen, wie sie hierhergekommen waren. Noch immer konnte er es nicht fassen, dass Gwendolyn vor ihm stand, hier am Strand von Wales. Mit ihrem wallenden roten Haar und ihrer athletischen, zierlichen Gestalt war sie noch genauso schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Gwendolyn mochte etwa ein, zwei Jahre älter sein als er. Er hatte nie gewagt, sie nach ihrem genauen Alter zu fragen.

»Und dieser dämliche Senno ist nun verschwunden?«, fragte sie, als Lukas schließlich fertigerzählt hatte. Ein paar besonders neugierige Möwen flogen knapp über ihre Köpfe hinweg. »Hast du denn wenigstens das Grimorium noch?«

»Das Grimorium!« Panisch wühlte Lukas in seinem Lederbeutel, das Schatzkästchen mit seinem wertvollen Inhalt war noch da. Er nickte erleichtert. »Das Buch ist unser Pfand, damit Merlin uns gegen Schönborn hilft. Und vielleicht mich und meine Schwester wieder zusammenführt.«

»Doch dafür müssten wir diesen alten Zausel erstmal finden«, brummte Paulus. »Jede Wette, Senno hat uns irgendeinen Blödsinn erzählt und ist auf und davon.«

»Warum sollte er das tun?« Giovanni runzelte die Stirn. »Nein, ich denke, irgendwas ist schiefgegangen. Es muss einen Grund geben, warum Gwendolyn jetzt hier ist und Senno nicht. Hm …«

Giovanni dachte nach, und Lukas hoffte inständig, dass sein Freund nicht zum gleichen Schluss käme wie er selbst. Dass nämlich Lukas die Schuld an der Verwechslung trug.

»Zumindest hat uns Senno noch verraten, wohin die Reise in Wales genau gehen sollte«, sagte Giovanni schließlich. »Nach Avalon …«

»Avalon?« Gwendolyn sah ihn erstaunt an. »Das sagenumwobene Avalon?«

»Eben jenes.« Giovanni nickte. »Die Insel, auf die sich König Artus am Ende zurückzog, als er im Kampf gegen seinen Neffen und Widersacher Mordred schwer verwundet wurde. So berichten es jedenfalls die Sagen.« Er zuckte die Achseln. »Ob es dieses Avalon allerdings wirklich gibt …«

»Aber natürlich gibt es Avalon!«, protestierte Gwendolyn. »Alle Waliser wissen das. Auch wenn die Insel mittlerweile anders heißt.« Sie schaute sich prüfend um. »Tja, dann weiß ich wenigstens, wo wir hier sind.«

»Und zwar?«, fragte Jerome.

»Auf Ynys Enlli, der Insel der zwanzigtausend Heiligen. So nennen wir Waliser diesen Ort. Er liegt im äußersten Westen von Wales.« Sie reckte stolz das Kinn vor. »Es ist unsere heilige Insel, viele Märtyrer sind hier begraben.«

»Für mich sieht die Insel ehrlich gesagt ziemlich öde aus.« Paulus deutete auf den kargen Hügel, der nicht weit von ihnen aufragte. Der Berg sah aus wie ein riesiger glatter Kegel, ohne Bäume, nur mit kargen niedrigen Büschen bewachsen. »Nicht mal ein Wirtshaus scheint es zu geben, nur Schafe! Und dieser Zauberer Merlin soll wirklich hier leben? Ich hatte einen Magierturm erwartet, eine trutzige Burg oben auf den Felsen …«

»Das meinte jedenfalls Senno. Und andere Hinweise haben wir nicht.« Lukas seufzte. »Wir können ja zumindest schauen, ob wir jemanden finden, den wir fragen können.« Er wandte sich an Gwendolyn. »Äh, magst du uns vielleicht begleiten?«

»Schafskopf! Soll ich vielleicht hierbleiben?« Sie grinste. »Zumindest habe ich es nicht so weit heim wie ihr. Bis zu meinem Heimatort sind es nur ein paar Tagesmärsche.« Sie zuckte die Achseln. »Vorausgesetzt, ich finde ein Boot, das mich zum Festland übersetzt. Kommt, wir wollen sehen, ob es sowas wie einen Hafen hier gibt.«

Etwas ratlos folgten ihr die Freunde über den mit schwarzem stinkendem Tang bedeckten Strand. Lukas verfluchte bereits die Idee, nach Wales gereist zu sein. Von Gwendolyn erfuhren sie, dass offenbar nur eine Nacht seit ihrer magischen Reise vom Heiligenberg vergangen war. Doch ohne Senno und Merlin würden sie vermutlich viele Monate zurück in die Pfalz brauchen!

Oder ich nutze das Buch …

Lukas’ Hand ging zum Lederbeutel, unter dem sich kantig die Umrisse der kleinen Truhe abzeichneten. Die Schatulle fühlte sich warm an, fast wie ein pochendes Herz. Lukas zuckte zurück. Er beschleunigte seine Schritte, um wieder zu den anderen aufzuschließen.

Die Insel war nicht groß, vielleicht eine Meile lang und eine halbe Meile breit. Der Hügel im Norden nahm einen großen Teil davon ein. Es gab ein altes verfallenes Kloster, ähnlich wie das auf dem Heiligenberg, und ein paar ärmliche Katen. Ein Hafen war nirgendwo zu entdecken, nicht einmal eine Anlegestelle. Auf Menschen stießen sie nicht, nur auf Schafe. Die Wellen klatschten monoton an den Strand, wo Treibgut und ausgeblichene zersplitterte Bootsplanken lagen. Der graue Horizont und das Meer ringsum kamen Lukas plötzlich nicht nur sehr weit, sondern auch sehr furchteinflößend vor, als wären sie ganz allein auf der Welt.

»Das ist wirklich der trostloseste Ort, den ich kenne!«, murrte Jerome. »Wenn ich da an das hübsche Frankreich denke, mit Tavernen, kleinen Städtchen, hübschen Mädchen …«

Gwendolyn sah ihn böse an, und er verstummte.

»Beleidige nicht mein Land, Froschfresser! Sonst spicke ich deinen Hintern mit Pfeilen, dass du wochenlang nicht sitzen kannst.«

Sie stapften hinüber zu der Klosterruine, doch auch dort war niemand aufzufinden. Nur ein paar freche Möwen, die sie höhnisch krächzend umkreisten.

»Und überall liegt Möwendreck, bäh!«, sagte Jerome und rümpfte die Nase. »Das ist das ödeste …«

Er schwieg, als er erneut Gwendolyns Blick bemerkte.

Als sie die Insel beinahe umrundet hatten, stießen sie doch noch auf jemanden. Unweit vom Strand, in einer grasbewachsenen Senke, befand sich ein verwilderter Garten. Eine hüfthohe Bruchsteinmauer war ringsum aufgeschichtet worden, darin standen ein paar krumme Apfelbäume, die dem Wind trotzten. Auf einem Ast saß ein kleiner Junge und ließ die Beine baumeln. Er musterte sie neugierig, als sie sich ihm näherten.

»Beannachd leibh! «, sprach ihn Gwendolyn auf walisisch an. Der Junge erwiderte den Gruß, und sie wechselten ein paar Worte in ihrer Sprache.

»Wenn ich es richtig verstehe, fragt sie den Knirps eben nach einem Boot«, flüsterte Giovanni den anderen zu.

»Du kannst walisisch?«, fragte Jerome verblüfft. »Vraiment? «

»Nur ein paar Worte, nicht der Rede wert.« Giovanni winkte ab. »In dem Kloster, in dem ich als Novize lebte, war auch ein alter Mönch aus Wales. Ich mag den weichen Klang und …«

»Eure eigene Sprache klingt tatsächlich ziemlich hart und nicht sehr schön«, unterbrach ihn der Junge auf dem Baum plötzlich. Er grinste und zog eine Grimasse. »Als würde man in einen wurmstichigen Apfel beißen und dann laut schmatzen.«

»He, Augenblick mal, du Frechdachs!«, rief Paulus. »Du … du sprichst unsere Sprache?«

Der Junge hob keck den Kopf. »Na, sie ist ja nicht sonderlich schwer. Und fast genauso tumb wie du, Dicker. Wobei französisch noch einfacher ist. Eine Sprache für Kinder.« Er wandte sich an Jerome. »Bonjour, crétin! Ton parfum sent comme un pet d‘écureuil. «

»Was fällt dir ein, Bengel!«, empörte sich Jerome.

»Was hat er gesagt?«, wollte Paulus wissen.

»Das möchte ich nicht übersetzen«, entgegnete Jerome schmallippig. »Es gehört sich nicht, vor allem nicht für einen Dreikäsehoch wie den da.«

Lukas musterte den Jungen aufmerksam. Er mochte etwa sieben oder acht Jahre alt sein, mit einer frechen Stupsnase und Sommersprossen. Er trug einen einfachen Kittel und war barfuß, am Baum lehnte ein Stecken, wie ihn Hirten benutzten. Vermutlich passte er hier auf der Insel auf die Schafe auf. Aber wieso sprach er deutsch und französisch?

Unvermittelt sprang der Knirps vom Ast herunter, griff nach dem Stab und schickte sich an, zu gehen.

»He, Kleiner, nicht so schnell!«, rief Giovanni ihm hinterher. »Wir brauchen eine Auskunft. Wir sind, äh … fremd hier.«

Der Junge blieb stehen und musterte die Gefährten und Gwendolyn spöttisch. »Das sehe ich. Kein Einheimischer wäre so blöd, hier ohne warme, wetterfeste Kleidung herumzulaufen. Stattdessen tragt ihr Waffen. Gegen wen wollt ihr kämpfen? Gegen ein Heer von Schafen?«

Tatsächlich spürte Lukas, wie ihm die Kälte unter die Haut kroch. Vom Meer her blies ein frischer Wind, die Wolken standen tief und sahen nach Regen aus.

»Wir suchen jemanden«, sagte Lukas. »Er heißt Merlin. Ein … Magier. Du kennst ihn nicht zufällig?«

Dass der Knirps fremde Sprachen sprechen konnte, war mehr als auffällig. Vielleicht war er ja sowas wie ein Zauberlehrling von Merlin. Das war immerhin möglich.

»Ihr wollt zu Merlin?«, fragte der Junge. »Na, wenn’s weiter nichts ist. Ich bring euch zu ihm. Was bekomme ich dafür?«

»Wie wäre es mit was Süßem?« Gwendolyn kramte in dem kleinen Beutel an ihrem Gürtel. »Ich glaub, ich hab noch ein wenig getrocknetes Obst, das ich für meinen kleinen Bruder aufgehoben habe …« Sie holte eine Handvoll Nüsse und Dörräpfel hervor und reichte sie dem Jungen. »Hier. Kannst du haben.«

Der Kleine griff beherzt zu und schob sich das ganze Obst auf einmal in den Mund.

»Folgt mir«, sagte er, während er kaute und dabei laut schmatzte. Er griff zu seinem Stab. »Es ist nicht weit.«

Ihr Weg führte sie vom Strand weg auf den Berg zu. Zu dessen Füßen lagen grobe Felsklötze in einem wilden Haufen. Ein paar von ihnen waren offenbar vor Urzeiten aufgerichtet worden, eine Steinplatte diente als Dach. Der Junge ging auf einen Spalt zu, der sich als Eingang entpuppte. Hinter einem stinkenden Ledervorhang schloss eine niedrige Höhle von etwa vier mal vier Schritt an.

Durch Ritzen fiel Tageslicht und gab den Blick frei auf ein heilloses Durcheinander. Überall lagen Felle und schmutziges Geschirr, ein Schachbrett mit umgefallenen Figuren diente offenbar als eine Art Esstisch; an den Wänden hingen seltsame Gebilde aus zusammengebundenen Vogelknochen, aber auch eine sehr wertvoll aussehende Harfe. In der Mitte der Höhle gab es eine Feuerstelle, die Felsen ringsum waren pechschwarz, vermutlich, weil der Rauch nicht sonderlich gut abzog. Lukas rümpfte die Nase. Es roch beinahe so furchtbar wie im Kerker von Burg Lohenstein.

»Bitte schön«, sagte der Junge und wischte sich die vom Dörrobst verschmierten Lippen. »Hier wohnt Merlin.«

Mit leicht angewiderter Miene sah sich Giovanni um. »Hm, das Zuhause eines so mächtigen Magiers hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Weißt du denn, wo Merlin gerade ist? Wir müssten dringend mit ihm sprechen.«

»Na, er ist hier«, erwiderte der Junge.

»Hör mal, zum Narren machen können wir uns selbst«, knurrte Paulus. »Du sagst uns jetzt auf der Stelle, wo Merlin ist, sonst setzt es ein paar Kopfnüsse.«

Der Junge sah ihn trotzig an. »Er steht vor dir, Dicker.«

Paulus’ Mund klappte auf, dann wieder zu.

Stattdessen sprach Gwendolyn: »Jetzt ist wirklich genug mit den Faxen, Kleiner. Ich hab dir Naschwerk gegeben und …«

Der Junge hob plötzlich den Stab und schlug damit auf den Boden. Ein Poltern und Rumpeln ertönte, so, als würde die Höhle jeden Moment einstürzen. Die Felsen ringsum erzitterten. Die Freunde schrien entsetzt auf. Das Gesicht des Jungen lief rot an vor Zorn. Erst jetzt fielen Lukas dessen Augen auf. Irgendwie erschienen sie ihm viel älter als die Augen eines achtjährigen Buben.

Als würden sie zu einem uralten Mann gehören.

»Ich sagte, der Zauberer steht vor euch!«, erklang es donnernd aus dem Mund des Kleinen, er schien zu wachsen, sein Mantel blähte sich. »ICH BIN MERLIN!!!«

So schnell wie der Furor über ihn gekommen war, legte er sich auch wieder. Nun sah der Knabe wieder sehr klein und sehr süß aus. Er sah Gwendolyn bittend an.

»Hast du noch Dörrobst?«

»Moment mal, das … das glaube ich jetzt nicht«, keuchte Jerome. »Dieser Knirps da, dieser Dreikäsehoch soll Merlin sein, der …?«

»Der mächtigste Zauberer der Welt, Lehrer von König Artus, uralt, von seinen Feinden gefürchtet … jaja, ich weiß, blabla …« Der Junge winkte ab. »Seit Jahrhunderten geht das schon so, ich kann es nicht mehr hören! Hat einer mal daran gedacht, wie es sich in so einem uralten Körper lebt?« Er verdrehte die Augen. »Die Knochen tun einem schon beim Aufwachen weh, die Kälte frisst sich ins Gebein! Mal davon abgesehen, dass einem die Zähne ausfallen und man nichts mehr beißen kann. Das ist doch kein Leben!« Er grinste. »Außerdem kann man als Achtjähriger machen, was man will. Vernunft ist was für alte Säcke! Also schlüpfe ich von Zeit zu Zeit eben in einen neuen Körper.«

»Merlin ist ein Kind!« Giovanni stöhnte. »Ich denke, das hat Senno nicht gewusst.«

»Na, ich bin mir da noch nicht so sicher, ob das Merlin ist«, sagte Paulus. Er sah den Knaben argwöhnisch an. »Der macht uns doch nur was vor.«

»So, glaubst du das, Dicker? Na, was hältst du davon? CAPRA MUTABOR!« Der Junge stieß seinen Stab nochmals auf den Boden, und dort, wo Paulus gerade noch gestanden hatte, stand jetzt ein meckernder Ziegenbock.

Ein sehr dicker meckernder Ziegenbock.

»Um Himmels Willen!«, schrie Lukas. Er wandte sich an den feixenden Buben, der offenbar wirklich Merlin war. »Mach das sofort wieder rückgängig. Wir glauben dir ja! Bitte!«

»Keine Sorge, der Spruch hält ohnehin nur ein paar Stunden an. Ich dachte, es wäre eine gute Lektion für ihn. Aber von mir aus …« Merlin klopfte mit seinem Stab erneut auf die Erde, und Paulus stand wieder in der Mitte der Höhle. Er war kreideweiß im Gesicht.

»Zum Teufel, was … was war das?«, keuchte er. »Ich hatte plötzlich Appetit auf Gras …«

»Am besten, du fragst gar nicht erst«, sagte Giovanni. Vorsichtig wandte er sich an den Zauberer. »Ihr seid Merlin, in Ordnung, das haben wir jetzt verstanden. Äh, seid gegrüßt, großer mächtiger Zauberer.« Er hob die Hände. »Keine weiteren Fragen mehr!«

»Dafür habe ich ein paar Fragen«, entgegnete Merlin. »Zum Beispiel, warum seid ihr hier? Und warum sucht ihr mich?«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Lukas. »Vielleicht dürften wir sie Euch erzählen?«

»Bitte.« Merlin wies auf die Felle am Boden. »Macht es euch gemütlich. An guten Geschichten bin ich immer interessiert, mir ist ohnehin stinklangweilig hier.« Der Knabe lächelte. »Ihr könnt übrigens Du zu mir sagen. Habt ihr jetzt noch was von dem Dörrobst übrig oder nicht?«