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D en Rest der Nacht verbrachten sie halb schlafend, halb wachend. Ständig rechnete Lukas damit, dass die weißen Wölfe zurückkämen. Doch sie tauchten nicht wieder auf. Als die Morgendämmerung anbrach, machten sich die Freunde erneut auf den Weg.

»Und wohin jetzt?«, fragte Jerome. Er sah sich im Dickicht um. »Merde! Ich fürchte, wir haben uns in diesem Wald verirrt.«

»Wir müssen nach Süden«, erklärte Giovanni. »Der Kyffhäuser liegt auf der anderen Seite des Gebirges. Das war auf Merlins Karte gut zu erkennen.« Er deutete auf ein paar nahestehende Tannen. »Seht ihr das Moos? Es wächst meist an der Nordseite der Baumstämme, dort, wo weniger Sonne hinkommt und es feuchter ist. So können wir uns orientieren.«

»Schlaumeier.« Gwendolyn grinste. »Vielleicht ist es doch nicht so schlecht, ab und zu ein Buch zu lesen.«

Sie stapften durch den Wald, der tot und irgendwie bedrohlich wirkte. Viele Bäume waren abgeknickt, wie von einem mächtigen Sturm, andere standen als nackte Riesen herum, mit abgeblätterter Borke und abgebrochenen Ästen und Zweigen. Überall lag totes Holz. Es war beschwerlich, sich einen Weg zu bahnen, zumal jetzt immer wieder größere Felsen auftauchten, die umrundet oder bestiegen werden mussten. Ein paar Mal mussten sie größere Umwege in Kauf nehmen, oder sie liefen versehentlich im Kreis, weil das Moos nicht überall an den Bäumen wuchs. So vergingen einige Stunden.

»Wie weit ist es eigentlich hinüber auf die andere Seite des Harzes?«, fragte Paulus irgendwann und rieb sich den Schweiß von der Stirn.

Giovanni zuckte die Achseln. »Da muss auch ich passen. Merlin hat die Karte ja leider ins Feuer geworfen.«

»Was würde ich jetzt für ein gutes Glas Wein in einer Taverne geben«, seufzte Jerome. »Überall nur Felsen und Fichten!«

»Gewöhn dich schon mal an Regenwasser zum Trinken und Pilze und Flechten zum Essen«, murrte Paulus.

Als sie kurze Zeit später über einen besonders großen Felsbrocken kletterten, blieb Gwendolyn plötzlich stehen.

»Schaut!«, rief sie.

Sie standen am Grund einer gewaltigen Schlucht. Links und rechts ragten Felswände in schwindelerregender Höhe auf. Ein Fluss schlängelte sich durch das enge Tal. Es rauschte, toste und gurgelte, an manchen Stellen hatten sich Strudel gebildet, woanders strömte das Wasser pfeilschnell zwischen moosbewachsenen Felsen hindurch. Auf der anderen Seite des Flusses konnte Lukas einen Weg erkennen, der weiter in das Tal hineinführte.

»Der Fluss kommt von Süden«, sagte Giovanni. »Wenn wir ihm stromaufwärts folgen, sind wir schon mal in der richtigen Richtung unterwegs.«

»Dafür müssen wir aber erstmal auf die andere Seite«, brummelte Paulus.

»Nun komm schon, Dicker!« Jerome klopfte ihm auf die Schulter. »Das bisschen Klettern tut dir gut.«

Mit diesen Worten eilte er voraus. Behände sprang Jerome von Fels zu Fels, kletterte hier ein Stück, umrundete hier einen Wasserstrudel. Schon bald hatte er das andere Ufer erreicht und winkte ihnen fröhlich zu.

»Wie eine verfluchte Bergziege«, knurrte Paulus. »Unsereins tut sich da nicht ganz so leicht.«

Lukas dachte daran, dass sich in ihrer Ausrüstung auch ein langes Seil befunden hatte. Das hätten sie jetzt gut gebrauchen können. Jerome war von ihnen der Geschickteste, nur Gwendolyn nahm es vermutlich mit ihm auf. Was bei Jerome wie ein Spaziergang ausgesehen hatte, gestaltete sich vor allem für Paulus als schwierig und vor allem gefährlich. Die Felsen waren schlüpfrig, unter ihren Füßen rauschte der Fluss dahin. Ein paar Mal rutschte Lukas ab und konnte sich gerade eben noch halten, bevor ihn die Fluten zu verschlucken drohten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie endlich das andere Ufer. Nur Paulus fiel am Ende doch noch in das hüfttiefe Wasser.

»Wer lacht, dem rasier ich mit meinem Palasch den Schädel!«, schimpfte er. »Damit das klar ist.«

Schnaufend arbeitete er sich ans Ufer und schüttelte sich wie ein großer nasser Hund.

»Brrr, ist das kalt! Naja, jetzt riech ich wenigstens nicht mehr nach totem Wolf.«

Der Weg auf der anderen Seite war beinahe so breit wie eine Straße, ab und zu waren im Schlamm Fahrrinnen zu erkennen, vermutlich von kleineren Karren. Es ging immer am Fluss entlang. Obwohl es erst Nachmittag war, war es unten im Tal bereits schattig, Schneereste lagen am Wegesrand. Noch nie, auch nicht in seiner Heimat, dem gebirgigen Odenwald, hatte Lukas je so hohe Felswände gesehen. Er starrte hinauf, doch der Rand der Schlucht war von hier unten kaum zu erkennen.

»Bei den alten Griechen gab es einen Fluss, der die Grenze zur Unterwelt darstellte«, sagte Giovanni und sah sich fröstelnd um. »Er hieß Styx. So kommt mir das hier vor.«

»Styx?« Jerome grinste. »Was für ein komischer Name.«

»Naja, so komisch ist der nicht«, erwiderte Giovanni achselzuckend. »Übersetzt heißt er Wasser des Grauens

»Danke für den erbaulichen Schulunterricht, Herr Oberlehrer«, sagte Gwendolyn. »Jetzt fühle ich mich gleich besser.«

Mürrisch setzte sie sich an die Spitze ihrer kleinen Gruppe. Mit Paulus war Gwendolyn die älteste von ihnen. Wieder einmal fiel Lukas auf, dass sie die geborene Anführerin war. Er dachte an gestern Abend, wo sie sich kurz nähergekommen waren. Seit ihrem Gespräch über Magie behandelte ihn die rothaarige Waliserin irgendwie abweisender. Vielleicht kam ihm aber das auch nur so vor.

Wenig später legte sich die Abenddämmerung über das Tal, und noch immer folgte der Weg dem rauschenden Fluss. Immer tiefer drangen sie nun in den Harz ein, der Lukas mit jedem Schritt finsterer und feindseliger erschien. Bald war es so dunkel, dass er glaubte, hinter jedem Stein einen weißen Wolf, eine bucklige Hexe oder einen Riesen zu sehen. Weit oben glaubte er, so etwas wie eine natürliche Plattform auszumachen. Irgendetwas schien sich dort zu bewegen. Waren es Tiere oder Menschen? Oder einfach nur seine Fantasie, die ihm einen Streich spielte …?

Irgendwann tauchte zwischen den Bäumen ein Licht auf. Als die Freunde näherkamen, erkannten sie ein bulliges Haus mit flachem Schindeldach. Es war aus Holz gebaut, gezimmert aus mächtigen Baumstämmen, wie eine Burg. Neben dem Haus standen ein Stall und zwei, drei kleinere Gebäude. Aus dem Schornstein kräuselte Rauch. Hinter den Fensterläden sah Lukas im Lichterschein die Umrisse von Menschen. Sie saßen an Tischen, redeten miteinander und tranken aus großen Humpen.

»Ein Wirtshaus«, sagte Lukas erleichtert. »Wer hätte das in so einer einsamen Gegend vermutet?« Er griff in seine Hosentasche, wo ein paar wenige letzte Kupfermünzen klimperten, das Wechselgeld von seinem Proviantkauf in Münzenberg. »Für einen Eintopf und ein einfaches Lager sollte es noch reichen.«

Er ging auf die Tür zu, über der eine einzelne Laterne hing. Ein schiefes Schild war darunter angebracht.

»Wirtshaus zum Hexenfelsen «, las Giovanni laut vor. »Was für ein einladender Name!«

Lukas öffnete die Tür, und sofort verstummten drinnen die Gespräche. Einige wenige Tranlichter standen auf den Tischen, sodass die Gäste kaum zu erkennen waren. Es mochten etwa ein Dutzend sein, die sich in der Nähe eines brennenden Kamins versammelt hatten, allesamt finstere Gesellen, in einfacher Wollkleidung und mit buschigen Bärten. Einige von ihnen waren ganz rußig im Gesicht. Lukas vermutete, dass es Köhler waren, die in der Nähe ihre Meiler hatten. Ein Wirt in abgeschabter Lederschürze stand an einem großen Fass, aus dem er Bier zapfte. Misstrauisch sah er zu Lukas hinüber.

»Seid gegrüßt«, sagte Lukas und hob die Hand. »Wir suchen eine Bleibe für die Nacht und …«

»Nehmen die beim Heer jetzt schon Kinder?«, krähte einer der Köhler, der einen besonders langen verfilzten Bart trug. Seine Freunde lachten.

»Und Weiber wohl auch«, fügte ein zweiter hämisch an.

»Wir sind keine Soldaten«, erwiderte Lukas. »Nur einfache Reisende auf dem Weg durch das Gebirge.«

»Und seit wann tragen einfache Reisende schwere Waffen?«, fragte der bärtige Köhler mit dem verfilzten Bart, der offenbar der Anführer der Gruppe war.

»Seitdem sich so zwielichtige Kerle wie du hier rumtreiben«, entgegnete Gwendolyn schnippisch. »Und jetzt lasst uns endlich in Ruhe!« Sie winkte dem Wirt. »Von dem Eintopf über dem Kamin hätten wir gerne fünf Portionen, wenn’s genehm ist. Und spart nicht am Brot!«

Sie setzten sich in eine Ecke, und schon bald brachte der Wirt die dampfenden Teller. Hungrig fielen sie über den Eintopf her, der erstaunlich lecker war. Paulus hatte einige seiner nassen Kleidungsstücke neben den Kamin gehängt, wo sie trockneten.

»Möchte nicht wissen, was für ein Fleisch die hier verwenden«, sagte er schmatzend. »Berghammel? Gibt es sowas? Ist gar nicht mal so übel.«

»Diese Köhler schauen immer wieder zu uns rüber«, flüsterte Jerome. »Ich trau denen nicht über den Weg.«

»Und sie uns auch nicht«, sagte Lukas. »Vergesst nicht, wir sind Fremde in dieser Gegend. Wir sprechen einen anderen Dialekt, und dann noch unsere Waffen … Ich an deren Stelle wäre auch vorsichtig.«

»He, Wirt, noch ein Bier!«, rief Paulus und winkte mit seinem leeren Humpen.

Der Wirt schenkte aus einem großen schäumenden Krug nach. »Ich hoffe, ihr könnt auch zahlen«, sagte er drohend.

Lukas schob ein paar Münzen über den Tisch. »Reicht das für ein Nachtlager?«

Der Wirt nahm die Kupfermünzen und rieb sie zwischen seinen fettigen Fingern. »Hier im Wirtshaus ist nichts mehr frei, aber im Stall könnt ihr meinetwegen schlafen.«

»Warum heißt diese Herberge eigentlich Zum Hexenfelsen ?«, erkundigte sich Giovanni.

»Ihr seid eben nicht von hier«, grunzte der Wirt und wischte mit einem Lappen über den Tisch. »Sonst wüsstet ihr, dass nicht weit vom Wirtshaus, oben in den Bergen, ein flacher Felsen ist, auf dem die Hexen tanzen.«

Lukas erinnerte sich an die natürliche Plattform, die er vorher noch gesehen hatte. War das jener Hexenfelsen gewesen?

Die Miene des Wirts verfinsterte sich. »Erst kürzlich hat man wieder eine Hexe dort oben gesehen. Mit roten Haaren, so wie du …« Sein Blick ging hinüber zu Gwendolyn, die trotzig ihre feuerroten Haare schüttelte.

»Nicht jede Frau mit roten Haaren ist eine Hexe«, warf Lukas ein. Er dachte daran, wie seine Mutter einst von Waldemar von Schönborn der Hexerei angeklagt worden war. Vielen unschuldigen Frauen erging es so. Oft reichte es schon aus, dass man rote Haare hatte, eine Hebamme war oder sich mit Kräutern auskannte, um als vermeintliche Hexe auf dem Scheiterhaufen zu landen.

»Mag sein«, brummte der Wirt. »Aber auch nicht alle Fremden sind unschuldige Reisende.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«, herrschte ihn Paulus an.

»Naja, zurzeit streift viel seltsames Volk durch die Berge«, entgegnete der Wirt achselzuckend. »Mehr als sonst. Das will ich damit sagen. Und die verfluchten Tatern stehlen dir den Nachttopf unterm Arsch weg, wenn du nicht aufpasst.«

»Tatern?«, fragte Lukas. »Was soll das sein?«

»Woanders nennt man sie Zigeuner. Diebisches Gesindel! Manche sagen, sie seien mit dem Teufel im Bunde. Verkriechen sich tief in den Wäldern …«

»So wie auch die Harzschützen?«, hakte Lukas nach. Doch sofort bereute er seine Frage.

Die Miene des Wirts versteinerte. »Weiß nicht, wovon du redest, Junge«, sagte er knapp. Er wischte noch einmal über den Tisch und ging.

»Du hättest ihn nicht nach den Harzschützen fragen sollen«, sagte Giovanni leise. »Nun denkt er vermutlich, dass wir zu irgendeiner Söldnergruppe gehören, die nach den Rebellen sucht.«

Tatsächlich ging der Wirt jetzt zu den Köhlern und unterhielt sich mit ihnen. Ab und zu blickten die Männer herüber zu ihrem Tisch.

»Das gefällt mir ganz und gar nicht«, murmelte Jerome und löffelte weiter seinen Eintopf. »Wir sollen auch diese Nacht wachsam sein.«

»Dabei hätte ich so gerne mal ausgeschlafen!«, stöhnte Paulus.

Sie beendeten ihre Mahlzeit, dann standen sie auf und gingen hinüber zum Stall. Ein lahmer Gaul teilte sich dort das Heu mit einer trächtigen Kuh. Eine Leiter führte auf den Boden, wo Stroh ausgebreitet lag. Gwendolyn stieg hinauf, zog ihr Messer und bohrte ein kleines Loch in die Scheunenwand.

»So können wir sehen, wer im Wirtshaus ein- und ausgeht, ohne selbst gesehen zu werden«, erklärte sie. »Wir halten abwechselnd Wache.«

Lukas war hundemüde. Trotzdem gelang es ihm zunächst nicht, einzuschlafen. Zu viel ging ihm durch den Kopf. Seltsamerweise musste er auch immer wieder an seine Schwester denken. Lag es daran, dass er sich Elsa näherte? Seine Hand ging zum Wams, wo immer noch das Grimorium versteckt war. In den letzten Stunden hatte er es ganz vergessen. Doch nun beschäftigte es ihn wieder. Ob Elsa das Zauberbuch vermisste?

Eben erst war Lukas eingenickt, als ihn Jerome auch schon wieder weckte.

»Wach auf!«, flüsterte er. »Irgendetwas geht dort draußen vor.«

Lukas erhob sich hastig und spähte durch das Loch. Einer der Köhler hatte eben das Wirtshaus verlassen. Er eilte über den Vorplatz und war kurz darauf hinter der Scheune verschwunden. Ein einzelner Pfiff ertönte, dann ein weiterer Pfiff, wie eine Antwort. Nun kamen auch die beiden anderen Köhler aus der Herberge. Lukas bemerkte, dass sie lange Dolche trugen. Damit schlichen sie direkt auf den Stall zu.

»Sie kommen!«, zischte Gwendolyn. »Na, die sollen ihr blaues Wunder erleben!«

Mit Bogen und Köcher kletterte sie geschwind die Leiter herunter, die anderen folgten ihr leise. Sie stellten sich hinter die Stalltür und lauschten. Von der anderen Seite waren schon bald flüsternde Stimmen zu hören. Dann öffnete sich langsam die Scheunentür.

In diesem Augenblick trat Paulus mit voller Wucht dagegen. Etwas krachte, und ein Schrei ertönte. Die Tür schwang nach außen auf, davor lag einer der Köhler mit blutender Nase am Boden. Der andere lief mit gezücktem Dolch auf sie zu.

»Das würde ich hübsch bleiben lassen«, sagte Gwendolyn und spannte die Sehne ihres Bogens. Der Pfeil zielte direkt auf die Lenden des Mannes. Gwendolyn grinste. »Oder magst du dir von einer rothaarigen Hexe dein wertvollstes Teil wegschießen lassen?«

Der Köhler hob die Hände und ließ den Dolch fallen, während sein Freund stöhnend vom Stall wegkroch.

»Und sagt euren Freunden Bescheid, dass sie es nicht nochmal zu versuchen brauchen«, rief ihm Paulus hinterher.

»Das müssen sie nicht, denn die Freunde sind schon hier«, hallte eine laute Stimme über den Platz.

Plötzlich tauchten von überall her bewaffnete Männer auf. Es waren bestimmt dreißig, eine halbe Kompanie. Sie trugen dunkle dicke Wollgewänder mit Kapuzen, der eine oder andere hatte einen Lederkürass darüber gezogen oder auf dem Kopf einen schartigen Helm. In ihren Händen hielten sie Kurzschwerter, Spieße und geladene Armbrüste, mit denen sie grimmig auf die Gefährten zielten. Ein großer Mann mit Spitzbart und wallender blonder Mähne trat vor. Als Einziger trug er einen eisernen Brustpanzer, in den Händen hielt er lässig eine Muskete. Er musterte jeden einzelnen der Freunde, und ein spöttisches Grinsen huschte über sein Gesicht.

»Kinder!« Der Mann spuckte auf den Boden. »Jetzt schicken sie schon Kinder. Nun, auch Kinder können Verräter sein. Nehmt ihre Waffen und führt sie ab!«

Lukas erkannte sofort, dass jede Gegenwehr sinnlos war. Die anderen waren einfach zu viele, außerdem hatten sie sich gut postiert. Sie standen in einem weiten Kreis rings um den Stall, vermutlich gab es auch noch ein paar Schützen oben auf den Dächern. Die beiden Köhler hatten vermutlich nur die Aufgabe gehabt, sie herauszulocken. Stumm vor Zorn ließen sich die Freunde ihre Waffen abnehmen.

Der dritte Köhler, der im Wirtshaus das große Wort geschwungen hatte, stand mit rußigem Gesicht neben dem Mann im blanken Eisenkürass.

»Das sind die Kerle und die rothaarige Hexe, Falk«, sagte er. »Meinten, sie seien harmlose Reisende, aber sie haben sich nach uns Harzschützen erkundigt.«

Lukas zuckte zusammen. Offenbar waren die Köhler vom Nachbartisch auch unter den Rebellen. Sie hatten sofort ihre Freunde alarmiert. Wie hatte er nur so dumm sein können und nach den Harzschützen fragen!

»Soso, harmlose Reisende«, sagte der Mann mit dem Spitzbart und der blonden Mähne. Anders als die übrigen schmutzigen Kerle wirkte sein Auftreten herrschaftlich. Er erinnerte Lukas an einen Vogt oder Ritter. Wenn das hier die Harzschützen waren, dann war Falk ganz offensichtlich sowas wie ihr Hauptmann. Er trat auf Lukas zu und sah ihn drohend an.

»Was habt ihr hier im Harz verloren? Redet schon!«

Lukas zuckte die Achseln. »Wie schon gesagt, wir sind einfache Reisende, unterwegs in die Goldenen Aue …«

»In die Goldene Aue, pah! Keiner reist in diesen Zeiten dafür durch den Harz!«, herrschte ihn der Hauptmann an. »Es ist Krieg, Mann! Wenn, dann nimmt man die große Straße am Rand des Gebirges. Also nochmal, was habt ihr hier verloren?«

»Ist es denn verboten, durch den Harz zu reisen?«, erkundigte sich Lukas mit unschuldiger Miene. »Wenn nicht, überlasst es bitte uns, ob der Weg zu gefährlich ist. Oder …«

Der bärtige Köhler versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.

»Keine Frechheiten, Bursche, wenn Falk mit dir redet. Und verkauf uns nicht für dumm! Wir sind die Harzschützen, nicht irgendwelche dahergelaufenen dummen Räuber, denen du Märchen erzählen kannst!«

Lukas musste an sich halten, um nicht zurückzuschlagen. Aber das wäre vermutlich sein Ende gewesen. Er hatte keine Waffe mehr, etliche Armbrüste waren auf ihn angelegt. Außerdem hatte der Köhler recht: Das hier waren gut ausgebildete Soldaten, keine betrunkenen Streuner und Marodeure.

»Lass nur, Lorenz«, wandte sich Falk an den Köhler, der offenbar so etwas wie sein Stellvertreter war. »Wir nehmen sie mit ins Lager. Dort werden wir sie eingehend befragen. Sie werden reden, ganz sicher! Im Höllenschlund hat noch jeder geredet.« Er drehte sich zu seinen Männern um. »Verbindet ihnen die Augen, und zwar gründlich! Wenn sie sich sträuben, blendet sie!«