Vor vier Monaten: Catherine
Mir geht es wohl nicht besonders gut. Ich verbringe zu viel Zeit in meinem Kopf, verliere mich in meiner Traumwelt, und es fällt mir zunehmend schwerer, Einbildung und Realität zu unterscheiden. Wenn ich nicht träume und fantasiere, gestalte ich die Erinnerungen neu, denke mir ein glückliches Ende aus. Um alles wiedergutzumachen, muss man die Zeit zurückdrehen zu dem Zeitpunkt vor fünfzehn Jahren, als wir neunzehn und zwanzig waren und das Leben noch vor uns hatten. Unser Anfang war großartig, daran muss nichts geändert werden. Du stehst neben deinem hellblauen Wagen, unrasiert und ungekämmt, der junge Mann, der meine Welt ergreifen und herumwirbeln wird, bis sie aus dem Lot gerät. Ich sehe eine wunderschöne Zeichnung, die wie durch Zauberhand auf meinem Tisch in der Bibliothek auftaucht. Lunch in einem Blockhaus, und wenn ich mich anstrenge, kann ich die Schreie der Möwen hören und die salzige Luft schmecken.
Dann ein goldgerahmter Spiegel, davor eine junge Frau, die dich im Spiegel ansieht, während du ihre Bluse aufknöpfst, langsam und mit sicherer Hand. Deine Ruhe überwältigt mich, dein ernster Blick, als meine Bluse herabfällt, deine Hände meine Brüste streicheln, dein leichtes Lächeln, als ich mich bewege, mich an dich presse. Bald wirst du mich zum Bett tragen, deine Zunge wird meinen Körper erkunden, jeden Teil berühren und streicheln, nebenbei wirst du deine Kleider abstreifen und dann endlich in mir sein, und es wird wehtun, aber ich will, dass du weitermachst, und du tust es, langsam und behutsam, und dann das Gegenteil von Schmerz, wir umschlingen einander, und vielleicht lache ich, denn ich weiß nur noch, dass dieses unfassbare, berauschende, lustvolle Gefühl andauern soll.
Dann die vielen Nächte, in denen wir eng umschlungen beieinanderliegen, Hand in Hand, Herzlinie an Herzlinie, Lebenslinie an Lebenslinie. Du wirst mir sagen, dass du mich liebst, ich werde dir die Worte ins Ohr flüstern. Es wird lichte Tage geben, mit Kaffee und kleinen Kuchen und einer alten Frau, die mich für jemand anderen hält. Paris, das Gemälde einer Frau im Theater, flackernde weiße Kerzen an einem Altar. Eine Zeichnung von einer jungen Frau, die auf dem Bett kniet, nur bekleidet mit einem weißen Männerhemd. Wie lange hast du für diese Zeichnung gebraucht, zehn Minuten, eine Viertelstunde? Und dennoch hast du den Schwung meiner Haare perfekt abgebildet, die mir damals fast bis zur Hüfte reichten, so lang waren wie nie zuvor. Der schlanke Hals ist vielleicht ein wenig geschönt. Aber der Blick, dieser euphorische Blick, ist lebensecht. Wenn man diesen Ausdruck in jemandes Augen sieht, weiß man, dass derjenige im ersten fieberhaften Rausch neuer Liebe lebt. Ich bin glücklich, zuversichtlich, unverletzbar. Da halten wir die Uhr an.