Vor fünfzehn Jahren
Jack hatte mir zum Geburtstag eine Flasche Tequila geschenkt – was eigentlich ein Geschenk für euch selbst war, denn ich mochte Tequila nicht und hatte die Flasche deshalb auch nicht aufgemacht. Einmal hatte ich Jose Cuervo probiert und beschlossen, dass das Zeug wie Rohrreiniger schmeckte. Ich trank damals, als ich noch Spaß hatte an Alkohol, nur Wein oder Wodka.
»Bei Tequila muss man einfach durchhalten«, sagte Jack eines Abends, als wir mit dir in der Küche saßen und auf die ungeöffnete Flasche blickten. »Wie wenn man Autofahren lernt.«
Er machte die Flasche auf und stellte sie mit seinem typischen Strahlelächeln auf den Tisch zurück.
»Nur Mut«, sagte er. »Trau dich.«
Der Tequila war golden und wurde mit einem Limettenschnitz und der üblichen Prise Salz getrunken. Jack fing an, kippte sich den Inhalt des Glases in den Rachen. Nach dir wurde mir ein Glas gereicht.
»Es ist zu voll«, wehrte ich mich. »Da muss ich bestimmt würgen.«
Ich konnte es nicht leiden, wenn ich mich nicht mehr im Griff hatte. Damals trank ich gerne, bis ich ein bisschen beschwipst war, und fand das dann für den Rest des Abends angenehm. Wollte mich nicht abschießen, wie viele meiner Kommilitonen, und vor allem mit dir zusammen wollte ich wach und präsent sein und alles wahrnehmen. Vielleicht habe ich damals schon intuitiv gespürt, dass wir nicht viel Zeit haben würden. An diesem ganz gewöhnlichen Mittwochabend jedenfalls, der sich mir unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt hat, habt ihr beide mich so ermutigend angelächelt, als sei ich ein kleines Kind.
»Also gut«, sagte ich. »Was soll’s.«
Ich leckte Salz von meinem Handrücken, trank den Tequila auf ex und lutschte dann rasch die Limette aus.
»Gar nicht so schlecht, oder?«, sagte Jack.
»Sogar ziemlich köstlich«, erwiderte ich verblüfft.
»Das liegt daran, dass ich für dein Geburtstagsgeschenk«, der Unterton war ironisch, »ein Vermögen ausgegeben habe. Weshalb ich auch möchte, dass du es mit uns trinkst.«
Ich ließ Jack diese kleine Lüge durchgehen, obwohl ich wusste, dass du den Tequila bezahlt hattest, wie so vieles andere auch.
Der zweite ging schon leichter runter, beim dritten brauchte ich weder Salz noch Limette.
Ich hatte keinerlei Erfahrung mit so einem schnellen heftigen Rausch. Lachanfälle, so stark und andauernd, dass ich auf die Knie sank und mir die Rippen schmerzten. Hemmungen? Was war das? Nach dem vierten Tequila tanzte ich allein, verliebt in die Musik und wohl auch in mich selbst, und ihr beide habt mir vom Sofa aus zugesehen. Du hast gelächelt, Jack hat mich nur beobachtet. Und die Flasche wurde immer leerer.