Vor fünfzehn Jahren
Damals war niemand zu Hause bei dir, deine Freunde waren alle zu der Party gegangen. Wir waren allein, und mein pochendes Herz ahnte, was als Nächstes geschehen würde.
»Das hier ist die Flasche, die ich meinte«, hast du gesagt und sie mir hingehalten. Puligny-Montrachet, klangvolle Worte, die ich noch nie zuvor gehört hatte. »Sollen wir in mein Zimmer gehen?«, hast du gesagt, nachdem du uns zwei Gläser eingeschenkt hattest. »Falls doch jemand von den anderen auftaucht?«
Es kam mir nicht vor wie eine Verführungsszene, als wir nebeneinander auf der Kante deines Doppelbetts saßen. Auch nicht, als du mir das Glas aus der Hand nahmst und es wegstelltest. Wir sahen uns in die Augen, als du mich vor dem Spiegel auszogst, und ich zitterte vor Verlangen, schon vor deiner Berührung. Du trugst mich zum Bett zurück, und deine Lippen wanderten über meinen Körper, gefährlich langsam. Und schließlich lagst du nackt in meinen Armen. Ich hätte noch etwas sagen sollen, aber es war schon zu spät, und ich bin zusammengezuckt und habe unwillkürlich aufgeschrien, als du in mich eingedrungen bist. Worauf du sofort innegehalten hast.
»Gott, Catherine, warum hast du mir das nicht gesagt?«
Wir regten uns beide nicht, sahen uns nur an. Wussten nicht, was wir sagen sollten.
»Mach weiter«, flüsterte ich schließlich und bewegte mich behutsam, und bald ließ der Schmerz nach, und schönere Gefühle nahmen seinen Raum ein, und die ganze Zeit sahst du mich mit einem innigen, ernsthaften Blick an, der meine Lust entflammte. Ich bewegte mich schneller und heftiger, umschlang dich, zog dich mit mir in den Strudel, bis dieses köstliche neue Gefühl, dieses verlangende Ziehen, einen Höhepunkt fand.
»Ich hätte das wissen sollen«, sagtest du hinterher, als wir uns in den Armen lagen und um Atem rangen.
»Wollte ich ja. Ich wollte es gerade sagen, als wir, weiß nicht, die Beherrschung verloren haben.«
»Das kann man laut sagen. Aber warum jetzt? Warum ich? Was ist mit Sam?«
Ich hätte mit den Worten antworten können, die du auch zu mir gesagt hattest. Dass ich dich wunderschön fand. Dass ich jetzt nichts lieber getan hätte, als sofort weiterzumachen. Aber ich war damals darauf bedacht, dein ohnehin recht verwöhntes Ego nicht noch mehr zu hätscheln. Ich wollte nicht zu den Scharen von Mädchen gehören, die dir jederzeit zur Verfügung standen. Stattdessen erzählte ich dir von einem Gespräch mit meiner Mutter, kurz bevor ich mit dem Studium begonnen hatte.
»Ich habe einen Termin bei der Frauenärztin gemacht«, sagte meine Mutter damals, als wir in unserem kleinen Garten in London in der Septembersonne saßen. »Wäre sinnvoll, eine Verhütungsmethode für dich zu finden, bevor du nach Bristol gehst. Vielleicht möchtest du die Pille nehmen?«
Wir sahen uns an und lachten. Ich konnte mit meiner Mutter über alles reden, über Sex oder vielmehr die Abwesenheit von Sex und mein Desinteresse daran.
»Ich hab doch gar keinen Freund. Wieso sollte ich dann die Pille nehmen?«
Sie zuckte die Achseln. »Heutzutage gilt das als verantwortungsvoll, wenn man dafür sorgt, dass die Tochter die Pille nimmt. Vorausschauend und auf Nummer sicher gehen und so.«
Meiner Mutter sagte ich damals nicht, was ich dann dir anvertraute. Dass ich damals nicht wusste, ob es jemals jemanden geben würde, für den ich täglich eine Pille schlucken wollte.
»Ich glaube, ich habe auf dich gewartet.«