Kapitel 6
Ihre reinigende Leber
Das Blut überwachen und filter
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Ihre Leber ist so beschäftigt wie kaum ein anderes Organ Ihres Körpers und von einer regelrechten »Blutautobahn« durchzogen. Wie wir in den bisherigen Kapiteln bereits angesprochen haben, ist Ihr Blut angereichert mit Nährstoffen aus allem, was Sie an Speisen und Getränken verzehren. Außerdem enthält es Medikamente, die Sie einnehmen, gelegentlich vielleicht Alkohol, aber auch Schwermetalle und Chemikalien, mit denen Sie in Berührung kommen, sowie überschüssiges Adrenalin, das möglicherweise ein chronisches Problem für Sie ist. Schließlich wären noch verschiedene Hormone zu erwähnen, die zum Teil aus wirklich schädlichen Quellen stammen, zum Teil aber auch ganz wichtig für die Leber sind, damit sie rasch und in großen Mengen neue Zellen produzieren kann, um geschädigtes und verbrauchtes eigenes Gewebe erneuern zu können.
Als Aufbereitungszentrum Ihres Körpers muss die Leber schon die Spreu vom Weizen trennen können: die Gifte, pathogenen Keime und überschüssigen Fette von Nährstoffen, körpereigenen Hormonen und vielen anderen nützlichen Substanzen, die unser Wohlergehen fördern. Und bei all diesen Stoffen im Blut bemüht sich die Leber auch noch, für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt zu sorgen. Die Überwachung des Bluts beginnt beim lebereigenen Immunsystem. Sehr schnell und differenziert eingreifende weiße Blutkörperchen (Leukozyten) wachen an der Pfortader der Leber, ihrem Hauptzugang, und halten Ausschau nach Viren und Bakterien (mehr dazu im nächsten Kapitel). Von dort verteilt sich das Blut auf kleinere Gefäße und gelangt so in die Tiefe des Organs, wo die Leberläppchen und Kupfferzellen die nützlichen Substanzen sortieren und verteilen und dabei noch Giftstoffe und Pathogene aufspüren, die sich an den Wachtposten hatten vorbeidrücken können.
Eine bahnbrechende neue Lehre
Stellen wir uns die Leberläppchen einmal mehr als Wichtel in einer Fabrik voller Zwerge vor, die in diesem Fall Spielzeug
produzieren. Sie stehen an einem Fließband, das Rohmaterial von außen in die Werkshalle befördert. Ist das da ein kerniges Stück Kiefernholz, aus dem sich ein stabiles Schaukelpferd machen lässt, oder handelt es sich um Balsaholz, das eher für den Flugzeugmodellbau taugt? Sitzen in diesem Klotz vielleicht Käfer, die nicht entkommen dürfen, weil sie sonst die ganze Werkstatt befallen? Könnten diese Bohlen da mit Pestiziden belastet sein? Die Zwerge müssen das beurteilen können, um die Sachen dann entsprechend zu sortieren und zu verteilen. Kupfferzellen sind so etwas wie Kehrmaschinen, mit denen sie ihren Arbeitsplatz sauber halten. Wenn die Wichte (Leberläppchen) Hunger bekommen und etwas zu essen (Glukose) finden, wirkt das auf die Kehrmaschinen oder Besen (Kupfferzellen) belebend, sodass sie ihre Arbeit verrichten können.
Sie und ich wissen, dass diese »Zwerge« und »Zauberbesen« nichts Märchenhaftes haben. Aber wenn man sich anhört, was die wissenschaftliche Forschung zur Interaktion von Leberläppchen und Kupfferzellen und über ihre Rolle für Entscheidungen zur Verwendung der mit dem Blut herangeführten Stoffe zu sagen hat, klingt das durchaus märchenhaft. Man weiß zwar inzwischen, dass bestimmte Zellen mit Reinigungsaufgaben betraut sind, etwa mit der Entsorgung abgestorbener roter Blutkörperchen, aber wie die Leberzellen kommunizieren und wie die Leber sich selbst versorgt und dabei auch noch den ganzen Körper im Auge behält, bleibt ein Rätsel. Die Forschung ist einfach noch nicht so weit, dass sie die ebenso präzisen wie komplexen chemischen Abläufe entschlüsseln könnte, die den Leberzellen miteinander zu kommunizieren erlauben und die Leberläppchen befähigen, das Gute vom Schlechten zu sondern. Vom derzeitigen medizinischen Kenntnisstand aus betrachtet, könnte es sich tatsächlich um Magie handeln, wie hier das Schädliche vom Unschädlichen getrennt wird, wie die Gefahrstoffe entschärft oder entsorgt oder zumindest aus dem Verkehr gezogen werden, wie alles Brauchbare sortiert und gesammelt wird und was sofort in die Zwergenfabrik wandert, um verarbeitet, verpackt und versandt zu werden.
Dass die Leber das Brauchbare sauber vom Giftigen trennt, ist besonders wichtig, denn was mit dem Blut die Leber verlässt, gelangt anschließend ins Herz. Dieses Blut soll sauber sein, und solange die Leber gesund ist, kann man damit auch rechnen. Ihre Leber setzt wirklich alles daran, bedrohliche Giftstoffe abzuwehren und zu entsorgen, die Schaden anrichten würden, wenn sie ihr buchstäblich durch die Lappen gingen. Wie Sie bereits gelesen haben, verstaut sie besonders giftige Substanzen wie Lösungsmittel und Pestizide ganz tief in ihrem Gewebe und achtet ständig darauf, dass vor allem Viren besonders streng separiert werden – das ist auf jeden Fall besser, als dass es ihnen womöglich
gelingt, sich bis zum Herzen oder Gehirn durchzuschlagen.
Doch bevor die Leber solche Gefährder einlagert, damit sie keinen unmittelbaren Schaden anrichten können, wird sie versuchen, alle Kandidaten im Rahmen ihrer normalen Überwachungs- und Filterprozesse zu erwischen und zu entsorgen. Was die Leber ohne große Umstände unschädlich machen kann, wird sie im Rahmen ihrer Routinearbeit erledigen. Normalerweise überlässt sie alles nicht allzu Giftige der routinemäßigen »Müllabfuhr« und spart ihre Kräfte für die wirklich gefährlichen Übeltäter auf. Was sie am Ende weitergibt, gelangt entweder in den Dickdarm (manchmal über die Galle) und wird mit dem Stuhl aus dem Organismus entfernt oder in die Nieren, von wo aus es den Körper mit dem Harn verlässt; oder die Leber ist gezwungen, diese Stoffe ins Blut zu entlassen, wo sie als freie Radikale weiterexistieren. Eine wirklich gesunde Leber, die nicht verunreinigt ist und zu kämpfen hat, gibt aufbereitete Schadstoffe nur zur Ausscheidung an Dickdarm und Nieren weiter, und selbst eine angeschlagene Leber wird mit allen Kräften verhindern wollen, dass wirklich gefährliche Stoffe ins Blut gelangen.
Neutralisierte Schädlinge, die die Leber weiterschicken möchte, werden von den Zwergen (in den Läppchen) chemisch so markiert, dass ihr Bestimmungsort wie beim Trackingaufkleber eines Pakets daraus hervorgeht: Dickdarm oder Nieren. Für die Freigabe von Abfällen spielt der schwammartige Aufbau der Leber eine Rolle. Wenn sie in Not ist – träge und gestaut, mit Giftstoffen überfrachtet, die sie nicht mehr über die Galle entsorgen kann –, entlässt sie die meisten giftigen Schlackenstoffe durch Poren an ihrer Unterseite. Das ist eine Notausscheidungstaktik, die nicht immer gut funktioniert. Solange es gelingt, sind die an der Unterseite der Leber austretenden neutralisierten Schlackenstoffe chemisch so markiert, dass sie von winzigen Blutgefäßen an der Außenseite des Dickdarms eingefangen, dann in größere Blutgefäße geleitet und schließlich vom Dickdarm selbst aufgenommen und ausgeschieden werden.
Versieht die überlastete Leber ihre Arbeit jedoch nur noch mit Mühe, werden auch die Zwerge müde und verpacken (markieren) die Schadstoffe nicht mehr mit der nötigen Sorgfalt. Aus solchen Stoffwechselschlacken ohne Adressaufkleber und Trackingcode, die nicht zugestellt werden können, werden freie Radikale, die womöglich ins Herz gelangen oder mit dem Blut zirkulieren und vielleicht als unzustellbar wieder in der Leber auftauchen.
Der zweite Entsorgungsweg ist wie erwähnt die Galle, mit der Toxine letztlich in den Darm geleitet und ausgeschieden werden sollen. Diesen Weg nutzt die Leber bevorzugt für besonders problematische Abfälle. Auch hier handelt es sich um mikroskopische Abfallpartikel (sie sind so klein, dass viele selbst dem Mikroskop
entgehen würden), aber sie sind so giftig, dass der Körper sie Ihnen unbedingt ersparen und so schnell wie möglich loswerden möchte. Auch deshalb sind Leberfunktionsstörungen mit verminderter Gallebildung ein so großes Problem, denn Gallenflüssigkeit ist entscheidend wichtig für die Entschlackung. Solange alles gut läuft und reichlich Galle zur Verfügung steht, kann die Leber alle Giftstoffe direkt über die Gallenwege in den Darm leiten oder auch in der Gallenblase zwischenlagern, bis vom Darm wieder einmal Gallenflüssigkeit angefordert wird. Ist die Leber jedoch überlastet und dadurch gestaut und träge, können die Zwerge ihr nicht mehr beim Verpacken und Kennzeichnen helfen, und dazu mangelt es auch noch an Gallenflüssigkeit und Sauerstoff zum Ausschwemmen und Zustellen der Schlacken. Am Ende bleibt der Leber nichts anderes übrig, als alles Schädliche bei sich zu behalten.
Wenn die Leber all das Unbrauchbare, das durch sie hindurchfließt, nicht mehr verarbeiten kann, wird das Blut mit immer mehr freien Radikalen, Toxinen und schwach giftigen (und deshalb von der Leber nicht tief im Innern eingelagerten) Stoffen angereichert und dadurch so zähflüssig, dass das Herz immer stärker pumpen muss, um das Blut von der Leber heraufzubefördern. Es ist ungefähr so, als wollte man Pudding mit dem Strohhalm zu sich nehmen; und diese zusätzliche Anstrengung des Herzens erhöht den Blutdruck. Ist die Leber schließlich so verschmiert und verstopft, dass sich Biofilm in Brocken löst und ins Blut gelangt, werden Sie wahrscheinlich Herzflattern bekommen, da diese geleeartige Substanz die Herzklappen verklebt und das Blut in der Folge nicht mehr ungehindert fließen kann. (Darauf gehen wir in Kapitel 18 näher ein.) Das sind nur zwei der möglichen Folgen einer Leberstauung. Im zweiten und dritten Teil dieses Buchs wird von weiteren die Rede sein, etwa von Gewichtszunahme.
Würden wir darüber von Anfang an unterrichtet, hätten wir größte Hochachtung vor der enormen Filterleistung unserer Leber. Stattdessen hören wir eigentlich nur von ihrer Entgiftungsfunktion, die darin besteht, dass sie schädliche Stoffe – auch Drogen und Alkohol – zerlegt, damit der Körper sie weiter abbauen und schließlich ausscheiden kann. Mit der Zeit, heißt es dann weiter, lässt diese Verarbeitungstätigkeit Narbengewebe entstehen, sodass es zu einer Verhärtung der Leber kommt. So weit etwa reicht das medizinische Wissen über die Entschlackungstätigkeit dieses Organs.
Dabei ist das nur ein kleiner Teil dessen, was die Leber auf diesem Gebiet des Schutzes vor gefährlichen Substanzen leistet. Das ganze Ausmaß ihrer geradezu wunderbaren Überwachungs- und Filterleistung, sogar wenn sie überlastet oder krank und dadurch träge oder gestaut ist, blieb der medizinischen Forschung dagegen bisher weitgehend unbekannt. Wenn sie einmal
herausfindet, was die Leber wirklich leistet, wird in der Ärzteschaft und an den medizinischen Fakultäten von einer bahnbrechenden neuen Lehre die Rede sein.
Wir haben nur diese eine Leber
Stellen Sie sich diesen Überwachungs- und Filterprozess als eine Art eingehende medizinische Untersuchung auf Giftstoffe im Blut vor. Die Leber fischt wie gesagt möglichst viele Toxine aus dem Blut, damit sie im Körper keinen Schaden anrichten können. Bestimmte besonders renitente Bösewichte, deren Freisetzung im Moment zu gefährlich wäre, lagert sie wie gesagt einstweilen in ihrem eigenen Gewebe ein, beispielsweise in den Hepatozyten (Leberzellen, auch »Leberepithelzellen« genannt), und wartet einen günstigeren Zeitpunkt für ihre Entsorgung ab, etwa wenn der Mensch sich zu einer gesünderen Lebensweise entschließt. Diese Speicherzellen können sich bei Bedarf noch dehnen, um mehr Giftstoffe aufzunehmen, doch irgendwann verhärten sie, damit die Zellwand nicht reißt und der Inhalt ins Blut übertritt. Für weniger aggressive Gifte setzt die Leber ihre enorm wandlungsfähigen Perime-Zellen ein, die Toxine festsetzen, bis die Leber sie zu neutralisieren und auszuscheiden vermag. Dann sind die Perime-Zellen wieder frei verfügbar und können sich nach dem Bedarf des jeweiligen Augenblicks neu gruppieren und anderen Aufgaben zuwenden.
Hinter der Verhärtung der Hepatozyten zur sicheren Verwahrung besonders gefährlicher Giftstoffe steckt ein von der Leber selbst gebildeter Stoff, der gleichsam die Zellwand tränkt und im Inneren der Zelle die Toxine so miteinander verklebt, dass sich mikroskopische Verwachsungen bilden, die mit der Zeit zu Narbengewebe werden. Ihr Arzt wird Sie möglicherweise auf diese Narbenbildung aufmerksam machen und hinzufügen, das dürfe eigentlich nicht sein. Nun ist Narbengewebe zwar tatsächlich nicht gut für die Funktionsfähigkeit der Leber, aber noch schlimmer wäre es, wenn gefährliche Schlacken und Giftstoffe einfach im Körper unterwegs wären, um andere Organe zu schädigen, etwa das Herz. Hier könnten sie die Bildung von Plaques begünstigen oder sogar eine Vireninfektion im Herzen auslösen. Am Narbengewebe der Leber ist also abzulesen, dass Ihr Körper Sie zu schützen versucht. Zur Gewebeverhärtung kommt es wegen gefährlicher Stoffe, die die Leber einfach nicht auf Ihren Körper loslassen mag – Narben sind das Opfer, das sie erbringt, um Ihnen wirklich Schlimmes wie das Eindringen von Giftstoffen in Herz oder Gehirn zu ersparen.
In einem weiteren chemischen Schritt stellt die Leber einen Stoff her, der weiße Blutkörperchen veranlasst, sich zu einer Art »Weichmacher« für verhärtete Zellen
zusammenzuschließen, in denen Giftstoffe verwahrt werden. Anschließend können weiße Blutkörperchen in die Leberzellen eindringen und Viren abtöten, die sich möglicherweise im Narbengewebe eingenistet haben. Dieses Verfahrens bedient sich die Leber auch dann, wenn wir ihr eine Chance zum Entschlacken geben. Der Weichmacher setzt aus den verhärteten Zellen im Lebergewebe Gifte frei, das dann von den Zwergen (Leberläppchen) verpackt und für die Ausscheidung über Galle und Darm beziehungsweise über die Nieren markiert wird.
Oder denken Sie sich die Leber als den Filter einer Zigarette, der dem Rauch einiges an Nikotin, Teer und anderen Giftstoffen entzieht, bevor er in die Lunge gelangt. Inzwischen wissen wir recht gut, dass der Filter den Rauch nicht unschädlich macht, sondern dass immer noch Gift eingeatmet wird. Auch die Leber kann nicht alle Schadstoffe abfangen, wenn sie in stetigem Strom daherkommen, und genau deshalb betreibt sie die Deaktivierung und Abscheidung, die wir uns im vorigen Kapitel angesehen haben. Ihre Überwachungs- und Filterleistung grenzt ans Wunderbare. Sie schützt uns vor unsäglichem Leid durch Umweltverschmutzung, Gifte und Keime, denen wir täglich ausgesetzt sind, ohne es auch nur zu merken. Sie hält uns am Leben. Ohne sie würde man unser Blut giftig nennen müssen.
Dennoch nimmt sie in unserem Leben keinen Ehrenplatz ein. Vielleicht liegt das an unserer Vorstellung von Filtern aller Art, die wir als austauschbar sehen, als Wegwerfartikel – Staubsaugerbeutel, Wasserfilter, Aquariumfilter, Ölfilter, Poolfilter. Wenn wir sehen, dass sie allmählich voll oder verbraucht sind, können wir sie ausleeren oder entsorgen. Was würden Sie sagen, wenn Sie dieselbe Kaffeefiltertüte fünf Jahre lang Tag für Tag benutzen müssten? Oder wenn Sie Ihr Auto zum Ölwechsel in die Werkstatt bringen und der Mechaniker sagt: »Geht nicht. Der Filter lässt sich nicht wechseln.« Da würden Sie unbedingt wissen wollen, wie man all die Filter wartet, pflegt und sauber hält, die Sie täglich benutzen.
Die Leber ist eben kein Zigarettenfilter für den einmaligen Gebrauch, erledigt, wenn wir die Kippe austreten – immer in dem Bewusstsein, dass die nächste Zigarette ja wieder einen neuen Filter hat. Wir haben nur diese eine Leber, diesen einen kostbaren Filter. Sie ist ein Organ unseres Körpers, unersetzlich (wenn man vom Extremfall einer Lebertransplantation absieht). Die Leber, mit der Sie geboren werden, gehört Ihnen ein Leben lang. Wie Sie wissen, ist sie ein überaus intelligentes Organ mit vielschichtigen Aufgaben und Verfahrenstechniken, und sie kann nur gute Arbeit leisten, wenn sie nicht ständig behindert wird.
Wenn es ernst wir
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Die Leber möchte auf gar keinen Fall, dass eine Giftschlangenbrut in Ihren Blutkreislauf gelangt und sich von dort aus über Ihren Körper hermacht. Wenn Toxine der primären Filtration der Leber entgehen und nicht gleich neutralisiert werden können, springen die bereits erwähnten Perime-Zellen ein, die normalen Leberzellen sehr ähnlich sehen, und übernehmen diese Neutralisation mit einem eigens hergestellten Stoff, der die Gifte aufhält und packt und auf die Entsorgung durch die Kupfferzellen und Leberläppchen vorbereitet.
Bei einer allzu stark geschädigten Leber kann es sein, dass sie nur noch über eine allerletzte Verteidigungslinie verfügt. Die Leber spürt dann, dass sie es nicht mehr schafft, alle Schädlinge zu erfassen, auszusieben, zu entschärfen und schließlich festzusetzen oder zu entsorgen, sondern dass sie drauf und dran sind zu entwischen – und jetzt löst sie einen Alarm aus. Der besteht in einem von der Wissenschaft noch nicht entdeckten chemischen Prozess, den ich »Hepa-Tracking« nenne. Im Wesentlichen besteht er darin, dass die Leber Adrenalin recycelt, welches sie in alltäglichen Stresssituationen aufgenommen hat und in ein chemisches »Tonikum« für Leberzellen und Leberläppchen einbaut, das diesen geradezu übernatürliche Kräfte verleiht. Mit ihnen können sie das Entkommen der Schädlinge verhindern. Dieses Tonikum stimmt außerdem alle anderen Zellen der Leber auf die Beseitigung aller nicht richtig verpackten, entschärften und für die normale Entsorgung adressierten Schadstoffe ein. Da Giftstoffe nur entkommen können, wenn die Leber bereits selbst durch ständige Überlastung vergiftet ist, wird dieser Alarm in der Folge häufig zu hören sein. Da geht es dann drunter und drüber, als würde in der Zwergenfabrik dreimal am Tag die Feuersirene heulen und die Zwerge immer wieder von ihrer normalen Arbeit abhalten.
Die Wende
Wenn Sie sich um Ihre Gesundheit kümmern, zeigt sich das überall in Ihrem Leben. Sie wählen, wo immer es möglich ist, natürliche Produkte und verzichten auf Unnatürliches, zum Beispiel elektrische Lufterfrischer oder konventionelle Haushaltsreiniger mit bedenklichen Chemikalien. Sie distanzieren sich von Modediäten, die Ihre Leber mit Fett überfrachten und ihre Filter verstopfen würden, und wählen stattdessen Ansätze der Leberentschlackung, wie wir sie im vierten Teil dieses Buchs betrachten werden. So kann Ihre Leber viel leichter die wichtige Aufgabe der Qualitätskontrolle erfüllen, weil ihre Zellen nicht mehr randvoll mit Giftstoffen befrachtet sind, sondern mühelos alle Schädlinge identifizieren, entschärfen und
festsetzen, damit sie entsorgt werden können, bevor sie übermächtig werden und Narbengewebe entstehen lassen.
Sollte dieser Prozess der Narbenbildung jedoch bereits eingesetzt haben, können Sie immer noch zu einer geeigneten Leberdiät greifen, um in diesem Organ Heilkräfte zu entfalten, von denen die wissenschaftliche Forschung noch nichts weiß: Sobald Sie Antioxidanzien zu sich nehmen, wie sie vor allem in wilden Heidelbeeren, roten Drachenfrüchten (auch »Pitayas« oder »Pitahayas« genannt) und rotschaligen Äpfeln, aber auch in anderen Obstsorten, in Gemüse, Kräutern und Gewürzen enthalten sind, setzt die Leber einen Stoff frei, der sich an diese Antioxidanzien zu heften vermag. Es entsteht eine komplexe Verbindung, die als Weichmacher fungiert, wie wir es weiter oben bei den weißen Blutkörperchen gesehen haben. Während es jedoch bei den weißen Blutkörperchen darum ging, in die Zelle einzudringen und Viren abzutöten, soll der aus Antioxidanzien gebildete Weichmacher verhärtetes Narbengewebe und andere geschädigte Gewebe erweichen und entlasten, vor allem wirkt er belebend auf die »Zwerge«, die winzigen Leberläppchen, die unter der Last ihrer Giftfracht ächzen und kaum noch arbeiten können. Wo Verwachsungen und Narben erweicht werden, können neue Zellen entstehen, sodass die Leber zu neuem Leben erwachen und sich regenerieren kann. Und anschließend geht es auch Ihnen besser.
Inzwischen dürfte Ihnen klar sein, dass die Leber eines unserer pfiffigsten und tüchtigsten, aber auch eines der am meisten unterschätzten Organe ist. Sie verfügt über ausgefeilte Techniken, mit denen sie uns deckt, wie es nichts und niemand sonst könnte. Ganz besonders gilt das für ihr eigenes Immunsystem, mit dem sie sich und uns schützt.