Kapitel 27
Leber-Emotionalität: Stimmungseinbrüche und Winterdepressio
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Wenn wir jemanden als sehr emotional wahrnehmen, ist es meist so, dass wir diesen Menschen als überempfindlich einstufen und sein Verhalten ein wenig lächerlich finden. Handelt es sich um einen Angehörigen oder müssen wir mit diesem Menschen zusammenarbeiten, werden wir ihn vielleicht trotzdem aussprechen lassen und uns seine Seelennöte anhören. Anderenfalls gehen wir wahrscheinlich eher auf Distanz und fragen lieber nicht nach. In beiden Fällen ist unsere Haltung gegenüber so gefühlsbetonten Menschen nicht ohne Urteile.
Wenn Sie derjenige sind, der emotional reagiert, kommen Ihnen vielleicht Selbstzweifel. Dann mag es zwar sein, dass Sie einen Grund für das plötzliche Stimmungstief angeben können – etwa das nicht rechtzeitig angekommene Päckchen oder die gereizte Reaktion eines Ihnen nahestehenden Menschen –, aber zugleich ahnen Sie auch, dass darin nicht das eigentliche Problem liegt, und Sie sagen sich: »So empfindlich bin ich doch sonst nicht.« Wenn Sie eine Frau sind, schieben Sie es vielleicht auf die Hormone, wie das ja seit Jahrzehnten üblich ist. Sollten Sie zu lange in diesem Loch bleiben, wird Ihnen schließlich jemand in Ihrem Umfeld sagen, dass Sie Hilfe in Anspruch nehmen sollten, um einmal darüber zu sprechen, was Sie so »labil« macht. Jedenfalls käme niemand je auf die Idee, dass die Leber dahinterstecken könnte.
Die Geschichte der Winterdepression
Ein gutes Beispiel für leberabhängige Gefühlszustände ist die sogenannte Winterdepression oder SAD (seasonal affective disorder)
. Es kann eine traurige und düstere Stimmung sein, man fühlt sich ohne ersichtlichen Grund einsam, nicht richtig geschätzt, deprimiert, geschnitten, wenn nicht am Boden zerstört. Das kann richtig
qualvoll werden und sogar Suizidgedanken aufkommen lassen. Hinzu kommen womöglich allerlei Körpersymptome, von einer gewissen Energielosigkeit, die Sie ein bisschen müde und langsam macht, bis hin zu schwerer Erschöpfung, in der Sie nur noch mit Mühe Arme und Beine bewegen können – fast so, als wären die Gelenke entzündet –, und bis hin zu diversen Schmerzzuständen, Konzentrationsproblemen und sogar Gewichtszunahme.
Solange die Gründe für Leiden dieser Art nicht so klar zu erkennen sind, wie ein Aneurysma oder Tumor im MRT, weiß sich die Medizin keinen Rat. In dieser Situation, und das entspricht wohl der menschlichen Natur, sucht man nach möglichen äußeren Ursachen. Dafür ist die Winterdepression ein gutes Beispiel. Inzwischen sind so viele Menschen mit den beschriebenen Symptomen beim Arzt erschienen, dass man einen Zusammenhang mit dem Wetterwechsel in Herbst und Winter zu erkennen glaubte, und so entstand der Name.
Wenn Forscher mit einer solchen Hypothese daherkommen, ist damit längst noch nicht garantiert, dass das medizinische Establishment ihnen zustimmt und die Hypothese dann akzeptierte Lehrmeinung werden kann. In diesem Fall war es aber so, dass die Gesundheitsindustrie den Begriff übernahm, weil er plausibel wirkte und man es sich sparen konnte, hier weitere Forschungsmittel zu investieren. Das alles gehört zwar zur neueren Geschichte, liegt aber immerhin doch so weit zurück, dass chronische Krankheiten noch nicht so verbreitet waren wie heute und außerdem nicht sofort von den Genen die Rede war. Bei der Winterdepression nahmen die Mediziner wenigstens die Symptome der Betroffenen zur Kenntnis, aber die Bezeichnung ist letztlich doch nur eine Attrappe, die nicht erfasst, was da wirklich vor sich geht.
Die heute gültige Erklärung besagt, dass mit Beginn des Winterhalbjahrs unser Serotonin- und Melatoninspiegel sinkt und dadurch die Symptome der SAD entstehen. Viele glauben, dass auch der Vitamin-D-Mangel in der kalten Jahreszeit daran beteiligt ist. Was sagen wir dann aber zu den vielen Menschen, die auch in Frühling und Sommer davon betroffen sind? Oder denen, die hoch dosiertes Vitamin D nehmen und dennoch depressiv bleiben? Den Ärzten fiel wohl mit der Zeit auf, dass die Symptome sich nicht auf die dunklen und kalten Monate beschränkten, sondern auch im Frühjahr und Sommer auftraten. Also erweiterte man einfach die Definition, um nicht nach tieferen Ursachen forschen zu müssen. Winterdepression kann man heute in jeder Jahreszeit, in jedem Monat haben, und das kann doch wohl nur heißen, dass die Medizin diese Störung nicht richtig beschreibt und bezeichnet.
In der Tat gibt es die Winterdepression in Hunderten Spielarten. Würden die Mediziner sie zu klassifizieren versuchen, könnte
ihnen kaum verborgen bleiben, dass hier etwas ganz anderes vor sich geht.
Was ist SAD wirklich? Bei vielen Menschen werden die Symptome, zu welcher Jahreszeit sie auch auftreten mögen, von Jahr zu Jahr schlimmer. Dann können aus den erwähnten leichten Missempfindungen in den Gelenken starke Schmerzen werden, die eine weitere Diagnose nach sich ziehen: rheumatoide Arthritis. Dann war es bei diesen Menschen von Anfang an keine Winterdepression, sondern leichte rheumatoide Arthritis (RA). Wenn Sie meine Bücher Mediale Medizin
oder Medical Food
gelesen haben, wissen Sie, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt, die im Zusammenhang mit einem Virenbefall zu sehen ist. Sicher können die Jahreszeiten eine Rolle für den Verlauf der RA spielen, denn der Winter verlangt dem Körper einiges ab. Viele gesundheitliche Beschwerden verschlimmern sich während dieser Zeit.
Ein weiteres Beispiel für Erscheinungen, die fälschlich der Winterdepression zugeschrieben werden, ist die Empfindlichkeit der Nebenhöhlen. Sobald es draußen kühler wird, sorgt die trockene Heizungsluft in Gebäuden dafür, dass die Nebenhöhlen leicht schmerzhaft werden. Es könnte aber auch sein, dass die Betroffenen einfach an chronischem Flüssigkeitsmangel leiden, durch den auch die Nebenhöhlen trocken und empfindlich werden. Oder es befinden sich dort alte Streptokokkenreste von einer Jahre oder Jahrzehnte zurückliegenden Nebenhöhlenentzündung, die vielleicht Narben hinterlassen hat. Geringgradige Streptokokkeninfektionen der Nebenhöhlen sind keine Seltenheit und hinterlassen eine Empfindlichkeit, die sich in Form von Heuschnupfen, Kopfschmerzen und Nasenbluten äußern kann. Die Verbindung zu den Streptokokken wird dabei meist nicht hergestellt, aber diese Bakterien verstehen es, sich geschickt zu tarnen und ein Leben lang in den Nebenhöhlen zu verschanzen.
»Winterdepression« ist eine besonders deprimierende Fehldiagnose, die sich einfach daran orientiert, dass wir uns an schönen sonnigen Tagen mit mittleren Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit besonders wohl fühlen. Sie ignoriert aber fast alles, was bei uns Menschen gesundheitlich im Argen liegen kann. Betroffenen wird damit die Chance auf Besserung vorenthalten. Natürlich kann sich der Wechsel der Jahreszeiten auf unsere Gesundheit auswirken. Wenn der Winter kommt, gehen wir nicht mehr so viel spazieren, und unsere Lebensmittel sind meist auch nicht die frischesten, schon weil wir nicht mehr so häufig auf den Markt gehen, um uns dort gleich an Ort und Stelle an gerade gepflückten Beeren gütlich zu tun. Manches von dem, was wir normalerweise zur Unterstützung unseres Immunsystems unternehmen, unterbleibt im Winter. Wenn wir da nicht anderweitig für Ausgleich sorgen, werden sämtliche unter der Oberfläche
schlummernden Probleme jetzt offenbar. So gut wie alle an Winterdepression Leidenden erleben mit der Zeit eine Verschlimmerung und bekommen im Laufe ihres Lebens immer neue Diagnosen, weil die eigentlichen Probleme unbehandelt bleiben. Und das betrifft nicht nur RA oder Nebenhöhlengeschichten, sondern es kommt vor, dass man nach einigen Wintern mit wenig Energie im nächsten Winter in eine schwere Erschöpfung abgleitet und daraufhin eine Borreliose diagnostiziert wird. Das kann eine Fehldeutung sein, aber immerhin berücksichtigt sie die Tatsache, dass die Symptome mit der Zeit schlimmer werden. Die Diagnose »Winterdepression« besagt letztlich, dass frühe Anzeichen einer möglicherweise aggressiven Erkrankung nicht ernst genommen werden.
Sprechen wir also noch ein wenig über die Symptome, die der Winterdepression zugeordnet werden. Wenn Sie mit Depressionen, Ängsten, bangen Gefühlen, Traurigkeit, Nervosität, leichter oder schwerer Erschöpfung oder auch mit wechselnden Schmerzen zu tun haben, sollten Sie wissen, dass solche Erscheinungen oft neurologischer Natur sind. Tatsächlich können so gut wie alle mit SAD in Verbindung gebrachten Symptome (außer Gewichtszunahme) neurologisch sein. Da fühlt man sich lebensmüde oder einfach traurig und verloren oder körperlich unwohl – in solchen Fällen stehen das Gehirn oder andere Anteile des Nervensystems unter dem Einfluss tieferer Ursachen, und das ist nicht der Wechsel der Jahreszeiten. Der kann Auslöser sein, ist aber nicht die Ursache.
Schmerzen in den Füßen können auftreten, wenn Ischias- und Schienbeinnerv entzündet sind. Kopfweh, Migräne, Kribbeln und Taubheitsgefühle, die bei Kälte oder feuchter Hitze schlimmer werden, können vom Trigeminus-, Zwerchfell- und Vagusnerv ausgehen. Konzentrationsstörungen haben etwas mit geschwächten Neurotransmittern zu tun. Zu Angst und Depression kann es dann kommen, wenn die Leber mit Viren zu kämpfen hat und anfängt, Neurotoxine ins Blut zu entlassen, oder wenn sie zu viele Arzneistoffe wie Antibiotika aufnehmen muss und beginnt, giftige Metalloxide abzugeben, die ins Gehirn gelangen und dort Kurzschlüsse in der Neurotransmitterchemie auslösen. Die mit einer Winterdepression verbundenen Gefühle – Sie sind ärgerlich, niedergeschlagen oder frustriert, fühlen sich im Stich gelassen, vergessen oder was auch immer – haben mit dem zu tun, was in Ihrer Leber vor sich geht.
Ist die Leber unglücklich, werden Sie insgesamt seelisch instabil. All die neurologischen Symptome, die den Jahreszeiten angelastet werden, entspringen in Wirklichkeit der Leber. Wenn das Blut voller Neurotoxine ist, weil Viren in der Leber ein reiches Nahrungsangebot giftiger Metalle vorfinden, geht es mit stetiger Ausrichtung und Konzentration bergab, da die Toxine
auch ins Gehirn gelangen und dort Kurzschlüsse bei den Nervenimpulsen verursachen. Außerdem können Ärger, Frust und ähnliche Gefühle von einer Leber mit beginnender Verfettung kommen, einer mit zu viel Fett überlasteten Leber, der die Kräfte ausgehen, sodass sie um ihr Überleben kämpft. Ja, die Leber selbst hat auch Gefühle, und die fühlen wir mit. Eine solche trübe Zeit für die Leber kommt bei uns als fast körperlich spürbare Traurigkeit an, als Sorgen, Unleidlichkeit und das Gefühl, irgendwie völlig abgekoppelt zu sein. Nehmen Sie noch die ins Gehirn eindringenden Giftstoffe hinzu und dann alles, was das Leben uns sonst noch ständig abverlangt, und Sie können augenblicklich in einen Zustand kommen, den der Arzt womöglich als »Winterdepression« oder als etwas dieser Entsprechendes bezeichnen wird.
Die emotionale Leber
»Wie kann eine Leber Gefühle haben?«, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Wie Sie wissen, obliegen der Leber über zweitausend chemische Funktionen. Damit verbindet sich die Fähigkeit, selbstständig zu denken; denn schließlich muss sie ja differenzieren können und dann entscheiden, welche Funktion gerade gefragt ist und ausgeführt werden soll. Darüber hinaus speichert sie Informationen und Daten zu unserem Leben. Wenn sie so viele Aufgaben hat und alle beherrscht, sollte sie da nicht auch Gefühle haben? Wir sind keine Roboter, und unsere Leber besteht nicht aus Metall, Drähten und Plastik. Sie ist Fleisch und Blut und mit Intelligenz begabt. Bei einer Lebertransplantation übernimmt man auch etwas vom Spender. Im Gefühlsleben treten beim Empfänger neue und bisher unbekannte Gefühlsregungen auf – neue Wünsche, Gedanken, Überzeugungen, Gewohnheiten, neues Ausdrucksverhalten, neue Nahrungsmittelvorlieben, Hobbys, Träume (vielleicht die des Spenders) und Ambitionen fürs Leben. Das sind die Kräfte der Leber als lebendiger, fühlender, denkender, atmender, wirkender Teil unseres Körpers. Die Leber, Ihre eigene oder eine transplantierte, hat jedenfalls Tag für Tag mehr Entscheidungen zu treffen als Sie, sollte sie da nicht auch Gefühle haben?
Immerhin spielt sie eine gewaltige Rolle für unsere emotionale Verfassung. Dafür sind die Leberspasmen ein sehr gutes Beispiel, die etwas von einem Koller oder Wutausbruch bei uns Menschen haben. Die Leber versucht mit ihren Spasmen, etwas abzuschütteln, oder möchte neue Energie mobilisieren, wenn sie sich irgendwie beengt oder festgehalten fühlt. Manchmal löst sie damit auch bei Ihnen entsprechende Empfindungen aus: Sie fühlen sich dann eingesperrt oder in einer Falle gefangen und möchten am liebsten buchstäblich aus der Haut fahren oder wenigstens nach draußen gehen und ein bisschen laufen
.
Wenn die Leber zu viel Giftiges und Schädliches festhalten muss – Strahlenrückstände, Pestizide, Herbizide, Nanoteilchen, Schwermetalle, Bakterien, Viren und deren Abfälle, etwa Dermatoxine –, kann manches, wie Sie bereits gelesen haben, »überlaufen« und ins Blut beziehungsweise in den Darm gelangen. Dadurch kann es zu den hier erörterten Beschwerden wie Ekzem, Psoriasis und trockener, spröder Haut kommen, die manchmal auch irrtümlich der Winterdepression zugeordnet werden, weil sie sich in der kalten Jahreszeit verschlimmern. Die Gifte können auch mit dem Blut ins Gehirn gelangen und dadurch Gefühle wie »himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt« auslösen, die leicht zur Diagnose einer bipolaren (früher: manisch-depressiven) Störung führen.
Von der Rolle des Adrenalins war schon verschiedentlich die Rede, und so müssen wir uns auch hier das Wechselspiel zwischen diesem Hormon und der Leber vergegenwärtigen. Trennung, Treuebruch, Mobbing – wenn Sie in solchen und ähnlichen Situationen unter Adrenalin stehen, möchte Ihre Leber unbedingt verhindern, dass Sie dadurch Schaden nehmen. Sie bangt dann um Ihr Leben und setzt ein wissenschaftlich noch nicht bekanntes Hormon frei, das Adrenalin in die Leber lockt, wo es jetzt festgehalten werden kann, damit Sie nur ja keine Blutung, keinen Gehirnschlag und keine Funktionsausfälle der Neurotransmitter erleiden. Dieses Zwischenlagern von Adrenalin ist jedoch nur eine vorübergehende Notlösung. Irgendwann muss die Leber die Speicher nach und nach wieder auflösen und zur Ausscheidung an Nieren und Darm übergeben, um in der nächsten Not- oder Stresssituation erneut für überschüssiges Adrenalin aufnahmebereit zu sein. Bei der Auflösung der Adrenalindepots werden Sie die in diesem Hormon gespeicherte Information vielleicht als eine gewisse Wehmut erleben. Das Adrenalin kann vor Wochen oder Monaten oder auch vor einem Jahr eingelagert worden sein, wenn es jetzt wieder abgegeben wird, können Verlustgefühle oder auch Ärger und Frust damit verbunden werden.
Jahreszeitenwechsel sind die von der Leber bevorzugten Perioden für den Abbau ihrer Adrenalinvorräte. Am Herbstanfang setzt sie einiges frei, zu Winterbeginn ist es als vorbeugende Entschlackung ein wenig mehr. Im Frühjahr werden mitunter große Mengen Adrenalin entlassen, und das kann sich bis in den Frühsommer hinein fortsetzen und bedeutet, dass Sie jetzt Gefühle verarbeiten, die bis zu neun Jahre alt sein können – und Sie können dem eigentlich nur ratlos zuschauen, bis das Adrenalin ganz abgebaut und ausgeschieden ist. Als Ihre Leber dieses in der ursprünglichen Stresssituation ausgeschüttete Adrenalin aufnahm, hielt sie damit zugleich auch deren emotionalen Gehalt fest. Wird das Adrenalin jetzt wieder freigesetzt, können
auch die damit verbundenen schmerzlichen Gefühle erneut auftreten. Nun lässt es die Leber wieder los, und auch Sie können sich davon lösen.
Um noch einmal auf Lebertransplantationen zu kommen: Eine transplantierte Leber ist normalerweise voller Adrenalin. Der Empfänger wird, wenn die neue Leber so weit ist, dass sie das Adrenalin wieder freigibt, die gespeicherten Gefühle des Gebers wie Traurigkeit, Verlust oder Leere erneut empfinden. Wenn die Leber nach etwas Bestimmtem hungert, was sie vom Geber nie bekommen hat, wird sie diesen Hunger auch noch nach der Transplantation haben und vielleicht sogar die Vorlieben des Empfängers entsprechend ändern.
Die Symptome der Winterdepression, auch wenn der Name falsch gewählt ist, sind sehr real. Es kann aber sein, dass Sie durch eine falsche Bezeichnung davon abgehalten werden, alles Erforderliche zu tun, damit sich der Zustand nicht verschlimmert. Falsch ist außerdem, dass Menschen mit diesen Symptomen so oft Antidepressiva angeboten werden, denn diese Medikamente reichern sich wiederum in der Leber an und machen ihr so schwer zu schaffen, dass sich die Beschwerden weiter verschlimmern. Bei vielen Menschen sorgen solche Medikamente dafür, dass eine ursprünglich nur im Winter bestehende Depression das ganze Jahr anhält. Damit will ich solchen Medikamenten nicht ihren Wert absprechen, sie können in schweren Fällen, in denen Suizidneigung besteht, lebensrettend sein, bis schließlich mit natürlichen Mitteln echte Erleichterung bewirkt werden kann. Wenn jemand dauerhafte Besserung erfahren soll, müssen wir jedoch wissen, woher das alles kommt. Wir können realen Symptomen und Beschwerden, die aus realen Gründen entstehen, nicht einfach den Stempel »Winterdepression« aufdrücken und meinen, das sei eine Lösung. Hinter SAD stecken Leberstörungen.
Ernährung
Wenn Winterdepressionspatienten vor allem im Spätherbst und zu Winterbeginn Symptome haben, liegt das größtenteils an unseren Essgewohnheiten. Schon die veränderten Licht- und Temperaturverhältnisse versetzen uns in eine Art »Winterschlafmodus«, in dem wir uns anders ernähren als sonst. Zu Halloween gibt es Süßigkeiten über Süßigkeiten. Die Zeitumstellung wirft uns zunächst ein wenig aus der Bahn und lässt uns mehr Kaffee trinken, damit wir länger wach bleiben. Das gibt der Leber eine Menge Koffein zu verarbeiten, noch etwas, was sie zu Ihrem Schutz verstauen muss. Wieder knapp einen Monat später haben wir in den USA Thanksgiving, und da gibt es auch nicht die Erdbeeren, die Salate und die Spaziergänge des Sommers, sondern richtig deftige Sachen. Mit dem Black Friday beginnt eigentlich schon die
Weihnachtszeit mit ihren Einkäufen und manch anderem: Im Büro stehen jetzt Schalen mit Plätzchen, man sitzt öfter mal zusammen und trinkt ein paar Gläschen Wein, Sekt oder Eierpunsch zu viel, und an jeder Ecke lauert irgendwelches Naschwerk. Das mag so aussehen, als würde man sich nur hier und da »ein bisschen was« gönnen, aber es summiert sich. Den Leuten ist nicht klar, wie viel mehr Arbeit sie ihrer Leber in dieser Jahreszeit aufbürden. Wie Sie hier gelesen haben, merken viele auch nicht, wie stark ihre Leber durch all die Jahre der Giftbelastung und schlechten Ernährung schon strapaziert ist. Da kann die Weihnachtszeit der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Jetzt ist die Leber vielleicht gezwungen, das zusätzliche Fett in all diesen winterlichen Leckereien entweder irgendwie zu verstauen (deshalb auch die Gewichtszunahme, zu der es bei vielen in dieser Zeit kommt), oder sie läuft über und gibt das Zuviel wieder ab.
Durch dieses Abgeben kann es gegen Jahresende zu intensiven Gefühlszuständen kommen. Wir haben gesehen, dass Adrenalin, das von der Leber zu bestimmten Zeiten wieder entlassen wird, mit Gefühlen verknüpft ist, und das gilt auch für das jetzt zusammen mit giftigen Schlacken freigesetzte Adrenalin. Denkbar ist zum Beispiel, dass Sie sich bei einer acht Jahre zurückliegenden Beerdigung mit einem Schinkensandwich getröstet haben. Ihr Gehirn verwahrt diese Erinnerung, auch wenn sie Ihnen nicht bewusst ist, und Ihre Leber speichert diese emotionale Ladung zusammen mit den in diesem billigen Schinken enthaltenen Konservierungsstoffen, die sie samt dem ganzen Fett zu Ihrem Schutz eingelagert hat. Aber jetzt, in der Weihnachtszeit, ist sie so überlastet, dass sie einiges von diesem längst vergessenen Sandwich wieder loslassen muss, wodurch Sie einen gewissen Kummer verspüren, weil die alte Trauer jetzt mit diesen Stoffen wieder in Ihrem Blut ist. Dies ist nur eine von Hunderten Möglichkeiten.
Die Leber versucht, die verschiedenen Giftstoffe auseinanderzuhalten und in separaten Speichern aufzubewahren, aber sie hat auch einen Speicher für »Vermischtes«. Wie Sie in Kapitel 5 gelesen haben, kann die Leber eine richtige Mülltrennungsanlage sein. Sicher haben Sie das schon mal auf dem Wertstoffhof gesehen: hier ein Container mit Bauschutt, Toilettenschüsseln, Waschbecken und so weiter, dort Fahrräder, Dreiräder und Kinderwagen, da drüben die verschiedenen Arten von Glas und so weiter. Und dann gibt es noch den Sperrmüll, zu dem alles kommt, was sonst nicht zuzuordnen ist: Betten, Matratzen, Fensterrahmen, Teppiche und so weiter. Dieser Müll macht meist den größten Anteil aus.
So ähnlich geht es der Leber mit ihrem Speicher für Vermischtes, den sie bevorzugt dann beschickt, wenn allzu viel Giftiges
und Fettiges auf sie einstürmt und sie alles möglichst schnell unterbringen möchte, um es später zu verarbeiten. Auf diesen Haufen wirft sie Sachen wie dieses Schinkenbrötchen damals bei der Beerdigung, aber auch Haarspray aus dem Friseursalon, Lufterfrischer aus einem Wartezimmer, in dem Sie ängstlich auf eine Diagnose warteten, und jede Menge Alkohol von einer Grillparty, bei der Ihre Beziehung in die Brüche ging.
Die Leber ist nicht schlampig, sondern wirft all dieses Zeugs gezwungenermaßen erst einmal auf einen Haufen, um es später zu sortieren und getrennt zu verarbeiten. Zu diesem Stadium des Ordnens kann sie aber nur übergehen, wenn wir sie gut behandeln. Die meisten Leute denken nicht daran, der Leber die dafür nötigen Verschnaufpausen zu gönnen. Wir bürden ihr das alles einfach auf, statt auch selbst mal etwas beizutragen. Und da sich die Leber erst einmal um alles andere kümmert, bevor sie das Vermischte aufarbeitet, kommt sie oft nicht dazu. Wenn dann eine Entschlackungsphase fällig ist, damit wieder Neues untergebracht werden kann, wird dieser Haufen aufgelöst – und schon ist das Schinkensandwich mit seinen unzuträglichen Zutaten und all der andere Müll, den die Leber jetzt rauswerfen möchte, mitsamt den daran gebundenen Gefühlen und Gelüsten wieder da. Zu der Wehmut, deren Zusammenhang mit dieser Beerdigung Ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, gesellt sich nun auch noch die Lust auf Schinken …
Bei jeder Detox-Maßnahme, sei sie wohldosiert und für die Leber verträglich oder so rabiat, dass die Leber gezwungen ist, ihren Speicher für »Vermischtes« zu leeren, können alte Gefühle erneut hochkochen. Dazu kommt es in der größten Stresszeit für die Leber gegen Ende Dezember, aber auch, wie wir gesehen haben, während der Übergänge zwischen den Jahreszeiten, in denen sich die Leber gern von überschüssigem Adrenalin befreit. Gelüste sind ein Thema, das Sie bereits kennen, wenn Sie Medical Food
gelesen haben. Lust auf Honigschinken, einen doppelten Bacon-Cheeseburger oder unverträgliche Dinge bedeuten nicht, dass Ihr Körper seinen Bedarf an Eisen oder Eiweiß kundtut. Solchen Gelüsten gibt man am besten gar nicht erst nach, sondern wählt gleich vollwertige Wohlfühlkost nach Art der Rezepte, die Sie in allen meinen Büchern finden.
Die Leber verzeiht alles
Ihre Leber verfügt über einen weiteren Datenspeicher, von dem in diesem Buch schon die Rede war. Es handelt sich um ein Verzeichnis Ihrer Erlebnisse und der Fluktuationen Ihrer Lebensweise. Neben allem anderen, was wir in diesem Kapitel angeführt haben, um zu erklären, weshalb es so oft im Übergang der Jahreszeiten zu
Symptomen kommt, müssen wir jetzt auch noch bedenken, dass Ihre Leber weiß, ob es Ihr Muster ist, in der Weihnachtszeit traurig zu werden. Sie weiß, ob das Jahresende in Ihrer Jugend aus familiären Gründen eine schwierige Zeit für Sie war. Wenn das der Fall ist, wird sie in dieser Zeit »emotional«, und das färbt auf Sie ab, ob Sie es bewusst wahrnehmen oder nicht. Das bedeutet, dass wir unsere Leber in dieser Zeit ganz besonders gut behandeln sollten, statt sie mit Müll einzudecken.
Zum Glück verzeiht die Leber alles. Sie ist unendlich geduldig. Das Einzige, was ihr dabei in die Quere kommen kann, ist Ihr Bewusstsein, sofern es nicht selbst bereits nachsichtig und geduldig ist. Ihre unendlich intelligente und gefühlvolle Leber ist klug genug zu wissen, ob Ihr Bewusstsein sie wirklich im Blick hat oder nicht. Dieses Bewusstsein kann nämlich irrational sein und mit seinen Entscheidungen die Leber belasten, sei es durch schlechte Ernährung, Drogen oder adrenalintreibende Aktivitäten. In diesen Fällen braucht die Leber noch mehr Bereitschaft, von Herzen zu verzeihen – und Herz hat sie tatsächlich, da ihre wichtigste Aufgabe darin besteht, das Herz zu schützen. Dafür muss sie eine Beziehung zu ihm haben, wie eine Mutter vollkommen auf die Bedürfnisse ihres Kindes eingestimmt ist. Ein allzu unbesonnenes, unreifes, irrationales oder egoistisches Bewusstsein gleicht die Leber mit alles überragender und nachsichtiger Seelenstärke aus.
Die emotionale Leber lebt in Ihnen wie in mir. Sie besitzt Herz und Verstand. Sie ist gefühlvoll. So viel ist sicher: Ohne unsere Leber könnten wir nicht leben.