Kapitel 30
Leberzirrhose und Narbengeweb
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Wenn man den Begriff »Leberzirrhose« hört, denkt man gleich an einen unsoliden Lebenswandel, an Alkohol und an Drogen. Das ist keine hilfreiche Perspektive. Es stimmt zwar, dass Substanzmissbrauch eine Leberkrankheit beschleunigen kann, und wie Sie wissen, können Alkohol und Drogen das Immunsystem so sehr schwächen, dass sich ein in der Leber vorhandenes Virus richtig einzunisten und durchzusetzen vermag. Es trifft auch zu, dass derlei Rauschmittel die Leber mit der Zeit schädigen. Das entstehende Narbengewebe kann den Zerstörungsprozess der Leber einleiten. Solange wir uns jedoch darauf beschränken, mit dem Finger auf bestimmte Leute zu zeigen, enthalten wir ihnen nicht nur unser Mitgefühl vor, sondern übersehen auch ein schmutziges Geheimnis.
Perizirrhose
Nehmen wir zugunsten der Medizin einmal an, dass dieses Geheimnis deshalb immer noch nicht gelüftet ist, weil niemand weiß, dass Millionen von Menschen – weltweit über eine Milliarde – mit etwas herumlaufen, was ich »Perizirrhose« nenne, ein Beschwerdebild, für dessen Entdeckung die Medizin noch Jahrzehnte brauchen wird. Ich verstehe darunter ein Übergangsstadium vor der eigentlichen Zirrhose, von dem winzige Stellen in der Leber betroffen sein können.
Alkohol, Drogen und Medikamente sind allgegenwärtig. Sehr viele unserer Zeitgenossen kippen sich gern einen hinter die Binde, und nicht wenige nehmen verschreibungspflichtige Medikamente, einmal ganz davon abgesehen, dass die meisten von uns Viren in der Leber haben. Die Perizirrhose kann zum Beispiel einsetzen, wenn man jeden zweiten Abend ein Glas Wein trinkt, zu häufig Steaks isst und seit über zwanzig Jahren verschreibungspflichtige Medikamente nimmt. In vielen Fällen kommt es nicht wegen Alkohol und anderer schädlicher Stoffe zu Perizirrhose und Zirrhose. Sehr viel mehr Menschen, als irgendwer ahnt, befinden sich im Stadium der Präzirrhose, die in der Medizin zunehmend erkannt wird. (Das ist eine ganz leichte Frühform der Zirrhose, die mit bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht werden kann, aber noch nicht so genannt
wird, denn schließlich möchte man den Leuten ja nicht gleich solch ein Stigma anhängen. Perizirrhose ist ein noch viel früheres Stadium, das nicht sichtbar gemacht werden kann.)
Die Anzeichen der Perizirrhose sind für den Arzt schwer zu erkennen, zumal es sich nicht um ein bereits beschriebenes Krankheitsbild handelt und die Doctores folglich noch nicht über geeignete Instrumente verfügen. Weil sich die Leber in Schwierigkeiten aller Art so gut zu behaupten weiß, werden die Anzeichen von Lebererkrankungen oft nicht gleich sichtbar, auch weil die heutigen Untersuchungsmethoden noch recht begrenzt sind. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit dem Wagen unterwegs. Verfahren können Sie sich kaum, weil das eingebaute Navi oder Ihr Smartphone Ihnen den Weg zeigt und ansagt. Den Benzinstand haben Sie jederzeit mühelos im Auge, der Wetterbericht lässt sich abrufen, die momentane Temperatur wird durchgängig angezeigt, und wenn ein Reifen Luft verliert, gibt der Sensor Ihnen Bescheid. Was, wenn es diese ganzen Warnanzeigen nicht gäbe? Sie wüssten nicht, wie viel Benzin Sie noch haben, welches Wetter zu erwarten ist, wie Sie fahren müssen (der gute alte Stadtplan ist längst nicht mehr im Handschuhfach). Sollten Sie zu allem Überfluss noch den Ölmessstab verloren haben, könnten Sie nicht einmal feststellen, ob der Motor noch lange genug ordentlich geschmiert wird. Sie würden blind umherirren, bis irgendetwas Ihre Fahrt beendet – ein platter Reifen, eine Sackgasse, ein überhitzter Motor, ein Schneesturm. Vergleichbar ist die Situation der Leber in der heutigen Medizin.
Wie Sie in Kapitel 9 gelesen haben, handelt es sich bei den aktuellen Leberuntersuchungen eher um Ratespiele. Es gibt keine zuverlässigen diagnostischen Instrumente, mit denen sich schon vor dem Tag, an dem Sie mit unleugbaren Beschwerden aufwachen, etwas feststellen ließe. Irgendwann treten dann plötzlich rechtsseitige Bauchschmerzen zusammen mit einer gewissen Übelkeit auf, und schon sind Sie beim Arzt oder in der Notaufnahme, wo im MRT, CT, PET oder Ultraschall womöglich größere Leberschäden sichtbar werden, die über die Jahre entstanden sind. Ohne die beschränkte Leistungsfähigkeit unserer derzeitigen Untersuchungsmethoden und ohne die Grenzen unserer Kenntnis, was die Leber angeht, hätte man diese Fehlentwicklung vielleicht schon im Frühstadium abfangen können, als sie noch das Ausmaß hatten, das ich mit dem Begriff »Perizirrhose« beschreibe. Die Leber steht nicht im Mittelpunkt des derzeitigen medizinischen Interesses. Sie wird als eher zweitrangig betrachtet, und die Suche nach Verfahren der Früherkennung von Leberstörungen hat keine hohe Priorität. Deshalb müssen Sie das Heft selbst in die Hand nehmen, wenn es um Ihre Gesundheit geht. Schließlich sind es Ihr Körper und Ihr Leben, die es da
zu schützen gilt. Wenn Sie mit versteckten Leberschäden leben, kann es Ihnen ergehen wie der alten morschen Eiche, die vom Blitz getroffen und gespalten wird, sodass man jetzt den Zerfall erkennt, der schon Jahrzehnte in ihr vor sich gegangen ist. Wenn es der Leber ohnehin schon schlecht geht, kann irgendein weiteres Problem dazu führen, dass sie sich nicht mehr problemlos erholt. So sieht es für jemanden mit einer Perizirrhose aus. Wenn dann noch etwas dazukommt, kann das der Schlag sein, der die Leber endgültig niederstreckt. Machen Sie es Ihrer Leber also nicht so schwer.
Unser Leben lang bekommen wir bei allen Beschwerden Medikamente, aber die können wie gesagt selbst Beschwerden verursachen, wenn wir nicht aufpassen. Wenn Ihnen ein Arzt, der Ihre gesundheitliche Verfassung wirklich gut kennt, Medikamente verschreibt, hat das seine Berechtigung. Es kann nicht einfach Ihr Schicksal sein, mit allerlei Schmerzen oder Ängsten und anderen Symptomen zu leben. Solange Sie jedoch Medikamente einnehmen, müssen Sie in jeder anderen Beziehung gut mit Ihrer Leber umgehen, um einen Ausgleich zu schaffen. Wenn Sie nämlich Medikamente nehmen und Ihre Leber ohnehin schon mit Giftstoffen überladen ist und eine leichte Vireninfektion hat (wie sie bei fast allen gegeben ist) und Sie dann auch noch ein paar Gläschen zu viel trinken, könnte das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Folgen werden sich nicht so schnell zeigen wie bei einem Alkoholiker. Hier schreitet die Krankheit langsamer fort. Es führt aber schließlich zum gleichen Ergebnis.
Narbengewebe in der Leber
Bei Zirrhose wird das Lebergewebe schneller geschädigt, als es sich erneuern kann. Abermillionen Menschen haben Narbengewebe in diesem Organ. Dazu kommt es beispielsweise, wenn sich dort zu viele Giftstoffe befinden und die Leber dadurch gestaut ist. In vielen Fällen treten entzündliche Reaktionen auf, weil sich Viren hier aufhalten, manchmal sogar verschiedene Arten. Wenn aggressive Viren oder Bakterien den für die Pfortader und Leberarterie zuständigen Leukozyten entwischen, entgehen sie der Inhaftierung und Festsetzung und nutzen ihre Freiheit, um weiter Schaden anzurichten. Das Epstein-Barr-Virus beispielsweise treibt sich gern ohne Erlaubnis so herum und sorgt dafür, dass sich Narbengewebe bildet. Davon weiß die Medizin nichts.
Zur Bildung von Narbengewebe kommt es immer wieder, wenn den Leberzellen nicht genügend Zeit bleibt, sich zwischen den Wellen schädigender Einflüsse zu regenerieren. Das können ungeeignete Nahrungsmittel, giftige Stoffe im Blut, Pestizide und andere Chemikalien, Medikamente und dergleichen sein. Bei vielen ist erst
Narbengewebe zu erkennen, wenn die Leber vollkommen mit Problemstoffen überladen ist. Und wenn kein Alkohol- oder Drogenmissbrauch im Spiel ist, weiß niemand, wie es überhaupt zur Narbenbildung gekommen ist.
Kleinste Verwachsungen, wie ich sie in Kapitel 6 erwähnt habe, können zur Narbenbildung beitragen, aber nur wenn die Leber wirklich vollkommen überlastet ist. Diese natürlichen Mikroverwachsungen stellen eine Schutzmaßnahme gegen eine noch zu bewältigende Giftmenge dar, aber jenseits einer gewissen Grenze können Viren und besonders starke Giftstoffe selbst mikroskopische Verwachsungen und Läsionen erzeugen. Dabei sterben in großem Umfang Zellen ab, und die Leber schaltet in den Überlebensmodus. Da gesunde Leberzellen in solchen Gefahrenzonen nicht leben können, schützt die Leber sich, indem sie ganze mit Giften verseuchte Bereiche abriegelt, wie man beispielsweise verstrahlte Areale einbetoniert oder auch in einem leckgeschlagenen U-Boot ganze Schiffsteile mit Schotten abriegelt, selbst wenn sich noch Menschen in diesen Räumen aufhalten sollten. Die Leber muss ihre Lebendigkeit aus diesen Teilen abziehen, die ihre Vitalität verloren haben. Deshalb fasst sie ganze Bereiche von Mikroverwachsungen zusammen, und auf diese Art entsteht weiteres Narbengewebe. Zum Glück verfügt sie auch über eingebaute Sicherheitsmechanismen.
Weitere Schutzvorrichtungen
Unsere Leber ist von Schutzmembranen durchzogen und umgeben. Diese sehr dünnen protektiven Streifen bilden Barrieren, damit von schädlichen Einflüssen nicht gleich die ganze Leber betroffen ist. In der Medizin ist noch nicht bekannt, dass die Leber zum Beispiel Pestizide in einem bestimmten Bereich zu halten versucht, damit sie sich nicht über das ganze Organ ausbreiten.
Diese Membranen sind lebendige, anpassungsfähige Schutzmauern, die lernen, wie sie sich im richtigen Augenblick schließen können. Sie verlängern sozusagen die Wege. Man kann sie auch als Dämme sehen, die das Gift möglichst lange zurückhalten. Deshalb bildet sich eine Zirrhose leise und schleichend und nicht überall zugleich. Diese spezielle Sicherheitsvorrichtung ermöglicht die Neubildung von Gewebe in abgeschirmten Bereichen, während anderswo die Zerstörung fortschreitet. Aus diesem Grund steigt übrigens auch der Blutalkohol nur langsam an, wenn jemand trinkt. Die Membranen halten den Alkohol zunächst portionsweise fest, damit die Leber nicht gänzlich davon getränkt wird. Erst wenn man den ganzen Abend weitertrinkt, stehen immer mehr Bereiche der Leber unter Alkohol.
Eine Dosis Mitgefüh
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Bei äußerlichen Narben wünscht man sich eine Zaubersalbe, die alles wieder heil macht. Niemand möchte mit Schönheitsfehlern oder Falten herumlaufen; und so forscht man und sucht, um etwas zu finden, was man auf die Haut auftragen kann. Tatsächlich heilen Narben jedoch von innen, und falls sie nicht heilen, liegt es am verschmutzten Blut. Wenn es voller Giftstoffe ist, zum Beispiel durch zu viel Alkohol, gelangt zu wenig Sauerstoff in die tiefen Hautschichten, und deshalb kann der Körper Narbengewebe nicht von innen heraus heilen. Man versucht, die Narben immer von außen zu behandeln, aber zur Heilung der Haut wäre es besser, sich erst einmal um die Leber zu kümmern. Diese ist unseren Blicken entzogen, und so weiß man gleich, dass sie nur von innen her geheilt werden kann. Verschmutztes Blut behindert auch bei inneren Narben die Gesundung.
Und hier kommt es in erster Linie auf gute, natürliche, reinigende, antivirale Ernährung an. Es ist ein großer Schritt in Richtung Heilung, wenn es gelingt, pathogene Eindringlinge in Bereiche der Leber abzudrängen, in denen die Leukozyten des lebereigenen Immunsystems ein Virus durch bestimmte Markierungen zur Zerstörung oder Inhaftierung freigeben oder es sogar aus dem Organ herausdrängen und in der unmittelbaren Umgebung lauernden Immunzellen in die Arme treiben können. Die hochwirksamen antiviralen Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungen, von denen Sie in Kapitel 37 lesen werden, können Ihnen vielleicht genau den Anschub geben, den Sie gerade brauchen. Zur Heilung von Narbengewebe benötigen Sie außerdem Antioxidanzien, die buchstäblich verhindern, dass Ihre Leber stirbt. In Obst und Gemüse finden sich wissenschaftlich noch unbekannte Antioxidanzien, die Narbengewebe erweichen können und damit der Leber zu neuer Vitalität verhelfen. Beschränken Sie also den Fettverzehr, und genießen Sie die wichtigsten Nahrungsmittel zur Heilung der Leber, und Sie haben gute Chancen, Perizirrhose und sogar Zirrhose noch aufzuhalten.
»Wissen ist Macht«, heißt es, und das ist wirklich so, vor allem wenn man mit einer Krankheit lebt, die zu wenig Mitgefühl erfährt. Greifen Sie auf dieses Kapitel zurück, um sich in Erinnerung zu rufen, was in Ihrem Körper vorgeht. Von da aus kommen Sie wirklich weiter.