»Zehn Minuten!« Dieser Ruf erklang aus den Kehlen von mindestens drei Offizieren der Defiant. Odo sprach die Worte frustriert aus, O'Brien angeekelt, doch ihre Stimmen wurden fast vollkommen von Worfs Orkan der Entrüstung übertönt. Nur Sisko sagte nichts und sah weiter in Kors Augen, bis der Tumult auf beiden Schiffen sich wieder halbwegs beruhigt hatte.
»Ich hätte nie gedacht, einmal zu erleben, dass Klingonen sich wie Feiglinge hinter den Buchstaben einer Regel verstecken«, sagte er endlich und erfuhr die Genugtuung, dass Kor das Lachen im Halse steckenblieb. »Was besagt der Tag der Ehre denn wirklich? Dass die Klingonen sich nur an diesem Tag ehrenvoll benehmen?«
Ein Fauchen entwich zwischen Kors zusammengebissenen Zähnen. »Passen Sie auf, was Sie sagen, Benjamin Sisko. Wären Sie ein Klingone, wäre diese Beleidigung an jedem beliebigen Tag ein Grund für Suv'batlh.«
»Ach ja?«, knurrte Worf, bevor Sisko etwas erwidern konnte. »Dann erlauben Sie mir zu sagen, dass ich, Worf, Sohn des Mogh, nie gedacht hätte, einmal zu erleben, dass Klingonen sich wie Feiglinge hinter den Buchstaben einer Regel verstecken und sich so verhalten, als sei Batlh Jaj der einzige Tag, an dem sie sich ehrenvoll verhalten müssen!«
Kor schmetterte den Krug, den er in der Hand hielt, gegen die Lehne seines Sessels und verspritzte reichlich dunklen Blutwein. Sein Gesicht hatte dank des Zorns fast die gleiche Farbe angenommen. »Sie beleidigen meine Ehre, Worf, Sohn des Mogh!«
»Gut«, sagte der klingonische taktische Offizier verkniffen. »Das war auch meine Absicht.«
Kor verstummte plötzlich, und eine Spur von Argwohn mischte sich unter den weinseligen Zorn in seinem Blick. Nach einer kurzen Pause akzeptierte er Worfs Herausforderung jedoch mit einem steifen, feierlichen Nicken. »Da meine Ehre beleidigt worden ist, halten wir das Suv'batlh auf meinem Territorium ab. Ihre Gruppe wird sich in fünfzehn Minuten hierherbeamen, Worf, Sohn des Mogh, und zwar bewaffnet und kampfbereit. Qapla'!«
Die Verbindung wurde abrupt beendet und hinterließ eine ungläubige Stille auf der Brücke der Defiant. »Sie haben es geschafft, Worf«, sagte O'Brien schließlich wie vom Donner gerührt. »Sie haben Kor tatsächlich dazu gebracht, die Herausforderung anzunehmen.«
Sisko atmete langsam aus und spürte, wie seine Kiefermuskulatur zitterte, als die angestaute Spannung aus ihm entwich. »Jetzt müssen wir nur noch gewinnen. Oder Kor wenigstens lang genug unterhalten, damit die Defiant diese Kometentraube wegfegen kann.« Er sprang aus seinem Kommandosessel auf. Er konnte es kaum erwarten, die Brücke zu verlassen und etwas zu unternehmen. »Worf, Odo, Sie begleiten mich. Osgood, Thornton, berechnen Sie den schnellsten Kurs, um diese Kometen abzulenken, und machen Sie sich keine Sorgen darüber, ob die Klingonen Sie sehen können. Vermeiden Sie nur, soweit es geht, den Einsatz von Photonentorpedos. O'Brien, Sie haben das Steuer. Rufen Sie Clark und Nensi für die Waffen- und Navigationskonsolen herauf, solange wir weg sind.«
Der Chefingenieur verzog unbehaglich das Gesicht. Wie immer missfiel es ihm, das Kommando zu übernehmen, obwohl er technisch gesehen der höchstrangige der auf der Defiant verbleibenden Offiziere war. Er drehte sich hinter seiner Konsole um, als die anderen auf den Turbolift zugingen. »Captain, möchten Sie sich nicht einen Sender implantieren lassen? Wie wollen Sie sonst erfahren, wenn wir mit der Kometenjagd fertig sind?«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Worf streng. »Beim Suv'batlh kann man sich nicht ergeben. Es wird immer bis zum bitteren Ende ausgetragen.«
»Oh.« Sisko stellte amüsiert fest, dass O'Brien so bedrückt wirkte, als wäre er gerade zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden. »Also … in dem Fall viel Glück und … äh … Qapla'.«
Odo schnaubte unwillig ob dieser Verabschiedung, doch er folgte Sisko und Worf ohne merklichen Widerwillen in den Turbolift. Die Tür schloss sich zischend, und die drei standen eine Zeitlang angespannt da, ohne etwas zu sagen. Schließlich brach Odos raue Stimme das Schweigen.
»Da dies ein ritueller Kampf ist, gehe ich davon aus, dass ich meine gestaltwandlerischen Fähigkeiten nicht einsetzen darf, um zu gewinnen.«
»Nein.« Worfs Stimme war zu gleichen Teilen schroff und sachlich. »Ein klingonischer Krieger kämpft nicht mit Hinterlist. Jede Veränderung Ihrer Gestalt würde als Betrug gewertet und Sie vom Suv'batlh disqualifizieren.«
»Schade«, sagte Odo. »Ich mag zwar die Gestalt eines klingonischen Kriegers annehmen können, aber das heißt noch lange nicht, dass ich auch so kämpfen kann.« Dies war um so zutreffender, da der Constable sich weigern würde, Waffen einzusetzen, wie Sisko wusste.
Worf sah den Gestaltwandler nachdenklich an. »Klingonen messen ihren Wert als Krieger an der Stärke und dem Ruhm ihrer Gegner. Je größer die Herausforderung in einem rituellen Kampf ist, desto mehr Ehre wird dadurch gewonnen. Ich würde es für akzeptabel halten, wenn Sie Treffer, die sie nicht gleich enthaupten oder sonst irgendwie verstümmeln, einfach ignorieren.«
»Gut. Dann muss ich keine echte Rüstung tragen.« Odo folgte den anderen auf Deck C, wo sie nicht zum Transporterraum gingen, sondern zu einem daneben gelegenen Ausrüstungslager, in dem ein Kleidungsreplikator von der Größe eines Schrankes stand, der authentische klingonische Uniformen und Kostüme herstellen konnte. Auf dem Weg dahin verwandelte sich Odos graubraune bajoranische Uniform in polierte, schwarze und kastanienbraune Lackplatten.
Glücklicherweise waren klingonische Waffen und Rüstungen wie die Kleidung fast aller bekannten Welten in die Datenbanken des Replikators einprogrammiert. Worf summte vor sich hin, als er auf die Fertigstellung seiner Waffen wartete. Das tiefe, unmelodische Lied konnte nur ein klingonischer Kriegsgesang sein.
»Eine klingonische Rüstung und ein Bat'leth, für den rituellen Kampf geeignet«, forderte Sisko von dem Replikator, als er an der Reihe war. Kurz darauf befestigte er einen Brustpanzer an seinen Schultern und zog die seitlichen Riemen sorgfältig fest. Er zählte schon längst nicht mehr mit, wie oft er dies in den letzten Jahren getan hatte, um gegen Dax in diversen Simulationen in der Holokammer anzutreten. Diesmal würde sein Leben wirklich von dem abhängen, was er am Körper trug.
Als er den flachen Helm in der Hand wog, dessen gebogene Wangenschilde mehr der Abschreckung als dem Schutz dienten, wurde er sich schmerzhaft bewusst, dass diese Rüstung eigentlich für Krieger bestimmt war, deren Arterien tief unter lederner Haut lagen und deren Skelette von sich aus schon schützende Platten um die inneren Organe bildeten.
»Haben Sie Zweifel an Ihrer Entscheidung, Captain?«, fragte Odo, als er den Replikator verließ.
Sisko sah seinen Sicherheitschef verwirrt an. Dann fiel ihm auf, dass er den stacheligen Handschuh dreimal an- und wieder ausgezogen hatte. Es schien unmöglich zu sein, dieses klobige Kleidungsstück bequem zu tragen. Worf blieb am Eingang des Replikators stehen und sah den Captain bestürzt an.
»Nein, aber an der Rüstung.« Sisko winkte Worf in die Maschine und brachte fast ein Lächeln zustande. Es war schon komisch, dass in ihrer kleinen Gruppe die beiden widerstandsfähigsten Krieger so sehr auf seinen moralischen Beistand angewiesen waren. Er strich mit der Hand über seinen ungeschützten Bauch und seufzte. »Hoffentlich haben klingonische Schulen zu Kors Zeit noch keine menschliche Anatomie unterrichtet.«
»Ich werde mich bemühen, dafür zu sorgen, dass sie nicht persönlich gegen den Dahar-Meister antreten müssen, Captain«, sagte Worf aus dem Inneren des Replikators. »Sie gehören zu den besten menschlichen Bat'leth-Kämpfern, die ich je gesehen habe, doch Kor würde sie in ein paar … Minuten entwaffnen.«
Sisko sah Worf kritisch an, als dieser wieder aus dem Replikator trat. »Warum habe ich das Gefühl, dass Sie eigentlich ›Sekunden‹ sagen wollten, Mr. Worf?«
Der ertappte Blick des Klingonen verriet ihm, dass er sich nicht getäuscht hatte. »Nicht, dass ich Ihre Fähigkeiten bezweifeln würde, Captain. Aber um als Dahar-Meister zu gelten, muss man in einhundert Schlachten gekämpft, einhundert Suv'batlh überlebt und einhundert Krieger ausgebildet haben. Ein solcher Krieger kann gar nicht so viel Blutwein trinken, dass er seine Instinkte vergisst.«
»Sind Sie sich denn sicher, dass Sie selbst mehr als ein paar Minuten gegen ihn bestehen können, Commander?«, fragte Odo, der sich nie davor scheute, unangenehme Fragen zu stellen.
»Nein«, gab Worf offen zu. »Aber bei einem Suv'batlh kommt es auf das Gesamtergebnis an, nicht auf einzelne Gewinner oder Verlierer. Falls es Ihnen und dem Captain gelingt, Ihre Gegner zu überraschen und zu besiegen, ist es nicht von Bedeutung, wenn Kor mich besiegt.«
»Tja«, sagte Sisko. »Falls uns das gelingt.« Er setzte den Helm auf und ließ sein Gesicht zu der ausdruckslosen Maske erstarren, die ihm in Weltraumschlachten stets gute Dienste leistete. »Meine Herren, es ist an der Zeit, unsere Ehre zu verteidigen.«
Er war sich des körperlichen Schmerzes schon sehr lange nicht mehr bewusst. K'Taran hatte seinen Anweisungen mit ernster Hingabe Folge geleistet und den Bruch mit einer Leichtigkeit eingerichtet, um die Bashir sie beneidete: Die Vorteile großer Körperkraft. Nachdem sie sich dann mit einem der trägen Banchory im Schlepptau verabschiedet hatte, machte er sich erneut klingonische Muskeln zunutze, indem er einen der kräftigen Jungen überredete, ihn durch die Höhle zu tragen, damit er sich um die Besatzung der Victoria Adams und seine Xirri-Patienten kümmern konnte. Es war schlimm genug, dass ihm die nötige Ausrüstung fehlte, um ihnen wirklich helfen zu können, und der traumatische Ortswechsel in diese feuchte, kalte Höhle war der Genesung der Verwundeten alles andere als zuträglich gewesen. Julian fühlte sich fast schuldig, die Blutspende zweier gesunder Freiwilliger akzeptiert zu haben, obwohl er den Xirri kein vergleichbares Heilmittel anbieten konnte.
Er erinnerte sich nicht daran, wie genau er in seine eigene blutverschmierte Ecke der Höhle zurückgekommen war, und hoffte inständig, dass er nicht das Bewusstsein verlieren würde, bevor er sich um alle Patienten gekümmert hatte. Es war alles so ungerecht. Wenn er sich schon bei einer Mission das Bein brechen musste, dann sollte es eine sein, bei der er nicht so dringend gebraucht wurde.
Er riss sich aus seinen Grübeleien und richtete die Aufmerksamkeit statt dessen auf die zierlichen, präzisen Bewegungen des bemalten Xirri vor seinen Füßen.
Der kleine eingeborene Arzt, der männlichen Geschlechts war, wie Bashir festgestellt hatte, als er bei ihrer gemeinsamen Visite kurz die Genitalien des Xirri gesehen hatte, hatte einen spitzen Quarzkristall gefunden und schnitt damit langsam und vorsichtig Bashirs Hosenbein weiter auf. Er hatte den ursprünglichen Riss bereits nach oben bis in die Leistengegend verlängert und war auch in der anderen Richtung fast fertig. Er arbeitete sich geduldig zum Knöchel und dem unteren Saum vor. So zuvorkommend sind die meisten Krankenschwestern nicht, dachte Julian. Und die Diagnose des Xirri konnte er auch nicht anzweifeln. Selbst nachdem der Bruch eingerichtet worden war, sah das Knie immer noch dramatisch angeschwollen aus. Nur ein paar Zentimeter weiter, und seine Uniform hätte ihm das Blut abgeschnürt.
»Vielen Dank.«
Der Xirri blinzelte ihn aus großen Augen an, doch Bashir konnte aus dem Gesichtsausdruck keine Schlüsse ziehen. Dann machte er sich mit rhythmisch hervorschnellender Zunge wieder an die Arbeit.
Eine übelriechende Paste brannte in überall auf dem Boden stehenden, unglasierten Schüsselchen mit fast unsichtbarer Flamme. Bashir tastete in dem fahlen Licht um sich und stieß gegen das offene Medo-Kit.
Eine kühle, graugrüne Hand huschte an seiner eigenen vorbei und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Instrumente, die auf einem Tablett aufgereiht lagen. Die Skalpelle. Doch als er versuchte, sich von der Wand abzudrücken und zu seinem Knöchel vorzubeugen, durchfuhr ihn vom Bein aus ein lähmender Schmerz, der ihn zurückwarf. Gott, war das peinlich. Er hätte eigentlich wissen müssen, welche Bewegungen ihn aus der Haut fahren lassen würden. Als er die Augen öffnete, bemerkte er, dass der Xirri ihn neugierig mit hervorstehender Zungenspitze betrachtete. Er drehte den spitzen Kristall immer wieder in seiner geschickten Hand hin und her, dann flitzte er zu dem Laserskalpell hinüber und leckte daran.
Er zog sanft an dem Skalpell. Der Quarzkristall landete in Bashirs Schoß.
»Hier …« Er griff gerade so fest zu, dass er die Aufmerksamkeit des Eingeborenen auf sich lenkte. »So schaltet man es an.« Er drehte den Betriebsschalter des Gerätes zu dem Xirri-Arzt hin. Dann richtete er das Skalpell sorgfältig von ihnen weg und drückte den Knopf. Eine feine Klinge aus Licht schoss aus der Spitze des Skalpells. »Du kannst es wie ein normales Messer benutzen, aber sei um Gottes Willen vorsichtig. Es kann Knochen und Finger genauso problemlos durchtrennen wie meine Hose!«
Der Xirri schaltete das Skalpell mit fast schon feierlicher Vorsicht aus und hielt es respektvoll eine Armeslänge von sich, als er seinen Platz neben Bashirs Bein wieder einnahm.
»Es ist schade, dass sie nicht sprechen können.«
Bashirs Gedanken wirbelten durcheinander, alles wirkte verschwommen, als er sich im Zeitlupentempo umsah, um den Sprecher zu finden, an dessen Stimme er sich nur halb erinnerte. Er entdeckte George, der gerade eben im Schein der winzigen Lichter saß und den Kopf an die Wand lehnte, die auch Bashir stützte. Er hatte die Hände ordentlich auf den Knien gefaltet. »Die Föderation mag zwar mit ihrer Definition von Vernunftbegabung recht großzügig sein, aber ich habe so ein Gefühl, dass den älteren Mitgliedern von K'Tarans Stamm Freundlichkeit und eine gute Art, mit Kranken umzugehen, nicht beweiskräftig genug sein werden.«
Irgendwie kam es Bashir gar nicht so abwegig vor, in der nach Blut riechenden Höhle zu sitzen und mit einem Halbgott von Starfleet über die Ethik der Vernunftbegabung zu diskutieren, während er neben sich nach dem Tricorder tastete, den er vor Gott weiß wie langer Zeit zuletzt benutzt hatte. »Sie glauben also, dass sie intelligent sind?«, fragte er George. Und zwar ganz leise, als wolle er den Xirri mit ihrer Unterhaltung nicht beschämen.
George sah Bashir durch das Halbdunkel verschlagen an. »Sie etwa nicht?«
Endlich fand er den Tricorder direkt neben seiner linken Hüfte. Er fragte sich, ob er ihn dort sicher verstaut hatte oder er ihm einfach aus der Hand gefallen war, als er zum letzten Mal das Bewusstsein verloren hatte. Aber das spielte sowieso keine Rolle, denn das Gerät spielte noch genauso verrückt wie vor ein paar Stunden. Ein furchterregend niedriger Blutdruck verbarg sich hinter einem Störsignal, das den kleinen Bildschirm fast vollkommen weiß erscheinen ließ. Als der Xirri auf den Tricorder klopfte, um auf sich aufmerksam zu machen, hatten die widersprüchlichen Messwerte Julian so weit verwirrt, dass er sich nicht mal mehr sicher war, ob er ein Mensch war. Er ließ das nutzlose Gerät in seinen Schoß fallen und lächelte matt, als der Xirri ihm höflich das ungefährliche Ende des Skalpells reichte.
»Nochmals vielen Dank.« Seine Finger fühlten sich kalt an, als er nach dem Instrument griff, und ihm kam der ungewöhnliche Gedanke, dass all seine Körperwärme in den brennenden Schmerz in seinem Knie umgeleitet worden war. Doch die Logik, die er in dieser Idee gesehen haben mochte, verflüchtigte sich wieder, als er den Xirri dabei beobachte, wie er mit der leeren Flasche zur Wasserquelle der Höhle krabbelte.
Mittlerweile war selbst die Anstrengung, dem Xirri mit seinem Blick zu folgen, zu groß für ihn. Er lehnte den Kopf zurück und lauschte dem Beben seiner Knochen, als ferne Explosionen wieder den Planeten erschütterten.
»Als ich noch jung war«, begann George mit warmer und beruhigender Stimme, »diente ich unter einem Mann, der es mit der Ersten Direktive nicht sehr genau nahm.« Er lachte leise. »Er war nicht besonders geduldig, wenn es um Politik und Rhetorik ging. Wenn er wusste, dass unschuldige Leben in Gefahr waren, setzte er Himmel und Hölle in Bewegung, um sie zu retten – und zum Teufel mit der Ersten Direktive.«
Hinter dem Samtvorhang seiner Augenlider verband sich Bashirs Erinnerung mit seiner Phantasie zu einem Bild von Starfleet zur Zeit der großen Entdeckungen. »Er klingt nach einem herausragenden Mann.«
»Das war er auch. Der beste.« George verstummte, und als er wieder zu sprechen begann, lag ein Lächeln in seiner tiefen Stimme. »Er hätte Armageddon geliebt.«
Wenn es nach Bashir ging, hätte er den Planeten nur zu gern geschenkt haben können. Genau wie die Kometen, die Todesfälle, den undurchdringlichen Busch und den wirbelnden, peitschenden Feuerregen. Steinhartes Eis, hausgroße Steinbrocken, die die Oberfläche durchschlugen und Megatonnen von Asche, Fels und Gas in die Atmosphäre pumpten, die infolgedessen winterlich kalt wurde und keine Sonne mehr durchließ. Im fiebrigen Halbschlaf sah Julian eine Vision von Kira und Dax, die in einem feurigen Wirbel versanken. Er schreckte auf und schob dieses Bild fort. Er verkrampfte die Hände um den in seinem Schoß liegenden Tricorder.
Das Gerät piepte unaufdringlich und zeigte eine ordentliche Reihe von Testergebnissen an.
Bashir starrte fast dreißig Sekunden auf den kleinen Monitor und versuchte, sich zu erinnern, warum es ihn überraschte, eine ordnungsgemäße Anzeige zu sehen. Es waren gewiss nicht die vernichtenden Messwerte und Prognosen, die dort zu sehen waren: Er hatte nicht weniger weiße Blutkörperchen, als er ohnehin schon befürchtet hatte, und vom Sauerstoffgehalt seines Blutes hatte er auch nicht mehr erwartet. Er hielt den Tricorder in beiden Händen und richtete ihn auf seinen Oberkörper. »Warum ist er nicht gestört?«
»Was?«
»Mein Tricorder …« Er neigte ihn in Richtung des alten Mannes, der näher an ihn herantrat. »Er war kaputt, seit ich das Hauptlager der Vrag verließ, aber jetzt …« Als hätte der Tricorder ihn gehört, breitet sich ein Wirrwarr sinnloser Buchstaben von der Mitte der Messwerte her wie ein Virus über die gesamte Anzeige aus, bis es das Gehirn des kleinen Gerätes vollständig übernommen hatte.
Kaltes Wasser spritzte auf sein nacktes Bein und erschreckte ihn. Bashir sah auf und entdeckte den unbeteiligten Blick des Xirri, während der Tricorder seltsame Störgeräusche von sich gab.
»Ich möchte nur wissen, was jetzt wieder passiert ist«, hörte er George undeutlich durch das laute Hämmern in seinem Gehirn.
Zum ersten Mal hatte der Tricorder bei den Xirri-Patienten den Dienst versagt. Und als man ihn zuerst in diese Höhle gebracht hatte … war die Anzeige des Gerätes da nicht ein paar Minuten lang vollkommen normal gewesen, bevor ein Xirri sich ihm genähert hatte? Er zwang sich, die verzerrten Zeilen wirklich genau anzusehen, während der Xirri sein Bein mit derselben Sorgfalt reinigte, die er selbst vor ein paar Stunden gezeigt hatte. Was konnte das sein? Was hatten seine Vermutungen ihn bislang nicht sehen lassen?
Im Medizinstudium. Eine besonders langweilige Vorlesung darüber, wie man Tricorderstörungen beseitigen konnte, die bei Außenmissionen auftraten. Ach Gott, er hatte kaum zugehört, weil er sich soviel Sorgen über seinen bevorstehenden Einsatz in der Xenochirurgie machte und ihm das andere Problem mehr eine Angelegenheit für Techniker zu sein schien. Doch jetzt explodierte die Antwort wie eine Supernova in seinem Gedächtnis, das fast nichts vergaß, selbst wenn es sich um etwas handelte, das er vor sieben Jahren nur nebenbei mitbekommen hatte.
»Funkwellen …«
Hochfrequente Funkwellen, die in den empfindlichen Schaltkreisen des Tricorders Störungen hervorriefen.
George hielt hilfsbereit das Gerät, als Bashir das Gehäuse über dem elektronischen Gehirn des Tricorders öffnete. »Arzt und Techniker«, scherzte der alte Offizier, nachdem er Bashir mehrere Minuten bei der Arbeit zugesehen hatte. »Sie sind ein vielseitig begabter Mann.«
»Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie haben.« Als er das Störsignal durch den Translator des Tricorders und wieder zurück geleitet hatte, war das Ergebnis aus dem Lautsprecher nur quietschender, kratziger Unsinn. Der Xirri zuckte zurück, als habe jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel gekratzt.
Bashir hielt ihn an der Hand fest, bevor er weglaufen konnte. »Ich weiß, dass es nur eine Frage der Stichprobengröße ist«, sagte er, ohne den Blick und das Lächeln von dem Xirri abzuwenden, der hoffentlich begriff, dass er mit ihm sprach. Der Eingeborene leckte sich einmal, zweimal über die riesigen Augen, bewegte sich aber nicht vom Fleck. »Wenn erst einmal genug Sprache den Universaltranslator durchlaufen hat, kommt etwas heraus, das ich verstehen kann. Also hoffe ich, dass es bei Ihnen genauso funktioniert. Kann ich etwas tun, um Sie zu weiterem Sprechen zu veranlassen, damit genügend Daten …«
»… wünschte mir [wehmütig, bedauernd] bessere Kommunikation …«
Die Stimme aus dem Tricorder schien fast zu leise zu sein, um wirklich zu existieren. Keine Emotion, keine Betonung, einfach nur Wörter, die so nüchtern wiedergegeben wurden wie Schrift auf einem kahlen Bildschirm. Aber nichtsdestotrotz Wörter! Bashirs Herz schlug gegen sein Brustbein. George zischte überrascht auf.
»… Klänge [laut, ausgedrückt], zu Sprache gemacht? Solch Freundlichkeit kommt …«
George konnte sich nicht länger zurückhalten. »Hallo?«
Die Stimme verstummte abrupt. Der Tricorder blinkte leise, gab aber keinen Ton von sich.
»Hören Sie uns?« Bashir kämpfte gegen das Bedürfnis an, die Worte zu laut auszusprechen, doch es fiel ihm nicht leicht. »Verstehen Sie, was ich sage?«
Der Xirri leckte sich erneut in hektischen Mustern über die Augen. »Können Sie mich [laut, deutlich] hören?«
Bashir tauschte mit George einen triumphierenden Blick aus und grinste so breit, dass seine Wangen davon schmerzten. »Jawohl.«
»Diese [unbelebt, tot] Dinge …« – der Xirri deutete mit dem Schwanzende auf den Tricorder – »geben Ihnen meine Worte?«
»Ja. Ich …« Einen winzigen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, den Unterschied zwischen Schall- und elektromagnetischen Wellen zu erklären, entschied sich dann aber dagegen. »Ohne die Hilfe dieser Dinge kann ich Ihre Worte nicht mit meinen Ohren hören.«
Der Xirri nickte, als wäre das nur einleuchtend. »Zuvor habe ich von Ihrer Art nur [stimmlich, ungeordnet] Klänge wahrgenommen. Wir wussten nicht, dass dies [intelligent, rational] Sprache war.«
Genauso wenig, wie die Klingonen – oder Bashir – hinter dem Schweigen der Xirri eine Funksprache vermutet hätten. »Sie haben uns zu diesen Höhlen geführt«, sagte er gestikulierend. »Verstehen Sie, was draußen vor sich geht?«
»Wir haben Feuer aus dem Himmel nicht [persönlich, unlängst] fallen gesehen.« Er wickelte den Schwanz fein säuberlich um die Knöchel und setzte sich auf sein Hinterteil. »Aber wir haben [alt, überliefert] Geschichten, die von solchem Feuer in der Vergangenheit berichten. Dies hier sind die Höhlen, in die die Xirri gehen sollen.«
»Warum haben Sie das dann nicht getan? Als die ersten Kometen einschlugen, gab es draußen verwundete Xirri.« Julian musste an die Patientin mit Rauchvergiftung denken, und an das Kind, das sein Gesprächspartner selbst vom Kometenkrater hierhergetragen hatte. »Warum sind Sie alle nicht da schon in die Höhlen gegangen?«
»Viele [alt, jung] taten dies. Andere haben sich auf die Suche nach unseren [fremd, kindlich] Freunden gemacht. Sie haben keine [alt, überliefert] Geschichten, die sie beschützen. Einige waren nicht bei uns, und wir befürchteten, dass sie verbrennen.«
Er hörte K'Tarans Stimme in seiner Erinnerung. Wir wussten, dass die Xirri unsere Hilfe brauchen. Also sind wir gekommen. Doch es war George, der schließlich äußerst sanft fortfuhr. »Die Xirri sind den Klingonen gute Freunde gewesen.«
Der bemalte Xirri neigte den Kopf und hatte frappierende Ähnlichkeit mit einem ernsten Kind, das die Gewichtigkeit seiner Antwort abwägte. »Der Himmel hat sie mit [wild, fortdauernd] Feuer begrüßt«, sagte er nach einer sehr langen Pause. »Wenn sie dadurch nicht eins mit den Xirri werden, wodurch dann?«
Das Klirren aufeinandertreffender Bat'leths hallte durch die kalte, trockene Luft an Bord des klingonischen Schiffes. »Sie kämpfen gut«, sagte der untersetzte Krieger und funkelte Sisko über die beiden blutbespritzten Waffen an. Dank der dicken Sehnenstränge an seinem Hals war Siskos Treffer nicht mehr als eine kleine Unannehmlichkeit gewesen, doch hatte er das selbstgefällige Lächeln vom Gesicht des Klingonen gewischt. »Für einen Menschen.«
Sisko schmeckte den salzigen Geschmack des Blutes, das durch sein Gesicht und über seine zusammengebissenen Zähne lief. Der spiralförmige Wangenschutz, den er für eher dekorativ gehalten hatte, hatte verhindert, dass ihm bei einem besonders hinterhältigen Hieb eine Zacke des Bat'leth seines Gegners das Augenlicht geraubt hatte. Seine Schultermuskulatur brannte vor Erschöpfung und zitterte bei dem Versuch, den Angreifer zurückzuhalten, doch er lächelte immer noch triumphierend. Er hätte nie gedacht, dass er das Suv'batlh ganze fünf Minuten durchstehen würde.
Er verdankte sein Überleben zu großen Teilen dem Austragungsort ihres Kampfes. Er hatte gewusst, dass Schiffe der Jfolokh-Klasse klein waren, doch er war noch nie an Bord von einem gewesen. Es gab nur ein einziges vollgestopftes, überfülltes Deck, und die Besatzung bestand lediglich aus fünf Mann und dem Captain. So ergab es sich, dass Sisko und sein Gegner, ein klingonischer Techniker fortgeschrittenen Alters, der einen noch größeren Bierbauch als Kor hatte, sich mit wirbelnden Bat'leths durch die verschiedenen Stationen des Schiffes geduckt und gehackt hatten.
Da seine Waffe und die seines Gegners momentan geräuschlos ineinander verhakt waren, konnte er die Klänge von Odos Nahkampf mit dem jungen taktischen Offizier der Klingonen hören, aber auch die der titanischeren Auseinandersetzung zwischen Worf und Kor. Der Dahar-Meister hatte sich geweigert, auf seinen Gegner zuzugehen, wodurch Worf zum Angriff gezwungen wurde, wenn er das Suv'batlh nicht wegen Feigheit verlieren wollte. Bei aller Sturheit war aber nichts Träges oder Betrunkenes an seinem rasenden Bat'leth. Das ununterbrochene Zusammenkrachen seiner Klinge mit der Worfs schien manchmal zu anhaltendem Metalldonner zu verschmelzen.
»Captain!« Der junge Klingone, der die Sensoren überwachte, fuhr mit wirbelnden Zöpfen hektisch herum. »Das Schiff von Starfleet entfernt sich mit voller Impulsgeschwindigkeit!«
Kor schnaufte und ließ sich auf ein Knie fallen, um einem verzweifelten, weit ausholenden Hieb Worfs auszuweichen. Dann stieß er von unten mit der Spitze seiner Waffe zu. Worf sprang zurück und stolperte über den leeren Stuhl an der Waffenkonsole. Er fiel auf den Rücken und parierte in letzter Sekunde einen gnadenlosen Angriff seines Gegners, so dass Kors Bat'leth nur von seinen Rippen abrutschte, anstatt ihn frontal zu durchbohren. Ein weiterer Schnitt wurde dem violetten Muster zugefügt, das ihn bereits zierte.
»Vergessen Sie das Schiff.« Kor trat einen Schritt zurück und rang nach Luft, wodurch Worf die Gelegenheit bekam, sich zu erheben. »Wenn wir gewinnen, fliehen sie sowieso, egal, wo sie dann sind. Wenn wir verlieren, können sie tun, was sie wollen. Achten Sie nur auf Zeichen für einen Angriff, das ist alles.«
Der keuchende alte Dahar-Meister und der unerfahrenere, aber in weitaus besserer Form befindliche Starfleet-Offizier hatten ihrem Kampf schon mehrfach unterbrochen. Die Pausen in ihrem wilden Gefecht wurden immer länger und die Kampfabschnitte immer kürzer, was Sisko die vage Hoffnung vermittelte, dass Worf doch noch gewinnen konnte, wenn er nur den längeren Atem hatte. Odo stand allerdings schon am Rande einer Niederlage. Die Strategie seines langarmigen, gelenkigen Gegners bestand aus Ausfallschritten und kurzen, präzisen Schlägen, die Odo fast nie parieren konnte. Odo hatte in seiner vorgetäuschten Rüstung so viele Risse wieder geschlossen, dass diese ihren Detailreichtum vollkommen verloren hatte und nur noch aus verwaschenen roten und schwarzen Flecken bestand. Das bei jedem Schlag darunter zutage tretende platinfarbene Protoplasma schien seinen klingonischen Gegner zu immer heftigeren Attacken anzustacheln. Sisko glaubte nicht, dass der Constable seine Gestalt noch lange aufrechterhalten konnte.
Nicht, dass es ihm wesentlich besser ergangen wäre. Sein Hals war völlig ausgetrocknet, die Lunge bekam in der unwirtlichen klingonischen Atmosphäre kaum noch Luft. Siskos Bat'leth rutschte kreischend von der blutigen Klinge des Technikers ab. Er fluchte und schlug nach den Knien des Klingonen, in der Hoffnung, dass sein Gegner sich instinktiv verteidigte, statt Siskos ungedeckten Oberkörper anzugreifen.
Er war halbwegs erfolgreich: Sein Gegner zuckte zwar tatsächlich zurück, stieß das stumpfe Ende seiner Waffe aber unbeabsichtigt in Siskos Solarplexus. Alle Luft entwich aus seiner Lunge, und augenblicklich verfinsterte sich seine Sicht. Sisko würgte und ging taumelnd auf Distanz von seinem Gegner. Glücklicherweise taumelte in genau diesem Augenblick auch das klingonische Schiff, als eine von den Schilden kaum gedämpfte Explosion den Rumpf erschütterte.
»Was war das?«, brüllte Kor, womit er dem am Boden liegenden und noch stärker blutenden Worf die Gelegenheit gab, sich aufzurappeln. Als Sisko feststellte, dass sein Gegner sich umgedreht hatte, um mit der ungeteilten Aufmerksamkeit eines Ingenieurs die Messwerte an einer Konsole zu betrachten, hielt er sich keuchend an einem freien Computer fest. Sein Blick wurde gerade rechtzeitig wieder klar, um ihm die Wolke weiß glitzernder Splitter zu zeigen, die sich über den gesamten Anzeigebereich der Sensoren ausbreitete. Es sah aus wie ein Feuerwerk aus Eis.
»Wir sind mit einem Kometen zusammengestoßen«, sagte der Techniker überflüssigerweise.
»OI'yaH! Ghuy'cha' gu'valth!« Kors Flüche waren ebenso eindrucksvoll und extravagant wie die wallende Mähne seines silbernen Haars. Er wehrte mit geistesabwesender Leichtigkeit einen Angriff Worfs ab, bevor er mit dem Bat'leth gegen den Sessel seiner Pilotin stieß, um sein Missfallen zu äußern. »Sie sollen diesen Dingern ausweichen, D'jia, nicht dem Kampf zusehen!«
Sie verzog das Gesicht, ohne den Blick vom Hauptmonitor zu lösen. »Was denn für ein Kampf? Bis jetzt habe ich nur ein paar Bat'leth-Übungen gesehen, und die waren nicht gerade eindrucksvoll.«
»Beantworten Sie meine Frage!«, fauchte Kor, der den katzenhaft leisen Angriff Worfs nicht zu bemerken schien, bis er in letzter Sekunde nach dem Starfleet-Offizier schlug; die Wucht seines Bat'leth-Hiebs ließ ihn über die halbe Brücke fliegen. Blut sickerte aus Worfs Nasenlöchern. »Warum stoßen wir plötzlich mit Kometen zusammen?«
»Das tun wir nicht.« Wieder durchfuhr eine Erschütterung das klingonische Schiff, woraufhin auch die Pilotin recht eindrucksvoll fluchte. »Sie stoßen mit uns zusammen. Die sind plötzlich alle nicht mehr da, wo sie hingehören!«
»Dann weichen Sie ihnen aus!«
»Das versuche ich ja!« Das klingonische Schiff schlingerte und tanzte durch den dichter werdenden Trümmernebel, der es gefangen zu halten schien. Siskos Magen drehte sich um, als die ungedämpften Stöße das Schiff erschütterten. »Aber irgend etwas stört die Flugbahn der Kometen, und sie kommen direkt auf uns zu!«
»So ein Zufall.« Mit einer flüssigen Bewegung zerrte Kor seinen Techniker von den Schadensberichten fort und stieß ihn wieder auf Sisko zu, bevor er mit einer Drehung des Bat'leth Worfs nächsten Hieb abfing. »Ich nehme nicht an, dass Ihr Schiff etwas damit zu tun hatte, Worf, Sohn des Mogh?«, knurrte er in das Gesicht des jüngeren Mannes.
»Nein«, erwiderte Worf erschöpft und ehrlich. »Das ist jetzt weit weg von hier und wehrt andere Kometen von Cha'Xirrac ab.«
Kors Wutschrei übertönte das feuchte, weiche Geräusch eines in Fleisch eindringenden Bat'leths, aber nicht den unkontrollierten Schmerzensschrei, der ihm folgte. Sisko blieb keine Zeit, um sich zu überzeugen, wer von den beiden getroffen worden war – dafür musste er sich zu sehr gegen das Torkeln des Schiffes stemmen, während der Techniker erneut nach ihm ausholte. Diesmal versuchte er keine Parade, sondern imitierte das Manöver, das Kor bei Worf angewandt hatte: Er ließ sich auf ein Knie fallen, um dem Hieb auszuweichen, und sprang dann auf, die tödliche Spitze des Bat'leth nach vorn gewandt.
Die Klinge traf in einem scheinbar ungünstig stumpfen Winkel auf den Brustkorb des Klingonen. Zu Siskos beträchtlicher Überraschung rutschte sie zwar von einer Rippe ab, fuhr aber unter der nächsten tief in die kräftige Brust des Technikers. Der taumelte zurück und schien eher unter Betäubung als unter Schmerz zu leiden. Er starrte auf das Bat'leth, das immer noch in seiner Brust steckte. »Gut gezielt«, krächzte er und brach bewusstlos vor Siskos Füßen zusammen. Aus der Wunde strömte dunkles Blut. Sisko hielt sich an der nächstbesten Wand fest und sah ungläubig auf seinen Gegner hinab. Er hatte tatsächlich gewonnen.
Die Pilotin sah sich um. »Anfängerglück«, sagte sie angewidert. »Sie haben sein gla'chiH verwundet … das abgeschirmte Nervengeflecht in seiner Brust. Er wird mindestens einen Tag ohne Bewusstsein bleiben.« Sie nickte Sisko wütend zu. »Na los, ziehen Sie schon das Bat'leth heraus. Dem wird jetzt nichts mehr weh tun.«
Sisko folgte ihren Anweisungen und sah, wie der Blutstrom langsam versiegte, als die Wunde sich schloss. Dann wurde er sich der Stille um sich herum bewusst und riss ruckartig den Kopf hoch. Keine klirrenden Bat'leths waren zu hören, keine dumpf zu Boden fallenden Körper. Nur erschöpftes und schmerzerfülltes Röcheln.
Er sah sich zuerst ängstlich nach Worf um und fand ihn in genau der Lage, die er am meisten gefürchtet hatte. Sein groß gewachsener taktischer Offizier lag rücklings auf der unbemannten Waffenkonsole. Ein Arm war offensichtlich gebrochen und baumelte kraftlos hinab, während er mit dem anderen Kors riesige Faust von seinem Gesicht wegzudrücken suchte. Der Dahar-Meister hatte sich mit seinem beträchtlichen Gewicht auf seinen Gegner geworfen, dessen Widerstand zusehends schwächer wurde. Als die Spitze von Kors Bat'leth sich so tief in Worfs Hals bohrte, dass mit jedem Schlag seines starken Herzen eine dunkelrote Fontäne hervorspritzte, gab Worf seinen Widerstand auf und funkelte seinen Gegner nur noch böse an.
»Qapla'.« Trotz seines geschwollenen und blutüberströmten Gesichts klang Worf so dickköpfig wie immer. Es war kaum zu glauben, dass er wirklich verloren hatte. »Das Suv'batlh gehört Ihnen, Dahar-Meister. Töten Sie mich jetzt.«