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»Teenager.«

Hannes murmelt es zum dritten Mal innerhalb der letzten zehn Minuten und ich gebe ihm darin grundsätzlich recht, das ändert nur nichts daran, dass Mark heute in der Schule einem Mitschüler eine runter gehauen hat, weil er glaubte, der würde seine Freundin küssen.

Dass besagte Freundin, die mittlerweile Marks Ex-Freundin ist, aus Versehen vergessen hatte, Matthias' Sohn zu erzählen, dass sie keine Lust mehr auf ihn hat und jetzt lieber mit diesem Lukas knutscht, der als Fußballer einfach viel cooler wäre, als Mark mit seinem Faible für Schlangen – schweigen wir drüber. So ein hinterhältiges Verhalten kann ich weder verstehen noch irgendwie entschuldigen, da ist mir auch gleichgültig, dass das Mädel noch keine fünfzehn Jahre alt ist.

»Sag das nicht immer«, fährt Matthias Hannes an, doch der lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, sein folgendes Grinsen ist fast schon eine Herausforderung.

»Warum denn nicht? Wärst du etwa nicht dazu bereit, dich wegen eines möglichen Nebenbuhlers sofort in eine fulminante Schlacht um meine Gunst zu werfen?«

Matthias starrt seinen Mann sprachlos an, bis der loslacht und sich mit Mark abklatscht. »Das ist nicht komisch«, flucht Matthias empört und stemmt die Hände in die Seiten, um mich anzusehen. »Jetzt sag doch auch mal was!«

»Was?«, gebe ich mich unschuldig. »Ich würde mich immer und überall in eine Schlacht um deine Gunst werfen.«

»Sam!«

Lachend erhebe ich mich und trete auf Matthias zu. »Ja, du hast recht. Mark hätte diesem Lukas keins auf die Nase geben dürfen. Fairerweise sei jedoch gesagt, dass der genau wusste, dass er ein Mädchen küsst, das vergeben ist und das auch noch toll fand. Also ist er an seiner blutigen Nase selbst schuld. Über das Verhalten von Marks Ex müssen wir uns nicht unterhalten, denn das war das Allerletzte. Aber, und das möchte ich hiermit betonen, beide Jungs kriegen einen Tadel, und auch das Mädel hat schon ihr Fett wegbekommen, indem man ihre Eltern in die Schule zitiert hat. Das dürfte sowohl für sie, als auch für diesen Lukas Strafe genug sein, findest du nicht? Sei lieber froh, dass dein Sohnemann so eine umwerfende Rechte hat.«

»Sam!«

Ich grinse frech. »Was? Immerhin ist Lukas jetzt der mit der blutigen Nase, während dein Junior nur ein paar aufgeschürfte Fingerknöchel hat.« Ich schaue zu Mark und zwinkere ihm zu. »Gar nicht übel für so einen Hänfling.«

»Hey«, nörgelt Mark, setzt aber schon in nächsten Moment einen unschuldigen Blick auf, als sein Vater ihn böse ansieht.

Matthias' Blick landet wieder auf mir und ich ahne, dass er mit seiner Empörung über diese Schlägerei unter Teenies noch nicht fertig ist. Ob Hannes sich wohl sehr darüber beschweren würde, wenn ich Matthias mit einem Kuss mundtot mache?

»Vielleicht suche ich mir nächstes Mal lieber einen Freund«, erklärt Mark auf einmal mit einem beleidigten Schnauben und vor der Brust verschränkten Armen, und was auch immer sein Vater mir noch sagen wollte, nach der Offenbarung kommt aus Matthias' Mund kein einziges Geräusch mehr.

Stattdessen höre ich Hannes leise stöhnen, bevor er sich mit einem Lachen übers Gesicht reibt und zu Mark schaut. »Weißt du noch, als wir über den passenden Zeitpunkt geredet haben, was dein Outing angeht? Das war er nicht.«

Mark stöhnt bloß. »Wieso nicht? Mutti hat mir gesagt, dass es vollkommen egal ist, dass ich Mädchen und Jungs mag.«

»Es ist auch egal, aber wir reden von deinem Vater, der wie lange gebraucht hat, sich endlich einzugestehen, dass er heiße Kerle wie Sam und mich lieber mag?«

»Ewig«, antwortet Mark lang gezogen und lacht leise. »Ich dachte mir, ich mache es lieber früher, sonst ist er zu alt dafür und kriegt einen Herzinfarkt, wenn ich es ihm erzähle.«

»Mark!«

Hannes schwankt zwischen Lachen und Schimpfen, bevor er Mark und mir mit einem Nicken zur Tür zu verstehen gibt, dass wir uns besser vom Acker machen, bevor Matthias seine Sprache wiederfindet, denn dann dürfte es lustig werden. Ich würde ja zu gern Mäuschen spielen, aber Hannes schüttelt mit einem tadelnden Blick den Kopf, als ich ihn ansehe. Mist. Der Mann kennt mich mittlerweile entschieden zu gut.

Na schön, dann fahre ich eben Mark nach Hause, immerhin habe ich ihn ja schon von der Schule geholt, weil Monika mich darum gebeten hatte, denn sie hilft einer alten Dame aus ihrer Nachbarschaft bei deren Arztterminen. Dennis ist mittlerweile ebenfalls zu Hause eingetrudelt und ich überlasse die Brüder sich selbst, um zu meinem eigenen Kerl zu fahren, nachdem ich ihn telefonisch nicht erreichen kann.

Er ist die letzten Tage etwas nervös gewesen, weil jederzeit die Abiturnoten eintrudeln können. Dabei glaube ich wirklich, dass er sich keine Sorgen machen muss. Er wird vermutlich die Bestnote kriegen.

Bin mit Papa und Melanie essen. Spontane Einladung.

Heute Abend bei dir?

Ich bin ein schlechter Bulle, denn ich antworte schnell beim Autofahren. Zumindest war die Ampel rot, rede ich mir meine Faulheit, kurz irgendwo anzuhalten oder ihm einfach später zu antworten, schön, und biege dann kurzerhand in das Parkhaus vom hiesigen Netto ein. Vielleicht kann ich für Matthias ein paar frische Erdbeeren ergattern. Die dürfte er wohl brauchen, um den Schock zu überleben, dass sein Sohn bisexuell ist. Was Hannes und Monika wussten, während er keine Ahnung hatte.

Oh ja, ich kann mir verdammt gut vorstellen, was im Hause Wendermann gerade los ist, darum setze ich zu den Erdbeeren in Gedanken noch eine große Tafel Schokolade dazu.

Alles okay bei dir? kommt zurück, nachdem ich geschrieben habe, dass ich mich auf ihn freue. Oh ja, und ob alles okay ist. Zumindest bei mir. Ich schreibe glucksend zurück.

Dein Onkel Matti hat eben erfahren, dass Mark bi ist. Wusstest du davon?

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

Klar. Schon seit Monaten.

Ich bin nicht überrascht, dass Julian bereits Bescheid weiß. Die Jungs halten wie Pech und Schwefel zusammen, noch dazu ist Julian schwul und Marks Cousin. An Marks Stelle wäre ich auch zuerst zu Julian gegangen.

Er wollte aber eigentlich noch eine Weile abwarten, bis er es dem Rest der Familie erzählt. Soweit ich weiß, wissen bisher nur Dennis, Monika, Dirk und Hannes davon. Ist was passiert?

Sogar eine Menge, aber das erzähle ich ihm nachher in aller Ruhe, darum vertröste ich ihn auf heute Abend, damit er jetzt in Ruhe das Essen mit Jürgen und dessen Freundin genießen kann und mache mich auf den Weg in den Netto. Nach einem Blick auf die Uhr ziehe ich spontan das Handy wieder aus der Tasche. Er müsste eigentlich schon zu Hause sein.

»Henning?«

»Sitzt du gerade?«, frage ich amüsiert und betrachte dabei das Angebot frischer Erdbeeren. Die Früchte sehen gut aus und der Preis pro Schale ist okay. Sie sind sogar aus Deutschland, Matthias wird stolz auf mich sein.

Heiko lacht leise. »Was hast du angestellt, kleiner Bruder?«

Kleiner Bruder. So nennt er mich seit zwei Anrufen und ich war nach dem ersten Mal so von den Socken, dass Julian sechs Küsse und ein lang gezogenes Ohr gebraucht hat, bis ich in der Lage war, ihm zu erzählen, was los ist.

Heiko fühlt sich in Düsseldorf richtig wohl und er ist auch bei unseren Telefonaten merklich entspannter geworden. Es ist, als hätte der Umzug einen großen Druck von ihm genommen, und ich bin echt froh darüber. Wir telefonieren nur selten, alles andere wäre ihm zu viel, aber das ist für mich in Ordnung. Mir reichen meist die Textnachrichten, die er alle paar Tage abends schreibt. Hauptsache, es geht ihm gut.

»Wieso denkt eigentlich immer jeder, dass ich irgendetwas angestellt habe?«, frage ich gespielt beleidigt und nehme gleich mehrere Schalen Erdbeeren für Matthias, bevor ich weiter zu den Äpfeln gehe.

»Weil es meist so ist«, kommt trocken zurück und für einen Augenblick entgleitet mir mein lockeres Grinsen und wird zu einer verärgerten Grimasse, aber dann schüttle ich das ungute Gefühl in meinem Inneren hastig wieder ab. Heiko meint das nicht böse, im Gegenteil. Er scherzt doch nur mit mir. Endlich wieder. Ich musste so viele Jahre darauf verzichten, das werde ich mir nicht kaputtmachen, nur weil ich in letzter Zeit immer mehr zu einer Mimose mutiere.

»Ausnahmsweise habe ich absolut nichts angestellt«, sage ich daher und erzähle ihm dann in Kurzfassung, was vorhin in der Küche passiert ist. Er lacht leise, als ich fertig bin.

»Ich kann Matthias verstehen. Wenn es der eigene Sohn ist, ist das noch mal was ganz anderes. Aber wie ich ihn kenne, hat er sich morgen schon wieder beruhigt und lacht darüber.«

Ich packe eine Tüte Äpfel in den Einkaufswagen. »Ich habe ihm gerade frische Erdbeeren und Äpfel besorgt. Das lenkt ihn ab. Jetzt noch Schokolade, dann ist er glücklich.«

»Bring Julian auch etwas mit.«

»Wieso?«, frage ich verdutzt und halte vor den Süßigkeiten, deren Auswahl wie immer riesig ist.

»Weil er dein Freund ist und sich darüber freut?«

Oh. Ach so. »Gute Idee.«

Heiko gluckst, dann klingelt es im Hintergrund. »Ich muss Schluss machen. Daniel ist da.«

Ich merke auf. »Und Daniel ist?«

»Ein Arbeitskollege aus meiner neuen Filiale. Er geht auch zu den Anonymen Alkoholikern.«

Und es klingt für mich, als wäre dieser Daniel ein Freund. Sehr schön. Heiko braucht Freunde. Allerdings werde ich mich hüten, ihn jetzt schon darauf anzusprechen. Das hat noch Zeit. So wie wir. Ich habe meinen großen Bruder zurück, ganz egal, wo er heute lebt, und das ist alles, was für mich zählt.

»Alles klar. Mach´s gut, Heiko.«

»Du auch.«

 

»Sieh es mal so«, erkläre ich zwei Stunden später, während Matthias vor mir eine Quarkspeise mit den frischen Erdbeeren anrührt, nachdem er mir als Dankeschön schnell ein Blech mit leckerem Apfelkuchen gebacken hat, und lehne mich belustigt auf dem Stuhl zurück. »Er ist nur bi. Er hätte dir auch erzählen können, dass du mit nicht mal Fünfzig Opa wirst.«

Matthias stöhnt leise. »Das war ja klar, dass du mit diesem Argument kommst.« Im nächsten Moment scheint ihm etwas einzufallen und er sieht mich drohend an. »Wag es ja nicht, mit ihm Kondome und Gleitgel kaufen zu gehen. Mein Sohn wird keinen Sex haben, bevor er achtzehn ist.«

Ich pruste los.

»Sam!«

»Dir ist schon bewusst, dass der Spruch bei Mark genauso wenig funktionieren wird, wie er es bei Julian getan hat? Oder wie er es bei Dennis tun wird?«

»Man kann doch wohl träumen, oder?«, kontert er trocken und schiebt mir ein Stück Apfelkuchen zu. »Da. Iss. Wenn dein Mund beschäftigt ist, kommen wenigstens keine viel zu klugen Weisheiten heraus, die ich nicht hören will.«

Ich könnte ihm jetzt sagen, wie süß er in seiner Empörung ist, aber ich kann auch einfach das Stück Kuchen essen, warten, bis er mit der Quarkspeise fertig ist und dann bettelnd gucken, bis er mir seufzend ein kleines Schälchen reicht.

»Mhm«, mache ich genießerisch und dabei fällt mir abrupt auf, wie ruhig es im Haus ist. »Sag mal, wo sind denn Hannes und Ripley abgeblieben?«

Matthias schnaubt. »Mein toller Ehemann hat mir grinsend erklärt, dass ich übertreibe, was unsere Jungs angeht, und dass er mich übers Knie legt, wenn ich das bei Torben, Niklas und Jonas später auch mache. Dann hat er sich Ripley geschnappt, um in seine Praxis zu fahren, da er schließlich Tierarzt ist und auch nachmittags eine Sprechstunde anbietet. Bevor ich mich beschweren konnte, dass ich natürlich nicht übertreibe, hat er mich geküsst und mir gesagt, dass er mich liebt.«

Oha. Ich verkneife mir ein Lachen. »Lass mich raten … Du bist geschmolzen wie Butter in der Sonne?«

Matthias nickt seufzend und fängt an, Wasser in die Spüle zu lassen, um abzuwaschen. »Wie jedes Mal, wenn er mir sagt, dass er mich liebt. Verdammter Mistkerl, der er ist, weiß er das natürlich auch.« Er wirft mir über die Schulter einen fragenden Blick zu. »Wie geht’s Heiko?«

Ich blinzle verdattert. »Woher …?«

»Du grinst immer so zufrieden, sobald ihr telefoniert habt«, kommt er der Frage zuvor und lacht, als ich schnaube. »Du bist so durchschaubar wie eine Glasscherbe. Zumindest manchmal. Also? Was treibt er in Düsseldorf?«

»Sich mit einem Kollegen namens Daniel anfreunden, mit dem er zu den Anonymen Alkoholikern geht.« Ich gehe rüber zur Spüle, um das Abtrocknen zu übernehmen. »Heiko geht’s gut. Er versteht dich übrigens, was deinen Sohn angeht.« Sein triumphierendes »Ha!« ignoriere ich. »Er sagte außerdem, bis morgen hast du dich beruhigt und lachst darüber.« Ich grinse Matthias von der Seite her frech an. »Keine Sorge … Ich warte mit dem Kondomkauf für alle deine Söhne gerade so lange, bis du nicht mehr damit rechnest.«

»Sam!«

Der Spülschwamm klatscht mir ins Gesicht, doch nicht mal das hält mich davon ab, schallend zu lachen, während ich aus der Küche flüchte, Matthias dicht auf den Fersen, der lauthals hinter mir flucht.

 

Als ich ein paar Tage später nach einer total langweiligen Frühschicht, in der absolut nichts passiert ist, in mein Zimmer trete, lehnt Julian mit dem Hintern am Schreibtisch, hat einen Stapel Blätter in der Hand und starrt dumpf vor sich hin.

Wir haben uns diese Woche noch nicht gesehen, weil er sich eine saftige Erkältung eingefangen hatte und deshalb lieber zu Hause geblieben ist, um sich auszukurieren. Er wollte keinen von uns anstecken, deswegen haben wir uns jetzt vier Tage auf Telefonate und WhatsApp beschränkt, und ich gebe gerne zu, dass ich ihn furchtbar vermisst habe. Aber bevor ich Julian den Verstand aus dem Kopf küsse, will ich erst mal wissen, warum er eine Miene zieht, als wäre jemand gestorben.

Ich gehe zu ihm hinüber und lege die Arme um seine Mitte. »Du siehst aus, als wäre jemand gestorben.« Mein Blick fällt auf die Blätter in seiner Hand. »Was hast du da überhaupt?«

»Meine Ergebnisse.«

Ah, er hat seine Abiturnoten bekommen. Super. Na ja, oder auch nicht, denn er wirkt auf einmal derartig fassungslos, dass ich nervös werde. Was ich natürlich sofort mit einem lockeren Scherz überspielen muss. Wenn Julian doch nicht so großartig abgeschnitten hat, wie wir hoffen, wird er damit leben müssen. Studieren kann er trotzdem. Das ist heutzutage auch ohne den besten Notendurchschnitt möglich.

»Und? Reicht es für einen Job als Müllmann?«

»Als Müll... Was?« Julian blinzelt, sieht zu mir und knurrt, als er mein Grinsen bemerkt. »Du Idiot.« Ich lache los. »Ha ha, sehr lustig. Da liege ich drei Tage fast sterbend danieder und schon wirst du größenwahnsinnig. Das nächste Mal teile ich meinen Schnupfen mit dir.«

»Immer gerne, mein Schatz«, necke ich ihn und Julian boxt mir tadelnd gegen den Oberarm. »Also? Was hast du da?«

Er hält mir die Papiere hin. »Guck es dir an. Ich dachte, ich fall tot um, als ich die Zahlen gesehen habe. Das muss doch ein Rechenfehler sein.«

So schlecht wird er kaum gewesen sein, dafür ist er zu klug und … Mein Verstand kommt mit einem inneren Quietschen abrupt zum Stillstand, denn jetzt ist mir klar, was er meint. Die Gesamtzahl kann wirklich nicht stimmen. Oder etwa doch? Ich meine, dass Julian gut sein würde, war mir klar, aber wenn ich das, was er mir gerade vor die Nase hält, richtig verstehe, dann hat er sein Abitur mit voller Punktzahl abgelegt.

Das ist die Bestnote.

Sprich, besser geht es überhaupt nicht.

»Das heißt, Numerus Clausus, oder?«, will ich leise wissen. »Damit kannst du an jede Uni. Anders ausgedrückt, du kannst alles machen, was du willst, stimmt´s?«

Julian fängt an zu grinsen. »Ja.«

»Gehirnchirurg?«, schlage ich vor, um ihn zum Lachen zu bringen, was funktioniert.

»Aber hallo.«

»Geheimagent?«

Jetzt schnaubt er. »Kommt gar nicht infrage. Der Job wird mir zu mies bezahlt.«

Und ist außerdem viel zu gefährlich. Aber ich hätte da noch einen besseren Job für ihn. »Ehemann eines langweiligen Cops, der gerade wahnsinnig stolz auf dich ist?«

Julian legt lächelnd die Arme um meinen Hals. »Gebongt.« Einen sehr langen Kuss später, sieht er mich sichtlich belustigt an. »Langweilig ist im Übrigen das letzte Wort, was mir zu dir einfallen würde, du verdammt heißer Superkommissar.« Seine Hände landen auf meinem Hintern und packen kräftig zu – im nächsten Moment geht die Tür auf.

»Hey, die Nudeln sind … Oh mein Gott, meine Augen. Ich bin blind.« Wir stöhnen beide resigniert auf und hinter uns an der Tür fängt Matthias an zu lachen, lässt uns aber mit einem »Essen ist fertig. Ihr habt fünf Minuten.« wieder alleine, ehe ich zum Bett laufen und ihm eins der Kissen an den Kopf donnern kann. Er weiß genau, dass in diesem Haus anklopfen angesagt ist, immerhin hat er diese Regel letztes Jahr selbst eingeführt, nachdem Torben ihn und Hannes mal aus Versehen unter der Dusche erwischt hat.

Sich selbst daran zu halten, fällt ihm allerdings auffallend schwer, vor allem wenn er weiß, dass Julian bei mir ist. Jürgen amüsiert sich mittlerweile königlich darüber, weil sein Bruder unsere niedliche Anstandsdame spielt. So hat er das zumindest beim letzten Familienkaffeetrinken ausgedrückt und damit für jede Menge schallendes Gelächter gesorgt.

Wir sind wirklich eine verrückte Truppe, aber ein anderes Leben kann ich mir persönlich längst nicht mehr vorstellen.

»Ich habe übrigens eine gewisse Torte in Auftrag gegeben«, erklärt Julian auf einmal und ich erstarre.

Oh nein. Ich hatte irgendwie gehofft, der Kelch wäre an mir vorübergegangen, weil er von der Torte nicht mehr gesprochen hat. Das ist wirklich eine ganz miese Idee. Nicht, dass ich eine bessere hätte, was Matthias' Geburtstag angeht, aber ich wollte an diesem Tag zumindest keinen Kuchen ins Gesicht geworfen kriegen, denn die Chance besteht definitiv, wenn wir Matthias eine gekaufte Torte schenken. Andererseits würde es allein sein fassungsloser Gesichtsausdruck wert sein.

Ich grinse. Bis mir wieder einfällt, dass ich der Erwachsene in diesem Zimmer bin und ein paar Socken oder Ähnliches mit Sicherheit ein besseres Geschenk für Matthias wären. »Äh ...«

Julians Kichern lässt mich wieder verstummen. »Vergiss es. Sie wird pünktlich fertig sein und dich ein Vermögen kosten, weil ich ja noch kein eigenes Geld verdiene. Aber meine ewige Dankbarkeit ist dir sicher, soviel kann ich dir versprechen.«

Ach so? Ich soll ein Geschenk bezahlen, das zwar verflucht lustig ist, aber gleichzeitig mit Kuchenteig in meinem Gesicht oder in meinen Haaren enden könnte, während mein frecher Freund die Hände in Unschuld wäscht?

»Julian!«

»Natürlich beteiligen sich auch Papa, Monika und Dirk an den horrenden Kosten für das Monsterteil, du wirst also keine Privatinsolvenz beantragen müssen.«

Die Aussicht beruhigt mich keineswegs, eher im Gegenteil. Doch auf meinen bösen Blick hin, küsst er mich und knabbert dabei verführerisch an meiner Unterlippe, ehe mich ein betont unschuldiger Augenaufschlag trifft.

»Ich werde natürlich bei dir Buße tun.«

Das klingt vielversprechend. »Sprich weiter.«

»Später.« Julian grinst mich an. »Die fünf Minuten sind um. Sag mir lieber, was wir zwei Hübschen jetzt treiben, bis Onkel Matti wieder hochkommt, um uns erneut zu stören und dabei sehr empört zu tun?«

Wenn er schon so fragt … »Da fällt mir eine Menge ein.«

»Ach ja? Na dann mal los, Herr Kommissar.«

Sein Wunsch ist mir Befehl.