Wenn ich jeden Tag ganze Ladungen Gläser und Gefrierdosen in den Keller schaffe und kistenweise Äpfel und Kürbisse, Rote Bete, Kartoffeln und Möhren für die Erdmiete ernte, dann werde auch ich manchmal noch von den Mengen erschlagen. Dann denke ich: Wer soll das bloß alles essen? Auch jetzt nach so vielen Jahren noch und auch, obwohl ich meine, dass ich die Mengen, die wir den Winter über brauchen, inzwischen ganz gut einschätzen kann.
Dann bin ich immer mal wieder versucht, ganz viel zu verschenken. Das mache ich letztendlich doch nicht, denn ich kenne dieses Gefühl von vielen anderen Jahren zuvor und weiß mittlerweile, dass die Menge, die jetzt als großer Haufen vor mir liegt, auf die nächsten 6–8 Monate aufgeteilt, genau richtig ist. Jetzt muss ich einfach aus dem Vollen schöpfen und an meine Kapazitätsgrenzen gehen, um genügend Essen für den Winter zu haben. Und spätestens im Frühjahr fallen mir immer ein paar Dinge ein, von denen wir mehr hätten gebrauchen können. In dieser Zeit wird mir immer wieder bewusst, was mit einem Leben in Fülle gemeint ist.
Unsere Gesellschaft ist inzwischen so daran gewöhnt, mindestens jeden zweiten Tag einkaufen gehen zu können und immer alles verfügbar zu haben, dass nicht mehr viele Menschen mit Vorräten umgehen können. Ich kaufe mittlerweile oft nur alle 2–3 Wochen ein, und dann meistens auch nur Grundnahrungsmittel, die ich nicht selber anbauen kann.
Rechnet man seinen Verbrauch einmal aufs Jahr hoch, staunt man, welche Mengen zusammenkommen. Bei uns sind es z. B. mindestens 30 l Tomatensauce. Das erscheint viel, aber wenn man dies auf 52 oder gar nur auf 40 Wochen herunterbricht, da man im Sommer vieles gleich frisch isst, ist das wesentlich weniger als 1 l pro Woche – und wenn ich für drei Personen Nudeln mit Tomatensauce koche, brauche ich schon einen ¾ l. Wir brauchen Tomatensauce für Pizza, Chilis, Currys, Nudeln mit Tomatensauce, Aufläufe etc., da kommt viel zusammen. Oder nehmen wir die 35 l Apfelmus, die ich mindestens jedes Jahr verbrauche. Ich esse mein Müsli statt mit Milch oder Joghurt mit Apfelmus oder anderen pürierten Früchten. Mit einem 1-Liter-Glas komme ich eine knappe Woche hin, mit 35 l ist mein Frühstück also für ungefähr 30 Wochen gesichert. Aber ich brauche ja noch mehr Apfelmus: für Pfannkuchen und Puffer oder als Eiersatz zum Backen. 35 l Apfelmus sind dann plötzlich gar nicht mehr viel!
Wir können aus dem Vollen schöpfen, wenn ich unsere Vorräte vernünftig und konsequent einsetze und darauf vertraue, dass wir genügend Vorräte haben, um die Monate bis zur nächsten Ernte hinzukommen. Und das tun wir mittlerweile – früher war das noch nicht so, aber heute gelingt es. Zwei Challenges motivieren mich dabei und haben für mein Selbstversorgerleben eine große Bedeutung.
Jedes bisschen zählt – auf diese Challenge bin ich durch Instagram aufmerksam geworden und habe sie für mein Leben abgewandelt. Es geht darum, dass ich in den Monaten August und September jeden Tag etwas für den Winter konserviere: ein paar Gläser Tomatensauce einkochen, ein paar Möhren in meine Erdmiete legen, ein paar Teekräuter sammeln … Es müssen auch keine Riesenmengen sein, es reicht schon, ein paar Brennnesselsamen zum Trocknen abzuschneiden oder ein paar Himbeeren einzufrieren. Hauptsache: jeden Tag! Ich schreibe mir in meinen Küchenkalender, was ich konserviert habe. Damit sporne ich mich selber an: Jeden Tag soll etwas drinstehen! Man staunt über die Vielzahl an unterschiedlichen Dingen, die man in diesen 61 Tagen für den Winter konservieren kann, und welche Mengen zusammenkommen.
Diese Challenge beginnt bei mir meistens schon nach Weihnachten, spätestens Anfang Januar. Dann gibt es draußen nicht mehr viel frisch zu ernten und ich beginne, aktiv meine sorgsam eingelagerten Vorräte zu verbrauchen. Auch meine gekauften Vorräte werden durchgeschaut und verbraucht. In diesen Monaten kaufe ich noch weniger als üblich ein – wir essen erst mal das auf, was da ist. Bei den gekauften Vorräten ist es sinnvoll, ältere zu verbrauchen und Platz für neue zu schaffen. Ich möchte spätestens Anfang März den ersten unserer drei Gefrierschränke abschalten können und im Mai dann den zweiten und darum müssen wir die jetzt leer essen. Auch die eingekochten und getrockneten Vorräte müssen sich nun minimieren. All das, bevor es mit dem Vorrätesammeln wieder losgeht!
Je später im Frühjahr ich Gemüse zukaufen muss, desto größer und preiswerter ist die Gemüseauswahl (im März und April sind die Gemüsepreise hoch, denn dann gibt es nicht mehr viel aus dem letzten Jahr und das neue Gemüse ist selbst aus warmen Regionen Europas noch nicht in solch einer Fülle verfügbar wie im Sommer).
Mein Ziel war es bis vor Kurzem immer, bis zum Sommeranfang mindestens 80 % meiner Vorräte verbraucht zu haben. Nur 80 %? Ja, da ich bei einigen Sorten gerne ein paar Reserven behalte. So macht es z. B. Sinn, von Gewürzgurken oder eingelegten Zucchini ein paar Gläser für den Sommer zu haben, da die frisch eingelegten erst nach 3 Monaten im Glas so richtig gut schmecken. Hatten wir ein gutes Apfeljahr und habe ich im Herbst viele Äpfel in Gläsern oder auch Apfelmus eingekocht, behalte ich auch hier gerne ein paar Gläser über, falls die nächste Ernte nicht so gut wird. Dasselbe gilt für eingekochte Zwetschgen und getrocknete Kirschen, die gibt es einfach nicht jedes Jahr verlässlich. Mittlerweile tendiere ich aufgrund der zunehmenden Klimakrise – jedes Jahr wird der Anbau schwieriger – sogar dazu, mehr als 20 % der Vorräte als Reserve zu behalten. Trotzdem habe ich meine Vorräte im Blick und sehe zu, dass sie spätestens nach 2 Jahren aufgegessen sind.
Durch den eigenen Anbau habe ich eine ganz andere Wertschätzung für Obst und Gemüse bekommen. Sehe ich z. B. gegen Ende des Winters, dass ein paar eingelagerte Äpfel, Kürbisse oder Möhren nicht mehr schön aussehen, überlege ich mir, was ich daraus machen könnte. Warum sollte ich sie jetzt wegwerfen, wo ich doch so viel Arbeit hineingesteckt habe? Weiche Äpfel entsafte ich mit dem Dampfentsafter. So bekomme ich noch einmal leckeres Apfelmus und Saft, ohne die Äpfel dafür schälen zu müssen. Weiche Kürbisse verbacke ich zu Brot und Brötchen auf Vorrat oder reibe, trockne und pulverisiere sie für mein Müsli oder als Zusatz für Suppen. Schrumpelige Möhren werden fermentiert oder auch zu Brötchen oder Pulver verwertet. Was dann noch übrig bleibt, kann ich immer noch den Meerschweinchen oder auf den Kompost geben.