WAS BEDEUTET DAS EIGENTLICH: SELBSTVERSORGER SEIN?

Was muss man tun, um ein Selbstversorger zu sein? Muss ich 2 Hektar Land und 15 Hühner haben, um mich Selbstversorger nennen zu dürfen?

Das Wort Selbstversorger oder Selbstversorgung ist inzwischen in aller Munde und meiner Meinung nach ist es schon etwas abgegriffen. Manchmal hat man fast das Gefühl, dass sich jeder, der einen Topf Basilikum auf der Fensterbank hat, zum Selbstversorger erklärt. Aber ist das falsch? Wo ist die Grenze? Ich habe oft erlebt, dass diejenigen, die wirklich sehr viel anbauen, meinen, sie wären die Einzigen, die sich Selbstversorger nennen dürften. Und die, die „nur“ ein paar Salatpflanzen und eine Tomate auf der Terrasse stehen haben, sich nicht so bezeichnen dürften. Aber sorgen sie nicht auch für sich selber? Haben sie nicht auch eine Verantwortung sich selbst gegenüber? Müssen sie nicht auch auf ihre eigene Belastbarkeit achten? Ich finde, ja!

MEINE DEFINITION VON SELBSTVERSORGUNG

Die Bedeutung von Selbstversorgung ist: die eigenständige Herstellung von Nahrung und sonstigen Gütern zum Eigenverbrauch. Für mich kommt ganz klar noch eine andere Definition dazu. Nimmt man das Wort Selbstversorgung nämlich einmal auseinander, so sehe ich darin auch „ich sorge für mich selbst“ oder „ich sorge mich um mich selbst“. Und das ist es, was für mich wichtig ist und was für mich hinter dem Selbstversorgerleben steht.

Als passionierte Selbstversorgerin gerät man leicht in einen Strudel, der einen an die eigenen Grenzen bringt. Nämlich dann, wenn man wirklich alles selber machen möchte. Das geht einfach nicht. Die Tage haben nur 24 Stunden und das Jahr hat nur 365 Tage, und egal, wie sehr man sich auch anstrengt, man kann nie alles schaffen, schon gar nicht perfekt. Hinzu kommt, nicht jeder findet die gleiche Erfüllung in diesem Leben, wie ich sie gefunden habe. Regelmäßig auf seinen Sommerurlaub zu verzichten mag nicht in jedermanns Sinn sein. Vielleicht reicht es für den ein oder anderen auch wirklich aus, sich nur über ein paar Wochen im Jahr selber zu versorgen. Selbstversorgung soll keine belastende oder ungeliebte Arbeit sein – auch wenn es viel Arbeit macht –, sondern eine Lebenseinstellung, der man freiwillig und gerne folgt. Nur so wird man auf Dauer die Arbeitsbelastung meistern können. Besonders die ernteintensivsten Monate August und September sind nicht zu unterschätzen. Ich arbeite sehr strukturiert und zügig, und trotzdem komme ich in diesen beiden Monaten außer zum Ernten kaum aus meiner Küche heraus.

Selbstverständlich könnte ich jederzeit einkaufen gehen und mir alle erdenklichen Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, aber ich will es nicht oder ich will es nicht immer oder ich will es nur in bestimmten Bereichen. Ich finde es toll, dass ich mir, wenn ich eine Missernte hatte, mein tägliches Essen kaufen kann. Das bedeutet für mich einen „doppelten Boden“ zu haben und nicht wie die Menschen früher hungern zu müssen, aber es ist letztendlich nicht das, was ich anstrebe. Ich möchte mich lieber selber versorgen und für mich selbst sorgen. Ich möchte Verantwortung für mich und meine Lebenshaltung übernehmen und daher so viel wie möglich selber machen. Denn nur so kann ich wirklich bestimmen, was ich esse, wie ich lebe und wie ich mich unserer Mutter Erde gegenüber verhalte.

Natürlich kann ich das nicht in allen Aspekten des Lebens tun, ich brauche weiterhin Getreide, Strom und Heizöl, ich brauche ab und zu neue Schuhe oder eine neue Jeans und ich brauche auch mal eine Kopfschmerztablette oder ein Stück Schokolade. Das sind Dinge, die kann ich nicht selber machen – und das muss auch gar nicht sein. Wenn ich jedoch all die anderen Dinge in meinem Leben, die ich leicht oder mit ein bisschen Zeit und Mühe selber machen kann, auch wirklich tue, bin ich meinem Idealbild vom Selbstversorgerleben schon recht nahe.

JEDER TUT, WAS ER KANN

Für mich wird jeder zum Selbstversorger, der Verantwortung für sich selber und sein Leben übernimmt und einen Teil seiner Nahrung selber herstellt. Also kann man auch mit einem intensiv genutzten Balkon zum Selbstversorger werden. Dann versorgt man sich zwar vielleicht „nur“ für ein paar Wochen im Jahr mit Tomaten und Salat selber, aber warum sollte das weniger gelten als wenn man 1000 m² bewirtschaftet und das ganze Jahr davon zehren kann? Jeder investiert die Energie und Zeit, die er hat. Denn vielleicht kauft der Balkongärtner mit dem Geld, was er tagsüber verdient, wenn er sich nicht seiner Selbstversorgung widmen kann, ein paar Kartoffeln von dem 1000-Quadratmeter-Gärtner, damit der sich ein paar Tafeln Schokolade kaufen kann. Oder er kauft ihm Zucchini ab, damit er sie einlegen und auch im Winter von seinen Schätzen leben kann. Auch wenn die Zucchini gekauft sind, die Zeit, Liebe und Energie hat er selber hineingesteckt! Vielleicht gibt es aber auch jemanden, der „nur“ Teekräuter anbaut oder in der Natur sammeln geht. Auch hier gilt wieder, warum „nur“? Auch die Teeherstellung erfordert Zeit, Wissen und Mühe und ist eine sehr lohnenswerte Arbeit. Auch diese Person ist ein Selbstversorger. Alle Dinge, die sich um das Thema Eigenversorgung drehen, führen langfristig zu einem anderen Umgang mit dem Leben und den Ressourcen der Natur.

Ich liebe meine eigenen „Blümchentees“ und kreiere oft neue Mischungen.

NOCH MEHR MÖGLICHKEITEN

Eine liebe Freundin von mir hat mehrere Apfelbäume und viele Johannisbeersträucher, von denen ich etwas abbekomme. Da macht es für mich keinen Sinn, meinen relativ kleinen Garten mit Massen von Johannisbeersträuchern zu bepflanzen, wo ich hier doch Gemüse, das mehr Aufmerksamkeit braucht, anbauen und gegen die Johannisbeeren tauschen kann. Außerdem freut sich meine Freundin, wenn sie nicht das ganze Jahr nur Johannisbeergelee essen muss.

Tauschen und sammeln

Schaut man sich mal in seiner Nachbarschaft um, findet man mit Sicherheit Menschen, die es gar nicht schaffen, all ihre Äpfel von den großen Bäumen in ihren Gärten zu ernten. Vielleicht kann man etwas Gemüse, eine seiner Teemischungen oder auch einfach einen Teil seiner Zeit gegen ein paar Äpfel tauschen. Vielleicht sind diese Menschen auch einfach nur froh, wenn man sie von den vielen Äpfeln „befreit“ und sie sich nicht selber zum Aufheben bücken müssen? Ich tausche gerne kleine Zucchini gegen eimerweise Klaräpfel und Aroniabeeren mit einer anderen Freundin. Eine Win-win-Situation für alle von uns.

In einigen Orten gibt es von Obstbäumen gesäumte Straßen, wo man sich für wenig Geld einen ganzen Baum für eine Saison ersteigern kann. Und wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, findet man viele Obstbäume, die man meistens beernten kann, wenn man den Besitzer fragt und einen Teil für die Wildtiere zurücklässt. Ich kann in diesem Zusammenhang auch Internetseiten mit Karten sehr empfehlen, auf denen man schauen kann, wo es in der Umgebung Bäume und Sträucher gibt, von denen man sich bedienen darf (siehe >). Wildkräuter wie Brennnesseln, Löwenzahn und Bärlauch, um nur einige zu nennen, sowie Wildobst wie Hagebutten, Holunder und auch Brombeeren kann man eigentlich immer in der Natur sammeln, wenn man beachtet, dass man nur ein bisschen nimmt und genügend für die Wildtiere und andere Sammler zurücklässt. Bei Brombeeren macht es in meinen Augen z. B. überhaupt keinen Sinn, sich den Platz im eigenen Garten damit zu blockieren, da es sie an fast jeder Ecke in Feld und Flur gibt. Sie sind zwar kleiner und stacheliger als die Kulturbrombeeren, aber in meinen Augen wesentlich aromatischer.

Alte Obstbäume tragen meistens sehr gut – und es sind oft keine „Supermarktsorten“, die mir alle zu süß sind.

Mieten und pachten

Wenn man nur einen kleinen Garten hat, um sein eigenes Gemüse und Obst anzubauen, sollte man keineswegs verzagen. Vielleicht findet man mit etwas Glück jemanden, der ein ungenutztes Stückchen Land hat, das man pachten kann: entweder gegen Geld oder sogar im Tausch gegen eigene Produkte. Vielleicht hat der Nachbar einen großen Garten und keine Zeit, ihn zu pflegen, sodass er froh ist, wenn man dort Gemüsebeete anlegt. Oder man findet einen Schrebergarten.

Nicht optimal, aber machbar

Dies alles mögen vielleicht keine optimalen Lösungen sein. Ein schönes Haus mit großem Grundstück am Rande des Dorfes, auf dem man sich nach Lust und Laune ausbreiten kann, ist natürlich besser. Trotzdem sollte einen das Fehlen eines geeigneten Rahmens nicht vom Anfangen abhalten. Wenn man immer nur auf die perfekte Gelegenheit wartet, kann man möglicherweise sein ganzes Leben in der Warteschlange stehen.

Und zu guter Letzt kann man auch einfach im Sommer auf dem Wochenmarkt oder beim Bauern um die Ecke saisonale, regionale Produkte zukaufen und damit seine eigene Vorratskammer auffüllen. Ich z. B. habe – bevor wir einen Garten hatten – im Sommer kistenweise Tomaten gekauft, um Tomatensauce für das ganze Jahr kochen zu können.