Nachdem wir die gesamte Karawane abgesucht hatten, kamen wir zu dem Schluss, dass wir von Schattenwandlern überfallen worden waren. Während unserer Rast waren ein paar Gardisten zum Pinkeln verschwunden. Diesen Moment mussten die Räuber genutzt haben, um die Hälfte unserer Lastpferde zu stehlen. Unter ihnen waren viele, die Speisen und Wein transportierten, sowie Zelte und Möbelstücke. Die Hälfte des königlichen Inventars schien verloren. Mein Vater war nicht erfreut über diese Nachricht und schickte mich sofort los, die Diebe zu verfolgen.
Den restlichen Tag verbrachte ich damit, mit ein paar Männern zu Pferd die Gegend abzusuchen. Wir ritten tief in den Wald hinein, fanden außer ein paar unbrauchbaren Spuren aber keinerlei Hinweise auf die Täter und beschlossen gegen Abend, die Verfolgung aufzugeben.
Als wir uns dem Götterhain näherten, dämmerte es bereits. Wir ritten durch das natürliche Tor, das von zwei großen Eichen mit ihren Ästen gebildet wurde. Fiyellnoas war ein heiliger Ort, den jedes Volk zugleich fürchtete und verehrte. Es war eine kreisrunde Pilgerstätte am Fuße des Tarokla-Gebirges, umgeben von dichten Wäldern. Der Boden bestand aus grünem Stein, der bei Lichteinfall glänzte wie
ein riesiger Kristall. Bei Nacht wirkte er kalt und schwarz wie Obsidian. Niemand hatte bisher herausgefunden, was es mit diesem Boden auf sich hatte. Deshalb hatte sich der Respekt vor diesem Fleckchen Erde erhalten und mit der Zeit verstärkt. Rankenartige Pflanzen, die solch riesige Wurzeln hatten, dass sie die kristalline Erde anhoben und an einigen Teilen aufbrachen, bedeckten den Platz. Über alle erhob sich Fiyellnasad, der Götterbaum. Nie hatte ich einen größeren Baum gesehen, obwohl es auch in Calindil sehr hohe Exemplare gab. Sie waren nichts im Vergleich zu diesem Baum, der das ganze Jahr über grüne Blätter trug.
Die Stätte bot Platz für ein ganzes Heer, doch in der Regel hielten sich nur wenige Völker gleichzeitig dort auf. Wir steuerten das Lager meines Vaters an, das nördlich am Fuße des Gebirges aufgeschlagen worden war. Ich ließ meine Blicke schweifen und entdeckte noch ein paar andere Lager, gut verteilt auf dem Hain. Anhand der Banner konnte ich einen kleinen Trupp von Nebelelfen erkennen, ein paar Menschen, auch Nordländer waren unter ihnen, und eine Gruppe ohne Banner, die ganz abgelegen ihr Lager aufgeschlagen hatte und schon fast im Wald saß.
»Ich hoffe, dass wir noch genug zu essen haben«, seufzte ich, als ich mich nach dem langen Ritt endlich vom Pferd hievte und ein paar Schritte auf das nächstgelegene Zelt zuwankte. Meine Männer trotteten mir nach und riefen schon von Weitem nach einem Krug Wein, während ich mich in das Königszelt schleppte und mich auf den nächsten Stuhl fallen ließ.
»Ich hoffe, du bringst gute Nachrichten, mein Sohn.«
Ich streckte die Beine aus und ließ den Kopf in den Nacken sinken, während ich mir etwas Wasser über das Gesicht
laufen ließ. Erst danach wandte ich mich meinem Vater zu. Er saß mit mürrischem Blick auf seinem Stuhl, neben ihm meine Mutter und meine Schwestern. Hauptmann Josvel stand in der Nähe des Ausgangs. Er musterte mich mehr skeptisch als wohlgesonnen.
»Was ist los?«, fragte ich, verwundert über die ausbleibende Begrüßung.
»Du kommst spät.«
Einer unserer Diener reichte mir einen Becher Wein, den ich in einem Zug leerte. Ich verlangte sofort einen weiteren und sah noch immer verwirrt in die Runde.
»Wir haben alles abgesucht«, erklärte ich, bevor man mich fragte, »aber sie haben kaum Spuren hinterlassen. Es war unmöglich, sie zu finden.«
»Ich bin enttäuscht«, sagte mein Vater und wandte den Blick von mir ab. »Josvel, wie viel Proviant haben wir noch. Wird es über die Festlichkeiten noch reichen?«
»Ich fürchte nein, mein König, wir haben viel Obst und Gemüse, aber das Fleisch und die meisten unserer Weinfässer sind weg. Auch fehlt es an Zelten, die Hälfte der königlichen Familie müsste unter freiem Himmel schlafen.«
»Telrys könnte mit gutem Beispiel vorangehen«, schlug mein Vater vor, dem man die Enttäuschung ansehen konnte.
»Es ist nicht meine Schuld, dass die Pferde weg sind. Ich habe während des gesamten Ritts alles im Auge gehabt.«
»Wieso sind sie dann weg?«, rief Niriel dazwischen, deren Stimme bereits eine unangenehm schrille Tonlage angenommen hatte. Sie war wieder kurz davor, einen ihrer typischen Prinzessinnen-Anfälle zu bekommen. Zeit für mich zu verschwinden
.
»Wo willst du hin, mein Sohn?«
»Raus aus der Rüstung und mein Lager auf dem Boden aufschlagen, dann essen und schlafen. Hier bin ich offensichtlich nicht erwünscht.«
»Du bleibst hier. Wir haben noch etwas zu klären.«
Ich stöhnte leise und setzte mich wieder hin. Während mein Vater einem der Gardisten einen Befehl zuflüsterte, ließ ich mir von zwei weiteren den Brustpanzer abnehmen. Meine Kleidung darunter war völlig verschwitzt und gleichzeitig kalt, was sich auch auf meine Körpertemperatur ausgewirkt hatte. Ich war geschwächt und brauchte dringend Schlaf, am liebsten in einem Bett.
»Vater, ist es jetzt soweit? Wirst du es jetzt bekannt geben?«, piepste Venira, die sich dem König zu gewandt hatte und eifrig von Niriel unterstützt wurde. »Sag schon, Vater, lässt du ihn kommen?«
»Geduld, meine Töchter, Geduld.«
»Bringt mir etwas zu essen«, flüsterte ich meinen helfenden Händen zu, die gleich darauf mit einem gemischten Teller Salat und einem Stück Schinken zurückkamen, den ich dankend annahm. Sie befreiten mich anschließend aus dem Rest meiner Rüstung, während ich mich über das Essen hermachte und mich nicht dafür interessierte, was am Zelteingang geschah. Erst als die dunkle Stimme Nathraens an mein Ohr drang, drehte ich den Kopf und fiel dabei beinahe vom Stuhl.
Ich versuchte, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten, und hoffte, dass er mein Erschrecken nicht bemerkt hatte.
»Wisst ihr, wieso ihr hier seid, Maala'tel?«, fragte mein Vater mit erhobener Stimme und geschürzten Lippen, als die
Wachen Nathraen vor ihm auf die Knie zwangen.
»Ihr wünscht meinen Tod«, antwortete der Dunkelelf, wie immer gefasst.
»Und warum tun wir das?«
»Weil es mir gelungen ist, euch zu überlisten.«
»Weil
ihr unser Feind seid und wir an euch ein Exempel statuieren werden, als Warnung für alle eurer Art. Wir werden euren Leib, nachdem er den Göttern geschenkt wurde, zurück ins Unterreich schicken, auf dass euer König …«
»Königin«, berichtigte Nathraen.
»Eure Königin
wird begreifen, dass es keinen Sinn hat, mit uns Krieg zu führen.«
»Glaubt ihr das?«
»Ihr sprecht nur, wenn ich euch dazu auffordere.«
Mein Vater nickte Hauptmann Josvel zu, der gleich darauf Nathraen einen Stoß in den Rücken verpasste, sodass er der Länge nach auf den Boden fiel. Als er versuchte aufzustehen, stellte Josvel einen Fuß auf sein Kreuz, und ich konnte sehen, wie sehr das Nathraens Stolz verletzte. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlte. Doch er ließ es sich nicht anmerken, und als Josvel seinen Fuß wegnahm, setzte er sich wieder auf.
»Ihr seid hier, weil mein
Sohn euch überlistet hat. Nichtsdestotrotz werdet ihr morgen durch die Hände der Götter den Tod finden. Da es üblich ist, einem Todgeweihten einen letzten Wunsch zu gewähren …«
König Alathon schien mit sich zu hadern. Offenbar gefiel ihm der Gedanke nicht, eine seiner Töchter dem Dunkelelfen zu überlassen
.
»Vater, du musst es sagen«, rief Niriel, die bereits bis über beide Ohren grinste. Ich konnte sie nicht ansehen. Zu sehr wühlte mich der Gedanke auf, dass sie und er …
»Also gut, bringen wir es hinter uns«, fuhr mein Vater fort. »Wählt eines meiner Kinder. So die Götter es wollen, sollt ihr einen letzten glücklichen Moment auf dieser Welt haben. Auch wenn ihr es nicht verdient habt.«
Vater schob Niriel und Venira nach vorne. Sie machten vor Nathraen einen Knicks und lächelten – die eine verführerisch, die andere sanft.
»Eines eurer teuren Kinder …«, murmelte Nathraen und sah zwischen meinen Schwestern hin und her.
»Wollt ihr nicht mich wählen, starker Krieger? Mit mir werdet ihr eine unvergessliche Nacht verbringen«, flüsterte Niriel und zwinkerte ihm verführerisch zu, während sie ihren Rock etwas anhob.
»Wählt mich, ich … bin noch gänzlich unbefleckt«, versuchte Venira Boden gutzumachen. Ich verkniff mir ein Lachen bei diesen Worten. Sie war ein unschuldiges und liebes Ding, ja, aber unbefleckt war sie nicht. Dafür hatte Niriel gesorgt.
»Genug.« Mein Vater stand auf und hob die Hände. »Teilt uns rasch eure Entscheidung mit, wir wollen zu Abend essen.«
Nathraen lächelte finster.
»Wie ihr wollt.«
Er ließ seinen Blick schweifen und sah sich beide Schwestern noch etwas genauer an. Dann hob er den Kopf.
»Ich wähle Telrys, euren Sohn.
«
»Was?«
, riefen Venira und Niriel im Chor, während alle anderen, ich eingeschlossen, einen Schrei ausstießen.
Dann folgte Stille.
»D-Das kann unmöglich euer Ernst …«, stammelte mein Vater, dem zum ersten Mal die Worte fehlten.
»Ihr könnt ihn nicht wählen, er stand nicht zur Auswahl!«, rief meine Mutter dazwischen.
»Habe ich mich etwa verhört? Euer König sagte, ich solle mich für eines eurer Kinder
entscheiden. Und das habe ich. Ich wählte euren Sohn.«
»Alathon, du darfst das nicht zulassen«, rief meine Mutter entrüstet und rüttelte meinen Vater am Arm.
»Er sollte mich
wählen!«, keifte Niriel dazwischen.
»Oder mich!«, warf Venira ein.
»Aber doch nicht ihn
!« Niriel zeigte mit dem Finger auf mich. Ich wäre am liebsten sofort hinausgerannt. Da sich meine Beine wie Gummi anfühlten, versuchte ich nicht einmal aufzustehen. Ich war mir sicher, dass sie mich nicht einen Schritt weit tragen würden. Zum Glück ignorierte Nathraen mich noch immer.
»Josvel, auf ein Wort.« Mein Vater winkte den Hauptmann heran und besprach die Sache mit ihm im Flüsterton. Ich versuchte zu lauschen, doch ich verstand nicht ein einziges Wort. Offenbar ging es meinen Schwestern ähnlich, denn sie sahen sich hilflos an und zuckten mit den Schultern.
»Es … ist also unumgänglich, meint ihr?«
Josvel nickte seufzend und warf mir dann einen mitleidigen Blick zu
.
Ich brauchte die Antwort nicht zu erfahren, ich kannte sie bereits. Ich musste Nathraen in den letzten Stunden vor seiner Opferung zur Seite stehen und alles tun, wonach es ihn gelüstete.
Hilflosigkeit breitete sich in meinem Körper aus. Ohne ein Wort zu sagen, rauschte ich aus dem Zelt und stieß dabei jeden fort, der mir in die Quere kam. Trunken von überwältigenden Gefühlen, lief ich schwankend weiter. Aus der Ferne konnte ich sie debattieren hören. Hauptmann Josvel folgte mir und versuchte, mich aufzumuntern, doch ich lief einfach weiter.
Ich wollte nicht, dass er oder irgendjemand sonst mein Gesicht sah. Denn obwohl Nathraen mich gedemütigt, meinen Vater verspottet und meine Schwestern abgewiesen hatte, fühlte ich mich nicht schlecht, ganz im Gegenteil, ich war beflügelt. Ich wusste, dass ich hätte wüten und schreien sollen, doch ich konnte es nicht. Stattdessen lächelte ich, so breit und ehrlich, wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Die nächste Stunde fühlte sich für mich nicht real an. Einige Diener waren damit beauftragt worden, mich zu reinigen und mich auf das vorzubereiten, was vor mir lag. Man wusch meine Haare, bereitete mir ein Bad und rieb meinen Körper danach mit wohlriechenden Ölen ein. Ich wurde hergerichtet wie zu einer Hochzeit, obwohl niemand wusste, was Nathraen wirklich von mir wollte. Alle waren davon ausgegangen, dass er ein letztes Mal das Bett mit einer Frau teilen wollte, bevor er abtrat.
Da er jedoch mich gewählt hatte, konnte das auch bedeuten, dass er mir Schmerzen zufügen wollte. Oder war es nur ein Scherz?
Am Rande bekam ich mit, wie Josvel nervös auf und ab lief und einen ganzen Trupp Gardisten darauf einschwor, vor dem Zelt Wache zu stehen, beim kleinsten ungewöhnlichen Geräusch hineinzustürmen und Nathraen zu erstechen. Ich hatte müde gelächelt, als er darauf bestand, bei mir im Zelt zu bleiben, um mich zu retten, falls der Dunkelelf zu weit ging. Josvel verließ mich nur widerwillig, als ich ihm erklärte, dass ich alleine zurechtkommen würde.
Das Zelt, welches man für Nathraen und mich bereitgestellt hatte, stand etwas abseits am Waldrand und war umringt von Wachen. Meine Eskorte schickte ich fort. Ich wollte nicht, dass jemand mitbekam, was gleich passieren würde. Denn egal, was Nathraen mit mir vorhatte: Ich ahnte, dass ich eine Seite an mir entdecken würde, die ich selbst noch nicht kannte. Niemand sollte Zeuge dessen werden, was innerhalb des Zeltes geschah, nicht einmal ein Diener.
Ungeduldig und mit klopfendem Herzen wartete ich darauf, dass sich alle entfernten, bevor ich die Hand zwischen die Stoffplanen legte und sie beiseitezog, um ins Innere des Zeltes zu sehen. Das Bild, welches sich mir offenbarte, ließ meinen Atem stocken: Nathraen stand mitten im Zelt, fast nackt und so gewaltig, als sei er der Gott des Unterreichs selbst. Er wandte mir den Rücken zu.
Im Schein des kleinen Feuers, das man in einer Schale entzündet hatte, traten seine Muskeln deutlich hervor, was ihn unglaublich männlich machte. Sein langes weißes Haar reichte ihm bis über die Schulterblätter und bildete einen atemberaubenden Kontrast zu dem dunklen Violettgrau
seiner Haut, die ebenso gereinigt worden war wie seine Haare. Das Öl über der Flamme verströmte einen üppigen Blumenduft und benebelte meine Sinne, als ich es wagte, das Zelt zu betreten. Die Planen fielen hinter mir zusammen, wodurch das Innere vor unerwünschten Blicken geschützt war.
»Ihr kommt spät.« Nathraens Stimme drang augenblicklich in mein Herz und ließ es vor freudiger Erwartung schneller schlagen.
»Ich … bin jetzt da.«
»Lasst uns keine Zeit verlieren.«
Er drehte sich zu mir um. Dabei fiel mein Blick auf den einzigen Fetzen Stoff, den er trug: eine eng anliegende, helle Stoffunterhose, unter der sich die übliche Wölbung abzeichnete.
Ich wandte sofort den Blick ab. Offenbar hatte er doch vor, sich ein letztes Mal irdischen Vergnügungen hinzugeben – mit mir. Ich wusste, dass es kein besonders guter Zeitpunkt war, um Panik zu bekommen, doch sie war da. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. Ich konnte nicht anders, als den Blick starr in den Boden zu bohren.
Grüner Kristall … schön.
»Telrys … seht mich an.«
Ich zwang mich dazu, ihm zu gehorchen.
»Wisst ihr, wieso ich euch gewählt habe?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe euch gewählt, weil ihr …« Er hob die Hand und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »… ein einziger Widerspruch seid.«
»Ach ja …?« Ich konnte seinem Blick nur mit höchster Anstrengung standhalten. »Aber meine Schwestern sind …
«
»Dumme Hühner.«
Ich schmunzelte bei seinen Worten.
»Das stimmt, ich dachte dennoch, dass ihr und Niriel …«
Nathraen schüttelte leicht den Kopf und betrachtete mich eindringlich.
»Ihr seid stärker als jeder andere Silva'tel, dem ich je begegnet bin, und …« Er knöpfte mir das Hemd auf und schob seine Hände unter den Stoff. »… es ist so köstlich, mit anzusehen, wie ihr eure wahren Absichten verbergt.«
»Ich verberge nichts«, sagte ich rasch, bevor ich nicht mehr in der Lage sein würde zu sprechen.
Seine Finger streiften wie zufällig meine Brustwarzen und ich zuckte zurück.
»Vor mir könnt ihr das auch nicht, euer Körper sendet eindeutige Signale«, raunte Nathraen und streifte mein Hemd ab, das er zu Boden fallen ließ. Sein Gesicht war meinem so nahe, dass ich seinen warmen Atem spürte. Mein Blick war wie gebannt auf seine leicht geöffneten Lippen gerichtet, die sich immer weiter auf mich zubewegten.
Ich wusste, dass er mich küssen wollte, und legte den Kopf in den Nacken, während ich noch immer sein Gesicht betrachtete. In diesem Moment wirkte er weder hart noch kämpferisch, eher zärtlich, wie er mit seinen Daumen über meine Brust hinauf zu meinem Hals strich und sachte meinen Kopf umfasste.
»Ihr braucht es nur zu sagen, und ich höre auf«, raunte Nathraen, kurz bevor er mich küsste. Ich wollte ihm den Hals umdrehen für diese Bemerkung. Doch sobald sich unsere Lippen berührten, war alles vergessen. Ich legte jede Vernunft, jeden Stolz, jeden hinderlichen Gedanken ab und kostete von der süßen Versuchung, die seine Lippen versprachen.
Wie im Fieberwahn schlang ich meine Arme um seinen Körper und ließ mich in den Kuss fallen.
Nathraen zog mich zu sich heran, während er meine Lippen in Beschlag nahm und mit der Zunge in meinen Mund drängte. Begierig ließ ich ihn hinein und kostete den Moment aus, als sich unsere Zungen zum ersten Mal berührten. Heiß und wild spielten sie miteinander, während Nathraen mich von meinem Beinkleid befreite und zum Bett hinüberstieß. Rücklings fiel ich auf den Deckenberg und rutschte fast hinunter.
»Hiergeblieben«, knurrte er und zog mich gierig zu sich heran. Ich keuchte, als er mich erneut küsste. Mein Körper stand in Flammen, und er heizte mich mit jedem Kuss, jeder Berührung weiter an.
Unsere Körper fügten sich perfekt ineinander, als er sich hinter mich kniete. Ich konnte seinen harten Schwanz unter dem Stoff deutlich spüren und drückte mich ihm entgegen, was er mit einem Kichern kommentierte.
»So eilig, Prinz von Calindil?«, schnurrte er und biss mir spielerisch in den Nacken.
Mein Kopf glühte bereits seit dem Augenblick, als ich das Zelt betreten hatte. Mittlerweile konnte ich es sogar von seinem Gesicht ablesen.
Nathraen schien es zu gefallen, mich hinzuhalten. Es machte mich rasend, wie er mich ansah. Meine Lust auf ihn war kaum noch zu ertragen. Er hielt mich hin – und das schon viel zu lange. Ich wusste seit unserer ersten Begegnung im Wald, dass es eine Verbindung zwischen uns gab. Anders war das, was wir taten, nicht zu erklären.
Ich biss mir auf die Unterlippe, als sich Nathraens Hand um meine heiße Erregung legte. Meine Finger krallten sich
in seinen Arm, der sich rasch auf und ab bewegte. Die Hitze nahm überhand. Mit halb geöffneten Augen verfolgte ich, wie sich seine Hand an meinem Schwanz zu schaffen machte.
»Schneller …«, keuchte ich und warf den Kopf in den Nacken, während meine Zehen versuchten, Halt in den schlüpfrigen Decken zu finden.
»Ihr seid unglaublich …«, raunte Nathraen und rieb mich noch schneller. Ich kniff die Augen zusammen und presste die Luft stoßweise aus meinen Lungen. Mein ganzer Körper war zum Zerreißen gespannt und wartete auf den erlösenden Moment.
»… leicht zu beeinflussen.« Nathraen brachte es mit ein paar schnellen Bewegungen zu Ende.
Mein Körper bäumte sich auf, als ich den Höhepunkt erreichte. Ich fiel erschöpft auf die Decken und geriet in einen Zustand von Schwerelosigkeit. Nur am Rande nahm ich eine Reihe unpassender Geräusche wahr. Das Klirren von Klingen und Rufen nach meinem Namen war so weit entfernt, dass ich es nicht für wichtig erachtete und mich in die Erleichterung fallen ließ, die meinen Körper umfing und mich wegtreten ließ. Erst etwas später, als ich wieder zu mir kam, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Der Platz hinter mir war kalt. Nathraen war weg.
An seiner Statt stürmten dunkelelfische Krieger in das Zelt und legten mich so schnell in Ketten, dass ich nicht einmal Zeit hatte, mich anzukleiden. Gegen meinen Protest schleiften sie mich hinaus.
Der gesamte Götterhain stand in Flammen. Die Zelte der anderen Völker brannten, und die Flammen loderten bis in Höhe der Wipfel des Waldes. Anstatt eines Kampfes wurde ich Zeuge eines Gemetzels. Tausende Dunkelelfen huschten
wie Spinnen aus dem Waldesdunkel und töteten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Inmitten des Hains, auf einer Erhöhung, sah ich die Silhouette eines Kriegers, der Fächer von Dolchen führte und sich wie ein Wirbelsturm durch seine Angreifer pflügte. Der Anblick trieb mir Tränen in die Augen. Ich erkannte, was ich versucht hatte zu vergessen: Nathraen war wirklich der Schlächter.