Barker änderte ständig seine Richtung, bog in diese und jene Straße ein und schaute nach jeder Kurve in seine Spiegel. Auf dem Rücksitz wurden die Kinder ungeduldig. Jacob war kurz davor, in die Hose zu pinkeln, die Mädchen beschwerten sich, dass sie Hunger hatten, und Miss Willow wusste nicht, womit sie die drei noch ablenken sollte.
Saras Hände zitterten. Sie hatte Barker die Situation von den beiden unbekannten Männern beschrieben und, dass sie den Eindruck hatte als wollten sie nicht auffallen, während die zwei sie ständig anstarrten. Er wollte ihr einen Blick auf den Fahrer des Dodge Ram gewähren, um ihn zu identifizieren, aber jedes Mal, wenn er langsamer fuhr und hoffte, dass der Truck näherkäme, fuhr der Typ auch langsamer.
Barker hatte so oft versucht, Sara die Chance zu geben, dass sie mittlerweile fast zwanzig Minuten verschwendet hatten.
Zwanzig Minuten, in denen Barker über Funk einen Streifenwagen hätte anfragen können, um den Dodge abzufangen. Sie hatte es vorgeschlagen, aber er wollte noch warten.
Sie hielten an einer Ampel und warteten auf Grün.
»Ich weiß, es ist vielleicht nicht das Klügste«, sagte er, »aber wenn die dich auch nur im Geringsten kennen wissen sie,
wohin wir wollen, zumal unser Schatten sah, dass wir an Rutherfords Straße vorbeifuhren. Wenn wir anrufen und der Kerl grundlos angehalten wird, dann wissen sie mit Sicherheit, dass uns klar ist, dass wir beschattet werden. In dem Fall werden sie jemanden zu Jims Haus schicken bevor wir dort ankommen. Sie könnten uns, auf dem Weg ins Haus aus dem Hinterhalt überfallen.«
»Schätze ich auch. Aber wer sagt, dass er es nicht bereits durchgegeben hat wohin wir fahren?«
»Da ist was dran, aber ich denke, dass wir sicherer sind solange wir wissen, wo er ist; wir haben mehr Zeit unseren nächsten Schritt zu planen.«
»Ich meine immer noch wir sollten zu Jim fahren. Ich rufe ihn an und sage ihm er soll eine der Garagen für uns offenhalten, du hängst die ab und fährst wie der Teufel rein.«
Barker blickte in den Spiegel und nickte. »Okay. Dann bleiben wir in Deckung und fordern Verstärkung an.«
Als die Ampel grün wurde, fuhren sie langsam vorwärts. Sara zog ihr Handy aus der Tasche, aber Barker griff nach ihrem Arm. »Warte.«
»Warum?«
»Er ist gerade bei McDonalds reingefahren.«
»Was?« Sara reckte den Hals, um über ihren Sitz zu sehen. Der Pickup war hinter dem gelben, roten und beigen Backsteingebäude mit den goldenen Bögen, bereits außer Sichtweite.
»Ja, er ist weg.«
»Seltsam …«, sagte sie »meinst du, er ist nur zufällig hinter uns hergefahren?«
»Ich bezweifle es. Irgendwas stimmt hier nicht.«
»Umso mehr Grund, zu Jim zu gehen. Kinder, Willow? Geht es euch gut?« Die Antworten waren drei ‚Nein‘ und ein sanftes Lächeln und Sara nickte. »Wir sind bald bei Onkel Jim zu Hause, das verspreche ich.«
Barker sagte: »Sieht aus, als würde er parken, aber er ist zu weit weg. Ich kann nicht sehen wer er ist. Du?«
»Ich kann es auch nicht sehen. Glaubst du wirklich, dass er uns verfolgt hat? Warum hat er dann auf einmal aufgegeben?«
»Ehrlich gesagt bin ich – ich weiß es nicht. Könnte sein, dass er sich mit jemandem abgewechselt hat, wenn er glaubt, dass wir ihn entlarvt haben.«
»Machen die das normalerweise?«
»Die?«
»Kriminelle. Verbrecher. Schwere Jungs.«
»Wahrscheinlich, aber wir haben keine Zeit, um es herauszufinden. Du rufst Rutherford an und sag ihm, dass ich gleich wie ein Stuntfahrer in seine schicke Garage rase.«
»Mach ich.«
Während Sara anrief, um Jim wissen zu lassen, dass sie auf dem Weg waren, versuchte Barker herauszufinden, ob jemand hinter ihm zur gleichen Zeit die Spur wechselte. Es war, auf einer Hauptstraße mit dichtem Verkehr, schwer zu sehen, und Regen die Sicht durch die Heckscheibe erschwerte.
Er bog nach rechts ab und ging nach Westen, zurück in Richtung der Rutherford Villa, die nicht allzu weit von Teddys Haus entfernt war. Barker erinnerte sich, wie er damals mit JonJon vor dem kleineren Haus gestanden war, und es schien lustig es, angesichts seiner Größe, als klein zu beschreiben. Damals wollten sie herausfinden was zum Teufel mit Sara Winthrops Fall los war. DJ war jetzt tot. Zu jung.
Sein jetziger Partner, wieder ein Greenhorn namens Elkins, war gerade auf seiner Hochzeitsreise in Jamaika. Guter Mann, aber Gott hatte ihn nicht mit mehr Hirn beschert als einer Gans. Vielleicht war er trainierbar, aber das musste sich noch herausstellen.
Barker warf einen Blick in den Rückspiegel. Drei Autos hatten die gleichen Abzweigungen genommen.
Drei waren drei zu viel, aber mit ein paar unerwarteten
Richtungsänderungen könnte er leicht herausfinden ob ihn wieder jemand verfolgte.
Sara legte auf. »Jim ist bereit. Er sagt, er hat auch schon, für alle Fälle, die Tür zum Panikraum geöffnet.«
»Ich hoffe, dass es nicht notwendig ist. Aber, wir haben da ein paar Clowns hinter uns. Kommt dir irgendeins der Autos vielleicht bekannt vor?«
Sara schaute. »Nein. Ich sehe einen roten Jeep Cherokee, eine Art graues Crossover-Modell, und… eine blaue Limousine. Oh, der Jeep ist gerade abgebogen.«
»Gut. Einer weniger.« Barker bog rechts in eine Seitenstraße ein, bog dann links und noch einmal schnell links ab und ging zurück in Richtung derselben Straße. Als er an der Kreuzung anhielt, fuhren das graue Crossover-Fahrzeug und die blaue Limousine vorbei. Eine blonde Frau mittleren Alters fuhr das Crossover, und eine Frau und ein jüngerer Mann fuhren in der Limousine vorbei. Niemand stellte Augenkontakt her, niemand fuhr langsamer, um sie zu beobachten und keiner hielt an.
Barker grunzte ein halb-fragendes, »Hmm…«
»Ist die Gefahr vorbei?«
»Sieht so aus. Ich war mir sicher, dass sie einen Kumpel geschickt haben, wenn der Dodge dachte, dass er entlarvt wurde.«
»Oder vielleicht hat er uns von Anfang an nicht verfolgt.«
Barker schüttelte den Kopf. »Ich habe kein gutes Gefühl. Etwas stimmt nicht, aber wir sind jetzt näher an Jims Haus als am Revier.«
»Barker, kannst du bitte für eine Minute vergessen, dass du einen Dienstausweis und -waffe hast? Nachdem mein Haus nur noch ein großer Trümmerhaufen ist, ist alles, was meinem Leben noch Sinn gibt, hier in diesem Auto, okay? Bring uns zu Jim, wir campieren in seinem Panikraum, und dann kannst du wieder Polizist sein. Aber im Moment möchte ich nur aus der
Öffentlichkeit heraus und in Sicherheit sein.«
Barker musterte sie und gab dann nach: »Okay.«
»Okay?«
»Ja doch. Ich verstehe. Intuition ist eben manchmal schwer zu ignorieren.« Barker bog in die Lawson Avenue ein und fuhr dann vorsichtig die Straße entlang. Das Crossover-SUV war nirgendwo zu sehen, und auch die blaue Limousine war verschwunden.
Als sie zur Bellingham Straße kamen zögerte er bevor er abbog, zählte bis drei und sagte: »Miss Willow, halten Sie die Kinder gut fest da hinten. Es könnte etwas holprig werden.« Er riss das Lenkrad nach links und trat mit dem Fuß voll auf das Gaspedal. Der Motor heulte auf. Er bemerkte, wie Sara sich am Haltegriff über der Tür festhielt. Auf dem Rücksitz jubelte Jacob, die Zwillinge lachten und Miss Willow schloss die Augen.
Sollte der Clan auf sie warten und einen Hinterhalt planen, dann bräuchten sie schon einen Panzer oder Granatenwerfer, um das Auto noch anzuhalten. Nur eine Kugel in den Kopf könnte ihn jetzt noch davon abhalten Saras Familie zu Jim Rutherfords Haus, zu bringen, komme was wolle.
Sie rasten an geparkten Autos vorbei, die sie wie ein Schwarm von Farben, Formen und Größen hinter sich ließen.
Er schaute auf den Tacho. Achtzig in einer Vierzig-Kilometer-Zone. Nicht klug, überhaupt nicht klug. Aber solange keine der Nachbarn, ohne zu schauen aus ihren Ausfahrten fuhren, würde alles gutgehen.
Sogar auf nassen und engen Straßen war er sehr kompetent am Steuer. Viele Jahre Defensives-Fahrtraining und viele Hochgeschwindigkeitsverfolgungen, gaben ihm jetzt die nötigen Fähigkeiten, um die überfüllte Straße wie ein Stürmer zu navigieren der, ohne jeglichen Kontakt durch die gegnerische Verteidigungslinie bricht.
Sara sagte: »Barker? Vielleicht nicht ganz so schnell?«
»Ich habe alles im Griff.«
»Ja, aber - «
»Ganz ruhig, Sara. Wir sind fast da und ich werde nicht riskieren, ihnen eine Chance zu geben uns ... « Saras Schrei war schrill und angstvoll. »Pass auf!«
Barker warf einen Blick nach links und erwischte einen flüchtigen Blick auf ein blaues Auto, das direkt von einer Auffahrt auf sie zustieß. In diesem Moment ging alles wie im Zeitlupentempo. Er sah nur einzelne Momentaufnahmen.
Klick. Auto. Klick. Auto.
Es war Absicht; kein abgelenkter Fahrer, der aus seiner Einfahrt fuhr. Das Auto zielte geradeaus und schoss direkt lotrecht von links auf sie zu. Als sein Gehirn die Absicht erkannte, hörte die Zeitlupe auf. Die Szene spielte sich in vollem Tempo ab, sodass er kaum Zeit hatte zu reagieren.
Barker trat auf die Bremse, riss das Lenkrad nach links und drehte das Auto, damit sein vorderer linker Kotflügel das blaue Auto abfangen und so den Schock des Zusammenpralls verringern würde.
Ein ohrenbetäubender Knall erschütterte das Auto, gefolgt von knirschenden, reißenden Metallgeräuschen. Barkers Zähne schlugen zusammen, als es ihn nach links warf und sein Kopf gegen die Windschutzscheibe schlug. Das Glas brach und betäubte ihn kurz, aber er blinzelte, schüttelte den Kopf und gewann wieder die Kontrolle.
Vielleicht war es fehlerhafte Technik oder ein Wunder, aber die Airbags gingen nicht auf, sodass er immer noch durch das Spinnennetz der Risse in der Scheibe, sehen konnte wohin er fuhr.
Die Wucht des Aufpralls warf den Wagen nach rechts wo er von einem geparkten Auto wieder abprallte. Kreischendes Metall. Funken flogen. Seitenspiegel wurde abgerissen.
Saras Kinder schrien auf dem Rücksitz.
Sie drehte sich um und rief ihnen zu, ob sie alle in Ordnung
seien, ob sie verletzt seien, während Barker mit dem Lenkrad kämpfte und es nach links drehte, um den blauen Wagen wegzuschieben, wenn auch nur für einen Moment.
Sie fuhren wieder auf ihn zu.
Barker trat auf die Bremse und riss das Lenkrad nach rechts, manövrierte zwischen zwei Autos über eine Auffahrt in einen Vorgarten. Er mied knapp einen kleinen Baum, aber eine weiße Engelsstatue explodierte beim Aufprall.
Er warf einen Blick nach links und bemerkte, dass die blaue Limousine einen platten Reifen hatte. Wahrscheinlich vom Aufprall auf ein parkendes Auto, als er nach links in den Garten ausgewichen war.
Die Felge sprühte Funken.
»Die Hecke!«, rief Sara.
Sie war sehr dicht und Barker hatte nur eine Sekunde Zeit zu entscheiden. Waren die Zweige dünn genug, um durchzubrechen? Zweifelhaft. Die Büsche waren groß und hatten dicke Stämme. Vielleicht könnten sie es schaffen. Vielleicht nicht.
Ihre linke Seite war von einem weißen Pavillon und einer Reihe geparkter Autos blockiert.
Barker rief: »Festhalten, wir fahren durch.«
Der Vorgarten hatte eine Furche in der Mitte. Barkers Auto prallte ab und schoss dann in die Luft und katapultierte durch die dünnere Mitte der Hecke. Blätter und Zweige flogen, als sie durchbrachen. Das Auto landete, glitt zur Seite, drehte sich in einem weiten Kreis, machte tiefe Gruben im Gras und warf Brocken von Erde und Schlamm hinter sich.
Barker erlangte wieder Kontrolle und zielte auf eine Öffnung zwischen zwei Bäumen.
Die blaue Limousine war an ihnen vorbeigeschossen, und Barker sah eine Chance. Er steuerte sein Auto durch die beiden Eichen, rutschte zur Seite und schlug mit dem Heck gegen einen der Bäume. Als sie wieder auf der Straße waren,
spürte er, wie die Reifen wieder Grip hatten. Er sah am angreifenden Auto Bremslichter aufblitzten.
Barker fuhr schnell nach rechts, schnitt nach links ab und knallte mit der linken Ecke seiner vorderen Stoßstange direkt hinter das rechte Hinterrad des Angreifers, ein perfekt ausgeführtes Manöver, das er von vielen Polizeiverfolgungen her kannte. Die blaue Limousine drehte sich, prallte gegen einen geparkten LKW und blieb stehen.
Sara wirbelte herum. »Sie steigen aus.«
»Gut. Das wird sie ein bisschen aufhalten.
»Wie geht es euch?«, fragte Sara und schaute auf Laceys und Callies verängstigte Gesichter. Jacob schwieg, schien aber fast zu lächeln. Jungs. Verrückte Verfolgungsjagden. Wenn er nur wüsste ...
Lacey und Callie sagten, dass es ihnen gut gehe. Miss Willow nickte und zeigte ihr Herzklopfen indem sie mit der flachen Hand an ihre Brust klopfte.
»Fast da.« Sie wandte sich an Barker, »Soll ich den Notruf anrufen?«
»Ihr müsst jetzt zuerst ins Haus. Höchstwahrscheinlich haben schon andere Leute angerufen.«
»Okay.«
Barker bog in Jim Rutherfords kurze Einfahrt ein. Es ging ein wenig bergauf zu einem großen Backsteinhaus mit grünen Ranken und schwarzen Fensterläden. Der Eingang war von vier majestätisch hohen Säulen eingerahmt, die die schwarzen Dachschindeln noch besser zur Geltung brachten. Auf der rechten Seite war die riesige Drei-PKW-Garage, die fast so groß war wie Barkers Haus. Die linke Garage stand leer und das Tor war weit offen. Jims dunkelgrüner Lexus war draußen geparkt worden.
Barker war überrascht, Jim, den LightPulse-CEO, nicht vor dem Haus zu sehen. War es Grund zur Besorgnis? Zweifelhaft. Wahrscheinlich hatte er den Tumult auf der Straße gesehen
oder gehört und war hineingegangen, um die Polizei anzurufen.
Barker fuhr vorsichtig in die offene Garage und parkte. Er stieg aus, riskierte einen Blick die Straße hinunter in Richtung der blauen Limousine und sah die beiden Angreifer den Bürgersteig entlang, zum Haus rennen. Mit dem Telefon in der Hand trat er zurück und wählte den Notruf: »Detective Barker hier. Schicken Sie bitte ein Team zu 18972 Bellingham. Rutherford Residenz. Hier sind zwei, die möglicherweise bewaffnet sind. Sie sind zu Fuß und hinter mir und einer Familie her. Ein Mann, eine Frau. Ich rufe zurück, wenn wir in Sicherheit sind.«
Er schlug mit der flachen Hand auf den Türöffner an der Wand und hörte wie das Tor laut herunterrollte.
Sara, Miss Willow und die Kinder standen am Eingang.
»Rein. Jetzt!«, Sagte Barker und rannte auf sie zu. »Findet Jim und geht in den Panikraum.«