Kapitel 24
Teddy fühlte einen enormen Adrenalinschub in seinen Venen.
Er hörte nichts, außer seinem eigenen Herzklopfen.
Zeit verging im Schneckentempo.
Peng-Peng! Peng-Peng!
Er zog sein Hemd hoch, griff hinter sich und nahm die sub-kompakte 9-Millimeter die Bariskov ihm gegeben hatte, bevor sie in den Tunnel zu Jims Keller gingen.
Peng-Peng! Peng-Peng!
Er schwang die Waffe blitzschnell nach links, zielte und –
Ein paar Minuten zuvor hatte Karen Bariskov und Teddy vor einem kleinen Hundepark abgesetzt. Sie bat beide vorsichtig zu sein und fragte, ob sie warten solle. Danach befahl sie Dimitri sich nach vorn zu setzen, wo sie ihn im Auge behalten konnte.
»Ich kann hier auf euch warten«, beharrte sie.
»Nein«, sagte Bariskov. »Sie könnten Aufmerksamkeit erregen. Dimitri wird Ihnen sagen, wohin Sie fahren sollen. Ich passe auf Teddy auf.«
Sie fluchte, schüttelte den Kopf und fuhr davon.
Teddy wunderte sich, ob er sie jemals wiedersehen würde. Schlimmer noch, er fragte sich, ob er sich auf einer Todesmission befand. Konnte er Bariskov wirklich vertrauen?
»Wo ist dieser Tunnel ... Geheimgang ... wie auch immer du ihn nennst?«
»Dort.« Teddy zeigte auf ein kleines braunes Gebäude mit einer beigen Tür, schmutzigen Schindeln und einem einzigen Wort, das auf dem Eingang aufgedruckt war: »Kanalisation.«
Bariskov grunzte. »Gut getarnt.«
»Gut geplant. Als Dad in sein Haus einzog, war diese Straße voll von verlassenen Häusern, weil die Immobilienblase geplatzt war und die Häuser weniger wert waren als die Hypotheken. Hier standen früher zwei Häuser nebeneinander und er ließ sie abreißen für diesen Hundepark. Ich denke, dass er damit die Behörden so lange hingehalten hat, bis sie endlich wegsahen und er den Geheimeingang bauen konnte.«
Bariskov wirkte verwirrt. »Wie hält man graben von Tunnel geheim? Die Leute würden sehen, nein?«
»Das war kein Problem. Der Tunnel ist mit dem darunter liegenden Entwässerungssystem verbunden. Wenn es Leute bemerkt haben, haben sie wahrscheinlich geglaubt, dass an den Badezimmern dort drüben gearbeitet wurde.«
Er zeigte etwa zwanzig Meter nach rechts und dann zurück zum falsch identifizierten Kanalisationsgebäude. »Wir gehen hier rein und folgen dem Abwassertunnel nach Westen, bis wir zu der Stelle kommen, die in den Eingang zum Keller meines Vaters übergeht. Ganz einfach.«
»Ganz einfach«, sagt er. Bariskov grinste, zeigte seine gelb verfärbten Zähne und schlug Teddy auf den Rücken. »Jetzt noch zuversichtlich, aber warte, bis wir drin sind.«
Teddy stemmte die Hände in die Hüften und seufzte. »Ja, darüber wollte ich noch mal ...«
Teddy bewegte sich.
Peng-Peng! Peng-Peng!
Würde der Plan funktionieren?
Wenigstens lange genug, um sie abzulenken? Bevor sie in den Keller kamen, hatte Bariskov darauf bestanden, dass er Boudicas Schläger in Schach halten könne. Er bot Teddy die Waffe an und fragte, ob er wüsste, wie man damit umgeht. Natürlich tat er das, aber heimlich hoffte er, dass es nicht viel anders war als am Schießstand.
Der Mann am Fenster drehte sich um und hob die Hände. Er schien unbewaffnet zu sein, aber Teddy konnte kein Risiko eingehen. Er drückte den Abzug.
Das Geräusch, das aus dem Schalldämpfer kam, klang dick, dumpf und hohl im Einklang mit seinem Puls. Ein roter Fleck tauchte dort auf, wo er hingezielt hatte. War es Glück? War es pures Können? Nachdem so vielen Stunden des Testens der virtuellen Waffensysteme von Juggernaut , war es vielleicht das letztere. Der Mann fiel rückwärts gegen die Wand.
Er bemerkte eine Bewegung zu seiner Rechten. Er drehte sich und sah wie die Frau mit ausgestrecktem Arm eine Pistole auf ihn richtete und wie Bariskov sich auf sie warf.
Hinter ihnen hob der zweite Mann am Fenster seine Waffe. Teddy zielte, schoss und der Mann fiel mit einem gut platzierten Schuss in die Stirn. Handeln, ohne nachzudenken. Vertraute Instinkte und erlernte Fähigkeiten. Die Leiche fiel zur Seite.
Bariskov ließ eine Schulter sinken und rammte sie der Frau in die Brust. Sie flog rückwärts, ruderte mit den Armen und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Sie stolperte über ein Kissen, das von einem der umgekippten Sofas gefallen war. Als sie mit der Waffe fiel, wurde der Schuss von einem Schalldämpfer gedämpft.
Teddy spürte wie etwas wie ein Vorschlaghammer in seinen linken Oberschenkel knallte und er fiel zur Seite und auf ein Knie. Er schrie. Zu seiner Rechten stand Detective Barker vom Boden auf.
Die Frau feuerte wieder. Teddy hörte das Zischen von ihrem Schalldämpfer noch einmal, sah, wie Bariskov sich vom Aufprall zur Seite drehte und dann nach links schlug. Barker, dessen Knöchel immer noch gefesselt waren, warf sich ungeschickt aus der Hocke auf sie, wobei ihre Waffe zu Boden fiel. Barker hob seinen Kopf und rammte ihn in ihr Gesicht.
Sie schrie und suchte kratzend den Boden nach der Waffe ab. Barker haute noch einen weiteren Kopfstoß in ihre Schläfe und sie fiel ohnmächtig um.
Bariskov stöhnte, hob eine blutige Hand von seiner Seite und starrte auf seine glänzende rote Handfläche.
»Sind das alle?«, fragte Teddy.
Barker sagte: »Nein, da ist noch einer unten im ...«
Drei weitere Schüsse und neben Teddys Schulter explodierte ein Couchkissen. Er ließ sich fallen, rollte herum und sah auf, als er einen vierten und fünften Schuss hörte.
Er fragte sich, warum die Polizei das Haus noch nicht gestürmt hatte. Wussten sie überhaupt, was los war? Jeder Schuss war durch einen Schalldämpfer gedämpft gewesen. Vielleicht hatten sie es gehört. Vielleicht hatten sie durch die Vorhänge gesehen was los war. Vielleicht warteten sie darauf, dass das Feuergefecht nachließ.
Vielleicht hatten sie auch keine Ahnung.
Teddy rollte sich hinter den umgekippten Couchtisch und warf einen Blick über die Tischplatte. Der vierte Mann, ein massiver Barbar in schwarzer Jacke und schwarzer Hose, duckte sich, lief ins Wohnzimmer und nahm Deckung hinter dem Ende einer niedrigen Mauer. Teddy drehte sich herum, so dass die Treppe direkt vor ihm lag. Er feuerte die restlichen Kugeln seines Magazins durch die dünne Wand. Gips explodierte und regnete auf ihn.
Teddy atmete aus, als er den dumpfen Aufprall eines Körpers hörte.
Zu seiner Linken sagte Barker: »Er ist fertig! Er ist erledigt!«
Teddys Bein pochte. Es gelang ihm, herumzukriechen und auf die Beine zu kommen. In der Nähe kniete Bariskov über Sara und band sie los. Barker nahm die Stricke und fesselte der Frau Hände und Füße hinter ihrem Rücken zusammen.
Jims Stuhl war im Kampfgewühl umgekippt. Teddy humpelte zu ihm hinüber und stellte fest, dass sein Vater verletzt auf der Seite lag und nicht in der Lage war, sich zu befreien. Eine verirrte Kugel hatte ihn getroffen und seine Schulter war Blut nass. »Dad, geht es dir gut?«
Jim krächzte, »Wo hast du so schießen gelernt? Du bist ein Held, Sohn.« Teddy schüttelte den Kopf. »Nein, einfach nur jahrelang Videospiele gespielt.«
»Das müssen wir veröffentlichen.«
Sobald Bariskov Saras Fesseln gelöst hatte, rannte sie den Flur entlang. Teddy löste Jims Fesseln, vergewisserte sich, dass er stehen konnte, und humpelte hinter Sara her. Er fand sie und ihre Kinder im Spiele Zimmer, wo sie alle weinten, lachten und sich umarmten. Miss Willow hatte ihre Arme um sie alle geschlungen.
Teddy blieb stehen und sah ihnen lächelnd zu. Er wollte sich der Gruppenumarmung anschließen. Der alte Teddy hätte das sofort getan, ohne nachzudenken oder Rücksicht zu nehmen. Er lobte sich selbst, weil er dem Impuls widerstand. Sein Vater, Sara und Dr. Hanks wären beeindruckt. Er verlagerte sein Gewicht und fühlte den dumpfen, pochenden Schmerz in seinem Bein. Nach weiterem Selbstlob dachte er. Du hat eine Kugel abgekriegt und murmelte leise: »Teddy, du bist ein Biest.«
Sara hob den Kopf, lächelte und sagte: »Hast du das gerade laut gesagt?«
Teddy blinzelte. »Wie bitte?«
»Hast du dich gerade ein Biest genannt?«
»Ähm ... nein.«
»Das darfst du ruhig; du wurdest angeschossen!« Sie stand schnell auf, und umarmte ihn. »Und du hast uns das Leben gerettet. Ich meine, mein Gott, Teddy, das war unglaublich.« Jacob sprang herüber und schlang seine Arme um Teddys gutes Bein und die Zwillinge taten es ihm nach. Sogar Miss Willow, die ihn noch nie besonders mochte, schloss sich ihnen an.
Sara fügte hinzu: »Sagt Onkel Teddy Danke.«
Onkel Teddy. Musik in seinen Ohren.
Teddy hörte Barker im Wohnzimmer alarmiert »Sara! Teddy!«, rufen.
»Ja?«, rief Sara zurück.
Barker erschien atemlos in der Tür, Arme ausgestreckt, Hände am Türrahmen. »Wir müssen gehen. Jetzt sofort.«
»Warum?«
Er eilte ins Zimmer und nahm Jacob auf seinen Arm und trug ihn aus dem Zimmer. »Keine Fragen. Lauf, lauf, lauf«, sagte er und drängte Sara, die Mädchen und Miss Willow aus der Tür. Er schaute über seine Schulter zu Teddy und fragte: »Wie geht es mit dem Bein? Kannst du schnell genug laufen?«
»Ich glaube schon. Was ist los?«
»Dein russischer Kumpel sagt, die Bombe sei aktiviert, und auf dem Timer stehen nur noch etwa zwei Minuten.«
»Was? Wie denn?«
»Ist jetzt egal. Er kann ihn nicht abschalten und wir müssen hier raus.« Jim schrie den Flur entlang: »Beeilt euch!«
Im Wohnzimmer stand Bariskov auf der obersten Treppe und hielt seinen Hut in der einen Hand während er die andere über die Wunde in seinem Bauch hielt.
»Worauf warten Sie noch?«, sagte Teddy zu Bariskov, während die anderen zur Haustür rannten.
»Ich kann da nicht raus.«
»Wir müssen.«
»Nein, Teddy, ich bin ein freier Mann, und ich werde es auch bleiben.«
Barker öffnete die Haustür und ging mit einer erhobener Hand mit Jacob hinaus. Teddy hörte ihn sagen: »Geiseln kommen heraus! Stopp! Stopp! Zurückziehen! Zieht euch zurück! Bombe im Haus – sie explodiert gleich. Schneller, schneller!«
»Okay«, sagte Teddy zu Bariskov. »Sie kennen den Geheimweg. Sie sind Spirit. Sie verschwinden in Portland durch eine Mauer und tauchen in Schweden wieder auf.«
»Genauso ist es.«
»Dann gehen Sie jetzt. Und danke.«
Bariskov setzte seinen Hut auf und zog ihn tief über die Augen. »Vergiss unseren Deal nicht. Du schuldest mir noch was.«
Teddy schüttelte den Kopf. »Ivan ist mein Freund. Wenn wir Ihnen in diesem Tunnel einen Vorsprung verschaffen, sind wir quitt. Also verschwinde, Casper.«
Bariskov zwinkerte. »Wir sehen uns noch.«
»Hoffentlich als Freunde.«
Teddy humpelte zur Tür.
Draußen sprinteten sein Vater und Barker zu ihm, hoben ihn von den Füßen und trugen ihn, während sie der sich zurückziehenden Menge nachrannten.Es gelang ihnen gerade noch sich hinter einen Krankenwagen zu ducken, als die Explosion den Boden erschütterte.
Am nächsten Tag betrat Sara Zimmer 343 im Krankenhaus und sah Teddy, aufrecht im Bett sitzen und Eis aus einer kleinen Schüssel löffeln. An seinem Bett saß eine wunderschöne blonde Frau, die sie noch nie gesehen hatte.
Teddy strahlte, als er sie sah. »Sara!«
»Hey, Biest.«
Er kicherte und verdrehte die Augen. »Knallharte Mutter und das Biest. Klingt nach einem kitschigen Musical.«
»Stimmt.«
»Das ist Irina, meine ... ähm ... eine Freundin.«
Irina lächelte und stand auf. Sie gab Sara die Hand und küsste Teddy auf die Stirn. »Ich komme später wieder, okay? Tut mir leid, Sara, mein Großvater ist krank und ich muss zu Firebrand zurück, bevor der neue Manager etwas vermasselt.«
Als sie weg war, fragte Sara Teddy: »Firebrand? War das nicht wo du mit diesen Typen über Red Mob geredet hast?«
»Ja.«
»Moment mal, war sie ... war das die Meth-Süchtige, die dir vor fünf Jahren nachgerannt ist?«
»Ja.«
»Und sie ist hier. Wegen dir.«
»Ja.«
»Sie sieht toll aus.«
»Ich weiß. Und sie wollte hier sein. Für mich. Kannst du das glauben?«
Sara kicherte und kniff seine Wange. »Sie kennt dich noch nicht sehr gut, oder?«
»Moment mal...«
»Ich mach Spaß. Chill out, Alter. Wie geht es dir denn?«
»Besser. Diese Schmerzmittel sind unglaublich.«
Sara zog den Stuhl näher an das Bett und setzte sich; Ellbogen auf die Armlehnen. »Also willst du das Neueste hören? Oder zumindest, was Barker mir erzählen durfte?«
»Natürlich.«
»Willst du zuerst die guten oder die schlechten oder die allerschlechtesten Nachrichten hören?«
»Die schlechten.«
»Okay. Das Haus deines Vaters und alles, was sich darin befand, ist im Grunde genommen verdunstet, genau wie mein Haus. Und damit auch all deine Sport Trophäen von der Grundschule.«
»Das sind keine schlechten Nachrichten, das sind schreckliche Nachrichten.«
»Wie – das Haus oder die Trophäen?«
»Die Trophäen!«
»Dachte ich mir.«
»Und die guten Nachrichten?«
»Karen wird wieder gesund und sie haben Dimitri am Flughafen erwischt, als er versuchte mit einem gefälschten Reisepass ein Ticket zu kaufen. Barker sagte, dass der Drecksack, die Bombe aus der Ferne detonieren wollte, um seine kriminellen Verbindungen zu beseitigen. Er wollte ganz aus dem kriminellen Leben aussteigen. Stattdessen geht er in den Knast. Vom Regen in die Traufe, was?«
»Mann ... Ich bin froh, dass sie ihn erwischt haben. Aber was ist mit Karen – sie ist nicht allzu schwer verletzt, oder? Was ist passiert?«
»Er hat Karen im Auto bewusstlos geschlagen und sie sind im Graben gelandet. Der Typ hat die Bombe aktiviert, aber zum Glück hat dein Genosse Bariskov daran gedacht, sie zu checken. Es ist wirklich unglaublich, dass wir nur neunzig Sekunden entfernt waren vom… vom …«
»Bumm
»Ja.«
Teddy stellte sein Eis auf den Beistelltisch und drückte auf einen Knopf, um sich im Bett zurückzulegen. Sara wartete, das Bett krächzte und er lag flach. »Du hast gesagt, dass es schlimmere Neuigkeiten gibt?«
»Ähm – ja.«
»Will ich es überhaupt wissen?« Er schüttelte die Kissen auf und versuchte es sich bequem zu machen. Sara stand auf und ging zum Fenster. Sie steckte die Hände in die Taschen und starrte auf die Welt draußen. Was sie sagen wollte, hatte mehr Folgen für sie und ihre Familie und ihr Leben als für Teddy, aber sie fand, dass er es wissen musste.
»Sara? Was ist passiert?«
»Sie konnten nur drei Leichen identifizieren. Sie haben meistens nur Teile gefunden …«
»Welche drei?«
»Bariskov war nicht dabei.«
»Und?«
Sara verschränkte die Arme und lief durch das Krankenzimmer. »Patty Kellog auch nicht. Sie vermuten, dass sie irgendwie entkommen konnte.«
»Oh Gott, es gibt sie also immer noch? Was machst du jetzt?«
Sara nahm Teddys Hand in ihre und hielt sie liebevoll. »Ich weiß es nicht. Weglaufen ... Verstecken.«
»Nein. Wir schaffen die Frau.«
»Es ist die beste Option, Teddy. Dein Vater und Barker glauben es auch.«
»Du tust, was du für richtig hältst, aber wer hält mich in Schranken, wenn du weg bist?«
»Wir sehen uns, da bin ich mir sicher.« Sara beugte sich über ihn und küsste seine Stirn. »Ich muss gehen. Ich fühle mich nicht wohl, wenn die Kinder zu lange außer Sichtweite sind.«
»Bis bald, Sara.«
»Danke, dass du uns das Leben gerettet hast. Pass auf dich auf, Biest.« Teddy lächelte.
Als Sara den Raum verließ, warf sie einen letzten Blick auf ihn und dachte, wie seltsam es doch war, so stolz auf den kleinen Scheißer zu sein.
~ das Ende ~