23. Juli 1955

Es stand ein Begräbnis bevor. Die beiden Totengräber, der alte Jeff Weaver und sein Sohn Adam, waren in der Morgendämmerung aufgestanden, und jetzt war alles fertig. Das Loch entsprach den genauen Maßen, und die ausgehobene Erde war ordentlich daneben aufgetürmt. Die St.-Botolph-Kirche in Saxby-on-Avon hatte nie tröstlicher ausgesehen, und die Morgensonne spiegelte sich in den Fenstern aus farbigem Glas. Die Ursprünge der Kirche reichten zurück bis ins 12. Jahrhundert, aber sie hatte natürlich mehrfach wieder neu aufgebaut werden müssen. Das neue Grab lag auf der Ostseite, bei den Überresten der alten Kanzel, wo das Gras, die Gänseblümchen und der Löwenzahn zwischen den zerbrochenen Steinbögen wild wuchern durften. Die Straßen des Dorfes waren noch still und verlassen. Der Milchmann hatte seine Kunden bereits beliefert und war mit den klappernden Flaschen auf seinem Wägelchen wieder verschwunden. Die Zeitungsjungen hatten die Runden gemacht. Es war Samstag, niemand würde zur Arbeit gehen, und es war noch zu früh für die ewigen Garten- und Renovierungsarbeiten der Hausbesitzer. Der Dorfladen würde um neun Uhr aufmachen, und aus der Bäckerei daneben drang schon der Duft frischen Brotes. Die ersten Kunden würden bald eintreffen. Sobald das Frühstück vorbei war, würde sich ein Chor von Rasenmähern erheben. Es war Juli, und die fleißige Armee der Gärtner von Saxby-on-Avon hatte alle Hände voll zu tun. Das Erntefest stand bevor, und überall wurden die Rosen geschnitten und Kürbisse nachgemessen. Am Nachmittag um halb zwei sollte es ein Cricket-Match auf dem Gemeindeanger geben. Ein Eiswagen würde bereitstehen, die Kinder würden im Gras spielen, und die Besucher würden auf dem Rasen vor ihren Autos sitzen und ihre Picknickkörbe auspacken. Das kleine Café würde Tee und Scones anbieten. Ein perfekter englischer Sommertag.

Aber so weit war es noch nicht. Es schien, als ob das Dorf noch respektvoll den Atem anhielte und auf den Sarg wartete, der in Bath seine Reise antrat. Jetzt gerade wurde er auf den Leichenwagen geladen, umringt von seinen Begleitern – fünf Männern und einer Frau, deren Blicke sich auswichen, als ob sie nicht wüssten, wohin sie schauen sollten. Vier der Männer waren professionelle Sargträger von dem hochangesehenen Bestattungsunternehmen Lanner & Crane. Die Firma bestand schon seit dem 19. Jahrhundert, war damals allerdings noch eine Schreinerei gewesen. Die Särge und die Beerdigungen bildeten zunächst nur einen Seitenzweig, eine Art Anhängsel. Aber kurioserweise hatte gerade dieser Teil des Geschäfts überlebt. Lanner & Crane bauten längst keine Möbel und Häuser mehr, ihr Name war vielmehr ein Markenzeichen für den respektvollen Umgang mit Toten.

Das heutige Ereignis war allerdings nur die »einfache Erdbestattung mit kleinem Blumenschmuck«. Der Leichenwagen war ein älteres Modell. Es gab keine schwarzen Pferde oder teuren Kränze. Der Sarg war poliert, bestand aber doch nur aus minderwertigem Holz. Eine einfache, dünn versilberte Plakette trug den Namen der Verstorbenen und die Lebensdaten:

Mary Elizabeth Blakiston
5. April 1897-15. Juli 1955

Ihr Leben war nicht so lang gewesen, wie es schien. Es überspannte zwar zwei Jahrhunderte, war dann aber überraschend beendet worden. Die bisher eingezahlten Raten für den Bestattungsvertrag hätten bei weitem nicht ausgereicht, um die Kosten zu decken, und die Versicherung musste einspringen, aber es würde alles so ablaufen, wie es sich die Verstorbene wohl gewünscht hätte.

Der Leichenwagen begann die acht Meilen lange letzte Reise der Toten genau in dem Augenblick, als der Zeiger der Uhr auf halb zehn sprang. Beim angemessen geruhsamen Tempo würde er die Kirche pünktlich zur vollen Stunde erreichen. Wenn Lanner & Crane ein Motto gehabt hätten, wäre es vielleicht »Nie zu spät« gewesen. Obwohl die beiden Trauergäste, die mit dem Sarg reisten, sie vermutlich gar nicht beachteten, hatte die Landschaft nie lieblicher ausgesehen. Die Wiesen hinter den niedrigen Steinmauern neben der Straße fielen sanft zum Avon ab, der sie den ganzen Weg begleitete.

Auf dem Friedhof von St. Botolph betrachteten die beiden Totengräber ihr Werk. Man kann viele Dinge über eine Beerdigung sagen, nachdenkliche, tiefsinnige und philosophische Dinge, aber Jeff Weaver traf es genau richtig, als er sich auf seinen Spaten lehnte und sich eine Zigarette zwischen den lehmigen Fingern drehte. »Wenn du stirbst«, sagte er zu seinem Sohn, »kannst du dir keinen schöneren Tag wünschen.«