Sie waren zu fünft in dem Büro mit den hohen Fenstern in Bath. Die Atmosphäre war eigenartig still und gedämpft. Auf der anderen Seite der Scheiben ging das Leben vermutlich weiter, aber hier drinnen schien es gefangen in einem Moment, der unausweichlich gewesen und jetzt endlich gekommen war. Inspektor Chubb hatte den Platz hinter dem Schreibtisch eingenommen, obwohl er nicht viel zu sagen gedachte. Er war kaum mehr als ein Zeuge. Aber es war sein Büro, sein Schreibtisch und seine Autorität, und das wollte er auch ganz deutlich machen. Atticus Pünd saß neben ihm. Seine rechte Hand lag auf der polierten Oberfläche, als ob er sich damit das Recht verschaffen wollte, hier zu sein und zu sprechen. Sein Rosenholzstock lehnte schräg an der Sessellehne. James Fraser saß ganz am Rand.

Joy Sanderling, die nach London gefahren und Pünd überhaupt erst in die Sache hineingezogen hatte, saß ihnen gegenüber auf einem der Besucherstühle, der so aufgestellt worden war, als handle es sich um ein Bewerbungsgespräch. Neben ihr saß Robert Blakiston, bleich und nervös. Sie hatten kaum etwas gesagt, seit sie gekommen waren. Im Mittelpunkt stand eindeutig Pünd, der jetzt das Wort ergriff.

»Miss Sanderling«, sagte er. »Ich habe Sie heute hierhergebeten, weil Sie in vieler Hinsicht meine Klientin sind – das heißt, ich habe überhaupt erst durch Sie von Sir Magnus und seinen Angelegenheiten gehört. Sie kamen nicht zu mir, weil ich ein Verbrechen aufklären sollte – es war ja auch keineswegs sicher, ob überhaupt eins verübt worden war. Sie baten mich um meine Hilfe, weil Sie dachten, Ihre geplante Eheschließung mit Robert Blakiston sei in Gefahr und ich könnte Ihnen helfen. Es war vielleicht falsch von mir, Ihre Bitte abzulehnen, aber ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich sage, dass ich damals einige persönliche Angelegenheiten überdenken musste und dementsprechend abgelenkt war. Am Tag nach Ihrem Besuch erfuhr ich vom Tod von Sir Magnus und habe meine Meinung geändert. Als ich in Saxby-on-Avon eintraf, hatte ich aber weiter das Gefühl, in Ihrem Auftrag zu handeln, und das galt auch für Ihren Verlobten. Deshalb erschien es mir richtig, Sie beide hierher einzuladen, damit Sie die Ergebnisse meiner Überlegungen direkt von mir erfahren. Ich möchte Ihnen auch nicht verschweigen, dass es mir sehr leidtut, dass Sie das Gefühl hatten, die Dinge selbst in die Hand nehmen und diesen Aushang machen zu müssen, mit dem Sie das ganze Dorf über Ihr Privatleben informiert haben. Das kann nicht sehr angenehm für Sie gewesen sein, und in gewisser Weise war ich dafür verantwortlich. Auch dafür möchte ich Sie um Entschuldigung bitten.«

»Wenn Sie die Morde aufgeklärt haben und Robert und ich bald heiraten können, verzeihe ich Ihnen alles«, rief Joy.

»Ja«, sagte Pünd und wandte sich kurz zu Chubb um. »Wir haben hier offensichtlich zwei junge Leute, die sich sehr lieben. Es war mir gleich klar, wie viel diese Eheschließung ihnen bedeutet.«

»Na, dann viel Glück«, murmelte Chubb.

»Wenn Sie wissen, wer’s gewesen ist«, knurrte Robert, »warum sagen Sie’s uns dann nicht einfach? Dann können Joy und ich gehen. Wir haben beschlossen, nicht länger in Saxby-on-Avon zu bleiben. Ich kann das Kaff nicht mehr ausstehen. Wir suchen uns etwas Neues und fangen von vorn an.«

»Solange wir zusammen sind, wird alles gut«, sagte Joy, streckte die Hand aus und berührte Robert am Arm.

»Dann fange ich jetzt an«, sagte Pünd. Er zog seine Hand vom Tisch und ließ sie auf seiner Armlehne ruhen. »Noch ehe ich in Saxby ankam, war mir klar, dass ich es mit einem eigenartigen Zufall zu tun hatte. Bei einem typischen Haushaltsunfall stürzt eine Frau zu Tode, und kaum zwei Wochen später stirbt ihr Arbeitgeber, und diesmal ist es ohne Zweifel Mord. Ich habe gesagt, dass es wie ein Zufall erschien, aber in Wirklichkeit ist es natürlich genau das Gegenteil. Es musste eine Ursache geben, warum diese beiden Ereignisse gewissermaßen zusammenprallten. Aber worin bestand diese Ursache? Konnten der Tod von Sir Magnus und der seiner Haushälterin auf demselben Motiv beruhen? Welches Ziel wurde dadurch erreicht, dass man sie aus dem Weg schaffte?«

Pünds Augen bohrten sich für einen Moment in die Gesichter der beiden jungen Menschen, die vor ihm saßen. »Es fiel mir auf, dass die von Ihnen so heiß ersehnte Eheschließung durchaus ein Motiv dieser Art gewesen sein könnte. Wir wissen, dass Mary Blakiston dieser Verbindung aus fragwürdigen Gründen ablehnend gegenüberstand. Aber ich habe den Gedanken nicht weiterverfolgt. Zum einen war Mary Blakiston, soviel wir wissen, nicht in der Lage, eine Eheschließung dauerhaft zu verhindern. Es wäre also gar nicht nötig gewesen, sie deswegen zu töten. Es gibt auch keinerlei Hinweise, dass Sir Magnus eine negative Meinung dazu entwickelt hatte. Im Gegenteil, er war gegenüber Mary Blakistons Sohn stets sehr wohlwollend und man kann annehmen, dass er die Eheschließung begrüßt hätte.«

»Er wusste, dass wir heiraten wollen«, warf Robert ein. »Er hatte überhaupt nichts dagegen. Warum auch? Joy ist ein wunderbares Mädchen, und Sie haben recht, er war immer sehr nett zu mir. Er wollte, dass ich glücklich werde.«

»Einverstanden. Aber wenn wir keinen gemeinsamen Grund für die beiden Todesfälle finden, was sind dann die Alternativen? Konnte es zwei Mörder in Saxby-on-Avon geben, die völlig verschiedene Motive hatten und unabhängig voneinander gehandelt haben? Das klingt ein bisschen unwahrscheinlich, um es vorsichtig auszudrücken. Oder war vielleicht der eine Todesfall der Grund für den anderen? Wir wissen, dass Mary Blakiston systematisch Geheimnisse aus dem Leben der Menschen im Dorf sammelte. Wusste sie etwas, das sie in Gefahr brachte? Hatte sie es womöglich Sir Magnus erzählt? Wir dürfen nicht vergessen, dass er in vieler Hinsicht ihr engster Vertrauter war.

Während ich noch über diese Fragen nachdachte, erfuhr ich von einem dritten Verbrechen. Bereits am Abend von Mary Blakistons Beerdigung war jemand in Pye Hall eingebrochen. Es schien sich um einen gewöhnlichen Einbruch zu handeln, aber in einem Monat, in dem zwei Menschen sterben, gibt es natürlich gar nichts Gewöhnliches mehr. Das sollte sich bald bestätigen; denn abgesehen von einer silbernen Schnalle, die nach London verkauft wurde, landete der Rest der Beute im See. Was hatte das zu bedeuten? Wurde der Einbrecher gestört? Oder hatte er ein ganz anderes Ziel? Wollte er das Silber bloß verschwinden lassen, ohne materiell davon zu profitieren?«

»Sie meinen, es war eine Art Provokation?«, fragte Chubb.

»Sir Magnus war sehr stolz auf sein römisches Silber. Ich habe mich tatsächlich gefragt, ob es vielleicht gestohlen wurde, um ihn zu kränken, Detective Inspector.«

Pünd beugte sich vor. »Es gab noch einen anderen Aspekt bei alledem, den ich einfach nicht begreifen konnte«, sagte er. »Und das war die Haltung von Mary Blakiston.«

»Die hab’ ich schon lange nicht mehr verstanden«, murmelte Robert.

»Betrachten wir mal ihr Verhältnis zu Ihnen«, sagte Pünd. »Sie hat einen Sohn bei einem tragischen Unfall verloren, und das macht sie misstrauisch, besitzergreifend und herrschsüchtig. Wissen Sie, dass ich Ihren Vater kennengelernt habe?«

Robert riss die Augen auf. »Wann?«

»Gestern. Mein Kollege Fraser hat mich zu ihm nach Cardiff gefahren. Ihr Vater hat mir viele interessante Dinge erzählt. Nach dem Tod Ihres Bruders hat Ihre Mutter Sie von aller Welt abgesperrt. Selbst Ihr Vater durfte nicht mehr an Sie heran. Sie hat Sie nicht mehr aus den Augen gelassen und war sehr wütend, als Sie nach Bristol gingen. Das war auch die einzige Gelegenheit, bei der sie mit Sir Magnus gestritten hat, der sich immer so fürsorglich um Sie gekümmert hat. Das passt alles ganz gut zusammen. Eine Frau, die ein Kind verloren hat, hat verständlicherweise große Angst um das andere. Aber ich weiß auch, dass so eine Beziehung sehr beengend und qualvoll sein kann. Der Streit zwischen Ihnen und Ihrer Mutter war bedauerlich, aber auch unvermeidlich.

Nur eins verstehe ich nicht. Warum war sie so gegen die Heirat? Das ist völlig unverständlich. Ihr Sohn hat in Miss Sanderling eine reizende junge Frau gefunden, wenn ich das mal so sagen darf. Ein bodenständiges Mädchen aus einer guten Familie. Ihr Vater ist Feuerwehrmann. Sie arbeitet in einer Arztpraxis. Sie hat nicht die Absicht, Robert aus dem Dorf wegzuholen. Sie passen wunderbar zusammen, und trotzdem reagiert Mary Blakiston vom ersten Tag an mit Feindseligkeit. Warum nur?«

Joy errötete. »Ich habe keine Ahnung, Mr Pünd.«

»Nun, da können wir Ihnen helfen, Miss Sanderling«, sagte Chubb. »Sie haben einen Bruder, der am Down-Syndrom leidet.«

»Paul? Was hat der denn damit zu tun?«

»Mrs Blakiston hat ihre Überlegungen in einem Tagebuch niedergelegt, das wir gefunden haben. Sie fürchtete, dass sich die Krankheit auf ihre Enkelkinder vererben könnte. Das war ihr Problem.«

Pünd schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Detective Inspector. Da bin ich anderer Meinung.«

»Aus meiner Sicht hat sie das sehr deutlich gemacht«, sagte Chubb. »Sie sprach davon, wie ›diese schreckliche Krankheit auch sie treffen könnte …‹ Das hat sie geschrieben. Grausame Worte, aber das hat sie geschrieben.«

»Diese Worte haben Sie vielleicht falsch gedeutet.« Pünd seufzte. »Um Mrs Blakiston zu verstehen, muss man sich mit dem Punkt in ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, der ihr ganzes späteres Leben bestimmt hat.« Er warf Robert einen Blick zu. »Ich möchte Ihnen keinen Kummer bereiten, Mr Blakiston, aber ich beziehe mich natürlich auf den Tod Ihres Bruders.«

»Damit lebe ich schon seit Jahren«, sagte Robert. »Da können Sie mir nichts mehr sagen, was mich erschreckt.«

»Es gibt verschiedene Aspekte dieses Unfalls, die ich nicht verstehe. Da ist zum Beispiel die Reaktion Ihrer Mutter. Ich verstehe nicht, wie eine Mutter so beharrlich dort bleiben kann, wo sie ihr Kind verloren hat. Jeden Tag muss sie an diesem See vorbei. Da fragt man sich doch: Bestraft sie sich etwa für etwas, das sie getan hat? Oder für etwas, das sie weiß? Ist sie seit jenem schrecklichen Tag von Schuldgefühlen getrieben?

Ich habe das Pförtnerhaus aufgesucht und mir vorzustellen versucht, wie das Leben für Ihre Mutter und Sie dort gewesen sein muss – in diesem finsteren, ständig vom Schatten der Bäume umgebenen Haus. Es gab dort wenig Geheimnisse, aber ein Rätsel ist uns doch aufgefallen: ein Zimmer im oberen Stockwerk, das Ihre Mutter ständig verschlossen hielt. Warum? Was war das für ein Zimmer? Und warum hat sie selbst es nie betreten? Es war nicht mehr viel vorhanden: ein Tisch und ein Bett, und in der Schublade das Halsband eines Hundes, der ebenfalls nicht mehr am Leben war.«

»Das war Bella«, sagte Robert.

»Ja. Der Hund war ein Geschenk Ihres Vaters für Ihren Bruder, und Sir Magnus wollte ihn nicht auf seinem Grundstück haben. Als ich gestern mit Ihrem Vater gesprochen habe, hat er angedeutet, dass Sir Magnus diesen Hund auf sehr grausame Weise hat umbringen lassen. Ob das zutrifft, weiß ich nicht, aber ich will Ihnen sagen, was ich mir dabei gedacht habe. Ihr Bruder ertrinkt. Ihre Mutter fällt die Treppe hinunter. Sir Magnus wird brutal ermordet. Und dann kommt auch noch Bella dazu, eine Mischlingshündin, der jemand die Kehle durchschneidet. Noch ein weiterer gewaltsamer Tod in einer ganzen Kette von Todesfällen, die sich in Pye Hall ereignet haben. Warum wurde das Hundehalsband dort aufbewahrt?

Außerdem fiel mir noch etwas auf: Dieses Zimmer war der einzige Raum des Hauses, der einen Blick auf den See hatte. Schon das war bedeutsam genug. Dann habe ich mich gefragt, zu welchem Zweck wurde das Zimmer benutzt, als Sie dort gewohnt haben? Ich habe zunächst fälschlich angenommen, dass es Ihr Kinderzimmer oder das Ihres Bruders gewesen ist, aber – «

»Meine Mutter hat da genäht«, sagte Robert. »Ich hätte es Ihnen sagen können, wenn Sie gefragt hätten.«

»Ich brauchte Sie gar nicht zu fragen. Sie haben ja erwähnt, dass Sie und Ihr Bruder sich nachts durch Klopfzeichen verständigt haben. Also mussten Sie Zimmer gehabt haben, die nebeneinanderlagen. Ich habe mir schon gedacht, dass es die Nähstube von Ihrer Mutter war.«

»Alles schön und gut, Mr Pünd«, sagte Chubb. »Aber ich weiß nicht recht, wo das hinführen soll.«

»Wir sind schon fast am Ziel, Detective Inspector. Aber lassen Sie uns zunächst noch einmal den Unfall betrachten, der Tom Blakiston das Leben gekostet hat; denn dabei gibt es, wie ich schon sagte, gewisse Probleme.

Nach Aussage von Robert und seinem Vater suchte Tom nach einem Stück Gold, das von Sir Magnus in den Binsen in der Nähe des Wassers versteckt worden war. Wir müssen uns vor Augen halten, dass er kein kleines Kind, sondern immerhin schon elf Jahre alt und sehr intelligent war. Ich frage Sie: Würde er wirklich in das kalte, schlammige Wasser gelaufen sein, weil er glaubte, dass dort das Gold versteckt war? Soviel ich weiß, nahmen die Spiele der beiden Jungen immer denselben Verlauf. Organisiert wurden sie von Sir Magnus. Er versteckte den Schatz und gab die entscheidenden Hinweise. Wenn Tom am Ufer war, konnte er sich vielleicht denken, wo das Gold zu finden war. Aber es gab keinen Grund, daran vorbei und ins Wasser zu gehen. Das wäre ganz sinnlos gewesen. Und dann gibt es noch ein weiteres Detail, das mich irritiert. Die Leiche wurde von Brent gefunden, dem Gärtner – «

»Der hat uns immer nachgeschnüffelt«, unterbrach Robert. »Tom und ich hatten Angst vor ihm.«

»Das glaube ich gern. Aber dazu möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen. Brent hat die Sache sehr detailliert beschrieben: Er hat Ihren Bruder aus dem Wasser gezogen und auf den Rasen gelegt. Sie sind einen Augenblick später gekommen – weshalb haben Sie sich ins Wasser gestürzt? Gab es dafür einen Grund?«

»Ich wollte helfen.«

»Natürlich. Aber Ihr Bruder war ja schon aus dem Wasser heraus. Ihr Vater hat gesagt, er lag auf dem Rasen. Warum wollten Sie auch noch frieren und nass werden?«

Robert runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was Sie hören wollen, Mr Pünd. Ich war dreizehn Jahre alt. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, was damals passiert ist. Ich hab’ nur an Tom gedacht und daran, ihn aus dem Wasser zu holen. An sonst gar nichts.«

»Nein, Robert. So war es nicht. Ich glaube, Sie wollten den Umstand verschleiern, dass Sie schon nass waren.«

Der Raum schien plötzlich stillzustehen. So, als hätte jemand den Film angehalten. Sogar draußen auf der Straße rührte sich nichts mehr.

»Warum hätte er das tun sollen?«, fragte Joy schließlich. Es war ein leichtes Zittern in ihrer Stimme.

»Weil er kurz zuvor mit seinem Bruder gekämpft hatte. Sie haben sich gestritten, sie haben gerangelt und sind ins Wasser gefallen. Am Ende hat er seinen Bruder ertränkt.«

»Das ist nicht wahr!« Roberts Augen brannten wie Feuer. Eine Sekunde lang fürchtete Fraser, dass er vom Sessel aufspringen würde, und bereitete sich darauf vor, Pünd vor einem Angriff zu schützen.

»Vieles, was ich hier darlege, beruht auf Vermutungen«, sagte Pünd. »Und Sie dürfen mir glauben, dass ich Sie nicht wirklich für ein Verbrechen verantwortlich mache, das Sie als Kind begangen haben. Aber schauen wir uns die Sache noch mal im Zusammenhang an: Ihr Bruder erhält einen Hund als Geschenk, nicht Sie. Das Tier stirbt auf grausame Weise. Sie und Ihr Bruder suchen nach einem Goldklumpen. Er findet ihn und nicht Sie. Und diesmal wird er bestraft. Ihr Vater hat mir gesagt, dass Sie sich oft mit Ihrem Bruder gestritten und geprügelt haben. Er hat sich Sorgen gemacht, weil Sie so launenhaft waren und schon in jungen Jahren einsam herumgestreunt sind. Aber er hat nicht gesehen, dass von Anfang an, seit Ihrer Geburt – einer schwierigen Geburt – etwas mit Ihnen nicht stimmte, dass Sie zum Töten bereit waren.«

»Nein, Mr Pünd!« Joy protestierte erneut. »Das ist nicht Robert, von dem Sie da reden. Robert ist vollkommen anders.«

»Robert ist genau so, Miss Sanderling. Sie selbst haben mir erzählt, dass er es in der Schule so schwer gehabt hat. Er hat keine Freunde gehabt. Die anderen Kinder trauten ihm nicht. Vielleicht haben sie ja gespürt, dass bei ihm etwas nicht stimmte. Und das einzige Mal, als er sein Zuhause verließ und in Bristol gearbeitet hat, geriet er in eine Schlägerei und wurde verhaftet.«

»Er hat dem anderen den Kiefer gebrochen, und außerdem noch drei Rippen«, sagte Chubb. Er hatte offensichtlich die Akten gelesen.

»Ich bin überzeugt, dass Mary Blakiston das Wesen ihres Ältesten sehr gut kannte«, ergänzte Pünd. »Sie hat nicht ihren Sohn vor der bösen Welt bewahrt. Sie hat die Welt vor ihm zu bewahren versucht. Sie wusste oder ahnte, was mit dem Hund passiert war, mit Bella. Warum sonst hätte sie das Halsband so sorgfältig aufbewahrt? Sie war Augenzeugin dessen, was unten am See geschehen war. Ja, sie saß an ihrem Arbeitstisch in der Nähstube und hat durchs Fenster gesehen, wie Robert seinen Bruder Tom umgebracht hat, weil er wütend darüber war, dass sein kleiner Bruder und nicht er das Gold gefunden hatte. Von dem Tag an hat sie ihn eingemauert. Sie hätte die Zugbrücke hochgezogen, hat Matthew Blakiston uns gesagt. Sie wollte nicht, dass jemand die Wahrheit erfährt, und deshalb hat sie niemand an Robert herangelassen.

Jetzt erklärt sich auch, Miss Sanderling, warum Mary Blakiston nicht wollte, dass Sie ihren Sohn heiraten. Es ging ihr nicht darum, dass Sie keine geeignete Frau für ihn gewesen wären. Sie wusste, dass ihr Sohn gefährlich war, und sie wollte nicht, dass er heiratete. Sie dachten, es ginge um Ihren Bruder und sein Down-Syndrom. Aber ich glaube, dass sowohl Fraser als auch Inspektor Chubb den Eintrag im Tagebuch falsch interpretiert haben. Ich musste daran denken, dass diese schreckliche Krankheit womöglich auch sie treffen kann. Das hat sie geschrieben, aber sie meinte nicht das Down-Syndrom Ihres Bruders, sondern die kranke Seele ihres eigenen Sohnes. Sie fürchtete, dass sein Jähzorn, seine Unbeherrschtheit und Brutalität eines Tages auch Sie treffen könnte, wenn Sie ihn heiraten würden.«

»Ich gehe jetzt!«, sagte Robert Blakiston und stand auf. »Ich brauche mir diesen Quatsch nicht länger anzuhören.«

»Sie bleiben schön sitzen«, sagte Chubb. »Auf der anderen Seite der Tür stehen zwei von meinen Beamten, und Sie bleiben hier, bis Herr Pünd fertig ist.«

Robert sah sich mit wilden Blicken um. »Na, was haben Sie sonst noch für Theorien, Mr Pound? Werden Sie jetzt behaupten, dass ich meine Mutter umgebracht habe, um sie am Reden zu hindern?«

»Nein, Mr Blakiston. Ich weiß genau, dass Sie Ihre Mutter nicht umgebracht haben. Und wenn Sie sich wieder hinsetzen, werde ich Ihnen erzählen, was wirklich passiert ist.«

Robert zögerte, dann nahm er seinen Platz wieder ein. Es entging Fraser nicht, dass Joy Sanderling sich von ihm weggedreht hatte. Sie sah zutiefst unglücklich aus und vermied es, ihn anzusehen.

»Versuchen wir uns in das Gemüt Ihrer Mutter hineinzuversetzen«, sagte Pünd. »Auch hier müssen wir uns zum größten Teil auf Vermutungen verlassen. Aber nur so lassen sich die Ereignisse logisch erklären, die wir beobachtet haben. Mary Blakiston lebt mit einem Sohn, von dem sie weiß, dass er gefährlich gestört ist. Auf ihre Weise versucht sie, ihn zu beschützen. Sie kontrolliert all seine Regungen. Sie lässt ihn nie aus den Augen. Ihre Beziehung wird immer gespannter und unangenehmer, die Szenen zwischen ihnen gewalttätiger, und Mary Blakiston beginnt sich Sorgen zu machen. Was ist, wenn sich ihr Sohn in seinem Wahnsinn auch gegen sie wendet? Wie soll sie sich davor schützen?

Sie hat nur einen Menschen, dem sie vertraut. Sie bewundert Sir Magnus Pye als Mann von vornehmer Abstammung. Er steht weit über ihr, er ist sogar von Adel. Er ist reich, er ist ihr Arbeitgeber, er hat ihr mehrfach geholfen. Er hat sich Spiele für ihre Söhne ausgedacht, als ihr Mann nicht da war. Nach ihrer Scheidung hat er ihr zur Seite gestanden und zweimal einen Arbeitsplatz für ihren Sohn gefunden. Er hat sogar seinen Einfluss geltend gemacht, um Robert aus dem Gefängnis zu holen.

Von dem Mord kann sie ihm allerdings nicht erzählen. Er wäre womöglich entsetzt und würde sie fallenlassen. Aber sie hat eine Idee: Um die Welt vor ihrem Sohn zu schützen, gibt sie Sir Magnus einen verschlossenen Umschlag mit einem Brief, in dem sie alles niederlegt, was sie über den Tod ihres jüngeren Sohnes, den Tod des Hundes und alle möglichen anderen Dinge weiß, von denen wir vielleicht nie erfahren werden. Sie beschreibt Robert Blakiston in seiner ganzen Gefährlichkeit. Der Trick besteht darin, dass Sir Magnus den Umschlag nur dann öffnen soll, wenn sie vorzeitig stirbt. Sie übergibt ihrem Arbeitgeber den Brief, und erst als er sicher verwahrt ist, erzählt sie ihrem Sohn, was sie getan hat.

Der Brief soll ihre Lebensversicherung sein. Sir Magnus wird sich an sein Wort halten. Er wird den Umschlag nicht öffnen. Aber wenn sie unter ungeklärten oder verdächtigen Umständen sterben sollte, wird er wissen, wer dafür verantwortlich ist. Aus Sicht von Mary Blakiston ist das ein perfektes Arrangement. Robert kann es nicht wagen, sie anzurühren. Dank des Briefes ist die Gefahr gebannt.«

»Das haben Sie sich doch ausgedacht!«, rief Robert. »Woher wollen Sie das wissen?«

»Ich weiß alles!« Pünd legte eine Pause ein. »Lassen Sie uns jetzt zum Tod von Mary Blakiston kommen.«

»Wer hat sie umgebracht?«, fragte Chubb.

»Niemand!« Pünd lächelte. »Das ist das Besondere und höchst Bedauerliche an dieser Geschichte. Sie ist tatsächlich durch einen Unfall gestorben. Nichts weiter.«

»Moment mal!«, ließ sich jetzt Fraser aus seiner Ecke vernehmen. »Sie haben zu mir gesagt, dass Matthew Blakiston sie umgebracht hätte.«

»Das hat er, James. Aber ganz unabsichtlich. Er wusste auch gar nicht, dass er verantwortlich war. Erinnern Sie sich, dass er eine eigenartige Vorahnung hatte und sie an diesem Tag anrufen wollte? Sie wissen auch, dass die Telefone im oberen Stockwerk nicht funktionieren. Das hat uns Lady Pye erzählt. Was dann passiert ist, war einfach. Mary Blakiston hat im oberen Teil des Hauses Staub gesaugt. Das Telefon hat geklingelt, und um den Anruf anzunehmen, musste sie so schnell wie möglich ins untere Stockwerk hinunterrennen. Ihr Fuß verfing sich in der Staubsaugerschnur, sie stolperte und fiel die Treppe hinunter. Dabei zog sie den Staubsauger hinter sich her, der im Geländer auf der Galerie stecken blieb.

Es war offensichtlich, dass nur ein Unfall als Todesursache in Frage kam. Mary Blakiston war allein im Haus. Ihre Schlüssel steckten in der Hintertür, die abgeschlossen war. Vor dem Haus arbeitete Brent, der jeden gesehen hätte, der hinein- oder hinausging. Überhaupt ist es keine gute Idee, jemanden die Treppe hinunterzustoßen, wenn man ihn umbringen will. In den meisten Fällen kommt es ja nur zu Knochenbrüchen und anderen Verletzungen.

Die Bewohner von Saxby-on-Avon waren allerdings anderer Meinung. Sie redeten plötzlich von Mord. Unter anderem deshalb, weil sich Mary Blakiston kurz zuvor öffentlich mit ihrem Sohn gestritten hatte. »Lass mich doch endlich in Ruhe!«, soll er gesagt haben. »Warum fällst du nicht einfach tot um, und ich hab’ meinen Frieden?« Vermutlich war es Robert gar nicht gleich klar, aber damit waren genau die Bedingungen entstanden, die sich Mary Blakiston vorgestellt hatte, als sie ihren Brief schrieb: Sie war eines gewaltsamen Todes gestorben, und ihr Sohn war der Hauptverdächtige.

Gemerkt hat er es erst eine Woche später, bei der Beerdigung. Reverend Osborne hat mir liebenswürdigerweise den Text seiner Predigt gegeben, und deshalb kenne ich den genauen Wortlaut: Gerade heute, wo wir von ihr Abschied nehmen voll Trauer, sollten wir uns daran erinnern, was sie uns hinterlassen hat. Das waren seine Worte, und er hat mir bestätigt, dass Robert sehr erschrocken war, als er das hörte, und schnell seine Augen bedeckt hat. Und das hatte einen Grund: Ihm war plötzlich der Brief eingefallen, den seine Mutter hinterlassen hatte.

Glücklicherweise waren Sir Magnus und Lady Pye zu diesem Zeitpunkt nicht in Saxby-on-Avon. Sie waren an der Côte d’Azur. Robert hatte nur wenig Zeit, und er handelte sofort. Noch in derselben Nacht ist er in Pye Hall eingebrochen. Wegen der eingeschlagenen Scheibe konnte er mühelos durch die Hintertür eindringen. Seine Aufgabe war klar: Er musste den Brief seiner Mutter finden und vernichten, ehe Sir Magnus zurückkam.«

Pünd warf Robert einen bedauernden Blick zu. »Sie müssen sehr zornig gewesen sein. Die ganze Sache war ja so unfair. Sie hatten ja nichts getan! Es war doch nicht Ihre Schuld, dass Ihre Mutter gestorben war. Aber wenn jemand den Brief las, würden die Geheimnisse Ihrer Kindheit bekannt werden und die Heirat würde nicht stattfinden.«

Pünd wandte sich Joy zu, die aussah, als würde sie bald in Tränen ausbrechen. »Ich weiß, das alles ist schwer zu ertragen für Sie, Miss Sanderling. Es macht mir keine Freude, Ihre Hoffnungen zu zerstören. Aber falls das ein Trost für Sie ist: Der Mann, der neben Ihnen sitzt, liebt Sie sehr. Und was er getan hat, ist nur deshalb geschehen, weil er hoffte, mit Ihnen zusammen zu sein.«

Joy sagte nichts, und Pünd fuhr fort.

»Robert durchsuchte das Haus, fand aber nichts. Sir Magnus hatte den Brief zusammen mit anderen wichtigen Dokumenten in seinen Safe im Arbeitszimmer gelegt. Der Panzerschrank war hinter einem Gemälde verborgen, und man brauchte eine komplizierte Kombination, um das Zahlenschloss öffnen zu können. Robert musste mit leeren Händen den Rückzug antreten.

Allerdings hatte er jetzt ein neues Problem: Er musste das Motiv für den Einbruch verschleiern. Wenn nichts gestohlen wurde, würde das Fragen aufwerfen, und wenn dann der Brief gefunden wurde, würde ihn das noch weiter belasten. Also griff er zu einer List. Er öffnete die Vitrine im Esszimmer, holte das Silber heraus, das in Dingle Dell gefunden worden war, und ließ auch noch etwas von Lady Pyes Schmuck mitgehen. Jetzt sah das Ganze wie ein gewöhnlicher Einbruch aus. Natürlich hatte er an der Beute gar kein Interesse. Das Risiko, sie zu verkaufen, war viel zu hoch. Also warf er den Schatz in den See. Dort wäre er wahrscheinlich auch nie entdeckt worden, wenn Robert nicht versehentlich eine silberne Schnalle verloren hätte, als er über den Rasen lief. Am nächsten Tag entdeckte Brent die Schnalle und verkaufte sie an Johnny Whitehead. So wurde der Schatz dann doch recht bald wiedergefunden – und damit wurde auch der wahre Grund für den Einbruch erkennbar.

Der Brief war im Safe geblieben. Sir Magnus kehrte aus Frankreich zurück. In den nächsten Tagen hatte er andere Dinge zu tun, und die Ungewissheit, was jetzt passieren würde, war schwer zu ertragen, nicht wahr, Robert? Was würde Sir Magnus tun? Würde er direkt zur Polizei gehen oder würde er Ihnen eine Gelegenheit geben sich zu erklären? Schließlich hat er Sie nach Pye Hall bestellt. Und zwar an dem Donnerstag, an dem seine Frau nach London gefahren war. Und damit kommen wir schließlich zum Tag des Verbrechens.

Sir Magnus hat den Brief gelesen. Wie er darauf reagiert, ist schwer einzuschätzen. Mit Sicherheit ist er schockiert. Verdächtigt er Robert Blakiston, seine Mutter ermordet zu haben? Möglich ist das durchaus. Aber er ist ein intelligenter und skeptischer Mann. Er kennt Robert seit Jahren und hat keine Angst vor ihm. Schließlich hat er mehrfach als Roberts Freund und Beschützer gehandelt. Trotzdem holt er seinen alten Dienstrevolver heraus und legt ihn griffbereit in die Schublade, wo ihn Inspektor Chubb später finden wird. Nur zur Sicherheit, sozusagen.

Um sieben Uhr schließt die Werkstatt. Robert geht nach Hause, wäscht sich und zieht sich etwas Ordentliches an. Er will Sir Magnus sagen, dass er unschuldig ist, und um sein Verständnis bitten. Gleichzeitig gibt es aber noch andere Akteure: Matthew Blakiston ist unterwegs aus Cardiff, um Unterstützung für seinen Sohn von Sir Magnus zu fordern. Brent, der gerade gefeuert worden ist, hat länger gearbeitet und geht in den Ferryman. Der Pfarrer hat eine Glaubenskrise und sucht in der Kirche Trost. Seine Frau macht sich Sorgen und fängt an, nach ihm zu suchen. Ihre Wege kreuzen sich, aber ein klares Muster ergibt sich nicht.

Ungefähr um zwanzig nach acht begibt sich Robert auf den Weg zu der schicksalhaften Begegnung. Vor der Kirche sieht er das Fahrrad des Pfarrers stehen und aus einer Laune heraus beschließt er, es sich zu leihen. Er ahnt nicht, dass sich der Pfarrer im Inneren der Kirche befindet. Er kommt ungesehen nach Pye Hall, stellt das Fahrrad am Pförtnerhaus ab und geht die Auffahrt hinauf. Er wird von Sir Magnus eingelassen, und was dann passiert ist, den eigentlichen Mord, beschreibe ich gleich. Lassen Sie mich zuvor noch einmal das Gesamtbild betrachten: Matthew Blakiston ist jetzt ebenfalls eingetroffen und stellt seinen Wagen neben dem Pförtnerhaus ab. Dort bemerkt er das Fahrrad. Er geht die Auffahrt hinauf und wird dabei von Brent beobachtet, der gerade Feierabend gemacht hat und auf dem Weg zum Ferryman ist. Blakiston klopft an die Tür, und ein paar Minuten später öffnet Sir Magnus.

Sie sind das?, ruft er. Sir Magnus ist überrascht, und das aus gutem Grund. Der Vater ist genau in dem Augenblick eingetroffen, als der Sohn sich bereits im Arbeitszimmer befindet, um eine äußerst heikle Angelegenheit zu besprechen. Sir Magnus nennt deshalb den Namen des neuen Besuchers nicht. Er will Robert nicht aufmerksam machen. Er soll nicht wissen, dass sein Vater in diesem kritischen Augenblick vor der Tür steht. Aber ehe er Blakiston endgültig wegschickt, stellt er ihm noch eine Frage: Glauben Sie wirklich, dass ich Ihren Hund umgebracht habe? Warum sollte er so eine Frage stellen, wenn er sich nicht gerade eben mit Robert darüber gestritten hatte? Auf jeden Fall schlägt Sir Magnus die Tür zu, und Matthew geht weg.

Dann kommt es zum Mord. Robert Blakiston stürzt aus dem Haus, er nimmt das Fahrrad und fährt davon. Es ist dunkel. Er erwartet nicht, irgendwem zu begegnen. Im Ferryman sitzt Brent und hört, als die Musik für einen Augenblick schweigt, das Fahrrad draußen vorbeifahren. Er nimmt an, dass es der Pfarrer ist. Robert stellt das Fahrrad zurück an die Kirche, aber weil es so viel Blut gegeben hat, ist eine ganze Menge davon an den Lenker des Fahrrads geraten, und als der Pfarrer aus der Kirche kommt und nach Hause radelt, schmiert er sich dieses Blut an sein Hemd. Mrs Osborne macht sich die größten Sorgen deswegen. Sie fürchtet, dass womöglich ihr Mann das Verbrechen begangen hat. Deshalb war sie so ängstlich, als sie mit mir gesprochen hat. Nun, die beiden werden die Wahrheit wohl bald erfahren.

Jetzt kommt es zu einer weiteren Wendung des Dramas. Matthew Blakiston hat es sich noch einmal überlegt und kehrt nach Pye Hall zurück, um Sir Magnus zur Rede zu stellen. Seinen Sohn verpasst er nur um wenige Minuten, aber als er durch den Briefschlitz späht, sieht er die Leiche im Haus liegen und fällt vor Schreck fast ins Blumenbeet. Er hinterlässt am Ende aber nur einen Abdruck seiner Hand in der weichen Erde. Er fürchtet, der Verdacht könne auf ihn fallen, und flüchtet, so schnell er kann, wird aber noch von Lady Pye gesehen, die gerade aus London zurückkommt. Lady Pye betritt das Haus und findet dort ihren Ehemann tot in der Halle.

Damit bleibt nur noch der eigentliche Mord übrig, den ich jetzt beschreiben will.

Sir Magnus empfängt Robert Blakiston in seinem Arbeitszimmer. Er hat den Brief bereitgelegt, den Mary Blakiston vor Jahren geschrieben hat. Sie erinnern sich vielleicht, dass das Bild, das den Safe verdeckt, immer noch leicht von der Wand abstand. Der Brief liegt auf dem Schreibtisch, und die beiden Männer reden über den Inhalt. Robert schwört, dass er nichts mit dem tragischen Tod seiner Mutter zu tun hat. Er habe nichts Böses getan. Sir Magnus müsse ihm das einfach glauben. Wie es der Zufall will, liegt noch ein weiterer Brief auf dem Tisch. Sir Magnus hat ihn am selben Tag erst erhalten. Er bezieht sich auf die bevorstehende Abholzung von Dingle Dell und enthält drohende Worte. Wie wir inzwischen wissen, stammt er von einer Dorfbewohnerin namens Diana Weaver, die sich der Schreibmaschine der Ärztin bedient hat.

Zwei Briefe, zwei Briefumschläge. Behalten Sie das im Gedächtnis.

Das Gespräch der beiden Männer verläuft nicht gut. Vielleicht hat Sir Magnus gedroht, seinen bisherigen Schützling bloßzustellen und anzuzeigen. Vielleicht hat er auch gesagt, er wolle noch einmal gründlich darüber nachdenken, ehe er zur Polizei geht. Ich vermute, dass Robert so bescheiden und vernünftig wie möglich war. Als ihn Sir Magnus hinausführt, lässt er sich nichts anmerken. Aber als sie in die Eingangshalle kommen, schlägt er zu. Die Ritterrüstung und das Schwert sind ihm schon aufgefallen, als er hineingeführt wurde. Das Schwert gleitet rasch aus der Scheide, denn Sir Magnus hat es ja erst vor kurzem benutzt, als er das Porträt seiner Frau attackiert und zerschnitten hat. Robert will sich nicht auf den guten Willen des Gutsherrn verlassen. Er will ganz sichergehen, dass er Joy Sanderling heiraten kann. Er schlägt Sir Magnus von hinten den Kopf ab. Dann kehrt er ins Arbeitszimmer zurück, um das Beweismaterial zu vernichten.

Und jetzt macht er zwei schwere Fehler. Er knüllt den Brief seiner Mutter zusammen und wirft ihn ins Feuer. Dabei verschmiert er ihn mit dem Blut von Sir Magnus, und diesen Fleck finden wir dann auf dem Papierfetzen, der nicht verbrannt ist. Aber was noch schlimmer ist: Er verbrennt den falschen Briefumschlag! Ich habe gleich gemerkt, dass da etwas nicht stimmte. Warum sollte der Absender den Brief mit der Maschine geschrieben haben, nur um dann auf dem Umschlag seine Handschrift doch zu verraten? Als wir herausgefunden hatten, dass Mrs Weaver den Brief geschrieben hatte, wollte ich sie danach fragen, aber da hatte ich leider diesen Schwächeanfall und bin nicht mehr dazu gekommen. Aber das ist egal: Wir haben den Umschlag, und wir haben Mary Blakistons Tagebuch, und die Handschrift ist in beiden Fällen dieselbe.«

Pünd war zum Ende gekommen. Es gab keine Schlusserklärung und kein großes Finale. Das war nicht sein Stil.

Chubb schüttelte den Kopf. »Robert Blakiston«, sagte er förmlich, »ich verhafte Sie unter dem dringenden Verdacht, den Grundbesitzer Sir Magnus Pye aus Saxby-on-Avon ermordet zu haben.« Er fügte die übliche Warnung hinzu, dass seine Aussagen gegen ihn verwendet werden könnten, und fragte dann: »Möchten Sie etwas sagen?«

In den letzten Minuten hatte Robert seinen Blick starr auf den Boden gerichtet, als ob er seine ganze Zukunft dort finden könnte. Aber plötzlich hob er das Gesicht, und man sah, wie die Tränen ihm übers Gesicht liefen. Fraser hatte das Gefühl, genau das dreizehnjährige Kind vor sich zu haben, das in einem Wutanfall seinen Bruder ertränkt hat und seither vor diesem Verbrechen davonläuft. Jetzt wandte Robert sich Joy zu und sagte: »Ich hab’ es für dich getan, Liebling. Dich zu treffen, war das Beste, was mir im Leben passiert ist, und ich wusste, ich konnte nur mit dir glücklich werden. Das wollte ich mir von niemandem wegnehmen lassen, und für dich würde ich es jederzeit wieder tun.«