Barone war erst kurz vor Mitternacht bei Carlos’ Junkie-Doktor fertig geworden, also war er gezwungen, über Nacht in Houston zu bleiben. Viel Schlaf bekam er allerdings nicht. Die Hand mit der Stichwunde ließ Barone immer wieder aufwachen, weil sie dumpf pochte und ihn daran erinnerte, dass sie noch wehtat. Keine Sorge, ich erinnere mich. Der Junkie-Doktor hatte Barone irgendwelche Tabletten gegen die Schmerzen gegeben, aber sie brachten nicht viel. Er nahm das Zweifache der vom Arzt empfohlenen Dosis und konnte kaum einen Unterschied feststellen. Er dachte, vielleicht waren die Pillen aus Zucker, und der Doktor hatte die guten selber behalten.
Der Arzt hatte Barone mitgeteilt, er habe Glück gehabt. Es sah nicht so aus, als hätte die Klinge Sehnen durchtrennt oder irgendeinen allzu gravierenden Schaden angerichtet. Bevor er sich daranmachte, die Hand zu nähen, nahm der Arzt erst mal eine Nase Koks. Angeblich beruhigte das seine Nerven. Sein Vater sei auch Arzt gewesen, erzählte er, und hätte mal in Chihuahua dem Banditen Pancho Villa eine Kugel aus dem Bein geholt. Barone sagte dem Doktor, er sollte die Klappe halten und sich lieber auf seine Arbeit konzentrieren. Der Doktor fuhr fort, während der ganzen Prozedur hätte Villas berüchtigter Compadre Rodolfo Fiero danebengestanden und seinem Vater die Pistole an den Kopf gehalten. Rodolfo Fiero, der später als el carnicero, der Schlächter, bekannt war.
Barone fragte den Doktor, ob er ihm auch mal eine Pistole an den Kopf halten sollte, ob ihm das helfen würde, sich zu konzentrieren? Der Doktor kicherte. Nein, nein, mein Freund, und nahm eine weitere Nase.
Am Sonntagmorgen fuhr Barone zurück zum Flughafen. Sein Flug ging erst um eins. Barone konnte es gar nicht erwarten, wieder nach Hause zu kommen. In New Orleans konnte er zu einem richtigen Arzt gehen, der nicht nur Fledermausflügel und Hühnerblut verschrieb. Carlos’ Doktor in New Orleans hatte eine luxuriöse Praxis auf der Canal Street. Er wohnte in einer Villa im Garden District und fuhr beim Mardi-Gras-Umzug auf einem Wagen mit. Von dem würde Barone die guten Tabletten bekommen.
Barone ging auf die Herrentoilette und sah unter dem Verband nach. Die Nähte an seiner Hand sahen einigermaßen gut aus. Es gab zwei, eine oben auf der Hand, die andere auf der Handfläche.
Im Terminal suchte er sich einen Sitzplatz in der Nähe des einzigen Fernsehers und sah sich an, wie Ruby Oswald erschoss. Danach stürzten sich die Bullen auf Ruby. Mitten im Polizeipräsidium hatte Ruby ohnehin nie eine Chance gehabt zu entkommen.
Ruby musste schon beim Betreten des Reviers gewusst haben, dass er keine Chance hatte. Warum hatte er es dann aber getan? Wie bekam man jemanden dazu, für einen auf den elektrischen Stuhl zu gehen? Carlos musste ihm mit etwas noch Schlimmerem als dem elektrischen Stuhl gedroht haben.
Kurz bevor sie ins Flugzeug steigen sollten, setzte sich ein Mann neben Barone. Er sah Barone nicht an.
»Ruf sie an«, sagte der Mann. »Sofort.«
Er stand auf und ging. Barone erhob sich ebenfalls und ging zum Münzfernsprecher hinüber.
»Ich hatte dich gebeten, gestern Abend anzurufen«, bemerkte Seraphine frostig.
»Ich rufe nur an, wenn’s ein Problem gibt«, antwortete Barone. »Es gab keins.«
»Du hattest im Shamrock übernachten sollen.«
»Warum musst du wissen, wo ich übernachte?«
Er hörte, wie ein Zündholz gerieben wurde und sich entzündete. »Es gibt eine Planänderung«, sagte Seraphine.
»Nicht für mich. Ich bin schon auf dem Heimweg.«
»Wir möchten, dass du in Houston bleibst.«
Barone beobachtete, wie die Stewardess seines Flugs herauskam, ihren Pillbox-Hut zurechtrückte und die Passagiere anlächelte, die am Gate warteten. Ihr Ticket, bitte. Barone stützte sich mit seiner lädierten Hand oben auf dem Fernsprecher ab. Kurzzeitig ließ der pochende Schmerz nach.
»Ich weiß, du warst fleißig, mon cher«, fuhr Seraphine fort. »Du musst erschöpft sein, aber die Pflicht ruft.«
»Ich steige gleich ins Flugzeug«, merkte Barone an.
»Ich habe doch gesagt, dass es mir leid tut.«
»Nein, hast du nicht. Will Carlos, dass ich in Houston bleibe, oder du?«
»Er hält gerade einen Mittagsschlaf«, entgegnete Seraphine pikiert. »Soll ich ihn wecken, damit ihr das diskutieren könnt?«
Blöde Kuh. »Um wen geht es?«
»Frank Guidry. Kennst du ihn?«
»Ich weiß, wen du meinst«, antwortete Barone. »Wusste gar nicht, dass der auf der Liste steht.«
»Remy hätte sich eigentlich darum kümmern sollen, weil du anderweitig zu tun hattest. Er sollte ihn gestern Abend am Rice abfangen, aber unser Freund ist nicht aufgetaucht. Sagt zumindest Remy.«
Es klang so, als ob Seraphine dasselbe vermutete wie Barone. Remy versuchte, seinen Fehler zu vertuschen. Er war dumm wie Bohnenstroh und hatte vermutlich seine Zielperson nervös gemacht. Aber zumindest hatte Barone jetzt etwas, wo er ansetzen konnte.
»Damit wir uns nicht missverstehen«, sprach Seraphine weiter. »Die Sache hat jetzt oberste Priorität.«
Weil ihr Mist gebaut habt und nicht mich, sondern Remy genommen habt. Natürlich sagte Barone das nicht laut. Seraphine wusste es sowieso schon. Sie wusste auch, dass Carlos es bereits wusste. Gut. Sollte sie doch ein bisschen zappeln.
»Hast du verstanden, mon cher?«, hakte sie nach.
»Hat Guidry eine Frau?«, fragte Barone.
Wenn Guidry eine Frau hatte, wäre Barones Auftrag einfach. Die Frau finden und darauf warten, dass Guidry sie anrief. Was er irgendwann tun würde, der Ehemann tat das immer. Und dann würde Barone der Frau das Telefon an den Mund halten. Guidry sollte sich ausmalen, was er bislang mit ihr angestellt hatte. Und auch, was er mit ihr anstellen würde, wenn Guidry nicht schleunigst wieder zurückkam.
»Nein, hat er nicht«, antwortete Seraphine.
»Exfrau?«, fragte Barone. »Freundin? Bruder oder Schwester?«
»Nein, niemanden.«
»Wie viele Leute hast du hier am Flughafen, die nach ihm Ausschau halten?«
»Zwei, seit gestern Abend. Dann noch zwei am Bahnhof und weitere zwei am Busbahnhof in Downtown. Zusätzlich habe ich alle in der Organisation informiert.«
»Ich werde einen neuen Wagen brauchen«, sagte Barone.
»Der schwarze Pontiac ganz hinten auf dem Parkplatz.«
Barone fuhr zurück in die Stadt. Im Rice teilte ihm der Mann an der Rezeption mit, die Nachtschicht beginne um vier. Barone wartete in der Bar. Die letzten beiden Tabletten spülte er mit einem Glas kaltem Bier hinunter.
Der Chef-Portier, mit seinen Epauletten und der Doppelreihe Messingknöpfe, sagte, ja, er wüsste, wen Barone meinte. Gutaussehender Typ, schick gekleidet, dunkles Haar und helle Augen. Ja, den hätte er gestern Abend gesehen. Gegen acht kam er aus der Lobby geschossen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
Barone hatte richtiggelegen. Remy hatte seine Chance vergeben, Guidry zu schnappen. Mach’s gut, Remy, nett, dich gekannt zu haben.
»Haben Sie ihm ein Taxi gerufen?«, erkundigte sich Barone bei dem Chef-Portier.
»So lange wollte er nicht warten.«
»In welche Richtung ist er denn ›geschossen‹?«
Barone ging bis zur Ecke Fannin Street. Dort sah er nach links und nach rechts. Zwei Blocks in südlicher Richtung die Fannin runter lag das Texas State Hotel. Wenn der Teufel hinter ihm her wäre und er dringend ein Taxi bräuchte, wäre dort, wo Barone hingehen würde.
Der erste Taxifahrer vor dem Texas State Hotel, mit dem er sprach, wusste überhaupt nichts. Der zweite schickte ihn zu einem dritten.
»Klar«, sagte der dritte Taxifahrer. »Den hab ich gestern Abend zum Flughafen kutschiert.«
»Sind Sie sich sicher, dass er’s war?«, fragte Barone.
»Klar bin ich mir sicher. Ich erinnere mich, weil er mir auf einen Fahrpreis von einen Dollar fünf Dollar Trinkgeld gegeben hat. Hab mir gedacht, der muss im Lotto gewonnen haben.«
Also hatte Guidry sich ein Taxi zum Flughafen genommen und war ins erste Flugzeug gestiegen, das Houston verlassen hatte. Seraphines Leute am Flughafen mussten ihn nur knapp verpasst haben. Aber sie würde in der Lage sein herauszubekommen, welchen Flug Guidry genommen hatte und wohin er ging.
»Um wie viel Uhr haben Sie ihn am Flughafen abgesetzt?«, fragte Barone weiter. »Die exakte Uhrzeit?«
»Ach, keine Ahnung. Lassen Sie mich überlegen. Halb neun oder so.«
Aber Moment mal, sagte sich Barone. Noch mal zurück. Guidry hatte fünf Dollar Trinkgeld auf einen Dollar Fahrpreis gegeben. Das war ein verdammt großes Trinkgeld. Entweder war Guidry bescheuert oder aber sehr schlau. Natürlich würde sich der Fahrer an ein Trinkgeld dieser Größenordnung erinnern. Vielleicht wollte Guidry, dass er sich daran erinnerte – und an ihn.
»Haben Sie ihn ins Gebäude gehen sehen?«, fragte Barone.
Der Taxifahrer war verwirrt. »Ob ich was?«
»Ob Sie gesehen haben, dass er durch die Tür ins Terminalgebäude gegangen ist?«
»Warum hätte er das nicht tun sollen? Keine Ahnung. Hab mich nicht lange dort aufgehalten. Ist nicht erlaubt, nachdem man einen Passagier abgesetzt hat. Um in der Taxispur zu warten, braucht man eine Genehmigung.«
Vom Fernsprecher in der Lobby des Texas State Hotel aus rief Barone Seraphine an.
»Einer deiner Jungs am Flughafen soll sich bei den Taxis erkundigen, ob er gestern Abend ein Taxi zurück in die Stadt genommen hat«, sagte Barone.
»Ein Taxi zurück vom Flughafen?«
»Habe ich doch gerade gesagt.«
Sie stellte ihm keine weiteren Fragen. Nach zwanzig Minuten rief sie ihn zurück.
»Einer der Fahrer sagt vielleicht, aber er ist sich nicht sicher.«
»Wo hat er den Fahrgast abgesetzt?«, fragte Barone.
»An der Ecke Lockwood und Sherman.«
Ein Viertel mit heruntergekommenen viktorianischen Häusern südöstlich von Downtown. Endlich machte Barone Fortschritte.
»Bist du dir da sicher, mon cher?«, fragte Seraphine. »Um neun Uhr ging ein Flug nach Miami, also …«
»Ist er clever?«, fragte Barone. »Guidry?«
»Ja.«
»Dann ist er noch in Houston. Wer in der Stadt schuldet ihm noch einen Gefallen?«
Seraphine dachte nach. »Ah.«
»Wer?«
»Dolly Carmichael wohnt in Second Ward. Bis vor ein, zwei Jahren hat sie die Clubs von Vincent Grilli geführt.«
Seraphine hatte eine Adresse für Dolly, nur zehn Minuten zu Fuß von wo? Von der Ecke Lockwood und Sherman, an der der Taxifahrer vom Flughafen seinen Gast abgesetzt hatte. Barone notierte sich die Adresse und legte auf. Vor dem Hotel sah er sich um. An der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite lümmelte ein schmächtiger junger Schwarzer herum. Barone überquerte die Straße.
»Kannst du Auto fahren?«, fragte Barone.
»Mann! Ob ich Auto fahren kann«, brummelte der schwarze Junge.
Wenn Barone weiterhin versuchte, den Pontiac nur mit links, also seiner unverletzten Hand, zu steuern und den Blinker zu bedienen, würde er früher oder später einen Unfall bauen.
»Du kriegst einen Dollar von mir, wenn du mich raus nach Second Ward fährst«, sagte Barone. »Ein Auto hab ich.«
»Mann! Ich krieg nen Dollar.«
»Zwei Dollar. Mein letztes Wort. Nimm’s oder lass es bleiben.«
Der schwarze Junge richtete sich zu seiner vollen Körpergröße auf und funkelte ihn wütend an. Er wog gerade mal 55 Kilo und konnte nicht älter als sechzehn sein.
»So ’n Kram mach ich nicht«, knurrte der Junge. »Sag ich Ihnen gleich. Wenn’s das ist, was Sie wollen.«
»Du sollst mich nach Second Ward fahren«, entgegnete Barone. »Das will ich. Wie alt bist du?«
»Achtzehn.«
Gelogen. »Dann mal los.«
»Was haben Sie an der Hand gemacht?«, fragte der schwarze Junge.
»Hab mich beim Rasieren geschnitten. Komm jetzt.«
Der Junge konnte tatsächlich Auto fahren, zumindest mehr oder weniger. Barone sorgte dafür, dass er sich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit hielt, vor jedem Abbiegen blinkte und bei Gelb an der Ampel hielt. Sie stellten den Wagen in der Nähe der Adresse auf der Edgewood Street ab.
Ein zweigeschossiges viktorianisches Gebäude mit weißen, verschnörkelten Einfassungen. Bepflanzte Blumenkästen und ein Vorgarten mit nur wenig Unkraut. Vor dem Nachbarhaus, gelb mit weißen Einfassungen, saß eine Mexikanerin auf der Veranda und wiegte ein Baby in den Armen.
»Mexikaner«, brummelte der schwarze Junge.
»Was hast du gegen Mexikaner?«, fragte Barone.
»Mann. Was ich gegen Mexikaner habe.«
»Ja. Was haben dir die Mexikaner jemals getan?«
»Gar nichts«, antwortete der Junge. »Sind Sie Mexikaner? Sehen gar nicht danach aus.«
»Nein, ich bin kein Mexikaner«, entgegnete Barone. »Was hat das damit zu tun?«
Wenig später war das Baby auf der Veranda eingeschlafen, und die Mexikanerin ging wieder hinein. Das Haus von Dolly Carmichael war dunkel, nur im ersten Stock brannte ein Licht. Barone sagte dem Jungen, er solle auf ihn warten.
Eine große Ulme schirmte Dollys Seiteneingang von der Straße ab. Barone knackte das Schloss. Die Kette war vorgeschoben, aber Barone hatte immer ein Gummiband im Portemonnaie. Er griff in den Türspalt und legte ein Ende des Gummibands um den Türknauf, das andere um den Knopf am Ende der Kette. Jetzt den Türknauf drehen. So einfach ging das. Die Kette rutschte aus der Halterung und baumelte nach unten.
Dolly war im Schlafzimmer zur Straße und zog sich gerade die Ohrringe aus. Sie drehte sich um, sah Barone und schrie nicht. Barone legte trotzdem den Finger an die Lippen und zog leise die Tür hinter sich zu.
»Setz dich«, befahl er.
Sie setzte sich auf die Bettkante. »Kann ich mir bitte einen Morgenrock anziehen?«
»Nein«, sagte Barone. Sie war älter, als er erwartet hatte. Ende sechzig, mindestens. Eine kampflustige alte Braut mit funkelnden Augen. »Wo ist er?«
»Bitte?«
»Wo ist er?«, wiederholte Barone.
»Wer?«
Er ging um das Bett herum und setzte sich neben sie. »In welchem Zimmer? Auf der linken oder rechten Flurseite?«
»Außer mir ist niemand hier«, antwortete sie. »Überzeug dich selbst.«
»Sag’s mir.«
»Ich habe keine Angst vor dir.«
Das hatte Barone schon öfter gehört. Allerdings immer nur am Anfang, nie am Ende. Er berührte ihr Ohrläppchen, da, wo sie den Ohrring herausgenommen hatte. Sie bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. Der alte Hase, der ihm die ganzen Tricks beigebracht hatte, hatte mal gesagt: »Die Angst vor dem Schmerz ist wesentlich schlimmer als der Schmerz selbst.« Dann hatte er ihm zugezwinkert. »Es sei denn, man weiß, was man tut.«
Auf einem Tisch in der Ecke stand ein tragbarer Plattenspieler und ein Stapel Schallplatten. Ganz oben auf dem Stapel lag Round About Midnight. ›Round Midnight‹ war der erste Song auf dem Album.
»Du magst Miles Davis?«, fragte Barone.
»Bring’s einfach hinter dich oder verschwinde aus meinem Haus«, sagte sie nur.
Barone wollte sie schon fragen, ob sie an Gott glaubte. Wahrscheinlich würde sie nein sagen. Oder ha! Aber vielleicht tat Barone es ja. Nicht an einen Gott mit einem weißen Rauschebart. Aber wenn das Leben aus Farbe, Lärm und Schmerz bestand, musste es einen Untergrund dafür geben, eine Leinwand für das Gemälde sozusagen. Freitagabend hatte er dem alten Mann in New Orleans zugehört, der ›Round Midnight‹ gespielt hatte. Das hatte ihn auf die Weihnachtsfeier im Mandina’s gebracht, was, wenn er jetzt darüber nachdachte, die Zeit und der Ort war, an dem er Frank Guidry zum ersten Mal gesehen hatte. Und jetzt war da schon wieder dieses Lied, in der Version von Miles Davis, hier im Zimmer dieser Alten.
»Er war hier«, sagte Barone. »Wo wollte er hin?«
»Herrgott noch mal, wer war hier?«
»Guidry.«
Ihre Verwirrung war echt. Das konnte er sehen. Man musste auf die Stirn achten, die Falte zwischen den Augenbrauen, wie der Betreffende die Lippe verzog. Das war noch etwas, das der alte Hase Barone beigebracht hatte.
»Frank Guidry? Du meinst Frank Guidry?«
Barone erhob sich. »Du kannst dir deinen Morgenrock anziehen.«
»Liebe Güte, ich hab Frank Guidry schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ist mindestens drei Jahre her.«
Er sah trotzdem in den anderen Zimmern nach, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Als er zurückkam, schenkte sie sich gerade einen Rye ein. Ihre Hand zitterte, und der Whisky floss über.
»Hast du irgendwelches Aspirin?«, fragte Barone.
»Im Bad. Im Medizinschränkchen.«
Er zerkaute vier Aspirin und spülte sie mit einem Schluck von ihrem Rye herunter. »Irgendeine Vermutung, wo er hinwollen könnte? Carlos wäre dankbar für deine Unterstützung.«
»Vermutlich wird er versuchen, das Land zu verlassen«, antwortete sie.
Das vermutete Barone ebenfalls. »Wer schuldet ihm einen Gefallen?«
Sie lachte, ein Geräusch wie eine Gerölllawine. »Wem hat Frank Guidry in seinem ganzen verdammten Leben je einen Gefallen getan?«
Barone machte sich auf den Weg zur Tür.
»Warte«, sagte sie.
»Was?«
»Deine Hand solltest du mal Doc Ortega zeigen. Seine Praxis ist gleich dahinten beim Navigation Boulevard.«
»Da war ich schon«, sagte Barone.
Aus einer Telefonzelle in der Scott Street rief er Seraphine an.
»Guidry ist nicht zu Dolly Carmichael gegangen«, berichtete Barone. »Er ist schlau.«
»Nicht schlimm, mon cher. Ich habe gute Neuigkeiten. Du hast eine lange Fahrt vor dir.«
»Wo geht’s hin?«, fragte Barone.
»Nach Goodnight, Texas.«
»Und was sind die guten Neuigkeiten?«
»Was einst verloren war, ist nun gefunden.«