26

Barone ließ den Fairlane Downtown in der Nähe des Bahnhofs stehen. Er wischte alles ab und räumte den Wagen leer. Der Junge hatte seine Windjacke und eine braune Papiertüte mit Zahnbürste, Zahnpasta und Pickelcreme dagelassen, die er unterwegs gekauft hatte. Barone knüllte die Jacke zusammen und stopfte sie gegenüber vom Golden Nugget in einen Mülleimer. Die braune Papiertüte warf er einen Block weiter in den Müll.

Dann nahm er ein Taxi raus zum Tropicana. Carlos’ Laden in Vegas. Vielleicht gehörte ihm auch nur ein großer Anteil, Barone wusste es nicht genau.

Dandy Stan Contini war das volle Programm: Ringe, Diamantanstecknadel, ein Gehstock mit geschnitztem Elfenbeinknauf. Aber unter all der Verkleidung war er nur schlaffe graue Haut und Knochen, bereits ein Gerippe, jeder Atemzug ein Todesröcheln. Er nahm Barone mit nach oben in sein Büro.

»Möchtest du einen Drink?«, fragte Contini. »Eine Kleinigkeit zu essen?«

»Nein.«

»Krebs, falls du dich gefragt hast. Magen und Lunge, den Hauptgewinn. Du bist also der berühmt-berüchtigte Paul Barone. Siehst auch nicht so kerngesund aus, wenn ich das anmerken darf.«

»Was wissen Sie über Guidry?«, fragte Barone.

Contini hatte einen Hustenanfall, der gar nicht mehr aufzuhören schien. Er rammte seinen Spazierstock in den Teppich und klammerte sich daran fest, als könnte der Husten ihn andernfalls auseinanderbrechen lassen. Der geschnitzte Elfenbeinknauf des Spazierstocks stellte ein Damenbein im Netzstrumpf dar.

Schließlich hatte Contini sich ausgehustet. Mit einem Taschentuch, das farblich zu seinem Krawattenschal passte, wischte er sich die Stirn. »Ich bitte um Entschuldigung.«

»Was wissen Sie über Guidry?«, wiederholte Barone.

»Bislang noch gar nichts«, entgegnete Contini. »Meine Jungs sind schon dabei, sich ein bisschen umzuhören. Wenn er in Vegas ist, werde ich bald Genaueres wissen.«

»Ich werd mich auch selbst mal ein bisschen umhören.«

»Bitte sehr. Ich habe nichts dagegen.«

Barone hatte ihn nicht um Erlaubnis gebeten. »Sonst noch was?«

»Sei diskret. Wir sind hier in Vegas. Hat Seraphine dir das erklärt?«

Mann. Ob Seraphine ihm das erklärt hatte. Barone konnte die Stimme des Jungen hören. Fast hätte er gelächelt. Stattdessen stand er auf. »Wenn Sie irgendetwas hören, muss ich sofort Bescheid wissen.«

Contini kritzelte etwas auf einen Block und riss die Seite ab. »Nimm das mit runter an die Rezeption. Slim wird dir ein Zimmer besorgen. Du kannst dich telefonisch nach deinen Nachrichten erkundigen. Was noch?«

»Ich brauche einen Wagen.«

»Sag einfach Slim Bescheid«, sagte Contini. »Er besorgt dir einen. Wenn du willst, dass …«

Wieder musste er husten. Auf dem Weg zur Tür hielt Barone inne. »Wie lange haben sie Ihnen gegeben?«, fragte er. »Die Ärzte meine ich.«

Contini hustete noch immer und winkte ab. Auf jeden Fall zu lange.

Von Barones Zimmer im Tropicana konnte man den Strip sehen. Der Zimmerservice brachte ihm ein Steak. Er aß ein paar Bissen. Mit dem Rye ging er sparsam um, nur einen Schluck auf Eis. Er nahm eine Schmerztablette. Das Fläschchen mit den anderen Tabletten … wo war das? Oh. Na wo wohl, noch in der Tasche des Jungen. Kein Problem. Barone fühlte sich gut, und er hatte auch langsam wieder Appetit, ein gutes Zeichen. Er rief Seraphine an und gab ihr seine Nummer im Tropicana.

Das Dunes. Dort fing er an, nur ein Stück die Straße rauf. Das Casino war gerammelt voll, es gab kaum ein Durchkommen. Vorstadtspießer, mit weit aufgerissenen Augen, aufgetakelt bis zum Gehtnichtmehr und kreischend vor Lachen, amüsierten sich hier übers Wochenende und hielten sich die Zigaretten über den Kopf, während sie durch die Menge liefen, damit sie niemanden ankokelten.

Ich bin Privatdetektiv. Ich suche jemanden, einen Mann. Er ist mit den Löhnen seiner Firma abgehauen, und sein Chef hat mich beauftragt, ihn zu finden. Er hat seine Frau und die Kinder dabei, zwei kleine Mädchen.

Croupiers, Bartender, Cocktail-Kellnerinnen, Hotelpagen. Ein Hausdetektiv kam herüber und fragte Barone, wer zum Teufel er sei und was zum Teufel er sich einbildete.

»Ich bin Privatdetektiv.« Die ganze Litanei.

»Verpiss dich, Kumpel«, knurrte der Hausdetektiv.

Das tat Barone. Er war sowieso fertig mit dem Dunes.

Das Stardust, das Sands.

Fehlanzeige. Alle halbe Stunde rief er im Tropicana an, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte.

Am Sonntag nahm er sich den restlichen Strip vor. Das Sahara. Das New Frontier. Das Flamingo. Der Hausdetektiv im Desert Inn machte einen auf hart. Barone hielt sich zurück. Dann probierte er es in den Hotels in Downtown. Das Mint. Er spürte, dass er wieder Fieber bekam. Aber Paul Barone gab niemals auf. Benny Binion’s Horseshoe.

Nichts, aber auch gar nichts.

Wo zur Hölle steckte Guidry? Am Sonntagabend um acht ging Barone auf sein Zimmer, um sich auszuruhen. Eine schnelle Verschnaufpause. Er rief die Rezeption an und ließ sich eine Stunde später wecken.

Aber er konnte nicht schlafen. Er lag einfach nur da in dem brütend heißen Zimmer, während Licht vom Strip durch einen Spalt in den Vorhängen hereinsickerte. Ihm wurde bewusst, dass er die ganze Zeit in der falschen Spur und in die falsche Richtung unterwegs gewesen war. Guidry würde niemals in einem der großen, noblen Läden absteigen. Zu viele Leute, zu viele neugierige Augenpaare; jemand könnte ihn erkennen. Er war in einem der unzähligen kleinen Motels in der Stadt. Das Del Rey, das Monie Marie, das Sunrise, das Royal Vegas. Halt, nein, das fühlte sich auch nicht richtig an. Nicht genug Leute, Guidry hätte Bedenken, zu sehr aufzufallen.

Barone stand auf, ging nach unten und stieß im Showroom auf Dandy Stan Contini. Contini legte gerade einen Tapdance hin und wirbelte seinen Spazierstock. »Seht mich an!«, sang er. »Ich bin tot und fühl mich richtig gut dabei!«

Nein. Das passierte nicht wirklich. Das war das Fieber. Der schwarze Junge, der sich umdrehte und ihn ansah. Theodore, nennen Sie mich nicht Ted, nennen Sie mich auch nicht Teddy. Das war ebenfalls das Fieber. Der Junge mit dem Einschussloch im Kopf, der Barone ansah, bevor er überhaupt abgedrückt hatte.

Um acht Uhr morgens wachte Barone auf. Montag. Er zog die Vorhänge auf, und der plötzliche Schwall grellweißen Wüstenlichts traf ihn wie ein Faustschlag ins Gesicht. Seine lädierte Hand tat wieder höllisch weh. Er sollte zu einem Arzt gehen. Schön, aber zuerst gab es da einen Verdacht, den er überprüfen musste. Er bat die Zentrale, ihn zu Dandy Stan Contini durchzustellen.

»Ich habe immer noch nichts gehört«, sagte Contini.

»Wo wohnen hier Familien?«, fragte Barone.

»Was meinst du damit?«

»Wenn man mit der Familie nach Vegas kommt. Gibt es so einen Laden?«

»Wer bringt denn seine Familie mit nach Vegas? Aber wenn, dann das Hacienda.«

Das Hacienda lag etwa eine Meile südlich des Tropicana, ganz abgelegen im Niemandsland gegenüber dem Flughafen. Barone saß im Auto auf dem Parkplatz und beobachtete das Kommen und Gehen. Zum Teil handelte es sich um das übliche Publikum, die Wölfe und Schafe, die man überall auf dem Strip sah, aber auch etliche Familien. Ein Vater und seine beiden Söhne im Teenageralter in identischen karierten Golfhosen. Ein kleines Mädchen im roten Samtkleid, das auf einem Bein hüpfte. Der Hotelportier mit einer Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf verteilte Zuckerstangen in Spazierstockform an alle Kinder, die vorbeikamen.

Guidry war hier. Barone hatte keine Ahnung, woher er das wusste, aber er wusste es.

Er betrat das Hotel und zahlte für ein Zimmer. Der Poolblick kostete zwei Dollar extra. Klar, warum nicht.

Vom Coffeeshop hatte man freie Sicht auf die Türen der Lobby. Barone setzte sich an die Theke. Er bestellte Koteletts und schwarzen Kaffee. Den Zimmerschlüssel legte er neben seinen Teller, damit die Kellnerin ihn sehen konnte. Vermutlich würde er sich hier längere Zeit aufhalten müssen, und er wollte sich keinen Ärger einhandeln.

Es stand nicht zu befürchten, dass Guidry ihn erkennen könnte. Guidry kannte zwar seinen Namen, wusste aber nicht, wie Barone aussah. Sie hatten sich nur zweimal im selben Raum aufgehalten, und das vor Jahren. Auf der Party damals hatte Guidry mit einem breiten Lächeln die großen Tiere umtan; Barone war nur ein weiteres, leicht wieder zu vergessendes Gesicht in der Menge gewesen. Aber eines, das Guidry genau beobachtet hatte, das alle auf dieser Party genau beobachtet hatte.

»Soll ich Ihnen Kaffee nachschenken, Schätzchen?«, fragte die Kellnerin.

»Ja«, sagte Barone. »Und bringen Sie mir Eiswasser.«

»Hatten Sie heute Glück an den Spieltischen?«

»Bislang noch nicht.«

Ein paar Stunden darauf, kurz vor Mittag, sah Barone Guidry aus dem Aufzug kommen. Er war in Begleitung einer Frau, derjenigen, die er als Tarnung benutzte, sowie der beiden kleinen Mädchen. Guidry sagte etwas zu der Frau, und sie lächelte. Der Hotelportier mit der Weihnachtsmannmütze hielt ihnen die Türen auf.

Barone ließ sich Zeit und gab Guidry reichlich Vorsprung. Er bezahlte seine Rechnung, nahm sich einen Zahnstocher aus der Schale und schlenderte gemütlich aus dem Coffeeshop. Durch die großen Glastüren der Lobby beobachtete er, wie Guidry, die Frau und die beiden kleinen Mädchen in einen grünen Rolls stiegen. Ohne Koffer. Er sah den Rolls davonfahren. Also würden sie wiederkommen.

Er trat vor das Hotel und sah sich um.

»Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«, fragte der Portier.

»Ach je«, sagte Barone geknickt. »Ich muss sie wohl verpasst haben.«

»Wen denn, Sir?«

»Meinen Freund und seine Frau. Sie haben nicht zufällig gerade jemanden in einen Rolls-Royce steigen sehen, oder?«

»Doch, natürlich. Mr. und Mrs. Wainwright.«

Also hatte Guidry sich noch keinen neuen Namen zugelegt. Er nahm die Dinge nicht mehr so genau, fing an, sich ein wenig zu entspannen. Gut so. Oder er musste den Namen beibehalten, damit die Frau keinen Verdacht schöpfte.

»Seien Sie so gut und erzählen Sie ihnen nichts davon«, bat Barone den Portier. »Es soll eine Überraschung sein. Ich bin zur Party für ihren Hochzeitstag hier. Die soll auch eine Überraschung sein.«

Die Bar. Barone bestellte Rye auf Eis und nahm noch zwei Schmerztabletten. Wie ging es jetzt weiter? Diesen Teil seiner Arbeit mochte er am liebsten. Sämtliche Einzelteile, die Zahnrädchen, Antriebsfedern und Schrauben, lagen ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch. Dann probierte er dies, probierte das. Fügte alles richtig zusammen, zog die fertige Uhr auf und sah zu, wie sie anfing zu ticken.

Die Frau und die beiden Mädchen machten das Ganze interessant. Barone würde sie sich lieber getrennt von Guidry vornehmen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, wie er Guidry nach unten locken konnte – alleine. Dann musste er ihn irgendwie in den Wagen bekommen, mit ihm irgendwohin fahren, wo es schön ruhig war, und danach zurückkommen und sich um die anderen kümmern.

Hallo, Frank. Machen wir einen kleinen Ausflug.

Aber Guidry könnte für Aufruhr sorgen. Einmal war er schon entkommen, in Houston. Die meisten gaben irgendwann auf und fügten sich dem Unausweichlichen. Aber manche schlugen um sich bis zum bitteren Ende. Schön für sie, solange es nicht Barone war, der es abbekam. Er erinnerte sich an seinen alten Kumpel Fisk in Houston. Und seine schmerzende Hand erinnerte sich an das Messer dieses Mistkerls.

Er bestellte sich noch etwas Eis für seinen Drink. Der Barmann hackte einen großen Klumpen klein. Barone beobachtete, wie der Eispickel aufblitzte und die glitzernden Kristalle wegstoben.

Machen wir einen kleinen Ausflug, Frank. Benimm dich und ich werde die Frau und ihre Kinder nicht anrühren.

Nein. Guidry würde es ihm nicht abkaufen. Er war nicht blöd. Und es würde ihn ohnehin nicht jucken, was mit der Frau und den Kindern passierte.

Er durfte Guidry nichts geben, wo er ansetzen konnte. Er musste sein Zimmer ausfindig machen, das Schloss aufbrechen und ihn bewusstlos schlagen, sobald er hereinkam. Seinen Totschläger, einen mit Bleikugeln gefüllten Lederknüppel, hatte Barone immer dabei.

Wohnten die Frau und ihre Töchter im selben Zimmer wie Guidry? Barone würde sie zwingen, im Badezimmer zu warten, während er Guidry mit dem Gürtel erledigte. Danach konnte Stan Contini ein paar Jungs zum Aufräumen schicken. Im Hotel gäbe es für ihn nur die eine Leiche zu entsorgen. Keine allzu große Sauerei. Um die Frau und ihre Kinder würde Barone sich irgendwo kümmern, wo er ganz ungestört war.

Wir machen einen kleinen Ausflug, Lady. Sie und ihre Töchter. Keine Sorge, ich werde Ihnen nichts tun.

Sie würde es ihm abkaufen. Ich werde Ihnen nichts tun. Sie würde es ihm abkaufen, weil sie mit ganzem Herzen daran glauben wollte.

Barone hielt sich das Glas mit den Eiswürfeln an die Stirn und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, saß ein Mann auf dem Barhocker rechts neben ihm. Ein zweiter ließ sich auf den Hocker links von ihm gleiten. Im Spiegel sah Barone sich die beiden genau an. Bullige Kerle, alle beide, und ein Lächeln, als könnten sie keiner Fliege etwas zuleide tun.

Das Muskelpaket zu seiner Rechten hielt eine .45er im Schoß, so weit unten, dass der Barmann sie nicht sehen konnte. »Mr. Barone«, sagte er. »Willkommen in Las Vegas.«

»Ich bin geschäftlich hier«, entgegnete Barone.

»Was Sie nicht sagen. Deshalb will sich mein Auftraggeber auch mit Ihnen unterhalten.«

Barone fühlte sich zu fiebrig und war zu müde, um diese unvorhergesehene Wendung komisch zu finden. »Wir machen einen kleinen Ausflug?«

Der Fleischberg rechts wechselte einen raschen Blick mit seinem Partner. Aus nächster Nähe wirkte Barone gar nicht wie der knallharte, eiskalte Typ, vor dem man sie gewarnt hatte.

»Ganz genau, Mr. Barone. Keine Aufregung, in Ordnung? Wir sind alle Freunde hier.«

»Aber natürlich sind wir das«, murmelte Barone.

Sie nahmen Barone seinen Police Positive ab und fuhren mit ihm rauf zum Desert Inn. Barone saß auf dem Rücksitz und hing seinen eigenen Gedanken nach. So etwas wie Erinnerungen, aber nicht ganz. Plötzlich hatte er den Geschmack von Erdbeeren im Mund. Irgendwo in seinem Kopf spielte leise ein Song.

Vorbei an den vergitterten Schaltern, einen Korridor entlang, mit dem Aufzug nach oben. Die Tür zum Büro, geschnitztes Holz mit einem schwarzen Schmiedeeisengitter, sah aus, als stamme sie direkt von einem Dom in Deutschland.

»Nach Ihnen, Mr. Barone«, sagte das Muskelpaket, das für das Reden zuständig war.

Der Mann hinter dem Schreibtisch hatte einen Weltklasse-Zinken und freundliche Augenbrauen. Dicke Brillengläser in einer schwarzen Plastikfassung.

»Sie wissen, wer ich bin?«, fragte er.

»Moe Dalitz«, antwortete Barone.

»Also wissen Sie auch, dass ich die Geschäfte in dieser Stadt leite.«

»Für die Jungs an der Ostküste.«

Der Fleischberg hinter Barone erstarrte und wurde unruhig. Barone konnte es spüren. Aber Moe Dalitz grinste nur. Er tippte sich mit dem Finger an die prominente Nase.

»Ganz genau. Wie auch Sie, Mr. Barone, diene ich dem Allgemeinwohl. Sozusagen der Gesellschaft als Ganzem.«

»Wer hat Ihnen den Tipp gegeben?« Barone konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Nur Stan Contini wusste, dass er sich im Hacienda aufhielt. Und Stan Contini hatte keine Veranlassung, Moe Dalitz in die Angelegenheit mit hineinzuziehen. Sogar ganz im Gegenteil.

»Wer mir den Tipp gegeben hat?«, fragte Dalitz. »Niemand. Sie haben mordsmäßig viel Aufsehen erregt: sich überall umgehört, aufdringliche Fragen gestellt.«

Er log. Wenn Dalitz ihn seit Samstag oder Sonntag hatte beschatten lassen, hätte Barone es bemerkt. Allerdings waren Barone Dalitz’ Jungs vorhin gar nicht aufgefallen. Erst als sie in die Bar gekommen waren und sich direkt neben ihn gesetzt hatten.

Barone wusste, dass er nachließ. Das war das Fieber. Trotzdem hatte jemand Dalitz einen Hinweis gegeben.

»Ich empfinde ungeheueren Respekt für Sie, Mr. Barone«, fuhr Dalitz fort. »Für Ihren Arbeitgeber empfinde ich ebenfalls ungeheuren Respekt. Aber hier in Las Vegas haben wir eine bestimmte Art, Geschäfte zu machen.«

»Ist eine offene Stadt«, bemerkte Barone.

»Auch das ist richtig. Sie ist es, weil alle sich darauf verständigt haben. Und weil alle sich darauf verständigt haben, sich an die Regeln zu halten.«

Was zum Teufel für Regeln? Während Barone hier mit Moe Dalitz’ Schwanz in der Hand herumstand und Zeit verschwendete, war Frank Guidry schon auf dem Rückweg ins Hacienda. Er packte gerade seinen Koffer, machte sich auf den Weg zum Flughafen und verschwand für immer. Das Ganze, die gesamte letzte Woche, der Junge tot in einem Graben in der Wüste, war vollkommen umsonst gewesen.

»In einem Fall wie diesem«, sprach Dalitz weiter, »muss das Komitee einen Blick auf die Sache werfen. Die Einzelheiten abwägen, Sie verstehen. Und dann geben wir grünes Licht – oder eben nicht.«

»Rufen Sie Carlos an«, sagte Barone.

»Das werde ich. Ich werde alles mit dem Komitee besprechen. Machen Sie es sich in der Zwischenzeit gemütlich. Ruhen Sie sich ein wenig aus.«

»Rufen Sie ihn jetzt gleich an.«

»Ich weiß, Sie haben es eilig. Das verstehe ich.« Moe Dalitz zuckte die Achseln, hielt jedoch auf halbem Wege, die Schultern auf Höhe der Ohren, inne: Aber was soll ich machen?

Wer hatte Dalitz den Hinweis gegeben? Jemand, der ihm einen Knüppel zwischen die Beine werfen und Guidry noch einen Augenblick länger am Leben erhalten wollte. Oder ließ Barone tatsächlich nach, und Moe Dalitz sagte die Wahrheit? Hatte Barone nicht bemerkt, dass er beschattet wurde?

»Die Jungs hier werden sich um Sie kümmern«, sagte Dalitz. »Wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich. Mir gehört ein kleiner Laden unten in Searchlight. Das El Condor. Wird Ihnen gefallen. Craps, Mädchen, was immer sie wollen, geht alles aufs Haus, bis Sie Ihr grünes Licht haben. Das werden Sie bekommen, nur Geduld. In Ordnung?«

Die Augenbrauen wirkten freundlich und harmlos, die Augen selbst jedoch ganz und gar nicht. Dalitz war es egal, ob Barone einverstanden war. Zwing mich nicht, grob zu werden. Das war es, was Dalitz ihm eigentlich zu verstehen geben wollte. Lebendig bist du schon ein Riesenproblem für mich, da brauche ich dich nicht auch noch tot. Ich will dich nicht umbringen müssen.

»Meine Zielperson«, sagte Barone. »Was ist mit der?«

»Wir werden dafür sorgen, dass der Mann nirgendwohin geht. Machen Sie sich keine Sorgen. Wer ist er überhaupt, dieser Wainwright-Junge, auf den Sie so scharf sind?«

»Rufen Sie Carlos an.«

»Wenn er will, dass ich es weiß, wird er’s mir schon sagen, genau. Gut gemacht. Jemanden wie Sie könnte ich hier gut gebrauchen.«

Barone könnte ihn zwar weiter bearbeiten. Aber es wäre reine Zeitverschwendung. Eine letzte Frage hatte er noch.

»Wer hier in der Stadt hat einen grünen Rolls?«

»Einen grünen Rolls? Sagt mir überhaupt nichts.«

Dalitz’ Gesicht war die geballte Ausdruckslosigkeit, ein Sinnbild aalglatter Leere. Barone wusste nicht, ob er log, keinen Hinweis bekommen zu haben oder den Rolls nicht zu kennen. Halt dich an das, was du am besten kannst, mon cher, hatte Seraphine Barone einmal empfohlen, als sie ihn dabei ertappte hatte, wie er versuchte, ihre wahren Absichten zu erraten.

Barone nickte Moe Dalitz zum Einverständnis zu. Respektvoll. Leck mich. Seraphines Rat war gut. Barone würde sich an das halten, was er am besten konnte.

Er dreht sich zu dem Kraftprotz um. »Gehen wir. Du gehst voran.«